1. Zu Abschnitt 2.3 (Strategisch vorrangige Gebiete für Normungsaufträge an die europäischen Normungsgremien im Jahr 2017)
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, gegenüber der Kommission im Arbeitsprogramm 2017 die Verbesserung der europäischen Normung im Bereich der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 (Bauproduktenverordnung - BauPVO) weiter anzumahnen. Insbesondere ist die umfassende Implementierung von wesentlichen Merkmalen sowie von Schwellenwerten/Leistungsklassen für Bauprodukte in harmonisierten europäischen Normen als strategisch vorrangig einzufordern.
In diesem Zusammenhang soll die Kommission nachdrücklich darum ersucht werden, die nach den nationalen Bauwerksanforderungen der Mitgliedstaaten noch fehlenden wesentlichen Merkmale in harmonisierten Normen ergänzen zu lassen und alle hierzu erforderlichen Schritte unmittelbar einzuleiten. Neben der Nachbesserung bestehender Normen fallen hierunter auch die Bewertungsmethoden für regulierte gefährliche Stoffe und die Emission von Strahlung, deren Entwicklung erst noch abzuschließen ist. Der bauproduktenverordnungskonformen Umsetzung in den harmonisierten technischen Spezifikationen ist hier eine besonders hohe Bedeutung beizumessen.
Die Ergänzung der wesentlichen Merkmale im Normungsbereich der BauPVO sowie die Festlegung von Schwellenwerten/Leistungsklassen sind dringend erforderlich, um einerseits den unterschiedlichen Anforderungen an die Errichtung von Bauwerken und den hierzu bestehenden nationalen Sicherheitsanforderungen der Mitgliedstaaten Rechnung tragen zu können und um andererseits einen funktionierenden Binnenmarkt ohne unnötige Verwendungsbeschränkungen zu ermöglichen. Zur Erfüllung der im Anhang I der BauPVO definierten Grundanforderungen ist nach Artikel 3 Absatz 2 BauPVO hierzu vorgesehen, die wesentlichen Merkmale von Bauprodukten in den technischen Spezifikationen festzulegen. Nach den Erwägungsgründen 4 und 5 BauPVO erfolgt die Festlegung der wesentlichen Merkmale anhand der eingeführten Bestimmungen der Mitgliedstaaten. Die den Grundanforderungen zuzuordnenden nationalen Bauwerksanforderungen sind als Ergebnis des Normungsprozesses durch wesentliche Merkmale sowie Leistungsstufen und -klassen auszudrücken. Dies ist in zahlreichen Normbereichen bislang nur unzureichend erfolgt. Infolgedessen ist es für Produkthersteller häufig nicht möglich, dem intendierten Verwendungszweck entsprechende und zugleich mit den jeweiligen nationalen Bauwerksanforderungen korrespondierende Produktleistungen zu erklären.
Aufgrund der geänderten Zielrichtung der BauPVO im Verhältnis zur Richtlinie 89/106/EWG (Bauproduktenrichtlinie - BauPRL) sollten die diesbezüglichen Hinweise der Mitgliedstaaten bzw. formalen Einwände gegen harmonisierte Normen nach Artikel 18 BauPVO - soweit erforderlich - auch zur Aktualisierung der zugrundeliegenden Normungsmandate von der Kommission aufgegriffen und ihnen durch eine entsprechende Anpassung der Normungsmandate Rechnung getragen werden.
Weiterhin sollte im Rahmen der Erarbeitung neuer harmonisierter Normen die Nutzung der Instrumente für die Festlegung von Schwellenwerten bzw. Leistungsklassen im Normungsprozess in den Normungsmandaten verbindlich eingefordert werden. Bei der Bewertung der Normungsergebnisse ist die mandatskonforme Nutzung der Instrumente wesentliche Merkmale, Schwellenwerte und Leistungsklassen im Hinblick auf die maßgeblichen nationalen Bauwerksanforderungen der Mitgliedstaaten durch die Kommission in geeigneter Weise zu kontrollieren.
