Der Bundesrat hat in seiner 977. Sitzung am 17. Mai 2019 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die den Ländern und Kommunen entstehenden Kosten umfassend darzulegen.
Begründung:
Die Konkretisierung und Ergänzung fehlender Angaben zum Erfüllungsaufwand der Verwaltung soll laut Gesetzentwurf durch Nacherfassung bis Ende August 2019 erfolgen und dem Normenkontrollrat (NKR) übermittelt werden. Dies ist aus Sicht der Länder nicht ausreichend. Ein umfassend bezifferter Erfüllungsaufwand der Verwaltung wird im Gesetzgebungsverfahren benötigt, da er Teil der Entscheidungsgrundlage für einen Gesetzesbeschluss ist. Eine Nacherfassung bis Ende August 2019, wie zwischen der Bundesregierung und dem NKR vereinbart, sichert nicht ausreichend die Belange der Länder.
2. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 11 Absatz 5a Satz 1 AufenthG)
In Artikel 1 Nummer 4 § 11 Absatz 5a Satz 1 sind nach dem Wort "Deutschland" die Wörter ", einer Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung" einzufügen.
Begründung:
Auch gegen Personen, die eine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung darstellen, sollten lange Einreiseverbote ermöglicht werden.
Bei Extremisten ohne Bezug zu einer speziellen Terrororganisation, denen (noch) keine konkreten Anschlagspläne nachgewiesen werden können, kann die Ausweisung nur wegen einer Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung erfolgen. Auch bei diesem Personenkreis besteht ein öffentliches Interesse an einer langen Fernhaltung vom Bundesgebiet.
3. Zu Artikel 1 Nummer 9 (§ 48 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 AufenthG)
In Artikel 1 Nummer 9 ist § 48 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 wie folgt zu ändern:
- a) Nach den Wörtern "entzogen worden ist" sind die Wörter ", ihm nach § 6a des Personalausweisgesetzes der deutsche Personalausweis versagt oder entzogen worden ist" einzufügen.
- b) Die Wörter ", wenn Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer beabsichtigt, das Bundesgebiet zu verlassen" sind zu streichen.
Begründung:
Die im Gesetzentwurf vorgesehene Fassung orientiert sich allein am Wortlaut des § 10 Absatz 1 PassG, der aber aufgrund der mittlerweile möglichen Versagung und Entziehung von Personalausweisen (vergleiche § 6a PAuswG) nicht mehr dem neuesten Stand entspricht. Die Änderung ist deshalb an den aktuellen Rechtsstand im Personalausweisgesetz anzupassen.
Die im Gesetzentwurf vorgesehenen zusätzlichen Voraussetzungen "wenn Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer beabsichtigt, das Bundesgebiet zu verlassen" sind entbehrlich, da im Fall der Anordnung der im Passgesetz und Personalausweisgesetz bestehenden Möglichkeiten der Versagung bzw. Entziehung der Personaldokumente oder der Beschränkung auf das Bundesgebiet ohnehin das Vorliegen gerichtsverwertbarer Tatsachen vorauszusetzen ist ("wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen") und § 7 Absatz 1 PassG in seinem Katalog eine mögliche Ausreise impliziert.
4. Zu Artikel 1 Nummer 11 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb (§ 54 Absatz 2 Nummer 1a AufenthG)
In Artikel 1 Nummer 11 Buchstabe b ist Doppelbuchstabe bb wie folgt zu fassen:
"bb) Nummer 1a wird wie folgt gefasst:
"1a. wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten, die ausweislich des Urteils aus einem nach § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes missbilligten Grund begangen worden sind, rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist.""
