A. Problem und Ziel
- Für Märkte mit gesamtwirtschaftlicher Bedeutung, auf denen der Wettbewerb erstarrt und eine Belebung durch natürliche marktwirtschaftliche Entwicklungen auf absehbare Zeit nicht zu erwarten ist, gibt es bisher kein kartellbehördliches Instrumentarium, um diese strukturelle Schwäche zu beseitigen. Dies macht sich derzeit vor allem auf dem Markt der Stromerzeugung sehr negativ bemerkbar; die Beherrschung dieses Marktes durch ein Oligopol von vier Unternehmen lässt Preiswettbewerb nicht entstehen, was im Endeffekt zu überhöhten Endverbraucherpreisen führt.
B. Lösung
- Dem Bundeskartellamt muss als ultima ratio die Möglichkeit gegeben werden, die marktbeherrschenden Unternehmen zum Verkauf oder zumindest zur organisatorischen und rechtlichen Abtrennung von Vermögensteilen zu zwingen, wenn auf andere Weise kein wesentlicher Wettbewerb zu erreichen ist.
C. Alternativen
- Die bereits erfolgten Maßnahmen und die derzeit diskutierten Initiativen zur Belebung des Wettbewerbes auf dem Strommarkt, vermögen den vorliegenden Vorschlag nicht zu ersetzen. Bislang gibt es lediglich das Verbot wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen, das jedoch auf Märkten mit verfestigt nichtwettbewerblichen Marktstrukturen nicht ausreicht. Auch eine vertikale Entflechtung löst das Grundproblem des fehlenden Wettbewerbs auf der Wertschöpfungsstufe der Stromerzeugung nicht. Gleiches gilt für eine reine Missbrauchsaufsicht. Diese kann bestenfalls eine ungerechtfertigte Preiserhöhung nachträglich korrigieren. Dagegen wird durch den vorliegenden Vorschlag das Ziel einer spürbaren Belebung des Wettbewerbs auf der Produktionsebene durch direkte strukturelle Eingriffe - wie z.B. einen Zwangsverkauf von Erzeugungskapazitäten an Dritte - unmittelbar erreicht. Denn echter Wettbewerb zwischen Stromerzeugern lässt sich nur verwirklichen, wenn die Zahl der Betreiber von Kraftwerken steigt.
D. Finanzielle Auswirkungen
- Beim Bundeskartellamt wird abhängig vom Einzelfall ein im Vorhinein nicht bezifferbarer Mehraufwand an Personal und Sachmitteln entstehen.
- Entsprechendes gilt für die zuständigen Kartellgerichte (OLG Düsseldorf und Bundesgerichtshof).
E. Sonstige Kosten
Gesetzesantrag des Landes Hessen
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen
Der Hessische Ministerpräsident Wiesbaden, den 28. Januar 2008
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ersten Bürgermeister
Ole von Beust
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Hessische Landesregierung hat beschlossen, dem Bundesrat den anliegenden
mit dem Antrag zuzuleiten, seine Einbringung beim Deutschen Bundestag gemäß Art. 76 Abs. 1 des Grundgesetzes zu beschließen.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 15. Februar 2008 aufzunehmen und sie anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Roland Koch
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Juli 2005 (BGBl. I S. 2114), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 18. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2966), wird wie folgt geändert:
- 1. § 32b Abs. 1 wird wie folgt geändert:
- a) In Satz 1 wird die Angabe "§ 32" durch die Angabe "§§ 32 oder 41a" ersetzt.
- b) In Satz 2 wird die Angabe "§§ 32 und 32a" durch die Angabe "§§ 32 und 32a oder 41a" ersetzt.
- 2. § 40 Abs. 3a wird wie folgt gefasst:
(3a) Die Freigabe kann widerrufen oder geändert werden, wenn
- 1. sie auf unrichtigen Angaben beruht,
- 2. sie arglistig herbeigeführt worden ist,
- 3. das beteiligte Unternehmen einer mit ihr verbundenen Auflage zuwiderhandelt oder
- 4. das Bundeskartellamt aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, die Freigabe zu versagen, und wenn ohne den Widerruf oder die Änderung das öffentliche Interesse an wesentlichem Wettbewerb auf einem Markt mit gesamtwirtschaftlicher Bedeutung gefährdet wäre. In den Fällen der Nr. 3 oder 4 gilt § 41 Abs. 4 entsprechend."
- 3. In der Überschrift des § 41 wird das Wort "Entflechtung" durch die Worte "Auflösung eines Zusammenschlusses" ersetzt.
- 4. Nach § 41 wird folgender § 41a eingefügt:"
§ 41a Entflechtung
- (1) Ist auf einem Markt mit gesamtwirtschaftlicher Bedeutung ein Unternehmen marktbeherrschend und ist auf absehbare Zeit kein wesentlicher Wettbewerb auf diesem Markt zu erwarten, kann das Bundeskartellamt anordnen, dass das marktbeherrschende Unternehmen innerhalb angemessener Frist bestimmte Teile seines Vermögens veräußern oder auf andere Weise verselbständigen muss, wenn dies eine spürbare Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen erwarten lässt. Ausgenommen von der Anordnung sind Vermögensteile, die das betroffene Unternehmen in den letzten fünf Jahren vor der Zustellung der Anordnung aufgrund der bestandskräftigen Freigabe eines Zusammenschlusses nach § 40 Abs. 2 übernommen hat. Die Anordnung kann mit Bedingungen und Auflagen verbunden werden. Der Wert von zu veräußernden Teilen, der zuvor von einem durch das Bundeskartellamt beauftragten Wirtschaftsprüfer zu ermitteln ist, wird als Geschäftsgeheimnis Bestandteil der Anordnung nach Satz 1.
- (2) Das marktbeherrschende Unternehmen soll bis zu einem vom Bundeskartellamt zu bestimmenden Zeitpunkt Vorschläge unterbreiten, welche Teile seines Vermögens zu veräußern oder auf andere Weise zu verselbständigen sind. Zu diesen Vorschlägen und deren wettbewerblichen Auswirkungen ist eine Stellungnahme der Monopolkommission einzuholen. Die Monopolkommission kann auch eigene Vorschläge unterbreiten, die unter Beteiligung des betroffenen Unternehmens eine spürbare Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen erwarten lassen.
- (3) Dem Unternehmen ist ein angemessener Zeitraum zu gewähren, innerhalb dessen die nach Absatz 1 angeordnete Verselbständigung zu erfolgen hat. Im Falle der Veräußerung dürfen der oder die Erwerber auf dem relevanten Markt keine beherrschende Stellung innehaben oder durch den geplanten Erwerb erlangen und nicht die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 erfüllen. Die bestimmten Vermögensteile dürfen innerhalb einer Frist von zehn Jahren seit der Verselbständigung nach Satz 1 nur an Unternehmen weiter übertragen werden, die die Voraussetzungen eines Erwerbers im Sinne des Satzes 2 erfüllen. Der Vertrag mit dem oder den Erwerbern über die bestimmten Vermögensteile bedarf zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung des Bundeskartellamtes; Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend. Die Zustimmung ist zu versagen, wenn der in Absatz 1 Satz 1 bestimmte Zweck nicht erreicht würde.
- (4) Die §§ 35, 40 Abs. 4 und § 41 Abs. 4 gelten entsprechend. Im Falle der entsprechenden Anwendung des § 41 Abs. 4 Nr. 3 darf der Treuhänder einen Vermögensteil nur veräußern, wenn der Erlös mindestens die Hälfte des nach Absatz 1 Satz 3 festgestellten Wertes beträgt."
- 5. Nach § 42 wird folgender § 42a eingefügt:"
§ 42a Ministerdispens
- Der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie entscheidet in den Fällen des § 41a auf Antrag, dass eine vom Bundeskartellamt angeordnete Veräußerung von Vermögensteilen nicht erfolgen muss, wenn die bestehenden Wettbewerbsbedingungen durch gesamtwirtschaftliche Vorteile aufgewogen werden oder die gegebene Struktur der betroffenen Unternehmen durch ein überragendes Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (Dispens). § 42 Abs. 1 Satz 2 und 3 und Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend."
