Der Bundesrat hat in seiner 985. Sitzung am 14. Februar 2020 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 4 Buchstabe c (§ 3 Absatz 3 Satz 3 VSchDG)
In Artikel 1 Nummer 4 Buchstabe c sind in § 3 Absatz 3 Satz 3 nach dem Wort "Gesetzes" die Wörter "mit Zustimmung des Bundesrates" einzufügen.
Begründung:
Nach § 3 Absatz 3 Satz 1 VSchDG-E koordiniert die zentrale Verbindungsstelle den fachlichen Austausch zwischen den Verbraucherschutzbehörden. Um der zentralen Verbindungsstelle die Koordinierung der Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 2017/2394
und dieses Gesetzes zu ermöglichen, berichten ihr die zuständigen Behörden auf Anforderung, mindestens aber jeweils zum Abschluss des dritten Kalenderquartals über ihre Tätigkeit aufgrund der Verordnung (EU) Nr. 2017/2394
und aufgrund dieses Gesetzes.
§ 3 Absatz 3 Satz 3 VSchDG-E sieht vor, dass die Bundesregierung zur weiteren Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 2017/2394
und dieses Gesetzes Verwaltungsvorschriften erlassen kann.
Der Erlass der Verwaltungsvorschriften bedarf der Zustimmung des Bundesrates nach Artikel 84 Absatz 2 des Grundgesetzes. Die Berichtspflicht in § 3 Absatz 3 Satz 2 VSchDG-E richtet sich nicht allein an Verbraucherschutzbehörden des Bundes, sondern auch an solche der Länder (vergleiche § 2 Nummer 4 VSchDG). Das beabsichtigte Gesetz wird damit nach der Grundregel der Artikel 83, 84 des Grundgesetzes auch als eigene Angelegenheit seitens der Länder ausgeführt, weshalb die Länder bei dem Erlass konkretisierender Verwaltungsvorschriften zu beteiligen sind.
2. Zu Artikel 1 Nummer 4a - neu - ( § 4 VSchDG)
In Artikel 1 ist nach Nummer 4 folgende Nummer 4a einzufügen:
"4a. § 4 wird wie folgt gefasst:
" § 4 Befugnisse bei Inländerbetroffenheit
(1) Ergeben sich durch ein eingehendes Amtshilfeersuchen nach Kapitel III der Verordnung (EU) Nr. 2017/2394
, daraufhin eingeleitete Ermittlungen oder durch koordinierte Ermittlungs- und Durchsetzungsmaßnahmen im Sinne des Kapitels IV der Verordnung (EU) Nr. 2017/2394
tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass ein inländisches Unternehmen auch zu Lasten von Verbrauchern im Inland gegen Unionsrecht zum Schutz der Verbraucherinteressen nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 2017/2394
verstößt, kann die zuständige Behörde ein innerstaatliches Durchsetzungsverfahren eröffnen.
(2) Über die Verfahrenseinleitung entscheidet die zuständige Behörde im Einvernehmen mit der zentralen Verbindungsstelle. Auf die Erteilung des Einvernehmens besteht kein Anspruch.
(3) Die Befugnisse nach der Verordnung (EU) Nr. 2017/2394
in Verbindung mit diesem Gesetz stehen der zuständigen Behörde auch im innerstaatlichen Durchsetzungsverfahren zu.
(4) Das innerstaatliche Durchsetzungsverfahren wird unabhängig vom Verfahren nach der Verordnung (EU) Nr. 2017/2394
geführt." "
Folgeänderung:
Artikel 1 Nummer 5 ist wie folgt zu fassen:
"5. § 5 wird aufgehoben."
Begründung:
Mit der Verordnung (EU) Nr. 2017/2394
(CPC-Verordnung) ist eine Stärkung behördlicher Befugnisse für die Durchsetzung von Verbraucherschutzgesetzen in grenzüberschreitenden Fällen verbunden. Dagegen beruht die Verbraucherrechtsdurchsetzung bei reinen Inlandssachverhalten auf der Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche. Eine Beschränkung des Verbraucherschutzdurchsetzungsgesetzes auf grenzüberschreitende Rechtsverstöße führt zu zwei völlig unterschiedlichen Durchsetzungsregimes. Verbraucherinnen und Verbraucher im Inland sind derzeit weniger gut gegen Verstöße deutscher Unternehmen geschützt als Verbraucherinnen und Verbraucher aus dem europäischen Ausland und würden dies auch in Zukunft bleiben. Zur Beseitigung dieser Benachteiligung inländischer Verbraucher sind die Befugnisse der CPC-Verordnung auch zum Schutz der Verbraucher in Deutschland anzuwenden, wenn die Behörde ohnehin auf Grund eines Amtshilfeersuchens oder einer koordinierten Aktion tätig wird. Es geht im Ergebnis um Fälle, in denen von einem grenzüberschreitenden Verstoß in gleicher Weise auch Verbraucherinnen und Verbraucher im Inland betroffen sind. Bereits im Juli 2016 hatte der Bundesrat in diesem Zusammenhang darum gebeten "darauf zu achten, dass es im Zuge der Verordnung und ihrer Umsetzung nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung der Verbraucherinnen und Verbraucher bei rein innerstaatlichen Sachverhalten kommt", vergleiche BR-Drucksache 286/16(B) , Ziffer 9.