Begründung:
Die Zahl antisemitischer Hassstraftaten ist in den letzten Jahren angestiegen. Im Jahr 2017 wurden 1 504 Fälle verzeichnet. Daneben wurden in der öffentlichen Wahrnehmung vermehrt Fälle aufgenommen, in denen in Deutschland lebende Juden nicht nur Opfer von Straftaten, sondern auch niederschwelliger Verhaltensweisen wie Mobbing wurden. Als Sanktionen sind nach bisheriger Rechtslage neben der Strafbarkeit verschiedener Begehungsweisen (Ehr- oder Körperverletzungsdelikte, gegebenenfalls Nachstellung) und zivilrechtlicher Möglichkeiten (Unterlassungsansprüche) gegebenenfalls auch schulspezifische Sanktionsmöglichkeiten nach Landesrecht sowie Interventionsmöglichkeiten nach Jugendhilferecht, in extremen Fällen bis hin zur Entziehung der Personensorge möglich. Aufenthaltsrechtlich kann jede Straftat - je nach Tat in unterschiedlichem Ausmaß - zu einem Ausweisungsinteresse führen, das bei einer Entscheidung über eine Ausweisung gegen gesetzlich detailliert geregelte Bleibeinteressen (etwa Dauer des Aufenthalts, Aufenthaltsstatus, familiäre Situation) abzuwägen ist. Ein besonders schweres Ausweisungsinteresse ist gesetzlich normiert für Fälle, in denen ein Ausländer zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft, insbesondere indem er Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift.
Durch eine explizite, detailliertere Regelung, die auch zunächst ohne breite Öffentlichkeit stattfindende hassmotivierte Angriffe aufenthaltsrechtlich sanktioniert, wird klargestellt, dass man sich durch entsprechendes Handeln aus der Gemeinschaft ausschließt. Dementsprechend ist nach der Neuregelung in § 54 Absatz 2 Nummer 1a AufenthG-E ein schweres Ausweisungsinteresse gegeben, wenn die die Verurteilung begründende Straftat gesetzlich missbilligte Diskriminierungsgründe nach § 1 AGG (Rasse bzw. ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexuelle Identität) zum Gegenstand hat.
Das Tatbestandsmerkmal "ausweislich des Urteils" schreibt fest, dass die Ausländerbehörde bzw. zuständige Stelle anhand der Urteilsgründe zu prüfen hat, ob die Verurteilung aufgrund eines Grundes nach § 1 AGG erfolgt ist. Hierbei können eventuelle gerichtliche Feststellungen zu Beweggründen nach § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB herangezogen werden. Ein Hervorgehen aus dem Tenor des Urteils ist nicht erforderlich.
5. Zu Artikel 1 Nummer 13a - neu - (§ 56a Überschrift, Absatz 1 Satz 2 - neu -, Absatz 3 Satz 3, 4, Absatz 6, 6a - neu -, 9 Satz 1 AufenthG)
In Artikel 1 ist nach Nummer 13 folgende Nummer einzufügen:
"13a. § 56a wird wie folgt geändert:
- a) In der Überschrift wird das Wort " ; Verordnungsermächtigung" gestrichen.
- b) Dem Absatz 1 wird folgender Satz angefügt:
"Die Verpflichtung nach Satz 1 umfasst auch die Verpflichtung, ein zur Verfügung gestelltes Mobiltelefon ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und dessen Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen."
- c) In Absatz 3 werden Satz 3 und 4 gestrichen.
- d) In Absatz 6 werden die Wörter "hat die zuständige Stelle im Sinne des Absatzes 3" durch das Wort "sind" ersetzt.
- e) Nach Absatz 6 wird folgender Absatz eingefügt:
(6a) Die Ausländerbehörde kann Aufgaben nach Absatz 3 und 6 durch eine länderübergreifende Stelle oder eine von einem anderen Land oder vom Bund eingerichtete Stelle in ihrem Namen wahrnehmen lassen."
- f) In Absatz 9 Satz 1 werden die Wörter "zuständige Stelle im Sinne des Absatzes 3" durch das Wort "Ausländerbehörde" ersetzt."
Folgeänderung:
In Artikel 1 Nummer 1 ist dem Buchstaben a folgender Buchstabe voranzustellen:
"a0) In der Angabe zu § 56a wird das Wort " ; Verordnungsermächtigung" gestrichen."
