Der Bundesrat hat in seiner 833. Sitzung am 11. Mai 2007 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt den vorliegenden Richtlinienvorschlag der Kommission, der in Umsetzung der Kyoto-Strategie der EU die weitere Reduzierung der Luftverschmutzungen zum Ziel hat und weitergehend dazu beitragen soll, die verkehrsbedingten Treibhausgas-Emissionen zu vermindern oder zumindest jede weitere Erhöhung zu vermeiden. Insbesondere befürwortet er eine verbindliche Einführung eines Schwefelhöchstgehalts von 10 ppm im Dieselkraftstoff ab dem 1. Januar 2009. Eine Hauptzielrichtung ist ferner die Umsetzung des Vorschlags der Kommission, den Biokraftstoffanteil bis zum Jahr 2020 auf 10 % anzuheben.
Der Bundesrat bekräftigt die Notwendigkeit eines Bündels von nachhaltigen Maßnahmen, zu denen auch die Reduzierung der CO₂-Intensität der Kraftstoffe gehört. Er verweist hierzu auf seine Stellungnahme vom 30. März 2007 (BR-Drucksache 108/07(B) ).
- 2. Beim Richtlinienentwurf ergeben sich jedoch Fragen bezüglich der Ausgestaltung selbst sowie des Verhältnisses zu anderen EU-Richtlinien, so z.B. der Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgas-Emissionszertifikaten in der Gemeinschaft oder der Richtlinie 2003/30/EG zur Förderung der Verwendung von Biokraftstoffen oder anderen erneuerbaren Kraftstoffen im Verkehrssektor.
- 3. Der Richtlinienvorschlag ist ein Signal, dass die Kommission neben den Automobilherstellern auch die Mineralölindustrie zur Senkung der CO₂-Emissionen des Straßenverkehrs weiter in die Pflicht nehmen will. Zu beachten ist, dass es sich bei Raffinerien um emissionshandelspflichtige Anlagen handelt. Dies steht wegen des anderen, produktbezogenen Ansatzes insbesondere Überlegungen zur Verbesserung der Kraftstoffqualität bzw. der Weiterentwicklung des Einsatzes von Biokraftstoffen nicht entgegen.
Die Aktivitäten in diesem Bereich weisen dennoch Querbezüge zu Instrumenten wie dem Emissionshandel, der Förderung der Verwendung von Biokraftstoffen und der Verantwortlichkeit anderer Adressaten (z.B. der Automobilindustrie) auf. Bezüglich der Kraftstoffqualität kann z.B. eine Veränderung, die zu geringeren Emissionen aus dem Straßenverkehr führt, einen höheren Energieeinsatz der Anlagen erfordern. In der Diskussion ist auch, ob und inwieweit Minderungserfolge, die etwa durch einen vermehrten Einsatz von Biokraftstoffen erzielt werden, die Automobilwirtschaft entlasten können. Im Ergebnis wird ein Zusammenspiel verschiedener Ansätze und Instrumente sinnvoll sein, doch wäre eine Klärung des Zusammenspiels anzustreben.
- 4. Die Bundesregierung wird gebeten, die Kommission um eine Darlegung des möglichen Verhältnisses des Richtlinienentwurfs zu den bereits bestehenden Instrumenten der EG zur Minderung von Treibhausgas-Emissionen sowie der Förderung der Verwendung von Biokraftstoffen und möglichen Auswirkungen zu bitten.
- 5. Aus Sicht des Bundesrates ist zur Senkung der Treibhausgas-Emissionen von Kraftstoffen notwendig, die Maßnahmen voranzutreiben, die die Kommission in ihrer Mitteilung "Eine EU-Strategie für Biokraftstoffe" vom Februar 2006 vorgeschlagen hat. In seiner Stellungnahme vom 7. April 2006 (BR-Drucksache 138/06(B) ) hat der Bundesrat die Mitteilung begrüßt, aber auch darauf hingewiesen dass es sich bei den Vorschlägen weitgehend noch um nicht konkretisierte Entwürfe handele, die zügig weiter ausgearbeitet werden sollten. Von zentraler Bedeutung ist die Fortschreibung der Richtlinie 2003/30/EG über Biokraftstoffe, wozu die Kommission bis Ende 2006 einen Bericht in Aussicht gestellt hat, der aber noch aussteht.
- 6. Die Kommission verwendet im Richtlinienvorschlag verschiedene Begriffe, die nicht eindeutig definiert sind und bei der Umsetzung des Richtlinienvorschlags in das nationale Recht Probleme bereiten könnten. Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung, sich im Rahmen der anstehenden Beratungen auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass für folgende Begriffe bzw. Sachverhalte eine Klärung herbeigeführt wird. - Der Begriff "Lebenszyklustreibhausgasemission", wie er beispielsweise im neuen Artikel 7a der Richtlinie 98/70/EG verwendet wird, sollte eindeutig definiert werden. - Für den Begriff "Ottokraftstoff mit geringem Biokraftstoffgehalt" im Sinne des zur Änderung vorgeschlagenen Artikels 3 Abs. 3 der Richtlinie 98/70/EG ist eine Definition erforderlich. Insbesondere ist zu klären, ob damit alle Ottokraftstoffe mit einem Biokraftstoffgehalt kleiner 10 % gemeint sind - in Abgrenzung zum neuen Anhang V der Richtlinie 98/70/EG. - Die Bundesregierung wird außerdem gebeten, bei der Kommission klären zu lassen, warum der Biokraftstoffanteil, der maßgeblich für die Senkung der CO₂-Emissionen herangezogen werden soll, nur im Hinblick auf Ottokraftstoff von jetzt 5 % auf 10 % Höchstgehalt heraufgesetzt wird, für Dieselkraftstoff aber eine vergleichbare Regelung fehlt. Zwar wird der für die umweltbezogenen Spezifikationen von Dieselkraftstoff relevante Anhang IV geändert, aber nur im Hinblick auf PAK und Schwefelhöchstgehalt. Ein zulässiger Biokraftstoffanteil wird nicht genannt. Das erscheint jedoch wichtig. Zum einen ist der Anteil von Diesel am Gesamtkraftstoffverbrauch hoch (hohe Nachfrage vom LKW-Verkehr, hohe Beliebtheit von PKW mit Dieselmotor). Zum anderen fragt sich, wie die Mitgliedstaaten ihrer Reduktionspflicht nach dem neuen Artikel 7a Abs. 2 der zu ändernden Richtlinie 98/70/EG nachkommen sollen, wenn das ganze Segment des Dieselverbrauchs bei LKW und entsprechenden PKW nicht einbezogen wird.
