Entwurf eines Gesetzes zur Verringerung steuerlicher Missbräuche und Umgehungen

A

Der federführende Finanzausschuss empfiehlt dem Bundesrat, den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 1 des Grundgesetzes nach Maßgabe folgender Änderungen beim Deutschen Bundestag einzubringen:

1. Zu Artikel 1

Artikel 1 ist wie folgt zu fassen:

"Artikel 1
Änderung der Abgabenordnung

§ 379 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3866, 2003 I S. 61), zuletzt geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 9. Dezember 2004 (BGBl. S. 3310), wird wie folgt gefasst:

Folgeänderungen:

In der Begründung Nummer II "Besonderer Teil" wird die Einzelbegründung zu Artikel 1 wie folgt gefasst:

Begründung (für das Plenum):

Die Formulierung stellt sicher, dass nur die gezielte Weitergabe von Belegen gegen Entgelt zu einer Ordnungswidrigkeit führt. Eine unbeabsichtigte Verschaffung der Verfügungsmacht an Belegen, beispielsweise durch das Zurücklassen von Kassenbelegen an der Verkaufstheke führt dagegen zu keiner Ordnungswidrigkeit.

2. Zu Artikel 2 Nr. 1 und 5 Buchst. a Artikel 2 ist wie folgt zu ändern:

Folgeänderungen:

Im Vorblatt ist in Buchstabe B "Lösung" im 1. Spiegelpunkt der Satz 2 zu streichen.

In der Begründung ist in Nummer II "Besonderer Teil" die Einzelbegründung zu Artikel 2 Nr. 1 wie folgt zu fassen:

*) vorbehaltlich Ziffer 3 Buchstabe b)

In der Bundesrepublik Deutschland verbreitet sich ... (weiter wie Einzelbegründung zu Artikel 2 Nr. 1 Buchst. a des Gesetzesantrages)"

Begründung (für das Plenum):

Rechtsprechung und Verwaltung hatten über Jahrzehnte hinweg übereinstimmend die Auffassung vertreten, bei der Einnahmenüberschussrechnung könne kein gewillkürtes Betriebsvermögen gebildet werden. Damit war gewillkürtes Betriebsvermögen nur bei Bilanzierung zulässig. Hiervon ist der Bundesfinanzhof im Jahr 2003 abgewichen. Seiner Auffassung nach gebietet eine verfassungskonforme Auslegung des Betriebsvermögensbegriffes, auch bei der Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung gewillkürtes Betriebsvermögen anzuerkennen. Hintergrund hierfür ist, dass sich aufgrund der Versagung des gewillkürten Betriebsvermögens bei der Einnahmenüberschussrechnung gleichheitswidrig ein anderer Gesamtgewinn und damit eine andere Steuerbelastung ergäbe als bei der Bilanzierung. Dieses verfassungsrechtliche Problem träte gleichermaßen ein, wenn entsprechend dem Gesetzentwurf die Bildung gewillkürten Betriebsvermögens bei der Einnahmenüberschussrechnung versagt würde. Hinzu kommt, dass nach dem Wortlaut der im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Regelung dem Betriebsvermögen bei Einnahmenüberschussrechnung nur solche Wirtschaftsgüter zugeordnet werden sollen, die ausschließlich für eigenbetriebliche Zwecke genutzt werden, wohingegen es bei Bilanzierung auf eine betriebliche Nutzung von mehr als 50 % ankommt. Auch diese unterschiedliche Behandlung wäre verfassungsrechtlich problematisch. Schließlich scheidet die befürchtete Verlagerung verlustträchtiger Wertpapiergeschäfte in den steuerlich relevanten Bereich des Betriebsvermögens schon nach derzeitiger Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung aus, da verlustträchtige Wirtschaftsgüter objektiv nicht geeignet sind, einen Betrieb zu fördern.