Begründung:
Die aktuelle Fassung des § 56a AufenthG trägt den Bedürfnissen der Länder nicht ausreichend Rechnung. Insbesondere führt die in § 56 Absatz 3 Satz 3 und 4 AufenthG vorgesehene Möglichkeit der Zuständigkeitsübertragung durch Verordnung zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit, ob für den Vollzug des § 56a AufenthG durch gemeinsame Einrichtungen der Länder eine aufenthaltsrechtliche Zuständigkeitsübertragung auf diese Stellen erforderlich wird. Eine Zuständigkeitsübertragung auf eine gemeinsame Einrichtung wird von mehreren Ländern abgelehnt, da dies nach derzeitigem Rechtsstand eine Verschiebung der Gerichtszuständigkeit an den Sitz der gemeinsamen Einrichtung auslösen würde. Zudem ist in einem Teil der Länder kraft Landesverfassungsrecht eine Zuständigkeitsübertragung auf ein anderes Land nur durch formelles Gesetz möglich.
Zu Buchstabe a:
Aufgrund der Streichung der Verordnungsermächtigung in § 56a Absatz 3 AufenthG ist die Überschrift anzupassen.
Zu Buchstabe b:
Mit dem neuen Satz 2 in § 56a Absatz 1 AufenthG wird eine gesetzliche Nebenpflicht in die Norm aufgenommen. Das Mobiltelefon ist zwar für die elektronische Aufenthaltsüberwachung selbst technisch nicht erforderlich. Andererseits ist die Möglichkeit einer Sprachverbindung zwischen dem Ausländer und den Mitarbeitern der Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder (GÜL) mit Sitz in Hessen sinnvoll, um den Ausländer kontaktieren und eventuelle Problemlagen niedrigschwellig lösen zu können.
Zu Buchstabe c:
Die Verordnungsermächtigung wird gestrichen. An ihre Stelle tritt eine gesetzliche Grundlage für die Erteilung eines zwischenbehördlichen Mandats (§ 56a Absatz 6a AufenthG-E).
Zu Buchstabe d:
Die Änderung trägt zur größeren Rechtsklarheit bei. Auf die Begrifflichkeit der "zuständigen Stelle" wird fortan verzichtet (siehe auch Begründung zur Einfügung von Absatz 6a).
Zu Buchstabe e:
Die Länder beabsichtigen, die bereits vorhandenen personellen und sächlichen Mittel, die auf staatsvertraglicher Grundlage im Bereich der Führungsaufsicht länderübergreifend genutzt werden, auch für die elektronische Aufenthaltsüberwachung nach dem Aufenthaltsgesetz einzusetzen. Um einer Reihe von Ländern die Umsetzung dieses Vorhabens zu erleichtern, werden die nach Landesrecht örtlich und funktionell zuständigen Ausländerbehörden ermächtigt, eine andere Stelle mit der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben durch zwischenbehördliches Mandat zu betrauen. Das Institut des zwischenbehördlichen Mandats liegt vor, wenn eine Kompetenz von ihrem regulären Inhaber (dem Mandanten) für einen oder mehrere Einzelfälle oder generell auf ein anderes öffentlichrechtliches Subjekt (den Mandatar) in der Weise übertragen wird, dass der Mandatar die Kompetenz im Außenverhältnis im Namen des Mandanten, also in fremdem Namen ausübt. Das Handeln des Mandatars wird rechtlich dem Mandanten zugerechnet (hierzu und mit weiteren Nachworten Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz, VwVfG § 4 Rn. 40).