- 6. § 43 wird wie folgt geändert:
- a) Absatz 1 wird wie folgt gefasst:
"Die Einleitung des Hauptprüfverfahrens nach § 40 Abs. 1 Satz 1 und des Entflechtungsverfahrens nach § 41a Abs. 1, der Antrag auf Erteilung einer Ministererlaubnis nach § 42 und der Antrag auf Erteilung eines Ministerdispenses nach § 42a sind unverzüglich im Bundesanzeiger oder im elektronischen Bundesanzeiger bekannt zu machen."
- b) Absatz 2 wird wie folgt geändert:
- 7. In § 64 Abs. 1 Nr. 3 wird nach der Angabe "§ 42 Abs. 2 Satz 2" die Angabe "oder ein Ministerdispens nach § 42a Satz 2 in Verbindung mit § 42 Abs. 2 Satz 2" eingefügt.
- 8. In § 66 Abs. 1 Satz 3 wird nach der Angabe "§ 42" die Angabe "oder in den Fällen des § 41a Antrag auf Erteilung eines Ministerdispenses nach § 42a" eingefügt.
- 9. § 80 wird wie folgt geändert:
- a) In Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 wird die Angabe "39, 40, 41, 42 und 60" durch die Angabe "39 bis 41, 41a - auch in Verbindung mit § 41 Abs. 4 - , §§ 42, 42a und 60" ersetzt.
- b) In Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 wird die Angabe "und § 42" durch die Angabe ", § 41a Abs. 1 und 4, § 42 und § 42a" ersetzt.
- c) In Absatz 4 Nr. 3 wird die Angabe "des § 42" durch die Angabe "der §§ 42 oder 42a" ersetzt und nach der Angabe "§ 36 Abs. 1" die Angabe "oder § 41a Abs. 1" eingefügt.
- 10. § 81 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a wird wie folgt gefasst:
§ 30 Abs. 3, § 32 Abs. 1, § 32a Abs. 1, § 32b Abs. 1 Satz 1 oder § 41 Abs. 4 Nr. 2, auch in Verbindung mit § 41a Abs. 4 Satz 1 oder § 40 Abs. 3a Satz 2, auch in Verbindung mit § 41 Abs. 2 Satz 3 oder § 42 Abs. 2 Satz 2, auch in Verbindung mit § 42a Satz 2, oder § 60 oder
Artikel 2
- Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung
A. Allgemeines
1. Anlass und Ziel des Gesetzes
Der vorliegende Gesetzentwurf hat zum Ziel, das kartellbehördliche Instrumentarium zu komplettieren. Die wettbewerbspolitische Diskussion der letzten Jahre war auf die Netzwirtschaften als sog. nicht bestreitbare, natürliche Monopole fokussiert.
Aus der Erkenntnis, dass auf diesen Märkten dauerhaft kein Wettbewerb zu erreichen ist, hat man sich auf eine staatliche Regulierung verständigt.
Daneben existieren weitere Märkte mit Wettbewerbsbeschränkungen, die nicht durch Kostenverläufe, sondern durch die oligopolistische Struktur des jeweils betroffenen Marktes verursacht sind. Grundsätzlich ist dort eine wettbewerbliche Struktur mit mehreren rivalisierenden Anbietern technisch und ökonomisch möglich.
Ein dauerhafter Regulierungsbedarf ist also nicht zu rechtfertigen. Andererseits hat sich über längere Zeiträume gezeigt, dass in bestimmten Fällen das vorhandene Instrumentarium der Kartellbehörden nicht ausreicht, um funktionsfähigen Wettbewerb anzustoßen oder zu erhalten. So ist die Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen in den seltensten Fällen erfolgreich angewendet worden außerdem ist sie nicht darauf ausgelegt, Wettbewerb zu generieren, sondern nur punktuell die Folgen fehlenden Wettbewerbes zu dämpfen.
Trotz der Fusionskontrolle gibt es ausweislich der Untersuchungen der Monopolkommission eine Fülle von Märkten, die durch einen hohen Konzentrationsgrad gekennzeichnet sind. Die dort herrschenden Unternehmen weisen nicht selten ein hohes Maß an vertikaler und/oder horizontaler Integration auf.
Oberstes Ziel der Wettbewerbspolitik muss es bleiben, durch (weitere) Liberalisierungsbestrebungen und die Senkung von Marktzutrittsschranken auch auf solchen Märkten Wettbewerb zu ermöglichen. Für den Fall jedoch, dass dies nicht gelingt soll dem Staat als ultima ratio ein effektives Mittel zur Verfügung stehen, um die marktbeherrschenden Unternehmen zu einer Veränderung ihrer Struktur zu bewegen oder im Weigerungsfall eine Entflechtung durch einen Treuhänder vornehmen zu lassen.
Im europäischen Recht hat sich diese Erkenntnis schon seit Längerem durchgesetzt.
Die Vorschrift des Art. 7 Abs. 1 VO 1/2003 sieht ausdrücklich für den Fall einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81 oder Art. 82 EG die Befugnis vor, seitens der Kommission "alle erforderlichen Abhilfemaßnahmen verhaltensorientierter oder struktureller Art vorzuschreiben, die gegenüber der festgestellten Zuwiderhandlung verhältnismäßig und für eine wirksame Abstellung der Zuwiderhandlung erforderlich ist". Zu den strukturellen Maßnahmen gehören unstreitig auch Eingriffe in die Unternehmenssubstanz bis hin zur Entflechtung. Der nationale Gesetzgeber hat im Rahmen der Siebten Kartellnovelle jedoch bewusst darauf verzichtet eine ausdrückliche Regelung über strukturelle Maßnahmen zu treffen (vgl. BT-Drs. 015/3640, S. 33 re. Sp.). Eine dem Art. 7 VO 1/2003 entsprechende Ergänzung des § 32 Abs. 2 würde allerdings in Anbetracht der Eingriffsintensität einer Entflechtung dem Bestimmtheitsgebot und der Wesentlichkeitsrechtsprechung in keiner Weise Rechnung tragen.
2. Grundzüge des Gesetzentwurfes
Kernpunkt des vorliegenden Gesetzentwurfes ist eine Vorschrift, die die Entflechtung von Unternehmen unter folgenden Voraussetzungen ermöglicht:
Es muss sich um einen Markt mit gesamtwirtschaftlicher Bedeutung handeln; dies kann v.a. Märkte mit bedeutenden oder gar unverzichtbaren Gütern betreffen, an denen ein erhebliches versorgungs- und strukturpolitisches Interesse besteht.
Die Aufgreifschwellen der nationalen Fusionskontrolle müssen überschritten sein.
Das betroffene Unternehmen muss auf dem relevanten Markt eine beherrschende Stellung innehaben.
Auf dem relevanten Markt darf auf absehbare Zeit kein wesentlicher Wettbewerb zu erwarten sein.
Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen soll das Bundeskartellamt unter Beteiligung des Unternehmens die Veräußerung von Vermögensteilen oder eine andere Form der Abtrennung anordnen können, wenn dies eine spürbare Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen erwarten lässt.
Zentrales und tragendes Element des vorliegenden Konzeptes ist die Möglichkeit zur maßgeblichen Mitgestaltung des mehrstufigen Verfahrens durch das betroffene Unternehmen. Es hat in jeder Phase die Möglichkeit, Einfluss auf das Vorhaben des Bundeskartellamtes zu nehmen und Vorschläge für eine Unternehmensumgestaltung zu unterbreiten. Diese können in eine förmliche Verpflichtungszusage nach der - entsprechend zu erweiternden - Vorschrift des § 32b münden und zu einer verbindlichen Einstellung des Verfahrens führen.
