981. Sitzung des Bundesrates am 11. Oktober 2019
A
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 01 - neu - (§ 2 Satz 2 - neu - DirektZahlDurchfG)
In Artikel 1 ist vor Nummer 1 folgende Nummer 01 einzufügen:
"01. Dem § 2 wird folgender Satz angefügt:
"Als Dauergrünland im Sinne von Satz 1 gelten auch Flächen, die abgeweidet werden können, wo Gras und andere Grünfutterpflanzen nicht in Weidegebieten vorherrschen oder dort nicht vorkommen." "
Begründung:
Mit der Verordnung (EU) Nr. 2017/2393
wird Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe h der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013
unter anderem dahingehend erweitert, dass auch Flächen, wo Gras und andere Grünfutterpflanzen nicht in Weidegebieten vorherrschen oder dort nicht vorkommen, zukünftig als Dauergrünland anerkannt und beihilfefähig werden, soweit die Mitgliedstaaten dies für ihr Gebiet vorsehen. Der Änderungsvorschlag zielt daher darauf ab, die durch die Verordnung (EU) Nr. 2017/2393
erweiterte Grünlanddefinition in Deutschland anzuwenden.
Mit dem Änderungsvorschlag werden künftig auch solche Flächen als Dauergrünland definiert, bei denen Gras und Grünfutterpflanzen nicht vorherrschen, aber dennoch abgeweidet werden können. Diese Flächen zeichnen sich häufig durch einen hohen naturschutzfachlichen Wert aus, der ohne Beweidung verlorengehen würde. Durch die Anpassung wird gewährleistet, dass diese Flächen beihilfefähig sind, so dass es künftig einfacher wird, diese Flächen in der Bewirtschaftung zu halten. Die Änderung dient daher auch dem Erhalt der Artenvielfalt auf diesen Flächen. Durch die Änderung entfallen darüber hinaus bisherige Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Einstufung der Fläche als Dauergrünland in Zusammenhang mit der Frage, ob Gras und Grünfutterpflanzen auf der Fläche noch vorherrschen. Somit trägt der Änderungsvorschlag auch zur Verwaltungsvereinfachung bei.
2. Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe b (§ 5 Absatz 2 DirektZahlDurchfG)
In Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe b ist in § 5 Absatz 2 die Angabe "6 Prozent" durch die Angabe "8,5 Prozent" zu ersetzen.
Begründung:
Die Vorschläge der Kommission zum Mehrjährigen Finanzrahmen sehen eine Kürzung der 2. Säule um ca. 15 Prozent vor, die 2021 wirksam werden könnte. Nach dem Entwurf der Kommission werden Deutschland 2021 bis 2027 aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) jährlich rund 990 Mio. Euro zur Verfügung stehen. Im letzten Jahr der laufenden EU-Förderperiode 2014 bis 2020 stehen im ELER rund 1 394 Mio. Euro EU-Mittel zur Verfügung. Gleichzeitig steht die Landwirtschaft unter erheblichem Druck, einen Beitrag zur Erreichung von Umweltschutz-, Tierschutz- und Klimaschutzzielen zu leisten.
Um diesen Herausforderungen frühzeitig begegnen zu können und die drohende Finanzierungslücke zu schließen, ist eine ausreichende Finanzierung für neue zielgerichtete Maßnahmen schon jetzt sicherzustellen. Hierfür ist eine Anhebung der Mittelumschichtung von derzeit 4,5 Prozent auf mindestens 8,5 Prozent erforderlich.
3. Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe b (§ 5 Absatz 2 DirektZahlDurchfG)
Der Bundesrat begrüßt, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung mit der Umschichtung von Direktzahlungsmitteln in Höhe von 6 Prozent für das Jahr 2020 ein Signal zur Stärkung von klima-, umwelt- und tiergerechterer Landwirtschaft setzt. Im Verhältnis zu den möglichen 15 Prozent hält der Bundesrat die für 2020 geplante Umschichtung für moderat. Aufgrund der Herausforderungen in den Bereichen Wasserschutz und Tierwohl sowie klima- und umweltgerechter Landwirtschaft ist ein weiterer Aufwuchs in den Folgejahren bis zum Start des neuen Förderregimes erforderlich.
Begründung:
Nach den Vorschlägen der Kommission zum MFR soll der ELER ab 2021 um 15 Prozent gekürzt werden. Damit besteht die Gefahr, dass der Status Quo der Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen, der Förderung des ökologischen Landbaus sowie weiterer wichtiger Maßnahmen in der 2. Säule nicht aufrechterhalten werden kann. Es besteht darüber hinaus zunehmend starker Handlungsbedarf, den Landwirtschaftssektor unter Berücksichtigung von Klima-, Umwelt- und Tierschutzanforderungen zu transformieren. Umgeschichtete Gelder aus der 1. Säule können für bestehende und neue, zielgerichtete Fördermaßnahmen im Rahmen der 2. Säule verausgabt werden und wichtige Anreize für die notwendige Transformation liefern.
Das Kalenderjahr 2020 ist als Startpunkt für weitere Umschichtungen anzusehen.
4. Zu Artikel 1 Nummer 3 (§ 16a DirektZahlDurchfG)
In Artikel 1 ist Nummer 3 zu streichen.
Begründung:
Die Genehmigungsfreistellung zur Umwandlung von 500 m2 Dauergrünland je Betriebsinhaber und Jahr läuft dem Ziel eines effektiven Schutzes von Dauergrünland zuwider. Sie ist kontraproduktiv bezüglich des Erhalts der biologischen Vielfalt, beim Boden- und Gewässerschutz und insbesondere beim Klimaschutz. Die Einführung einer Bagatellregelung ist daher abzulehnen.