Die Begründung eines generellen zwischenbehördlichen Mandatsverhältnisses setzt eine gesetzliche Ermächtigung voraus (Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz a.a. O.; VGH Kassel, BeckRS 9998, 90901), die jetzt mit dem § 56a Absatz 6a AufenthG-E geschaffen wird. Von dieser Ermächtigung können die Ausländerbehörden im Einzelfall Gebrauch machen. Den Ländern ist es selbstverständlich auch möglich, ihre Ausländerbehörden allgemein dahingehend anzuweisen, von der Möglichkeit zur Mandatierung grundsätzlich Gebrauch zu machen.
Zu Buchstabe f:
Die Änderung des örtlichen Gerichtsstands - künftig ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Ausländerbehörde ihren Sitz hat - ist im Zusammenhang mit der Einfügung von Absatz 6a in § 56a AufenthG zu sehen. Die antragsstellende Ausländerbehörde kann dann besser am FamFG-Verfahren mitwirken. Weil sich der Ausländer sehr häufig auch im Bezirk der Ausländerbehörde aufhält, erleichtert die Regelung zudem seine persönliche Anhörung nach § 34 FamFG.
6. Zu Artikel 1 Nummer 13 Buchstabe c - neu - (§ 56 Absatz 5 Satz 2 AufenthG)
Dem Artikel 1 Nummer 13 ist folgender Buchstabe anzufügen:
"c) In Absatz 5 Satz 2 werden die Wörter "Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und" durch die Wörter "Anordnungen nach den Absätzen 1 bis" ersetzt."
Begründung:
§ 56 Absatz 1 und 2 AufenthG sieht vor, dass die Meldepflicht und die räumliche Beschränkung mit Bekanntgabe der Ausweisungsverfügung unmittelbar kraft Gesetzes Geltung erlangen. Allerdings ist ohne Anordnung des Sofortvollzugs die Durchsetzung dieser Pflichten mittels Verwaltungszwang nicht möglich.
Voraussetzung der Vollstreckung ist immer ein bestandskräftiger oder sofort vollziehbarer Verwaltungsakt (vgl. für das bayerische Landesrecht: Artikel 19 VwZVG). Deshalb muss in der Praxis für die Meldepflicht und die Aufenthaltsbeschränkung trotz der bestehenden Pflicht kraft Gesetzes zusätzlich der Sofortvollzug angeordnet und begründet werden.
Durch die Änderung wird die Durchsetzung der von Auflagen gemäß § 56 Absatz 1 und 2 AufenthG erleichtert.
7. Zu Artikel 1 Nummer 19 (§ 60b Absatz 5 Satz 1 AufenthG)
In Artikel 1 Nummer 19 ist § 60b Absatz 5 Satz 1 zu streichen.
Begründung:
Die Einschränkung, dass Zeiten der Duldung für Personen mit ungeklärter Identität gemäß § 60b Absatz 5 Satz 1 AufenthG-E nicht als Vorduldungszeiten angerechnet werden, erscheint nicht sachgerecht.
Die Regelung wirkt sich nicht nur negativ aus, solange ein Betroffener eine Verzögerung der Klärung der Identität selbst zu vertreten hat. Insbesondere soll ein Zugang zu einer Duldung ohne den Zusatz "mit ungeklärter Identität" erst bestehen, wenn die genannten, zum Teil sehr weitreichenden Mitwirkungspflichten, erfüllt sind. So erscheint es nach der gesetzlichen Regelung möglich, dass auch längere Wartezeiten auf Termine bei Botschaften zu Lasten der Betroffenen gehen und mehrere Monate nicht als Vorduldung angerechnet werden, obwohl der Betroffene seinen Pflichten nachkommt.
Die Regelung wirkt sich vor allem für gut integrierte Jugendliche besonders negativ aus. Gemäß § 25a AufenthG haben sie bis zum 21. Lebensjahr die Möglichkeit, insbesondere mit Integrationsleistungen eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Es steht zu befürchten, dass die Voraussetzungen dieser Norm für Vorduldungszeiten in vielen Fällen nicht mehr erfüllbar sind, wenn die erziehungs- und vertretungsberechtigten Personen davon abgesehen haben, die geforderten Handlungen für den Minderjährigen vorzunehmen. Die Regelung in § 25a AufenthG würde hierdurch signifikant ausgehöhlt.