Die Entflechtung setzt eine umfassende Marktanalyse voraus. In der Regel, d.h. wenn die erforderlichen Tatsachen nicht bereits aufgrund eines Missbrauchsverfahrens bekannt sind, wird einem Entflechtungsverfahren eine Untersuchung des betroffenen Wirtschaftszweiges nach § 32e vorausgehen. Diese Vorschrift setzt ihrerseits Anhaltspunkte für eine Erstarrung des Wettbewerbes voraus und enthält somit frühzeitig eine wichtige Prüfschwelle für die Notwendigkeit eines strukturell wirkenden Eingriffes.
Die Existenz von Größen- und Verbundvorteilen können eine Restriktion für Marktstruktureingriffe darstellen. Entflechtungen dürfen nur so weit gehen, dass kapazitative Mindestgrößen und damit optimale betriebswirtschaftlichtechnische Betriebsgrößen erhalten bleiben. Anderenfalls würde die gesamtwirtschaftliche Effizienz beeinträchtigt. Schon aus diesem Grund soll das betroffene Unternehmen selbst Vorschläge unterbreiten, welche Teile seines Vermögens veräußert werden könnten. Bereits in dieser Phase des Verfahrens hat das betroffene Unternehmen also weit reichende Möglichkeiten, eine seinen individuellen Interessen dienende Verwertung seines Vermögens geltend zu machen und ggfs. zu verwirklichen.
Für den weiteren Verlauf des förmlichen Entflechtungsverfahrens ist das Vorschlagsrecht des Unternehmens und dessen Beteiligung als Sollvorschrift normativ verankert. Danach darf das Bundeskartellamt - nach gutachterlicher Äußerung der Monopolkommission - seine Zustimmung zu einem Vertrag mit einem von dem betroffenen Unternehmen ausgesuchten Käufer nur verweigern, wenn mit dem geplanten Vertrag das Ziel der Entflechtung nicht erreicht würde; diese Entscheidung ist gerichtlich überprüfbar.
Freilich steht die Ausübung dieses Vorschlagsrechtes unter dem - noch mittelbaren - Zwang zur Berücksichtigung von Gemeinwohlinteressen. Im Lichte des Art. 14 Abs. 2 GG stellt diese Form der Beteiligung des Verfahrensbetroffenen am Zustandekommen einer hoheitlichen Entscheidung die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit optimal wahrende Form dar.
Um das Ziel des Gesetzes, also eine Belebung des Wettbewerbes zu erreichen, muss für den Fall der angestrebten Veräußerung an Dritte der Kreis der potenziellen Erwerber durch das Gesetz begrenzt werden. Es muss insbesondere ausgeschlossen werden, dass andere auf dem relevanten Markt tätige Oligopolisten oder sogar konzerneigene Unternehmen die von der kartellbehördlichen Entscheidung erfassten Kapazitäten und Marktanteile hinzu gewinnen.
Welche Unternehmensteile oder -gegenstände als Objekt der Entflechtung in Betracht kommen wird bewusst und in Übereinstimmung mit der bisherigen Struktur des Kartellgesetzes insbesondere im Bereich der Fusionskontrolle nicht im Gesetz festgelegt. Sowohl das Bundeskartellamt wie auch und gerade das betroffene Unternehmen, das umfänglich in das Verfahren eingebunden ist, sollen und müssen in der Entscheidung über die geeignete und mildeste Form des Eingriffes soweit wie möglich frei sein. Von der Ausgliederung einzelner assets bis zur Abspaltung ganzer Unternehmens- bzw. Konzernteile sollen alle Maßnahmen, die zur Belebung des Wettbewerbes geeignet erscheinen, möglich sein.
Auf dieser Basis hat das Bundeskartellamt seine Abwägungen unter besonderer Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbes ausgerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorzunehmen.
Um auch in der dann folgenden Phase den Einfluss des staatlichen Zwanges zur Veräußerung und auch dessen Auswirkungen auf die Preisbildung so gering wie möglich zu halten, ist dem betroffenen Unternehmen ein angemessener Zeitraum zu gewähren, innerhalb dessen es der Verfügung des Bundeskartellamtes nachkommen muss. In der Regel werden hierfür zwei, in besonders gelagerten Fällen sogar drei Jahre einzuräumen sein. Außerdem darf das Bundeskartellamt nur Einfluss auf die Auswahl des Käufers nehmen, wenn der Zweck der Entflechtung verfehlt zu werden droht.
Schließlich wird im Gesetz ein Vertrauenstatbestand verankert, der den kartellbehördlichen Zugriff auf solche Vermögensteile ausschließt, die innerhalb eines bestimmten Zeitraumes im Zuge einer freigegebenen Fusion übernommen worden waren.
Allerdings sieht der Gesetzentwurf als Vorstufe zu dem soeben beschriebenen Entflechtungsverfahren auch die Möglichkeit vor, die Freigabe einer Fusion zu widerrufen wenn das Bundeskartellamt aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt gewesen wäre, die Freigabe nicht zu erteilen. Die Übernahme dieses verwaltungsrechtlichen Grundsatzes (vgl. § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG) wird ebenfalls auf Märkte mit gesamtwirtschaftlicher Bedeutung begrenzt, an deren Funktionsfähigkeit ein besonderes öffentliches Interesse besteht.
3. Verfassungsrechtliche Fragen
- a) Bei der Schaffung eines neuen wirtschafts- bzw. wettbewerbspolitischen Instruments besitzt der Gesetzgeber verfassungsrechtlich einen großen Spielraum.
Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse müssen vom jeweiligen Sachbereich her geboten und auch in ihrer Ausgestaltung sachgerecht sein.
Sie dürfen nicht weiter gehen als es ihr Grund, der Schutz des Gemeinwohls, erfordert (BVerfGE 110, 1, 28 = juris Tz. 100 - erweiterter Verfall). Es genügt, wenn der Gesetzgeber die widerstreitenden Belange in ein "ausgewogenes Verhältnis" bringt (BVerfGE 114, 1, 59 = juris Tz. 207 - Überschussbeteiligung).
Insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht Eigentumseingriffe mit dem Ziel, "Rahmenbedingungen zu schaffen, die sicherstellen, dass Wettbewerb auch tatsächlich verwirklicht wird und interessierte Unternehmen überhaupt ernsthaft in Konkurrenz ... treten können", genügen lassen (BVerfG NJW 2001, 2960, 2961 = juris Tz. 10 - TK-Leitung).
Allerdings verlangt die verfassungsrechtliche Judikatur bei vergleichbaren Eingriffen, dass der Gesetzgeber erreichbares Material verwertet und Erfahrungen mit vergleichbaren Regelungen im In- und Ausland auswertet (BVerfGE 50, 290, 332 = juris Tz. 114 - Mitbestimmung). Der vorliegende Gesetzentwurf basiert auf zwei aktuellen wissenschaftlichen Untersuchungen zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit sowie zu den Eingriffsgründen, Strukturveränderungen und langfristigen Wirkungen der horizontalen Entflechtung anhand internationaler Erfahrungen (Christoph Engel Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines Entflechtungstatbestandes im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen 2007; Christian von Hirschhausen/Anne Neumann/Hannes Weigt Entflechtung als Instrument einer aktiven Wettbewerbspolitik: Lehren aus internationalen Erfahrungen 2007). Diese Untersuchungen beinhalten auch eine Auswertung zahlreicher, in den letzten Jahrzehnten zum Instrument der Entflechtung erstellter Arbeiten.
Danach weisen die praktischen Erfahrungen in den USA eine positive Bilanz der gerichtshängigen Entflechtungsverfahren aus: Zwischen 1890 und 1996 gab es 423 monopolization-Fälle. 87 endeten mit einer strafrechtlichen Sanktion, 336 wurden von den Zivilgerichten behandelt. In 172 Fällen verhängten die Gerichte behavioural remedies, in 69 Fällen compulsory licences. In 95 Fällen oder 28,3 % der Fälle ergriffen sie structural remedies; 63 davon waren divestiture oder dissolution (Engel S. 50; Crandall, Robert W. The Failure of Structural Remedies in Sherman Act Monopolization Cases, in Oregon Law Review 2001, S. 109 -198; hier S. 115 f., 120). Die amerikanischen Kartellbehörden nutzen das Instrumentarium, das ihre Rechtsordnung bietet, in sehr differenzierter Weise. Obwohl der ultimaratio-Gedanke dort nicht dogmatisch verfestigt ist, wurde vom härtesten Eingriff, also der Auflösung von Unternehmen, nur dann Gebrauch gemacht, wenn es unvermeidlich war.