- 7. Die Bundesregierung wird gebeten, vorausschauend zu skizzieren, wie die Überwachung der Lebenszyklustreibhausgasemissionen von Mineralölen gemäß des neuen Artikels 7a Abs. 1 und 3 der zu ändernden Richtlinie 98/70/EG in Deutschland ausgestaltet werden soll. Der Bundesrat plädiert ausdrücklich für ein möglichst unbürokratisches Überwachungssystem, das die Behörden und die betroffenen Wirtschaftsbeteiligten nicht über Gebühr belasten darf.
- 8. Der Bundesrat ist in diesem Zusammenhang der Auffassung, dass die ehrgeizigen Ziele zum Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energiequellen nur erreicht werden können, wenn u. a. auch eine weitere Steigerung der Verwendung biogener Kraftstoffe im Verkehrsbereich erfolgt.
Insofern bittet der Bundesrat die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass der rechtliche Rahmen für eine höhere Beimischung von biogenen Kraftstoffen nicht nur im Bereich des Ottokraftstoffs für Ethanol, sondern auch im Bereich des Dieselkraftstoffs für Biodiesel geschaffen wird. Dazu müssten nach Ansicht des Bundesrates die rechtlichen Vorgaben für die Kraftstoffqualitäten angepasst bzw. erweitert werden.
Ferner bittet der Bundesrat die Bundesregierung, ihre Aktivitäten zur Einführung eines Zertifizierungssystems für nachhaltig produzierte Biomasse zur Biokraftstoffproduktion intensiv fortzusetzen und sich auch für eine europaeinheitliche Etablierung einzusetzen. Ziel sollte es sein, ausschließlich die Bereitstellung von Biokraftstoffen aus nachhaltigen Produktionsverfahren zu forcieren.
- 9. Der Bundesrat gibt im Übrigen zu bedenken, dass das Durchschnittsalter der Motoren der deutschen Binnenschifffahrtsflotte rund 30 Jahre beträgt. Vor diesem Hintergrund sollte zunächst geklärt werden, ob auch ältere Schiffsmotoren unter wirtschaftlichen und technischen Aspekten mit den schwefelärmeren Kraftstoffen betrieben werden können. In diesem Zusammenhang kommt einer ausreichenden Finanzausstattung des geplanten Bundesprogramms zur Förderung abgasarmer Motoren für die Binnenschifffahrt besondere Bedeutung zu.
- 10. Der Bundesrat weist darauf hin, dass im Rahmen der geplanten Verminderung des Schwefelgehalts bei den in der Binnenschifffahrt genutzten Gasölen in einem Zwischenschritt zum 31. Dezember 2009 eine Absenkung auf 300 mg/kg vorgesehen ist, bevor zum 31. Dezember 2011 nur noch ein Wert von 10 mg/kg zulässig sein soll. Diesbezüglich sollte geprüft werden, ob auf diesen Zwischenschritt verzichtet werden kann, um eine zweimalige Anpassung der entsprechenden Kraftstoff- und Motorkonzepte zu vermeiden.
- 11. Zudem bittet der Bundesrat die Bundesregierung, im Zuge der weiteren Beratung eine Klärung bezüglich der Abgrenzung zwischen den Spezifikationen in den Anhängen III und V herbeizuführen. Nach dem Vorschlag der Kommission würden alle Kraftstoffe, die die Spezifikationen des Anhangs III erfüllen, auch die Spezifikation des Anhangs V erfüllen. Offensichtlich wird von der Kommission aber angestrebt, Ottokraftstoffe in Abhängigkeit von dem zugemischten Anteil an Biokraftstoffen unterschiedlich zu kennzeichnen. Gesonderte Spezifikationen und Kennzeichnungen in Abhängigkeit von den Biokraftstoffanteilen sollten aus Sicht des Bundesrates jedoch wegen der damit verbundenen hohen Kosten für Logistik und Distribution, die letztlich ohne entsprechenden Nutzen die Kraftstoffe verteuern, nicht eingeführt werden.
Die von der Kommission vorgeschlagene Spezifikation für Ottokraftstoffe mit einem hohen Biokraftstoffgehalt (Anhang V) enthält nicht die derzeitige Wahlfreiheit der Mitgliedstaaten, auch das In-Verkehr-Bringen von unverbleitem Normalbenzin (MOZ von mindestens 81 und ROZ von mindestens 91) zu gestatten (Fußnote 3 zu Anhang III). Der Bundesrat spricht sich dafür aus, dass auch Normalbenzin mit einem hohen Biokraftstoffanteil in Verkehr gebracht werden kann.