8. Zu Artikel 1 Nummer 20 Buchstabe a (§ 61 Absatz 1e AufenthG)
In Artikel 1 Nummer 20 Buchstabe a ist § 61 Absatz 1e wie folgt zu ändern:
- a) In Satz 1 ist das Wort "unmittelbar" zu streichen.
- b) In Satz 2 ist das Wort "längeren" durch das Wort "anderen" zu ersetzen.
Begründung:
Nach dem Gesetzentwurf wären Auflagen gemäß § 61 Absatz 1e AufenthG erst möglich, wenn die Abschiebung unmittelbar bevorsteht. Ein wesentliches Hindernis für die Aufenthaltsbeendigung sind regelmäßig fehlende Reisedokumente. Daher ist es wichtig, dass ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer auch für das Verfahren der Passersatzpapierbeschaffung greifbar ist und gegebenenfalls bei den Behörden seines Herkunftsstaates vorgeführt werden kann. Durch die Beschränkung auf den Zeitpunkt der unmittelbar bevorstehenden Abschiebung wäre die Anordnung von Auflagen und Bedingungen vor oder während des Passersatzbeschaffungsverfahrens nicht möglich.
Die Beschränkung der Meldepflicht auf "einmal wöchentlich oder in einem längeren Intervall" schränkt eine einzelfallgerechte Festsetzung der Meldepflicht zu stark ein. Um sicherzustellen, dass der Ausländer für konkrete aufenthaltsbeendende Maßnahmen greifbar ist, muss es der Ausländerbehörde ermöglicht werden, auch kürzere Intervalle zu verfügen. Die Ausländerbehörde muss ohnehin die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme im Einzelfall prüfen.
9. Zu Artikel 1 Nummer 20 Buchstabe a (§ 61 Absatz 1e Satz 2 AufenthG)
In Artikel 1 Nummer 20 Buchstabe a § 61 Absatz 1e Satz 2 sind nach den Wörtern "zuständigen Ausländerbehörde" die Wörter "oder Polizeibehörde" einzufügen.
Begründung:
Die Möglichkeit, dass der betroffene Ausländer neben der zuständigen Ausländerbehörde auch eine Polizeibehörde aufsuchen kann, um seinen Meldeauflagen nachzukommen, stellt einen geringeren grundrechtsrelevanten Eingriff für den betroffenen Ausländer dar. Die zuständige Polizeibehörde ist rund um die Uhr erreichbar und der Betroffene müsste sich nicht nach den Dienstzeiten der Ausländerbehörde richten. Darüber hinaus gibt es auch in anderen - insbesondere justiziellen - Verfahren Auflagen, bei denen sich der Betroffene bei der zuständigen Polizeibehörde zu melden hat.
10. Zu Artikel 1 Nummer 21 (§ 62 AufenthG), Nummer 22 (§ 62a AufenthG), Nummer 23 (§ 62b AufenthG)
Der Bundesrat weist darauf hin, dass den Belangen von Minderjährigen und Familien mit minderjährigen Kindern in den Regelungen zu Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam nicht ausreichend Rechnung getragen wird. Insoweit bedarf es ergänzender Regelungen. Insbesondere ist durch konkrete gesetzliche Regelungen sicherzustellen, dass die europarechtlichen Vorgaben zur Inhaftnahme von Minderjährigen in nationales Recht umgesetzt werden.
Begründung:
Die Inhaftnahme von Minderjährigen und Familien mit Minderjährigen ist stets besonders kritisch zu sehen, da sie erhebliche Gefahren für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen birgt. Dies gilt umso mehr, als mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die Voraussetzungen für die Anordnung von Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam weiter herabgesetzt werden und das Gebot der Unterbringung von Abschiebungs- und Strafgefangenen in getrennten
Haftanstalten ausgesetzt werden soll. Es ist kaum vorstellbar, dass bei einer in dieser Art und Weise vollzogenen Abschiebungshaft dem Kindeswohl angemessen Rechnung getragen werden könnte.