Die Erfahrungen in den Vereinigten Staaten zeigen allerdings auch, dass dem häufig vorhandenen Informations- und/oder Machtgefälle zwischen Verkäufer und Erwerber bei der Ausgestaltung der kartellbehördlichen Entscheidung durch am Einzelfall und den spezifischen Gegebenheiten des jeweils relevanten Marktes ausgerichteten Nebenbestimmungen unbedingt begegnet werden muss. Um den mit der Entflechtung angestrebten Erfolg dauerhaft zu sichern, besteht auch die Federal Trade Commission auf flankierenden Sicherungen, insbesondere für den Fall, dass eine Entflechtungsabrede scheitert (vgl. Engel S. 53 m.w.N.).
Die Entflechtung der Elektrizitätserzeugung in England ist ein besonders eindrucksvolles Beispiel eines erfolgreichen strukturellen Markteingriffes in Europa.
Der Wettbewerb wurde nach vorangegangener Privatisierung erst gestärkt, nachdem die Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden einen Marktmissbrauch durch das vorhandene Duopol National Power/Power Gen nachgewiesen und daraufhin angehalten hatten, Kraftwerkskapazitäten zu verkaufen.
Das Preisniveau fiel mit der zunehmenden Anzahl von Anbietern nachweisbar.
In Ergänzung der horizontalen Entflechtung führte die diskriminierungsfreie Netzzugangsregulierung dazu, dass trotz erneut leicht gestiegener Konzentrationsgrade der Erzeugermarkt langfristig wettbewerblich geblieben ist (vgl. im Einzelnen von Hirschhausen/Neumann/Weigt, Tz.3.1. S. 7 ff).
Auch die Europäische Kommission hat in ihrer "Study on Merger Remedies" (2005) eine grundsätzlich positive Bilanz der anlässlich von Fusionsfreigaben zugesagten Entflechtungen gezogen. Ebenso wurde aber deutlich, dass einer effektiven Belebung des Wettbewerbes zahlreiche vom Einzelfall abhängige Hindernisse entgegenstehen können, die zu identifizieren und dauerhaft zu beseitigen sind (vgl. von Hirschhausen/Neumann/Weigt Tz. 4.3.3 S. 31).
Weil der Effekt einer Veränderung der Marktstruktur häufig nicht sicher zu isolieren ist sind Aussagen über die Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen nach einer Entflechtung nicht immer empirisch ableitbar. Allerdings zeigen genauere Untersuchungen, dass auch im Falle vermeintlich erfolgloser Interventionen andere Einflüsse zu erkennen sind, die ebenso unter Bedingungen funktionierenden Wettbewerbs einen Preisanstieg hätten erwarten lassen. So sind im Fall Standard Oil die Ölpreise drei Jahre nach der Entflechtung zwar stark gestiegen. Der Grund war aber ein drastisches Ansteigen der Nachfrage, teils durch das Aufkommen des Autos, teils durch den 1. Weltkrieg. Im Fall American Tobacco sind die Zigarettenpreise nicht gesunken. Der Grund war vor allem, dass das neu entstandene Oligopol viele Ressourcen in Werbung gesteckt hat und nicht in Preissenkungen. Im Fall Paramount sind die Preise für Kinobesuche trotz Entflechtung gestiegen. Dies war aber offenbar darauf zurückzuführen dass weiterhin ein kollusives Verhalten zwischen den Marktteilnehmern möglich blieb. Hier ist die Entflechtung also nicht weit genug gegangen (zu allem Engel S. 54 f. m.w.N.).
Auch die in Kalifornien aufgetretenen und weltweit bekannt gewordenen Unterbrechungen in der Stromversorgung sind nicht die Folgen einer ansonsten erfolgreichen Entflechtung gewesen, die die Marktkonzentration von 80% auf 50% zurückführte. Vielmehr kam es infolge einer zu rigiden Preisregulierung auf der Verteilungsstufe zu finanziellen Ungleichgewichten und erheblichen Turbulenzen entlang der gesamten Wertschöpfungskette (vgl. von Hirschhausen/ Neumann/Weigt Tz. 3.2. S. 10ff).
In zahlreichen anderen Fällen ist der Erfolg von Entflechtungen deutlicher zu erkennen. Die Entflechtung von Alcoa begann im Jahre 1912 und endete 1951. In diesem Zeitraum sind die Aluminiumpreise kontinuierlich gesunken.
Im Fall United Shoe Machinery weisen andere Indikatoren auf einen Erfolg hin: Der Marktbeherrscher hat Marktanteile verloren; der Markt für gebrauchte Maschinen ist aufgeblüht. Nach allgemeiner Einschätzung war vor allem die Entflechtung von AT&T ein Erfolg. Insbesondere die Preise für Langstreckentelefonate sind im Anschluss verfallen. Die Telekommunikationsanbieter haben ihre Kosten gesenkt. Die Investitionen in Forschung und Entwicklung haben zugenommen (vgl. Engel S. 54 m.w.N.; von Hirschhausen/ Neumann/ Weigt Tz. 4.1. S. 19 ff). Diese Ergebnisse werden von den Erfahrungen der Federal Reserve mit der Entflechtung einzelner Bankniederlassungen bestätigt.
Unmittelbar nach dem Eigentümerwechsel verloren sie zwar typischerweise Marktanteile. Diese Anteile wuchsen jedoch normalerweise nicht den bisherigen Eigentümern zu. Auf mittlere Frist erholten sich die entflochtenen Niederlassungen und gewannen im Durchschnitt etwas an Einlagen hinzu. Ihre Wachstumsrate entsprach dem Wachstum vergleichbarer Niederlassungen, die nicht entflochten worden waren (vgl. Engel S. 54 f., Burke, Jim Divestiture as an Antitrust Remedy in Bank Mergers ,1998, S. 13 f.).
Im Ergebnis lassen die Erfahrungen sowohl in den Vereinigten Staaten wie auch mittlerweile in Europa den Schluss zu, dass die Entflechtung ein anerkanntes Instrument zur Überwindung der Nachteile marktbeherrschender Stellungen auf erstarrten Märkten darstellt. Es sorgt für eine Belebung des Wettbewerbes, verbessert das Marktergebnis zugunsten der Verbraucher wie auch der Gesamtwirtschaft. Die positive langfristige Wirkung von Entflechtungen hängt allerdings von der Konsequenz ab, mit der die Maßnahmen durchgeführt werden (vgl. von Hirschhausen/Neumann/Weigt Tz 2.2. S. 3 ff ) .
- b) Der vorliegende Gesetzentwurf berührt neben dem Eigentumsgrundrecht mehrere andere verfassungsrechtliche Vorschriften. Der Schutz, den diese gewähren, reicht jedoch nicht weiter als derjenige des Art. 14 GG. Deshalb beschränken sich die weiteren Ausführungen auf das Eigentum.
Ob eine Entflechtungsmaßnahme einen Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum darstellt, hängt entscheidend von der Ausgestaltung der Entflechtung ab.