Zudem besteht die Gefahr des Missbrauchs, indem die Bagatellregelung jährlich genutzt wird. Hinzu kommt die Gefahr, dass auch naturschutzfachlich hochwertige Flächen umgebrochen werden, ohne dass zuvor eine Bewertung durch die Verwaltung möglich wurde.
Im Anbetracht der besorgniserregenden Höhe und Schnelligkeit des Insektensterbens sollte auch bei Kleinstflächen ein Umbruch von Grünland stets die Ausnahme bleiben oder nur gegen Anlage von neuem Grünland möglich sein.
Hinzu kommt, dass das Argument der Verwaltungsvereinfachung durch die bereits vorgesehenen Regelungen zum Schutz gegen Missbrauch der Regelung und weiterführenden Vorschriften zu weiteren Voraussetzungen, Melde- und Auskunftspflichten sowie Vorschriften über das Verfahren zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand durch das Parallelsystem führen würden. Zumal die Umbrüche der Verwaltung nur im Rahmen bestehender Kontrollen bekannt werden oder dann, wenn die Landwirte in ihren Förderunterlagen eine entsprechende Reduzierung ihres Grünlandanteils angeben. Insofern wäre in einer Durchführungsverordnung auch die Meldepflicht der Landwirtinnen und Landwirte zu benennen, weshalb insgesamt keine Einsparung bei Wirtschaft und Verwaltung eintreten dürfte.
Die Ablehnung einer Bagatellschwelle zur Umwandlung von Dauergrünland entspricht darüber hinaus der Maßnahme 35 (Erhalt von Dauergrünland) des Eckpunktepapiers für das Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung vom 20. September 2019.
5. Zu Artikel 1 Nummer 5 - neu - (Unterabschnitt 3a - neu -, § 20a - neu - DirektZahlDurchfG)
Dem Artikel 1 ist folgende Nummer 5 anzufügen:
"5. Nach § 20 wird folgender Unterabschnitt 3a eingefügt:
"Unterabschnitt 3a
Gekoppelte Stützung für Weidetierhaltung von Schafen und Ziegen
§ 20a Gekoppelte Stützung für Weidetierhaltung von Schafen und Ziegen
- (1) Für die fakultativ gekoppelte Stützung nach Artikel 52 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013
werden 0,75 Prozent der für das jeweilige Kalenderjahr festgesetzten nationalen Obergrenze nach Anhang II der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013
eingesetzt.
- (2) Nach Artikel 52 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013
erfolgt die fakultativ gekoppelte Stützung für den Sektor Schaf- und Ziegenfleisch.
- (3) Die fakultative gekoppelte Stützung wird bundeseinheitlich gewährt. Es wird als Zielwert der Stützung 30 Euro je beilhilfefähigem Mutterschaf oder -ziege angestrebt.
- (4) Die zuständigen Behörden teilen dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft bis zum 1. November des jeweiligen Jahres die Zahl aller beihilfefähigen Mutterschafe und -ziegen, die im Antragsjahr angemeldet werden, mit." "
Begründung:
Die Schafhaltung ist gerade in peripheren ländlichen Gebieten mit Dauergrünland unter schwierigen Boden- und Klimabedingungen oftmals der letzte Anker für Arbeit und Wertschöpfung auf diesen Flächen und in diesen Regionen. Der Rückgang der Schafhaltung führt in einigen Regionen Deutschlands zur Bewirtschaftungsaufgabe oder zur starken Unternutzung von naturschutzfachlich hochwertigen Standorten.
In seiner 979. Sitzung am 28. Juni 2019 hat der Bundesrat folgenden Beschluss gefasst (BR-Drs. 141/19(B) -):
"Die Bundesregierung wird gebeten, zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage von Weidetierhaltern und zur Honorierung ihrer Biodiversitätsleistungen eine jährliche zusätzliche Förderung in Höhe von 30 Euro je Mutterschaf/Ziege in der Weidetierhaltung zum nächstmöglichen Zeitpunkt vorzusehen. Die Zahlung sollte aus der ersten Säule der GAP geleistet werden."
Der nächstmögliche Zeitpunkt zur Einführung einer gekoppelten Prämie für Mutterschafe und Mutterziegen liegt mit dem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Direktzahlungen-Durchführungsgesetzes jetzt vor.
Die in der Entschließung des Bundesrates vom 28. Juni 2019 geforderte Prämie für Mutterschafe und Mutterziegen in Höhe von 30 Euro je Tier kann bei Annahme des Antrags bundesweit im Jahr 2020 ausgezahlt werden. Die Einführung einer gekoppelten Prämie für Mutterschafe und -ziegen ist geeignet, die Schafhaltung in Deutschland zu stärken. Hiermit würde Deutschland sich einreihen in die 22 Staaten der EU, die bereits jetzt gekoppelte Zahlungen für die Schaf- und Ziegenhaltung anbieten. Anderweitige Förderverfahren, z.B. im Rahmen der Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen, haben bisher den Trend des Bestandsabbaus nicht stoppen können.
Die Regelung zielt dabei auf solche vom Betriebsinhaber angemeldeten, beihilfefähigen Tiere ab, die im überwiegenden Teil der jeweiligen Weideperiode in Weidehaltung gehalten werden. Auf eine entsprechende Präzisierung in § 20a Absatz 3 wird hier jedoch mit Blick auf den damit einhergehenden Prüf- und Dokumentationsaufwand bewusst verzichtet.
Die Einführung einer Kopf-Prämie mit dem Zielwert von 30 Euro/Muttertier führt zu marginalen Kürzungen der Basisprämie, ist jedoch geeignet, die Einkommenssituation der Schäfer nachhaltig zu verbessern.
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6. Der federführende Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz empfiehlt dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.