Artikel 37 Buchstabe b der VN-Kinderrechtskonvention ordnet an, dass Freiheitsentziehung bei einem Kind im Einklang mit dem Gesetz nur als letztes Mittel und für die kürzeste angemessene Zeit angewendet werden darf. Der Gesetzentwurf geht bislang hinsichtlich der Voraussetzungen und der Dauer der Abschiebungshaft nicht auf die spezifische Situation von Minderjährigen und Familien mit minderjährigen Kindern ein.
Nach Artikel 17 der EU-Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, Amtsblatt der EU L 349/98 vom 24. Dezember 2008) sind zudem eine gesonderte, die Privatsphäre sichernde Unterbringung von Familien mit Minderjährigen sowie die Gelegenheit zu Freizeitbeschäftigungen, altersgerechten Spiel- und Erholungsmöglichkeiten und Zugang zu Bildung sowie Unterbringung in personell und materiell altersgemäßen Bedingungen notwendig. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH müssen diese Vorgaben durch verbindliche, normative Akte in Form von außenverbindlichen Rechtssätzen umgesetzt werden.
11. Zu Artikel 1 Nummer 21 Buchstabe e (§ 62 Absatz 6 Satz 4 AufenthG)
In Artikel 1 Nummer 21 Buchstabe e § 62 Satz 4 ist die Angabe "Absatz 1" zu streichen.
Begründung:
Der Gesetzentwurf sieht im Kontext mit den Vorgaben für den Vollzug der Mitwirkungshaft lediglich eine entsprechende Anwendung des § 62a Absatz 1 AufenthG vor. Notwendig ist allerdings, insofern den § 62a AufenthG in Gänze für entsprechend anwendbar zu erklären. Nur so ist gewährleistet, dass zum Beispiel bei einer im Ausnahmefall notwendigen Inhaftnahme von Minderjährigen alterstypische Belange beim Haftvollzug berücksichtigt werden (vgl. § 62a Absatz 3 Satz 1 AufenthG). Zudem geht auch die Begründung des Gesetzentwurfs (Seite 43) von einer entsprechenden Anwendung sämtlicher Vorgaben des § 62a AufenthG aus.
12. Zu Artikel 1 Nummer 23 (§ 62b Absatz 2 AufenthG)
In Artikel 1 Nummer 23 § 62b Absatz 2 sind die Wörter "ohne Zurücklegen einer größeren Entfernung zu einer Grenzübergangsstelle" zu streichen.
Begründung:
Der Vollzug des Ausreisegewahrsams in einer Unterkunft würde nach dem Gesetzentwurf künftig voraussetzen, dass eine geringe Entfernung zur Grenzübergangsstelle besteht. Damit wären faktisch nur noch Unterkünfte in Flughafennähe für den Vollzug des Ausreisegewahrsams geeignet. Diese Regelung würde den praktischen Vollzug stark einschränken.
Durch die Änderung bleibt es möglich, den Ausreisegewahrsam in Unterkünften im gesamten Bundesgebiet zu vollziehen, von denen im Fall des Ausreisewunsches der unverzügliche Transport des ausreisepflichtigen Ausländers zum Flughafen erfolgt.
13. Zu Artikel 1 Nummer 23 (§ 62b Absatz 3 Satz 2 - neu -, 3 - neu - AufenthG)
In Artikel 1 Nummer 23 sind dem § 62b Absatz 3 folgende Sätze anzufügen:
"Die für den Antrag auf Anordnung des Ausreisegewahrsams zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn
- 1. der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 besteht,
- 2. die richterliche Entscheidung über die Anordnung des Ausreisegewahrsams nicht vorher eingeholt werden kann und
- 3. der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung des Ausreisegewahrsams entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung des Ausreisegewahrsams vorzuführen."