Im Hinblick auf die danach dringend notwendigen Nacharbeiten im Bereich der BauPVO kommt der Evaluation bestehender Normen und Mandate sowie der Verbesserung der Normungsarbeit auf europäischer Ebene eine wesentliche Bedeutung zu. An diesem Sachverhalt sollte man sich bei der Ressourcenplanung innerhalb der Normungsgremien und innerhalb der Kommission auch im Verhältnis der hierzu nachrangigen Erschließung neuer Märkte wesentlich orientieren.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Der Europäische Gerichtshof hat im Urteil vom 16. Oktober 2014 zur Rechtssache C-100/13 einen Verstoß der Bundesrepublik Deutschland gegen die Richtlinie 89/106/EWG (Bauproduktenrichtlinie - BauPRL) darin gesehen, dass das Sicherheitsniveau der Bauwerke durch zusätzliche produktbezogene Anforderungen in den Bauregellisten der Länder gewährleistet wurde. Die wesentlichen Aussagen des Urteils lassen sich auf die BauPVO, die die BauPRL abgelöst hat, dem Grunde nach übertragen. Danach kommen produktunmittelbare Nachregelungen zukünftig nicht mehr in Betracht. Für nicht bauproduktenverordnungskonform harmonisierte Normen sind zukünftig stattdessen die in der BauPVO hierfür vorgesehenen Mittel des formalen Einwands nach Artikel 18 BauPVO sowie Maßnahmen der Marktüberwachung nach Artikel 56 ff. BauPVO zu ergreifen. Danach wird es in Zukunft in einzelnen Produktbereichen gegebenenfalls zu Verwendungsbeschränkungen kommen.
Um unnötige bürokratischen Belastungen für die am Bau Beteiligten zu verhindern und Verwendungsbeschränkungen auf Bauwerksebene künftig zu vermeiden, ist eine stringentere Umsetzung der in der BauPVO angelegten Grundsätze in den Normungsverfahren unverzichtbar. Nach den Erwägungsgründen 1, 4 und 5 der BauPVO müssen den Vorschriften der Mitgliedstaaten zufolge Bauwerke so entworfen und ausgeführt werden, dass sie weder die Sicherheit von Menschen, Haustieren oder Gütern gefährden noch die Umwelt schädigen; angestrebt ist, dass die europäisch harmonisierten Normen die hierfür erforderlichen Bewertungskriterien und Anforderungswerte bereits regelmäßig enthalten. Die BauPVO geht weiter davon aus, dass durch unterschiedliche Leistungsstufen und -klassen der wesentlichen Merkmale von Bauprodukten in harmonisierten Normen unterschiedliche Niveaus der Grundanforderungen an Bauwerke sowie die klimatischen, geologischen, geografischen und anderen Unterschiede in den einzelnen Mitgliedstaaten berücksichtigt sind. Die europäischen Normungsgremien haben bei der Erarbeitung der ersten Generation der produktbezogenen Normen für europäisch harmonisierte Bauprodukte die vorgesehen Elemente der Schwellenwerte bzw. Leistungsklassen für bauwerksbezogene Anforderungen jedoch häufig nicht genutzt, obwohl Deutschland auf diese Anforderungen hingewiesen und im Ständigen Ausschuss für das Bauwesen wiederholt eine Nachbesserung der Normen angemahnt hat. Für die Bauunternehmer, die europäisch harmonisierte Bauprodukte auf der Baustelle anwenden, ist es aufgrund unzureichender Leistungserklärungen der Produkthersteller derzeit nur schwierig festzustellen, ob ein europäisch harmonisiertes Bauprodukt für die Verwendung am Bauwerk geeignet ist, das heißt ob durch die Verwendung die bestehenden materiellrechtlichen Anforderungen an das jeweilige Bauwerk erfüllt werden. Darunter leidet nicht nur die Akzeptanz der europäisch harmonisierten Produktnormen für den europäischen Binnenmarkt, sondern die derzeitige Normsituation verfehlt auch das verfolgte Ziel eines durchgängigen Binnenmarktes.
Vor diesem Hintergrund sollte die Mitteilung der Kommission als Anlass genutzt werden, die Kommission erneut daran zu erinnern, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht.