A. Zielsetzung
- Ziel des Gesetzes ist die Änderung der Normen zum automatisierten Abruf von Kontoinformationen in der Abgabenordnung in Teilbereichen.
- Mit den vorgeschlagenen Änderungen soll dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der durch eine Kontenabfrage Betroffenen besser Rechnung getragen werden.
- Die Neufassung der Vorschriften trägt durch die beispielhafte Aufführung der Kontenstammdaten zur Transparenz der Zielrichtung der Kontenabfrage und damit zur Bestimmtheit der Vorschriften bei.
- Ebenso trägt die Neufassung der Vorschriften dem Umstand Rechnung, dass der Kreis der zur Initiierung einer Kontenabfrage berechtigten Behörden über die Finanzbehörden hinaus für den Bürger bisher nicht eindeutig identifizierbar ist und eine gesetzliche Bestimmung über die nachträgliche Information des Betroffenen fehlt.
- Durch die Gesetzesänderung soll für den von einer Kontenabfrage Betroffenen der Kreis der nach § 93 Absatz 8 AO berechtigten Leistungsbehörden konkretisiert und damit entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 22. März 2005 (1 BvR 2357/04, 1 BvQ 2/05) transparent werden.
- Aus der Vorschrift in der Abgabenordnung (§ 93 Absatz 8) soll sich ergeben, bei Anwendung welcher Vorschriften die hierfür jeweils zuständigen Behörden Ersuchen zur Kontenabfrage an die Finanzbehörde richten können.
- Ferner soll in einem neu zu schaffenden § 93 Absatz 9 AO eine Dokumentationspflicht aufgenommen werden. Dadurch wird den Anliegen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 22. März 2005 (vgl. Rdnr. 62) Rechnung getragen. Auch soll in einen neu zu schaffenden § 93 Absatz 9 AO gesetzlich bestimmt werden, dass der Betroffene nach der Durchführung einer Kontenabfrage in der Regel innerhalb einer Frist von einem Monat hiervon informiert wird. Die dadurch bewirkte Kenntnis ermöglicht nachträglichen Rechtsschutz für den Betroffenen (vgl. Rdnr. 61 des o.g. Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 2005).
B. Lösung
- Die zur Identifizierung eines Kontos bzw. Depots durch die Kontenabfrage zu ermittelnden Kontenstammdaten werden beispielhaft aufgeführt. Auch werden die zur Initiierung einer Kontenabfrage berechtigten Leistungsbehörden und Gerichte durch die ausdrückliche Nennung der jeweiligen Vorschriften aus den Leistungsgesetzen enumerativ und abschließend eindeutig festgelegt. Die bestehende Rechtsunsicherheit über den Kreis der zur Kontenabfrage berechtigten Behörden und Gerichte wird damit beseitigt.
- Schließlich wird grundsätzlich eine gesetzliche Benachrichtigungspflicht innerhalb einer Frist von einem Monat zu Gunsten der von der Kontenabfrage Betroffenen festgelegt.
- Damit werden der Bedeutung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung getragen und an die Kontenabfrage erhöhte Anforderungen gestellt.
C. Alternativen
D. Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
E. Sonstige Kosten
- Durch die nachträgliche Benachrichtigung der von der Kontenabfrage Betroffenen entsteht zusätzlicher Verwaltungsaufwand. Dessen Höhe kann nicht beziffert werden.
Gesetzesantrag des Freistaates Bayern
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung
Der Bayerische Ministerpräsident München, den 27. April 2005
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Matthias Platzeck
Sehr geehrter Herr Präsident!
Gemäß dem Beschluss der Bayerischen Staatsregierung übermittle ich den in der Anlage mit Vorblatt und Begründung beigefügten
mit dem Antrag, dass der Bundesrat diesen gemäß Art. 76 Abs. 1 GG im
Bundestag einbringen möge.
Ich bitte, den Gesetzentwurf gemäß § 36 Abs. 2 GOBR auf die Tagesordnung der
810. Sitzung am 29. April 2005 zu setzen und anschließend den Ausschüssen zur
Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Edmund Stoiber
Anlage
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung
Artikel 1
§ 93 der Abgabenordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 2002 (BGBl.
I S. 3869, ber. 2003 I. S. 61), zuletzt geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 9. Dezember
2004 (BGBL. I, S. 3310, ber. 3843) wird wie folgt geändert:
- a) Absatz 7 wird wie folgt gefasst:
" Die Finanzbehörde kann bei den Kreditinstituten über das Bundesamt für Finanzen zur
Identifizierung von Konten die Kontonummer, den Namen des Kontoinhabers und die
anderen Kontenstammdaten im Sinne des § 24c Abs. 1 des Kreditwesengesetzes abrufen,
wenn dies zur Festsetzung und Erhebung von Steuern erforderlich ist und ein vorheriges
Auskunftsersuchen an den Steuerpflichtigen nicht zum Ziele geführt hat oder keinen Erfolg
verspricht."