Begründung:
Auch im Anwendungsbereich des § 62b AufenthG kann sich die Notwendigkeit einer vorherigen behördlichen Ingewahrsamnahme ergeben. Allerdings fehlt es insoweit an einer Rechtsgrundlage. Diese soll durch die beantragte Ergänzung des § 62b Absatz 3 AufenthG geschaffen werden. Das AufenthG sieht ein entsprechendes behördliches Festnahmerecht bislang lediglich in § 62 Absatz 5 AufenthG für die Sicherungshaft vor. Der Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht beinhaltet nunmehr auch im Zusammenhang mit der Überstellungshaft nach der Dublin-III-Verordnung eine entsprechende Rechtsgrundlage (vgl. Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe c Doppelbuchstabe bb) . Es ist darüber hinaus erforderlich, die bestehende Regelungslücke beim Ausreisegewahrsam zu schließen.
14. Zu Artikel 1 Nummer 24 Buchstabe a (§ 71 Absatz 1 Satz 1a - neu - AufenthG)
In Artikel 1 Nummer 24 ist Buchstabe a wie folgt zu fassen:
"a) Absatz 1 wird wie folgt geändert:
- aa) Nach Satz 1 wird folgender Satz eingefügt:
"Dies gilt für die Verkürzung oder Aufhebung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots auch dann, wenn dieses durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ausgesprochen wurde."
- bb) Folgende Sätze werden angefügt:
"... < weiter wie Gesetzentwurf > ...""
Begründung:
Das BVerwG hat mit Urteil vom 25. Januar 2018 (1 C 7/17) die lange streitige Frage, wer für die Verkürzung oder Aufhebung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig ist, das durch das BAMF ausgesprochen wurde, entschieden - und zwar in dem Sinne, dass die Zuständigkeit bei den Ausländerbehörden liegt. Es ist sinnvoll, dies im Zuge der mit dem Geordnete-Rückkehr-Gesetz vorgenommenen Überarbeitung des Rechts des Einreise- und Aufenthaltsverbots nun auch gesetzlich klarzustellen.
15. Zu Artikel 1 Nummer 24 Buchstabe a (§ 71 Absatz 1 Satz 4 AufenthG)
In Artikel 1 Nummer 24 Buchstabe a § 71 Absatz 1 Satz 4 sind die Wörter "ist in den Ländern" durch die Wörter "können die Länder" zu ersetzen und das Wort "zu" ist zu streichen.
Begründung:
Durch die Regelung in § 71 Absatz 1 Satz 4 AufenthG-E wird durch Bundesgesetz vorgeschrieben, dass die Länder jeweils eine zentrale Stelle für die Vollziehung von Abschiebungen bestimmen müssen. Diese Regelung enthält keine Öffnungsklausel für die Länder - eine entsprechende Ausführung lediglich in der Begründung ist hierfür nicht ausreichend - und greift damit in deren Organisationshoheit ein, ohne dass der Bund das Gesetz als durch den Bundesrat zustimmungspflichtig ansieht. Durch die Änderung wird die Organisationshoheit der Länder berücksichtigt.
16. Zu Artikel 1 Nummer 29 Buchstabe b - neu - (§ 84 Absatz 1 Satz 1 Nummer 8 AufenthG)
In Artikel 1 ist Nummer 29 wie folgt zu fassen:
"29. § 84 Absatz 1 Satz 1 wird wie folgt geändert:
- a) Nach Nummer 2 wird folgende Nummer eingefügt:
"2a. ... < weiter wie Gesetzentwurf > ..."
- b) In Nummer 8 wird die Angabe "Absatz 6" gestrichen."
Begründung:
Aufgrund von § 11 AufenthG-E ist eine Folgeänderungen in § 84 Absatz 1 Satz 1 AufenthG notwendig. Künftig werden alle Einreise- und Aufenthaltsverbote des § 11 AufenthG-E behördlich angeordnet. Deshalb wird § 84 Absatz 1 Satz 1 Nummer 8 AufenthG auf alle Anordnungen gemäß § 11 AufenthG-E erweitert.