Soweit lediglich Vermögensumschichtungen erfolgen, indem - wie etwa bei den prorata-Entflechtungen - die Gesellschafter wieder Anteilseigner an verselbstständigten Unternehmensteilen werden, liegt kein Eingriff in Eigentumsrechte vor. In den übrigen Fällen, in denen Vermögensteile veräußert werden, ist ein Eingriff in die Verfügungs- und Verwertungsbefugnis des Eigentümers gegeben. Auch der denkbare Wertverlust in Folge einer Zerschlagung unterfällt dem Schutz des Artikels 14 GG. Marktteilnehmer haben aber keinen grundrechtlichen Anspruch darauf, dass die Wettbewerbsbedingungen für sie gleich bleiben. Insbesondere gewährleistet das Grundrecht des Artikel 14 keinen Anspruch auf eine erfolgreiche Marktteilhabe oder künftige Erwerbsmöglichkeiten.
Vielmehr unterliegen die Wettbewerbsposition und damit auch die erzielbaren Erträge dem Risiko laufender Veränderungen je nach den Verhältnissen am Markt und damit nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen (BVerfGE 110, 274, 288 = juris Tz. 44 - Ökosteuer; siehe auch BVerfGE 115, 205, 242 f. = juris Tz. 82 - In camera).
Die mit der neuen Vorschrift ermöglichten vielfältigen Formen einer durch das betroffene Unternehmen selbst maßgeblich mit zu gestaltenden Entflechtung stellt keine Enteignung im Sinne des Artikel 14 GG dar. Eine solche liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfGE 104, 1, 10 = juris Tz. 30 - Baulandumlegung) nur vor, wenn subjektive Rechtspositionen gezielt zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben entzogen werden. Die Erhaltung bzw. - wie im vorliegenden Fall - die Ermöglichung funktionsfähigen Wettbewerbes liegt zwar in einer demokratisch verfassten Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung im öffentlichen Interesse. Durch den Eingriff wird aber kein Rechtsgut entzogen oder geschaffen, mit dem öffentliche Aufgaben - wie etwa solche der Daseinsvorsorge - erfüllt werden. Es geht dem Staat auch nicht darum, die Erwerber durch diese Vermögensgegenstände zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe in Stand zu setzen. Vielmehr werden mit dem Entzug bestehender Rechtspositionen andere Privatrechtssubjekte in die Lage versetzt, ihrerseits auf dem relevanten Markt uneingeschränkt von ihren durch Artikel 12 und 14 GG geschützten Grundrechten Gebrauch zu machen.
Die Entflechtung kommt also Privaten zugute und stellt deshalb nur eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums dar. Zur Kompensationspflicht s.u. Begründung zu Art. 1 Nr. 4 (§ 41a - neu -) Buchst. g).
Für die verfassungsrechtliche Beurteilung ist die intensive Einbindung des Unternehmens in den Verfahrensprozess ein bedeutender Aspekt. Insoweit genügt zunächst die Einsicht, dass das Verhandlungsergebnis schon wegen der großen Sach- und Marktnähe des Unternehmens zu seinen Gunsten von der angedrohten einseitigen Handlung des Bundeskartellamtes abweichen wird.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wie auch die Erforderlichkeit einer Versteigerung durch einen Treuhänder findet in diesem Konzept eine besondere Ausprägung.
4. Beispiel Stromerzeugungsmarkt
Einen Anlass für die vorliegenden gesetzgeberischen Überlegungen bietet vor allem der Stromerzeugungsmarkt. Eine wettbewerbliche Marktverfassung mit konkurrierenden Anbietern ist dort technisch und ökonomisch möglich und vom Gesetzgeber des Energiewirtschaftsrechts auch gewollt. Dauerhafter Regulierungsbedarf besteht nicht. Allerdings ist der Wettbewerb auf diesem Markt seit Langem stark beschränkt. Nicht Kostenverläufe verursachen die Beschränkung des Wettbewerbes, sondern eine vermachtete oligopolistische Marktstruktur.
Mehr als drei Viertel der Kraftwerkskapazität der öffentlichen Versorgung in Deutschland befindet sich in der Hand von vier Großunternehmen.
Aus den geschilderten Gründen sind die Stromendkundenpreise in Deutschland trotz der unternommenen Liberalisierungsbemühungen im europäischen Vergleich noch immer zu hoch. Es besteht die begründete Vermutung, dass dies durch überhöhte Großhandelspreise der Stromerzeuger verursacht wird (vgl. von Hirschhausen/Weigt/Zachmann Preisbildung und Marktmacht auf den Elektrizitätsmärkten in Deutschland - Grundlegende Mechanismen und empirische Evidenz 2007). Kurz- und mittelfristig ist nicht mit einem Abbau von Marktzutrittsschranken und folglich auch nicht mit einer Stärkung des Wettbewerbs zu rechnen. Kraftwerksstandorte für unabhängige Anbieter sind kaum verfügbar, die Planungs- und Genehmigungszeiten für neue Kraftwerke sind lang. Wettbewerbsdruck durch ausländische Konkurrenten ist nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Entflechtungen auf dem Stromerzeugermarkt lassen deshalb eine Intensivierung des Wettbewerbes und niedrigere Strompreise erwarten.
Auch durch die Beteiligungen an städtischen und regionalen Stromverteilern können die großen deutschen Energiekonzerne das Einkaufs- und Investitionsverhalten der Endversorger beeinflussen und so weitere Marktzutrittsschranken errichten.
Deshalb wird zusätzlich die Möglichkeit geschaffen, die Freigabe von Fusionen auf Märkten mit gesamtwirtschaftlicher Bedeutung zu widerrufen, wenn das Bundeskartellamt aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt gewesen wäre die Freigabe nicht zu erteilen.
B. Zu den einzelnen Vorschriften
Zu Nr. 1 (§ 32b Abs. 1)
Ein wesentliches Element des vorliegenden Gesetzentwurfes besteht in der aktiven Beteiligung des betroffenen Unternehmens an der Suche nach Möglichkeiten zur Belebung erstarrten Wettbewerbes durch die Auflösung von Unternehmensverbindungen. Eine Verpflichtungszusage i.S. des § 32b würde eine spürbare Beschleunigung solcher Vorhaben bewirken und zu einem frühzeitigen verbindlichen Abschluss entsprechender Verfahren führen. Deshalb wird der Anwendungsbereich dieser Vorschrift entsprechend erweitert.
Zu Nr. 2 (§ 40 Abs. 3a)
Die Freigabe eines Zusammenschlusses nach § 40 Abs. 2 stellt einen begünstigenden Verwaltungsakt dar. Die zu ändernde Vorschrift enthält in ihrer derzeitigen Fassung bereits einige Tatbestände, die Grundsätze des Allgemeinen Verwaltungsrechtes zur Rücknahme rechtswidriger (§ 48 Abs. 3 Satz 2 i. V. mit Abs. 2 Satz 3 VwVfG) bzw. zum Widerruf rechtmäßiger Verwaltungsakte (§ 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG) wiedergeben. Diese bleiben unverändert als Nr. . 1 bis 3 des Tatbestandes erhalten, der nun um den Fall des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG erweitert wird.
Die Freigabe einer Fusion nach § 40 Abs. 2 GWB erfolgt auf der Basis von Tatsachen, deren umfassende Würdigung im Hauptprüfverfahren dazu geführt hat, dass die Untersagungspflicht nach § 36 Abs. 1 zu verneinen war. Mit dieser Freigabe wird ähnlich wie bei einer öffentlichrechtlichen Genehmigung (vgl. dazu BVerfG NVwZ 2002, 197 = juris Tz. 23 - Branntweinmonopol) keine verfassungsrechtlich geschützte Position gewährt. Die Prognose, dass eine marktbeherrschende Stellung nicht entstehen oder nicht verstärkt würde bzw. dass Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten würden, kann sich aufgrund neuer tatsächlicher Entwicklungen im Nachhinein als nicht zutreffend erweisen. Für diesen Fall muss dem o.g. verwaltungsrechtlichen Grundsatz insbesondere auf Märkten mit gesamtwirtschaftlicher Bedeutung, an deren Funktionsfähigkeit ein besonderes öffentliches Interesse besteht,
Geltung verschafft werden. Gesetzestechnisch wird bewusst an dieselben Merkmale wie in § 41a angeknüpft. Der Widerruf oder die Änderung können wegen des durch die Freigabe geschaffenen Vertrauenstatbestandes nur für die Zukunft erfolgen (so schon für die geltende Fassung der Vorschrift Mestmäcker/Veelken in
Immenga/Mestmäcker Wettbewerbsrecht Bd. 2 GWB 4. Aufl. 2007 § 40 Rdnr. 99). Im Übrigen, auch hinsichtlich der Frist für einen Widerruf oder eine Änderung, gelten der allgemeinen Auffassung folgend die Vorschriften der §§ 48 ff. GWB entsprechend.
