Der Bundesrat hat in seiner 844. Sitzung am 23. Mai 2008 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst.
Anlage
Entschließung des Bundesrates zur Berücksichtigung des kinderspezifischen Bedarfs bei der Bemessung der Regelleistungen nach dem SGB II und der Regelsätze nach dem SGB XII
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die Regelleistung für Kinder nach dem SGB II sowie die Regelsätze nach dem SGB XII unverzüglich neu zu bemessen und als Grundlage dafür eine spezielle Erfassung des Kinderbedarfes vorzusehen. Dabei ist auch sicherzustellen, dass die besonderen Bedarfe der Kinder im Hinblick auf die Mittagsverpflegung in Ganztagsschulen oder Schulen mit einem Bildungs- und Betreuungsangebot am Nachmittag und in Kindertageseinrichtungen sowie bei der Beschaffung von besonderen Lernmitteln für Schülerinnen und Schüler durch die Leistungen nach dem SGB II und SGB XII abgedeckt werden.
Zudem ist eine Öffnungsklausel entsprechend § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII in das SGB II zur abweichenden Bedarfsbemessung in Einzelfällen aufzunehmen.
Außerdem soll geprüft werden, in welchen Bereichen Sachleistungen besser als Geldleistungen eine chancengerechte Teilhabe der Kinder am gesellschaftlichen Leben gewährleisten.
Die Beteiligung der Länder an der Überprüfung ist sicherzustellen.
Der Bundesrat erwartet, dass die Bundesregierung bis Ende 2008 eine Regelung vorlegt.
Begründung
Die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder haben bei der 84. Arbeits- und Sozialministerkonferenz am 15./16. November 2007 einstimmig die Auffassung vertreten, dass die Regelleistung für Kinder neu zu bemessen und als Grundlage dafür eine spezielle Erfassung des Kinderbedarfes vorzusehen ist.
Grund dafür ist u. a., dass eine nachvollziehbare und wissenschaftliche Ableitung der jetzigen Regelleistungen für Kinder und Jugendliche nach dem SGB II und der Regelsätze nach dem SGB XII nicht erkennbar ist. Insbesondere die aktuelle Einteilung in zwei Altersklassen und die prozentuale Ableitung von der Regelleistung eines allein stehenden Erwachsenen wird den besonderen Bedarfen von Kindern und Jugendlichen nicht hinreichend gerecht. In der Regelsatzverordnung zum Bundessozialhilfegesetz waren drei Altersstufen vorgesehen, die der Gesetzgeber im Rahmen des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt jedoch nicht übernommen hat.
Mit dem jetzigen System können besondere entwicklungsbedingte Bedarfe der Kinder und Jugendlichen, insbesondere im Zusammenhang mit der Teilhabe an Bildung, nicht hinreichend abgebildet werden. Grund dafür ist u.a., dass die bisherigen statistischen Modelle nicht am Bedarf der Kinder ausgerichtet sind, sondern sich allein an den Ausgaben der einkommensschwachen Haushalte orientieren und als Bezugspunkt der Bedarf eines allein stehenden Erwachsenen dient.
Eine große Anzahl von Kindern und Jugendlichen nimmt an der Mittagsverpflegung in Ganztagsschulen oder Schulen mit einem Bildungs- und Betreuungsangebot am Nachmittag und in Kindertageseinrichtungen nicht teil, weil ihre Eltern die erforderlichen Finanzmittel aus der Regelleistung nach dem SGB II oder dem Regelsatz nach dem SGB XII nicht aufbringen können. Dieser Umstand birgt die Gefahr der sozialen Ausgrenzung und kann dazu führen, dass die betroffenen Kinder die genannten Einrichtungen nicht mehr besuchen und ihnen damit ein wichtiges Bildungs- und Entwicklungsangebot vorenthalten wird.
Darüber hinaus zeigt die Lebenswirklichkeit der Kinder, die Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII erhalten, dass notwendige Aufwendungen für besondere Lernmittel (mit Ausnahme von Schulbüchern) für die Schule aus der Regelleistung und Regelsatz für die Kinder nicht getragen werden können.
Eine Neuregelung der Leistungen für Kinder im SGB II und SGB XII muss damit sicherstellen dass diese besonderen Bedarfe für Kinder im Zusammenhang mit ihrer Entwicklung und Bildung hinreichend - im SGB II durch die in der Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit liegenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts - gedeckt werden.
Die Einführung einer Öffnungsklausel in das SGB II, entsprechend der Vorschrift des § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, ist notwendig, um eine abweichende Bemessung der Regelleistung in atypischen Einzelfällen innerhalb des SGB II zu ermöglichen und die von der obergerichtlichen Rechtsprechung beschriebene Schnittstelle zu dem SGB XII sachgerecht zu lösen.
Bei der Ausgestaltung der Leistungen für Kinder und Jugendliche im SGB II und SGB XII ist zu gewährleisten, dass die Mittel tatsächlich den Kindern und Jugendlichen zweckentsprechend zugutekommen und nicht im allgemeinen Haushaltsbudget der Bedarfsgemeinschaft aufgehen und ggf. für andere Ausgaben verwendet werden. Deshalb soll geprüft werden, in welchen Bereichen Sachleistungen besser als Geldleistungen eine chancengerechte Teilhabe der Kinder am gesellschaftlichen Leben gewährleisten.