Die Änderung des § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG stellt lediglich eine Anpassung des Gesetzeswortlautes an die geänderte Rechtsauffassung zur Zulässigkeit des gewillkürten Betriebsvermögens im Rahmen der Einnahmenüberschussrechnung dar. Aufgrund der geänderten Rechtsprechung kann es im Anwendungsbereich des § 4 Abs. 3 EStG kein so genanntes geduldetes Betriebsvermögen mehr geben. Die gesetzliche Regelung ist insoweit gegenstandslos.

3. Zu Artikel 2 Nr. 1 Buchst. b - neu -*)

In Artikel 2 Nr. 1 ist Buchstabe b wie folgt zu fassen:

Folgeänderungen:

Das Vorblatt ist wie folgt zu ändern:

Das Modell wird in der Rechtsform einer GbR mit einer GmbH als geschäftsführender Gesellschafterin betrieben. Erwirbt die GbR Wertpapiere, kann sie die Anschaffungskosten als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben behandeln. Den jeweiligen Verlustanteil aus dem Wertpapierankauf verrechnen die Gesellschafter mit ihren übrigen positiven Einkünften und vermindern so ihre Steuerschuld.

*) vgl. Ziffer 2

Dreh- und Angelpunkt dieser Konstruktion ist die Gewinnermittlungsvorschrift des § 4 Abs. 3 EStG (Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben), die einen sofortigen Abzug der Anschaffungskosten von zum Umlaufvermögen gehörenden Wertpapieren vorsieht. Lediglich bei nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten erst im Zeitpunkt der Veräußerung als Betriebsausgabe zu behandeln. Das Modell ist jedoch auf kurzfristige Vermögensumschichtungen innerhalb von 12 Monaten angelegt, so dass es sich bei den Wertpapierkäufen durchweg um Umlaufvermögen handelt.

Auch bei Steuerpflichtigen, die gewerblichen Grundstückshandel betreiben und zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG berechtigt sind, bestehen vergleichbare Gestaltungsmöglichkeiten. Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten bzw. der an deren Stelle tretende Wert für die zum Umlaufvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter Grund und Boden und Gebäude können im Wirtschaftsjahr der Anschaffung, Herstellung oder Einbringung in das Betriebsvermögen sofort und in voller Höhe als Betriebsausgabe abgezogen und damit mit anderen positiven Einkünften verrechnet werden. Der Gewinn aus der Veräußerung der Grundstücke wird häufig erst Jahre später der Besteuerung unterworfen, so dass ein unerwünschter ggf. langjähriger Steuerstundungseffekt eintritt.

Die vorgesehene Ergänzung des Wortlauts des § 4 Abs. 3 Satz 4 um die Wörter "für Anteile an Kapitalgesellschaften, für Wertpapiere und vergleichbare nicht verbriefte Forderungen und Rechte, für Grund und Boden sowie für Gebäude des Umlaufvermögens" stellt sicher, dass die Anschaffungs- und Herstellungskosten bzw. der an deren Stelle tretende Wert für diese Wirtschaftsgüter stets - und damit unabhängig von der Zuordnung zum Umlauf- oder Anlagevermögen - erst im Zeitpunkt der Veräußerung oder Entnahme berücksichtigt werden."

Begründung (für das Plenum):

In einzelnen Ländern sind neue Steuersparmodelle aufgetreten, die sich dadurch auszeichnen, dass eine zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG berechtigte GbR im großen Umfang zum Verkauf bestimmte Wertpapiere erwirbt, die bei ihr dem Umlaufvermögen zuzurechnen sind. Dabei machen sie sich die Besonderheit der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zunutze, dass die Anschaffungskosten aus diesen Wertpapierankäufen sofort als Betriebsausgaben abzugsfähig sind. Dies führt dazu, dass die Gesellschafter im Ankaufsjahr hohe steuerliche Verluste geltend machen können.