Sollten sich die Strukturen der fusionierten Unternehmen zwischenzeitlich so weit verändert haben, dass eine Auflösung des Zusammenschlusses nicht mehr möglich ist muss auf das Entflechtungsverfahren nach § 41a übergegangen werden.
In den übrigen Fällen einer Fusionsfreigabe gewährt der neue Tatbestand des § 41a Abs. 3 Vertrauensschutz.
Zu Nr. 3 (§ 41)
Um die Vorschriften des § 41 Abs. 3 und 4 zum neuen Tatbestand des § 41a abzugrenzen, bedarf es einer entsprechenden Klarstellung in der Überschrift.
Zu Nr. 4 (§ 41a - neu -)
Zu Abs. 1
Zu Satz 1:
- a) Ein Markt mit gesamtwirtschaftlicher Bedeutung umfasst in erster Linie Güter und Dienstleistungen von "allgemeinem wirtschaftlichen Interesse" (vgl. Art. 16, 86 Abs. 2 EGV). Damit sind in erster Linie Netzwirtschaften wie Infrastruktureinrichtungen, insbesondere Verkehrs-, Post-, Energieversorgungs- und Telekommunikationsdienste gemeint (vgl. etwa Europäische Kommission Weißbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse 12.05.2004, KOM (2004) 374 endg., Anhang 1). Aber auch Zahlungssysteme, flächendeckende Entsorgungsleistungen oder bestimmte Rohstoffe können gesamtwirtschaftliche Bedeutung erlangen.
Auf regulierten Märkten greift der vorliegende Tatbestand nur, soweit die spezialgesetzlichen Vorschriften eine Entflechtung nach den hier fest gelegten, allgemein gültigen Kriterien zulassen.
- b) Voraussetzung für eine Entflechtungsanordnung ist, dass das betroffene Unternehmen auf dem relevanten Markt eine beherrschende Stellung innehat. Die Marktbeherrschungsdefinition des § 19 Abs. 2 gilt ebenso wie die Vermutungsregelung des Abs. 3 dieser Vorschrift. Darüber hinaus muss entgegen § 19 Abs. 3 Satz 2 allerdings die Kartellbehörde begründet darlegen, dass in absehbarer Zeit auf dem relevanten Markt kein wesentlicher Wettbewerb zu erwarten ist. Um dieser Verpflichtung nachzukommen, wird das Bundeskartellamt von seinem Enqueterecht nach § 32e Gebrauch machen, oder es besitzt entsprechende Erkenntnisse bereits aus vorangegangenen Missbrauchsverfahren.
Wird der relevante Markt von einem Oligopol beherrscht, steht es im Ermessen des Bundeskartellamts, gegen welches Unternehmen es (zuerst) vorgeht. Die dafür maßgebenden Aspekte werden in der Regel der Marktanteil, das Ausmaß zuvor festgestellter Missbräuche, die Bedeutung zur Veräußerung in Betracht kommender Vermögensteile für eine nachhaltige Wettbewerbsbelebung, aber auch deren Entstehung durch internes oder externes Wachstum sein (s. im Übrigen unten d).
- c) Die Anordnung einer Entflechtung erfordert darüber hinaus eine negative Wettbewerbsprognose. Diese kann beispielsweise auf hohen Marktzutrittsschranken infolge technischer wirtschaftlicher, rechtlicher oder sonstiger Hemmnisse beruhen.
Spürbare und dauerhafte Verbesserungen der Wettbewerbsintensität dürfen ohne den Eingriff nicht zu erwarten sein.
- d) Das Bundeskartellamt entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob und - sofern mehrere marktbeherrschende Unternehmen vorhanden sind - gegen welches Unternehmen ein Entflechtungsverfahren eingeleitet wird. Im Oligopol muss die Ermessensentscheidung unter besonderer Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes (Art 3 GG) erfolgen. Trägt eines der beherrschenden Unternehmen eine besonders hohe Verantwortung für das Marktergebnis, ist es angemessen, gerade von diesem Unternehmen zu verlangen, dass es Vermögensgegenstände veräußert. Bei gleich großen Marktanteilen kann es geboten sein, von allen Unternehmen die Veräußerung von Vermögensbestandteilen zu verlangen. Dies scheidet allerdings aus, wenn damit der Eingriff unnötig intensiv würde. Das Bundeskartellamt muss also in solchen Fällen prüfen, ob es dem Gleichbehandlungsgrundsatz durch gleichmäßige Belastungen Rechnung tragen kann. Kommt es dabei aber zu der - gerichtlich nachprüfbaren - Einschätzung, dass diese Instrumente nicht hinreichend wirksam wären, darf es auch einzelne Mitglieder des Oligopols herausgreifen oder sie mit Maßnahmen von unterschiedlicher Eingriffstiefe konfrontieren.
- e) Der Tatbestand lässt bewusst offen, welche Teile des Vermögens veräußert bzw. abgetrennt werden müssen und auf welchem rechtstechnischen Weg dies bewirkt werden soll. Die Entscheidung des Bundeskartellamtes muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Wenn eine spürbare Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen durch einen milderen Eingriff als durch eine Veräußerung an bisher unbeteiligte Dritte zu erzielen ist, muss eine rechtliche oder gar nur eine organisatorische Verselbstständigung in Betracht gezogen werden. Von der bloßen Auflösung personeller Verflechtungen bis hin zur Aufgliederung eines bislang einheitlichen Unternehmens sind alle Lösungen mit dem Gesetz vereinbar. Auch eine prorata-Entflechtung, also die Abspaltung eines Unternehmensteiles mit identischer Gesellschafterstruktur ist vorstellbar, wenn sie ausreichend ist, um die angestrebte dauerhafte Wettbewerbsbelebung zu bewirken.
- f) Auch wenn die im Tatbestand angelegten Entflechtungsmöglichkeiten nur eine Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums darstellen, kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes der Entzug bestimmter Rechtspositionen eine Kompensationspflicht auslösen. Im vorliegenden Fall bestimmen sich Grund und Höhe eines etwaigen Ausgleiches nach dem Ergebnis einer Abwägung zwischen den betroffenen privaten und öffentlichen Interessen (vgl. dazu BVerfG NJW 2003, 196, 198 = juris Tz. 33 - TK-Leitung). Der Eigentumsgegenstand steht in dem denkbar höchsten sozialen Bezug.
Die Entflechtung richtet sich nur gegen solche Unternehmen, die eine marktbeherrschende Stellung innehaben.. Dieser Aspekt führt bereits zu einer deutlichen Abwertung der Interessen des betroffenen Unternehmens. Wählt zudem das Bundeskartellamt eine Entflechtungstechnik, die ohne die Übertragung von Vermögensgegenständen auf Dritte auskommt, ist schon deshalb kein Ausgleich erforderlich. So liegt es bei der Auflösung von personellen Verflechtungen, bei der Beendigung von Vertragskonzernen, bei der Auflösung von Konzernen oder bei der Aufgliederung bislang einheitlicher Unternehmen im Wege der prorata-Lösung.