17. Zu Artikel 1 Nummer 29a - neu - (§ 87 Absatz 4 Satz 1 AufenthG)
In Artikel 1 ist nach Nummer 29 folgende Nummer einzufügen:
"29a. In § 87 Absatz 4 Satz 1 werden die Wörter "Einleitung des Strafverfahrens" durch die Wörter "Einleitung des Strafverfahrens, die Erhebung der öffentlichen Klage, den Erlass eines Haftbefehls" ersetzt."
Begründung:
Die Mitteilungspflicht der Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden ist um die Erhebung der öffentlichen Klage sowie den Erlass von Haftbefehlen zu erweitern. Da de lege lata nach § 87 Absatz 4 Satz 1 AufenthG den zuständigen Ausländerbehörden nur Verfahrenseinleitungen und Verfahrensabschlüsse in Strafsachen gegen Ausländerinnen und Ausländer mitzuteilen sind, werden die insbesondere für Ausweisungen und den Erlass von Abschiebungsanordnungen gemäß § 58a AufenthG wichtigen Verfahrensschritte "Haftbefehl" und "Anklageerhebung" nach Nummer 42 MiStra bisher von Amts wegen nicht übermittelt.
18. Zu Artikel 1 Nummer 31 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa - neu - (§ 98 Absatz 3 Nummer 2 AufenthG)
In Artikel 1 Nummer 31 ist Buchstabe a wie folgt zu fassen:
"a) Absatz 3 wird wie folgt geändert:
- aa) In Nummer 2 werden die Wörter " § 12 Abs. 2 Satz 2 oder Abs. 4" durch die Wörter " § 12 Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 4 oder einer räumlichen Beschränkung nach § 12 Absatz 2 Satz 3" ersetzt.
- bb) Nach Nummer 5a wird folgende Nummer eingefügt:
"5b. ... < weiter wie Gesetzentwurf > ...""
Begründung:
Die Zuwiderhandlung gegen eine räumliche Beschränkung nach § 12 Absatz 2 Satz 3 AufenthG-E ist gleichlaufend mit der Zuwiderhandlung gegen eine vollziehbare Auflage nach § 12 Absatz 2 Satz 2 AufenthG zu sanktionieren. Sie kann mit einer Geldbuße bis 1 000 Euro geahndet werden.
19. Zu Artikel 3 Nummer 2a - neu - (§ 33 Absatz 5 Satz 8 - neu - AsylG)
In Artikel 3 ist nach Nummer 2 folgende Nummer einzufügen:
"2a. Dem § 33 Absatz 5 wird folgender Satz angefügt:
"Ein Antrag nach Satz 2 und eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach Satz 5 stehen der Anordnung von Abschiebungshaft nicht entgegen.""
Begründung:
Durch die Einfügung des neuen Satzes wird festgelegt, dass ein Antrag nach § 33 Absatz 5 Satz 2 AsylG und eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 33 Absatz 5 Satz 5 AsylG der Anordnung von Abschiebungshaft nicht entgegensteht.
§ 71 Absatz 8 AsylG greift nur, wenn der Wiederaufnahmeantrag unter den Voraussetzungen nach § 33 Absatz 5 Satz 6 AsylG als Folgeantrag zu behandeln ist. Der neue Satz 8 füllt insofern eine Regelungslücke für die Personen, die zuvor untergetaucht waren und im Aufgriffsfall erneut um Asyl nachsuchen, obwohl sie das vorherige Verfahren nicht fortgeführt haben. Vielmehr besteht dann die Möglichkeit, bei Personen, die offenkundig kein Interesse haben ihr Asylverfahren durchzuführen und sich durch ihr Verhalten den aufenthaltsbeendenden Maßnahmen entziehen wollen, die Anordnung von Abschiebungshaft zu erwirken.