- b) Absatz 8 wird wie folgt gefasst:
"1Bei der Anwendung des § 11 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches,
des § 82 Absatz 1 und § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, des § 16
des Vierten Buches Sozialgesetzbuch, des § 21 Wohnraumförderungsgesetz, des § 21
Bundesausbildungsförderungsgesetz, des § 17 Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, des
§ 10 Wohngeldgesetz, des § 6 Bundeserziehungsgeldgesetz und des § 11 Unterhaltssicherungsgesetz
(in der jeweils geltenden Fassung) können die hierfür zuständigen Behörden
zur Identifizierung von Konten Ersuchen zum Abruf von Kontonummer, den Namen des
Kontoinhabers und der anderen Kontenstammdaten im Sinne des § 24c Abs. 1 des Kreditwesengesetzes
an die für den Auskunftspflichtigen zuständige Finanzbehörde richten. 2Die
Finanzbehörde soll dem Ersuchen entsprechen und die über das Bundesamt für Finanzen
abgerufenen Daten der ersuchenden Behörde mitteilen, wenn in dem Ersuchen versichert
wurde, dass eigene Ermittlungen nicht zum Ziele geführt haben oder keinen Erfolg versprechen.
3Satz 2 gilt entsprechend für Ersuchen von Gerichten, bei denen Verfahren anhängig
sind, für die die Anwendung der in Satz 1 genannten Vorschriften entscheidungserheblich
ist."
- c) Nach Absatz 8 wird folgender Absatz 9 angefügt:
"1Die Kontenabfrage ist von der ersuchenden Behörde zu dokumentieren. 21m Fall des Absatzes
7 hat die zuständige Finanzbehörde und in den Fällen des Absatzes 8 hat die jeweils
zuständige Behörde oder das Gericht den Betroffenen innerhalb eines Monats nach Zugang
der abgerufenen Daten bei der ersuchenden Behörde oder dem Gericht von der Durchführung
einer Kontenabfrage zu benachrichtigen, wenn der Ermittlungserfolg dadurch nicht
gefährdet wird."
Artikel 2
Dem Artikel 97 § 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 14.Dezember 1976
(BGBl. I S. 3341, 1977 I S. 667), das zuletzt durch Artikel 9 des Gesetzes vom 9. Dezember
2004 (BGBl. I S. 3310) geändert worden ist, wird folgender Absatz 9 angefügt:
"(9) Die durch Artikel 1 des Gesetzes vom xxxxxxxxxx (BGBl. I S. xxxxx) geänderten
Vorschriften sind auf alle bei Inkrafttreten des Gesetzes anhängigen Verfahren anzuwenden,
soweit nichts anderes bestimmt ist."
Artikel 3
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung
I. Allgemeines:
Durch das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit (sog. Steueramnestiegesetz)
vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2928) wurden in § 93 Abs. 7 und 8 sowie § 93b (Automatisierter
Abruf von Kontoinformationen - Kontenabfrage) neu in die Abgabenordnung
(allgemei/steuerao_ges.htm ) eingefügt. Diese Bestimmungen traten am 1. April 2005 in Kraft.
Kernstück des vorgenannten Gesetzes ist das "Gesetz über die strafbefreiende Erklärung
- Strafbefreiungserklärungsgesetz (StraBEG)", das für Steuerhinterzieher für die
Veranlagungszeiträume 1993 bis 2002 im Zeitraum 1.1.2004 - 31.3.2005 unter bestimmten
Voraussetzungen die Möglichkeit einer Steueramnestie ("Rückkehr in die
Steuerehrlichkeit") eröffnet.
Die ab 01.04.2005 geltenden Regelungen zur Kontenabfrage (§ 93 Abs. 7, Abs. 8
AO) sind flankierende Normen zur sog. Steueramnestie. Eine derartige Steueramnestie,
die das Prinzip gleichmäßiger Steuererhebung durchbricht, bedarf verfassungsrechtlich
einer besonderen Legitimation, weil damit Steuerpflichtigen, die in
der Vergangenheit Steuern verkürzt haben, eine geringere Steuerlast auferlegt wird
als Steuerehrlichen. Der Gesetzgeber hat daher die Finanzämter mit verbesserten
Kontrollbefugnissen ab dem 01.04.2005 ausgestattet.
Jedoch wurden die zu ermittelnden Kontenstammdaten in § 93 Abs. 7 und § 93 Abs.
8 AO nicht aufgeführt. So ist bisher der Umfang der Kontenabfrage nur unter Heranziehung
der Verweisung über § 93b Abs. 1 AO auf § 24c Kreditwesengesetz ersichtlich.
Auch wurde der Kreis der Leistungsbehörden, die nach § 93 Abs. 8 AO zur Kontenabfrage
berechtigt sind, bislang nicht gesetzlich konkretisiert. Vielmehr sollten andere
Behörden dann ein Ersuchen an die Finanzbehörde zur Initiierung einer Kontenabfrage
richten können, wenn sie für die Anwendung eines Gesetzes zuständig sind,
das an "Begriffe des Einkommensteuergesetzes anknüpft". Damit ist der Kreis der
zur Kontenabfrage berechtigten Leistungsbehörden aus § 93 Absatz 8 AO nicht ersichtlich
(so auch das Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 22. März 2005 - 1
BvR 2357/05, 1BvQ 002/05 (PDF) - Rdnr. 72).