Zur Eindämmung dieses Steuersparmodells sieht der vorliegende Gesetzentwurf vor, dass bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG die Anschaffungskosten für Wertpapiere - unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zum Anlage- oder Umlaufvermögen - erst im Zeitpunkt ihrer Veräußerung oder Entnahme als Betriebsausgaben berücksichtigt werden dürfen. Eine vergleichbare Regelung existiert bislang nur für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (§ 4 Abs. 3 Satz 4 EStG).

Der Gesetzesantrag ist grundsätzlich zu befürworten, weil das beschriebene Anlagemodell auf einer dem Zweck der vereinfachten Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG entgegenstehenden Steuergestaltung beruht. Eine gesetzliche Regelung ist allerdings nicht nur für Wertpapiere, sondern auch für andere Wirtschaftsgüter vorzusehen, bei denen sich ähnliche Gestaltungsmöglichkeiten bieten. So sind in der Praxis bereits Fälle aufgetreten, in denen Steuerpflichtige, die zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG berechtigt sind, bewusst einen gewerblichen Grundstückshandel aufnehmen. Sie nutzen sodann die bestehenden Regelungen der Einnahmenüberschussrechnung gezielt dazu, im Erwerbsjahr der Grundstücke einen Verlust durch den Sofortabzug der Anschaffungskosten als Betriebsausgaben geltend zu machen.

Die vorgeschlagene Ergänzung des Wortlauts des § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG um diese Wirtschaftsgüter stellt sicher, dass die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für diese Wirtschaftsgüter - unabhängig von ihrer Zuordnung zum Umlauf- oder Anlagevermögen - erst im Zeitpunkt der Veräußerung oder Entnahme berücksichtigt werden.

4. Zu Artikel 2 Nr. 1 Buchst. b - neu - und 5 Buchst. a

Artikel 2 ist wie folgt zu ändern:

Folgeänderungen:

In der Begründung Nummer II "Besonderer Teil" ist der Einzelbegründung zu Artikel 2 Nr. 1 Buchst. b - neu - folgender Absatz anzufügen:

Begründung (für das Plenum):

Auf die Änderung der Einzelbegründung wird verwiesen.

5. Zu Artikel 2 Nr. 1 Buchst. c - neu -, 2 sowie 5 Buchst. al - neu - und a2 - neu - Artikel 2 ist wie folgt zu ändern:

Folgeänderungen:

In der Begründung Nummer II "Besonderer Teil" sind in der Einzelbegründung zu Artikel 2 Nr. 2 in der Überschrift die Angabe "Nummer 3b" zu streichen sowie dem bisherigen Text die Wörter "Buchstabe a)" voranzustellen und folgende Absätze anzufügen:

Mit der Änderung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 wird die Anwendung der l-%-Regelung auf Fahrzeuge des notwendigen Betriebsvermögens beschränkt. Befindet sich ein Kraftfahrzeug im gewillkürten Betriebsvermögen, ist der Entnahmewert nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG zu ermitteln und mit den auf die geschätzte private Nutzung entfallenden Kosten anzusetzen. Eine Änderung der pauschalen Bemessung der nicht abziehbaren Betriebsausgaben für Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG ist damit nicht verbunden und auch nicht erforderlich, weil durch die 0,03-%-Regelung lediglich eine Relation zwischen Listenpreis und Kfz-Kosten je km hergestellt wird, auf die der Umfang der privaten Nutzung des Kraftfahrzeugs keinen Einfluss hat."

Begründung (für das Plenum):
Auf die Ergänzung der Einzelbegründung wird verwiesen.

6. Zu Artikel 2 Nr. la - neu -

In Artikel 2 ist nach Nummer 1 folgende Nummer 1a einzufügen: "la. § 5 wird wie folgt geändert:

In der handelsrechtlichen Rechnungslegung werden die Chancen und Risiken aus den Grund- und Sicherungsgeschäften kompensatorisch in Bewertungseinheiten zusammengefasst. Führt die kompensatorische Bewertung insgesamt zu einem positiven Ergebnis, so bleibt dieses nach § 252 Nr. 4 HGB außer Ansatz, ein negatives Ergebnis mindert dagegen den Gewinn.

Die vorgeschlagene Gesetzesänderung stellt klar, dass diese handelsrechtliche Praxis zur Bildung von Bewertungseinheiten auch weiterhin für die Steuerbilanz maßgeblich bleibt. Sie beugt Bestrebungen vor, wirtschaftlich zusammenhängende Bilanzpositionen einzeln zu bewerten. Der vom BFH im Verfahren I R 87/00 vertretene strenge Grundsatz der Einzelbewertung bei Sicherungsgeschäften im Rahmen von Portfolien entspricht nicht den tatsächlichen Gegebenheiten in der Praxis. Er führt durch die isolierte imparitätische Bewertung (strenges Niederstwertprinzip) zur Berücksichtigung von Verlusten, die tatsächlich niemals eintreten werden.

Eine Beschränkung der Bewertungseinheiten auf die steuerlich unstrittigen "Micro-Hedges" - und damit auf direkte und enge Sicherungszusammenhänge - würde bei den in der Praxis üblichen "Portfolio-Hedges" und "Macro-Hedges" zu falschen Ergebnissen führen.

Der Gesetzesvorschlag wirkt einer weiteren Differenzierung von Handels- und Steuerrecht entgegen. Er erspart den Unternehmen zusätzlichen Verwaltungsaufwand, den die steuerliche Einzelbewertung von Grund- und Sicherungsgeschäften nach sich ziehen würde.

Zu Buchstabe b (Absatz 4a)

Ein nach der Bildung der Bewertungseinheiten verbleibendes negatives Ergebnis wird in der Handelsbilanz oftmals als Drohverlustrückstellung dargestellt. Tatsächlich handelt es sich bei dieser Bilanzposition jedoch um die Zusammenfassung einer Vielzahl unterschiedlichster Aufwendungen und Erträge. Der eingefügte Satz 2 in Absatz 4a stellt klar, dass diese lediglich technisch als Drohverlustrückstellung bezeichnete Bilanzposition nicht dem Abzugsverbot nach Absatz 4a Satz 1 unterliegt."

Begründung (für das Plenum):

Die neue Formulierung verdeutlicht allein die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz. Eine eigenständige Definition der Bewertungseinheit im Steuerrecht ist daher entbehrlich. Damit wird auch verhindert, dass der Begriff der Bewertungseinheit handels- und steuerrechtlich unterschiedlich ausgelegt werden könnte.

7. Zu Artikel 2 Nr. 5 Buchst. a

In Artikel 2 Nr. 5 Buchst. a sind in § 52 Abs. 10 die Wörter "für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2005 beginnen" durch die Wörter "für Wirtschaftsgüter anzuwenden, die nach dem (Tag der Verkündung des vorliegenden Änderungsgesetzes) angeschafft, hergestellt oder in das Betriebsvermögen eingebracht werden" zu ersetzen.

Begründung (für das Plenum):

Zeitliche Anwendungsregelung für die Änderung des § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG.

Damit die Wirkung der Gesetzesänderung zielgenau eintritt, ist auf den Zeitpunkt der Anschaffung, Herstellung oder Einbringung der betroffenen Wirtschaftsgüter in das Betriebsvermögen abzustellen. Durch die Anwendung der Gesetzesänderung ab dem Tag der Verkündung des Gesetzes wird erreicht, dass die unerwünschten Gestaltungen nicht für einen in der Zukunft liegenden Übergangszeitraum möglich sind.

B

8. Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten und der Wirtschaftsausschuss

empfehlen dem Bundesrat, den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.

C

9. Der Finanzausschuss empfiehlt dem Bundesrat ferner,

gemäß § 33 der Geschäftsordnung des Bundesrates Herrn Staatsminister Karlheinz Weimar (Hessen) zum Beauftragten des Bundesrates für die Beratung des Gesetzentwurfs im Deutschen Bundestag und in dessen Ausschüssen zu bestellen.