In den übrigen Fällen, also bei der Veräußerung von Unternehmensteilen an Dritte, besteht die Entschädigung im Verkaufserlös. Dabei ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden dass in Anbetracht der besonderen Umstände der erzielte Erlös ggf. unterhalb des Marktwertes liegt. Eigentumsgegenstände, von denen eine Gefährdung der Öffentlichkeit oder Dritter ausgeht können sogar entschädigungslos entzogen werden (vgl. BVerfGE 22, 387, 422 - Verfall). Jedenfalls ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Hinblick auf die soziale Bindung des Eigentums hinzunehmen, dass der durch anderweitige Veräußerung zu erzielende Kaufpreis niedriger ist als der Erlös aus einem Anteilsverkauf, der zur Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung führen würde (vgl. BGH NJW 1978, 1320, 1325 - Kfz-Kupplungen). Artikel 14 Absatz 1 GG schützt nicht die einträglichste Nutzung des Eigentums (BVerfGE 100, 226, 243 = juris Tz. 84 - Denkmalschutz). Der verfassungsrechtliche Anspruch beschränkt sich vielmehr auf die Gewährleistung einer angemessenen Verwertung, d. h. der Bereitstellung von gesetzlichen Zuordnungsmechanismen, die dem Grundsatz nach eine wirtschaftlich sinnvolle Disposition und Nutzung möglich machen (BVerfGE 79, 1, 25 = juris Tz. 46 - Sendung in Vollzugsanstalten). Selbst die Tatsache, dass sich Chancen im Wert von Aktien abbilden, führt nicht zu ihrem verfassungsrechtlichen Schutz (BVerfG NJW 2001, 279, 280 = juris Tz 18 - Moto Meter AG). Im Ergebnis ist also der aus der Auflösung einer marktbeherrschenden Stellung resultierende Wertverlust verfassungsrechtlich nicht geschützt. Auch die Tatsache, dass dem Unternehmen unter bestimmten Umständen nur Zerschlagungswerte bleiben, wäre verfassungsrechtlich nur problematisch, wenn diese Form der Auflösung von Unternehmensverbindungen zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht erforderlich wäre. Solange das Unternehmen in den Ablauf der Entflechtung eingebunden ist, kommt demzufolge auch dieses Bedenken nicht zum Tragen. Ebenso ist ohne Bedeutung, dass sich das Unternehmen im Hinblick auf die drohende Zwangsveräußerung zu einer aus seiner Sicht suboptimalen Lösung bereit findet. Im Ergebnis bedarf es also einer gesetzlichen Fixierung des zu erzielenden Verkaufserlöses in diesen Fällen nicht, solange die Veräußerung in der Hand des betroffenen Unternehmens liegt; für den Fall der zwangsweisen Veräußerung vgl. Satz 3 sowie Abs. 4 Satz 2.
- g) Die angeordnete Veräußerung muss eine spürbare Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen erwarten lassen. Wie Erfahrungen aus anderen Ländern (s.o. A.3.a) belegen, können sich entsprechende positive Auswirkungen in vielfältiger Weise zeigen. Handelt es sich um vergleichbare Märkte, kann sich das Bundeskartellamt bei seiner Prognose auf diese Fakten stützen. Ansonsten kann auf die Erkenntnisse bei der Anwendung des identischen Tatbestandsmerkmals in der Vorschrift des § 36 Abs. 1 zurückgegriffen werden.
Zu Satz 2:
Die Regelung enthält einen Vertrauensschutztatbestand; der Verkauf von Vermögensteilen, die in den letzten fünf Jahren vor der Entflechtung Gegenstand einer fusionskontrollrechtlichen Prüfung und Freigabe seitens des Bundeskartellamtes waren, darf nicht erzwungen werden. Dies gilt nicht, wenn es Gründe gibt, die damalige Freigabe nach § 40 Abs. 3a in der hier zu erweiternden Fassung (vgl. oben Nr. 2) zu widerrufen.
Zu Satz 3:
Die praktischen Erfahrungen mit Entflechtungsregelungen in anderen Ländern belegen die große Bedeutung flankierender Sicherungsmaßnahmen für den Erfolg eines strukturellen Eingriffes ( s.o. A. 3.a). Das Informationsgefälle zwischen Verkäufer und Kartellbehörde wird es häufig erforderlich machen, dass sich die Behörde offen hält, die Überlebensfähigkeit der ausgegliederten Vermögensteile bzw. ihrer Erwerber zu verifizieren bzw. sogar zu fordern. Wie in den Vereinigten Staaten wiederholt praktiziert kommen als Nebenbestimmungen z.B. die Verpflichtungen in Betracht, einen "viable business plan" vorzulegen oder z.B. nachzuweisen, dass der Erwerber Zugang zu benötigten Vorprodukten hat. Für den Fall, dass eine Entflechtungsabrede scheitert können verschiedene Sicherungsmaßnahmen vorgesehen werden, bis hin zur Verwertung eines weiteren bedeutenden Vermögensgegenstandes..
Zu Satz 4:
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (vgl. BVerfGE 100, 226, 246 = juris Tz. 96 - Denkmalschutz) muss der Adressat einer belastenden Verfügung, die eine ausgleichspflichtige Beschränkung von Inhalt und Ausmaß des Eigentums darstellt zum Zeitpunkt des Eingriffes wissen, welche Entschädigung er dafür (mindestens) erhält. Er soll auf einer verlässlichen Basis entscheiden können, ob er um Primärrechtsschutz nachsucht. Deshalb muss das Bundeskartellamt, nachdem es sich intern festgelegt hat, welche Vermögensteile zu veräußern sind, einen Wirtschaftsprüfer damit beauftragen, den Wert dieser Gegenstände zu ermitteln. Dies hat nach den herkömmlichen Grundsätzen der Unternehmensbewertung zu erfolgen.
Danach ist zu berücksichtigen, dass das zu entflechtende Unternehmen infolge der Entflechtungsverfügung seine marktbeherrschende Stellung verliert. Der mit der marktbeherrschenden Stellung verbundene Wertzuwachs hat also außer Ansatz zu bleiben. Dies ist auch verfassungsrechtlich gedeckt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes gibt es keinen grundrechtlichen Schutz der Marktteilnehmer in Bezug auf eine erfolgreiche Teilnahme am Wettbewerb, gleichbleibende Bedingungen im Wettbewerb, Chancen sowie Rentabilitätsvermutungen (BVerf-GE 68, 193, 222 = juris Tz. 77 - Innung; BVerfGE 110, 274, 290 = juris Tz. 49 - Ökosteuer; BVerfGE 105, 252, 278 = juris Tz. 77 - Glykolwarnung). So ist auch im Falle einer untersagten Fusion im Hinblick auf die soziale Bindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1, 2 GG) grundsätzlich hinzunehmen, wenn der durch anderweitige Veräußerung zu erzielende Kaufpreis niedriger ist als der Erlös aus einem Anteilsverkauf, der zur Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung führen würde (so BGH NJW 1978, 1320, 1325 - Kfz-Kupplungen).
Ein frühzeitiges Bekanntwerden des so ermittelten Wertes würde einen "Käufermarkt" entstehen lassen und die Chancen des betroffenen Unternehmens, einen marktgerechten Verkaufserlös zu erzielen, unverhältnismäßig beeinträchtigen. Deshalb wird diese Information von Gesetzes wegen zum Geschäftsgeheimnis erklärt und damit seine unbefugte Weitergabe an Dritte unter Strafandrohung gestellt (vgl. §§ 203 ff. StGB, 404 AktG).
Unmittelbare Bedeutung hat der durch die Verfügung des Bundeskartellamtes festgestellte Wert nur für den Fall, dass es zu einer Veräußerung durch den Treuhänder nach Absatz 4 Satz 2 kommt. In diesem Fall darf der erzielte Erlös nicht weniger als die Hälfte des von dem Wirtschaftsprüfer ermittelten Wertes betragen.
Zu Abs. 2
Um den Eingriff in die Verfügungs- und Verwertungsbefugnis des Eigentümers so gering wie möglich zu halten, wird dem betroffenen Unternehmen die Möglichkeit eingeräumt Vorschläge zur Entflechtung zu unterbreiten. Das Bundeskartellamt bestimmt unter Beachtung des Grundsatzes eines fairen, aber auch zügigen Verfahrens einen Zeitpunkt, bis zu dem die Vorschläge spätestens vorliegen müssen. Diese sind aus wettbewerblicher Sicht von der Monopolkommission zu bewerten und ggf. zu ergänzen. Bei Bedarf kann sich das Bundeskartellamt weiteren sachverständigen Rat einholen.
Auch den obersten Landesbehörden, in deren Gebiet die beteiligten Unternehmen ihren Sitz haben, ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (vgl. Abs. 4).
Zu Abs. 3
Zu Satz 1:
Um den Einfluss des staatlichen Zwanges zur Veräußerung und auch dessen Auswirkungen auf die Preisbildung so gering wie möglich zu halten, ist dem betroffenen Unternehmen ein angemessener Zeitraum zu gewähren, innerhalb dessen es der Verfügung des Bundeskartellamtes nachkommen muss. Soweit eine Veräußerung an Dritte angeordnet ist, werden hierfür in der Regel zwei, in besonders gelagerten Fällen sogar drei Jahre einzuräumen sein.
Zu Satz 2 und 3:
Um zu gewährleisten, dass die Eingriffsentscheidung die gewünschten Wettbewerbsimpulse auslöst muss der Verkauf an andere den relevanten Markt beherrschende Oligopolisten oder mit ihnen bzw. dem Verfügungsadressaten verbundene Unternehmen ausgeschlossen werden. Außerdem muss für einen Zeitraum, innerhalb dessen die Etablierung neuer Wettbewerber zu erwarten ist, eine Umgehung der Verfügung durch Zwischenschaltung von "Strohmännern" bzw. der Weiterverkauf an konzernangehörige Unternehmen unterbunden werden. Die Regelung übernimmt damit die Maßstäbe der Fusionskontrolle in das Entflechtungsverfahren, ohne dass es einer Anmeldung nach § 39 bedarf.
Zu Satz 4 bis 5:
Das Bundeskartellamt darf nur Einfluss auf die Auswahl des Käufers nehmen und den vom betroffenen Unternehmen vorgeschlagenen Erwerber ablehnen, wenn der Zweck der Entflechtung verfehlt zu werden droht. Letzteres ist allerdings sorgfältig zu prüfen. Es muss eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der Erwerber willens und in der Lage ist, dem Veräußerer wirksam Konkurrenz zu machen. Außerdem muss die Gefahr eines bewussten Parallel- oder gar eines abgestimmten Verhaltens möglichst gering sein. Ein sehr niedriger Preis kann ein Indiz dafür sein, dass der Erwerber den Vermögensteil nicht nutzen bzw. still legen will.
Um die Erreichung des Gesetzeszweckes sicher zu stellen, kann das Bundeskartellamt im Übrigen - wie auch in den Fällen des § 40 Abs. 3 - seine Zustimmung mit Bedingungen und Auflagen verknüpfen (vgl. Abs. 1 Satz 3).
Zu Abs. 4
Der gesamte Tatbestand greift nur, wenn die gleichen Umsatzschwellen wie im Bereich der Fusionskontrolle erreicht werden (§ 35).
Vor Erlass einer Entflechtungsanordnung ist den obersten Landesbehörden, in deren Gebiet die betroffenen Unternehmen ihren Sitz haben, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 40 Abs. 4).
Hat das betroffene Unternehmen innerhalb der ihm gesetzten Frist die zuvor festgelegten Vermögensteile nicht veräußert, kann das Bundeskartellamt zur Durchsetzung seiner Anordnung auf dieselben flankierenden Maßnahmen zurückgreifen, wie sie für die Rückabwicklung eines nicht freigegebenen Zusammenschlusses vorgesehen sind (§ 41 Abs. 4).
Insbesondere kann es einen Treuhänder bestellen, der die notwendigen Maßnahmen ergreift. Sinnvollerweise sollte dieser den betroffenen Markt und seine Besonderheiten gut kennen, um die Eignung der Kaufinteressenten und ihre Angebote sachkundig bewerten zu können.
Die Maßnahmen des Treuhänders sind, soweit sie die hoheitlich legitimierte Verwertung von Privatvermögen betreffen, der Zwangsvollstreckung zuzurechnen.
Nach der Rechtsprechung des BVerfG darf im Falle der Zwangsversteigerung ein Zuschlag jedenfalls "nicht weit unter Wert" erteilt werden. Die Grenze des § 817a ZPO (Hälfte des gemeinen Wertes) ist grundsätzlich verfassungsrechtlich akzeptabel (vgl. BVerfGE 46, 325, 332 - Zwangsversteigerung II) und auch im vorliegenden Zusammenhang sachangemessen und ausreichend. Die Schwere des Eingriffes in das Eigentumsrecht liegt zwischen einerseits dem (nicht entschädigungspflichtigen) Entzug von Gegenständen, von denen eine Gefährdung der Öffentlichkeit oder Dritter ausgeht und andererseits dem (voll entschädigungspflichtigen) Fall der Entziehung von Werten zu Gunsten Privater.
Zu Nr. 5 (§ 42a - neu -)
Solange das nationale Recht in Fusionsfällen die Möglichkeit einer Minister-Entscheidung aus übergeordneten gesamtwirtschaftlichen Gründen vorsieht (§ 42), ist zur Wahrung der Gesetzessymmetrie eine entsprechende Möglichkeit auch für den Fall der Entflechtung zu schaffen. Mit einem Dispens des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie werden die betroffenen Unternehmen der Verpflichtung enthoben die vom Bundeskartellamt verfügten Maßnahmen umsetzen zu müssen.
Dies gilt allerdings nur für die Fälle mit der größten Eingriffsintensität, also der angeordneten Veräußerung von Vermögensteilen an Dritte. Sonstige Formen der rechtlichen oder organisatorischen Verselbstständigung sind einer Ministerentscheidung nicht zugänglich. In diesen Fällen wird es in der Regel zu keinem Eigentümerwechsel und damit auch nicht zu einer Situation kommen, die - u.U. erneut - aus gesamtwirtschaftlicher bzw. politischer Sicht überprüft werden muss. Hier bleibt es bei der rein wettbewerblichen Bewertung durch das Bundeskartellamt und ggfs. die Kartellgerichte sowie deren ausschließlicher Zuständigkeit. Diese differenzierte Lösung ist als erster Schritt zur Reduzierung politisch motivierter Entscheidung in Kartellsachen zu verstehen.
Das Verfahren wird analog den Regelungen des § 42 durchgeführt. Auch die Rechtsmittelvorschriften sind identisch.
Zu Nr. 6 (§ 43 Abs. 1 und 2)
Die Vorschrift enthält die erforderlichen Erweiterungen der Bekanntmachungsvorschriften.
Zu Nr. 7 (§ 64 Abs. 1 Nr. 3)
Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wird - wie im Fall der Ministererlaubnis nach § 42 - auf den Fall erstreckt, dass ein Ministerdispens widerrufen oder geändert wird.
Zu Nr. 8 (§ 66 Abs. 1 Satz 3)
Für den Fall, dass Betroffene in Erwägung ziehen, einen Ministerdispens nach § 42a - neu - zu beantragen, wird der Beginn der Rechtsmittelfrist gegen eine Entscheidung des Bundeskartellamtes nach § 41a wegen der inhaltlich gleich gelagerten Problematik analog zur Situation bei Beantragung einer Ministererlaubnis nach § 42 geregelt.
Die Frist für die Beschwerde gegen die Entflechtungsverfügung beginnt erst mit der Zustellung der Verfügung des Ministeriums zu laufen.
Zu Nr. 9 (§ 80)
Die Vorschrift enthält die nötigen Gebühren-Tatbestände.
Zu Nr. 10 (§ 81 Abs. 2 Nr. 2)
Die Vorschrift sieht die erforderliche Erweiterung des Bußgeld-Tatbestandes vor.
Zu Artikel 2
Die Vorschrift regelt das In-Kraft-Treten des Gesetzes.