Schließlich ist eine Benachrichtigung des Betroffenen über eine durchgeführte Kontenabfrage
bislang gesetzlich nicht kodifiziert, die ihm einen nachträglichen Rechtsschutz
gegen den Kontenabruf ermöglicht (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss
vom 22. März 2005- 1 BvR 2357/05, 1BvQ 002/05 (PDF) - Rdnr. 60 f.).
Eine Konkretisierung der durch die Kontenabfrage zu ermittelnden Kontenstammdaten,
eine Eingrenzung der Behörden in § 93 Abs. 8 AO, eine Dokumentationspflicht
und eine gesetzliche Verpflichtung zur Benachrichtigung über eine durchgeführte
Kontenabfrage innerhalb einer angemessenen Frist sind im Hinblick auf die
Bedeutung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG
i.V.m. Art 1 Abs. 1 GG) sowie berechtigte Informationsinteressen der betroffenen
Bürger unabdingbar.
II. Zu den einzelnen Vorschriften:
A. Zu Artikel 1 (Änderung der Abgabenordnung)
- 1. Zu a (Änderung des § 93 Abs. 7)
In Absatz 7 wird durch die beispielhafte Aufzählung der Kontenstammdaten, die in § 24 c
Abs. 1 des Kreditwesengesetzes aufgeführt sind, der Norminhalt schon ohne den Weg über
die Verweisung in § 93b AO verdeutlicht. Auch wird klargestellt, dass keine Abfrage von
Konteninhalten und Kontenbewegungen erfolgt.
- 2. Zu b (Änderung des § 93 Abs. 8)
In Satz 1 werden die Vorschriften abschließend aufgeführt, bei deren Anwendung Leistungsbehörden
Ersuchen zur Kontenabfrage an die Finanzbehörde richten können. Damit wird der
Kreis der berechtigten Behörden der Leistungsverwaltung konkretisiert, ohne sie im Einzelnen
aufführen zu müssen. Ferner wird dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Bestimmtheitsgebot
sowie dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung getragen.
In Satz 2 ist bestimmt, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Form die Finanzbehörde
die Kontenabfrage für die ersuchende Behörde durchführt.
In Satz 3 wird klargestellt, dass Gerichte nur dann Ersuchen zur Kontenabfrage an die Finanzbehörde
richten dürfen, wenn bei ihnen Verfahren anhängig sind, die die in Satz 1 abschließend
aufgeführten Vorschriften zum Gegenstand haben und diese Vorschriften entscheidungserheblich
sind. Durch Satz 3 wird der Kreis der abfrageberechtigten Gerichte eingegrenzt
und ebenso wie durch Satz 1 dem Bestimmtheitsgebot und dem Grundrecht auf informationelle
Selbstbestimmung Rechnung getragen.
- 3. Zu c (Änfügung eines Absatz 9)
Durch Satz 1 wird eine Dokumentation des Kontenabrufs vorgesehen. Damit wird den Anliegen
des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 22.03.2005 Rechnung getragen
(Az: 1 BVR 2357/04; 1 BVQ 2/05). Dieses hat nämlich festgestellt, dass die Inanspruchnahme
und Gewährung von Rechtsschutz auch an der fehlenden Dokumentation des Kontenabrufs
scheitern könne. Denn die bisher in § 24c Abs. 4 KWG vorgesehene Protokollierung (die
über § 93 Abs. 4 anwendbar ist) stehe nicht in Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit einer
durch den Datenzugriff ermöglichten Verwaltungsentscheidung zur Verfügung.
Ferner wird durch Satz 2 eine Verpflichtung der Behörden und Gerichte zur Benachrichtigung
der betroffenen Bürger von der durchgeführten Kontenabfrage innerhalb eines Monats geregelt.
So wird verhindert, dass Kontenabfragen ohne Kenntnis des Betroffenen erfolgen. Die
Benachrichtigung steht unter dem Vorbehalt, dass weitere Ermittlungen der Finanzbehörden
bzw. der anderen Behörden nicht vereitelt werden dürfen. Sobald eine Vereitelung weiterer
Ermittlungen nicht mehr zu befürchten ist, soll die Benachrichtigung an den Betroffenen erfolgen.
Damit wird der Bedeutung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung
stärker Rechnung getragen.
B. Zu Artikel 2
Auch wenn die Gesetzesänderung erst nach dem 1. April 2005 beschlossen wird, ist eine Anwendung
zu diesem Termin eine verfassungsrechtlich zulässige Rückwirkung. Denn die Gesetzesänderung
stärkt die Rechte des von der Kontenabfrage Betroffenen und wirkt damit zu
Gunsten des Bürgers.
C. Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)
Art. 3 regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.