Der Bundesrat hat in seiner 836. Sitzung am 21. September 2007 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat anerkennt unbeschadet der nachfolgenden Feststellungen die Bemühungen der EU, die Asylsysteme in den Mitgliedstaaten zu harmonisieren sowie die Rechtsstellung von international Schutzberechtigten, jedenfalls soweit geboten, an diejenige von langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen anzugleichen. Es stellt sich aber die Frage, ob eine vollständige rechtliche Gleichstellung der Personen mit internationalem Schutzstatus mit anderen langfristig Aufenthaltsberechtigten notwendig ist; insbesondere muss dabei folgenden Aspekten Rechnung getragen werden:
- 2. Die vorgeschlagene Erweiterung des durch die Daueraufenthalt-Richtlinie begünstigten Personenkreises entspricht für Asylberechtigte und Flüchtlinge in Teilen bereits der nationalen Rechtslage, da diese künftig nach Maßgabe der § 26 Abs. 3 AufenthG, § 73 Abs. 2a, 7 AsylVfG (n. F.) nach drei Jahren eine Niederlassungserlaubnis erhalten können.
- 3. Der Bundesrat gibt jedoch zu bedenken, dass längst nicht bei allen subsidiär Schutzberechtigten im Hinblick auf die teilweise nur vorübergehenden Schutzgründe ein Bedarf an einem dauerhaften Bleiberecht, zumal verbunden mit Ansatzes gerechtfertigt ist, bei Aufenthalt im Schutz gewährenden Mitgliedstaat den international Schutzberechtigten die Privilegien künftig sowohl nach der Daueraufenthalt-Richtlinie als auch nach der bestehenden Qualifikations-Richtlinie zuzubilligen.
- 4. Falls eine Einbeziehung unerlässlich ist, müssen für einen Rechtsanspruch auf Zuerkennung des Status eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in zeitlicher und qualitativer Hinsicht deutliche Differenzierungen im Vergleich zu Flüchtlingen aufgenommen werden: Die bisher in Deutschland - sogar nur für eine Ermessensentscheidung - geltende Sieben-Jahres-Frist darf dabei nicht unterlaufen werden. Zusätzlich sollte den Mitgliedstaaten die Einführung weitergehender Integrationsanforderungen möglich sein.
- 5. Der Bundesrat dringt darauf, dass Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte grundsätzlich alle Integrationsvoraussetzungen (z.B. Sicherung des Lebensunterhalts, Wohnraum, Integrationsmaßnahmen) erfüllen müssen, die auch von anderen Drittstaatsangehörigen vor Einräumung eines langfristigen Aufenthaltsrechts verlangt werden.
- 6. Zur Vermeidung von Sekundärmigrationen ist zudem zu prüfen, ob für subsidiär Schutzberechtigte ein Entfallen oder zumindest eine Einschränkung der Mobilitätsberechtigung nach Kapitel III der Daueraufenthalt-Richtlinie in Betracht kommt.
- 7. Der Bundesrat weist ferner darauf hin, dass es nach deutschem Recht möglich ist dass subsidiär Schutzberechtigte keine Aufenthaltserlaubnis (als Voraussetzung für eine Niederlassungserlaubnis) erhalten, z.B. weil sie Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen haben, eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik darstellen, wiederholt bzw. gröblich gegen Mitwirkungspflichten verstoßen haben, oder weil eine Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist. Es ist daher eindeutig sicherzustellen, dass diesem Personenkreis nicht künftig eine langfristige Rechtsstellung nach der Daueraufenthalt-Richtlinie zukommen kann.
- 8. Der Bundesrat begrüßt es, dass die Übernahme der Verantwortung für Flüchtlinge durch den weiteren Mitgliedstaat nicht in dieser Richtlinie geregelt werden soll und insoweit ein Verweis auf anderweitige nationale oder internationale Bestimmungen genügt. Er erkennt jedoch, dass die vorgesehene Einschränkung, die in jedem Fall ein Abschiebeverbot in den Herkunftsstaat postuliert von diesem Grundsatz abweicht, und fordert, dass es die Aufgabe eines jeden Mitgliedstaats bleiben muss, dies in eigener Zuständigkeit zu prüfen.
- 9. Der Bundesrat kritisiert die faktische Übernahme der Schutzverantwortung, die bei subsidiärem Schutz mit der Verpflichtung zur Rückübernahme nach einer Ausweisung verbunden ist, da es dem zweiten EU-Staat zugemutet werden kann die Schutzgewährung selbständig zu prüfen. Eine Schutzübernahme sollte wegen der erheblichen Bedeutung einer eigenständigen Regelung überlassen werden zumal hier auch unterschiedliche Behörden zuständig sein können.
- 10. Der Bundesrat weist mit Bezug auf die Regelung des Arbeitsmarktzugangs im zweiten Mitgliedstaat auf seine Stellungnahme vom 21. Juni 2002 (BR-Drucksache 282/02(Beschluss) ) hin und sieht es als unabdingbar an, dass - unabhängig von der Regelungskompetenz beim Arbeitsmarktzugang - beim Aufenthalt in einem weiteren Mitgliedstaat das Arbeitsgenehmigungsverfahren generell beibehalten wird. Eine vollständige Freigabe des EU-weiten Arbeitsmarkts für diesen Personenkreis ist für den Bundesrat nicht akzeptabel. Die Regelung dieser Fragen muss den Mitgliedstaaten vorbehalten bleiben.
- 11. Der Bundesrat hält diejenige Regelung für unpraktikabel, nach der bei einem Drittstaatsangehörigen, dem internationaler Schutz gewährt wird, eine "langfristige Aufenthaltsberechtigung-EG" ausgestellt werden und das Eintragungsfeld "Anmerkungen" folgenden Hinweis enthalten muss: "Dem Inhaber dieser Aufenthaltsberechtigung wurde von [Name des Mitgliedstaats] am [Datum] internationaler Schutz gewährt."
- 12. Für noch aufwändiger und für nicht akzeptabel sieht der Bundesrat die Regelung an die den zweiten Mitgliedstaat, der eine langfristige Aufenthaltsberechtigung-EG ausstellt, dazu verpflichtet, vor der Eintragung des Hinweises sich durch Rücksprache mit dem in dem Hinweis genannten Mitgliedstaat zu versichern dass der langfristig Aufenthaltsberechtigte noch internationalen Schutz genießt. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass es genügt, wenn dies der zweite Mitgliedstaat in eigener Zuständigkeit prüft.
- 13. Die Bundesregierung wird gebeten, für eine entsprechende Änderung des Richtlinienvorschlags Sorge zu tragen.