Bei Inlandssachverhalten ist ein Vorgehen gegen Verbraucherrechtsverstöße bisher allein auf dem Zivilrechtswege möglich. In vielen Fällen wird durch Abmahnungen und Klagen zur Marktbereinigung und zur Einstellung von Verbraucherrechtsverstößen beigetragen. Allerdings sind der zivilrechtlichen Rechtsdurchsetzung Grenzen gesetzt, beispielsweise betreffend die Sachverhaltsermittlung. Die neugeschaffenen Befugnisse nach Artikel 9 der CPC-Verordnung dürften es in vielen Fällen erst ermöglichen, Verbraucherrechtsverstöße rechtssicher feststellen zu können. Diese Befugnisse stehen im Zivilverfahren nicht zur Verfügung.
3. Zu Artikel 1 Nummer 6 ( § 6 Absatz 2 VSchDG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren in geeigneter Weise klarzustellen, dass für das Anordnungsverfahren nach § 6 Absatz 2 VSchDG-E die Regelung des § 33 StPO sowie die Verfahrensvorschriften des achten Abschnitts der Strafprozessordnung sinngemäß herangezogen werden können.
Er weist darauf hin, dass der Wortlaut des § 6 Absatz 2 VSchDG-E Anlass zu Streitigkeiten über das bei der richterlichen Anordnung zu beachtende Verfahren geben könnte. Zwar werden § 98 StPO und die Rechtsmittelregelungen der §§ 306 ff. StPO ausdrücklich in Bezug genommen. Offen bleibt jedoch, nach welcher Verfahrensordnung die Voraussetzungen einer Durchsuchung zu prüfen sind.
Im Kartellrecht wird gemeinhin davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen einer verwaltungsrechtlichen Durchsuchung nach § 59 Absatz 4 GWB in Anlehnung an § 102 StPO konkreter zu fassen sind (vergleiche LMRKM/Quellmalz, 3. Aufl. 2016, GWB § 59 Rn. 29). Für die Frage, ob der Betroffene vor der Anordnung anzuhören ist, wird § 33 Absatz 4 StPO analog herangezogen.
Dies empfiehlt sich auch im Falle der Durchsuchung nach § 6 Absatz 2 VSchDG-E, soll der Verfahrenszweck nicht gefährdet werden. Zur Durchsuchung darf nämlich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur dann geschritten werden, wenn eine Nachprüfung im Wege eines Auskunftsersuchens nach § 6 Absatz 1 VSchDG-E nicht erfolgversprechend ist oder trotz Durchführung der Verdacht besteht, dass Unterlagen nicht vorgelegt wurden (so für das Kartellrecht: Bechtold/Bosch/Bechtold/Bosch, 9. Aufl. 2018, GWB § 59 Rn. 18).
4. Zu Artikel 4 Nummer 2 (§ 7 BfJG)
In Artikel 4 Nummer 2 ist § 7 wie folgt zu ändern:
- a) In Absatz 1 sind die Wörter ", die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, " durch die Wörter "mit Zustimmung des Bundesrates" zu ersetzen.
- b) Absatz 2 ist zu streichen.
Begründung:
Mit § 7 Absatz 1 BfJG-E wird eine Verordnungsermächtigung zur näheren Ausgestaltung der elektronischen Aktenführung und der Digitalisierung von Dokumenten beim Bundesamt für Justiz (BfJ) sowie der elektronischen Kommunikation mit dem BfJ geschaffen.
Die Verordnungsermächtigung betrifft damit nicht allein das Verwaltungsverfahren einer Bundesbehörde nach den Artikeln 86, 87 des Grundgesetzes, sondern durch die Ausgestaltung der elektronischen Kommunikation mit dem BfJ auch die Länder. Die Zustimmungsbedürftigkeit ergibt sich damit aus Artikel 80 Absatz 2 letzte Alternative des Grundgesetzes. Danach bedürfen Rechtsverordnungen der Bundesregierung aufgrund von Bundesgesetzen, die von den Ländern als eigene Angelegenheit ausgeführt werden, der Zustimmung des Bundesrates. In der vorliegenden Konstellation führen die Länder die Vorschrift des § 7 Absatz 1 BfJG-E insoweit als eigene Angelegenheit nach Artikel 83 des Grundgesetzes aus, als sie die vom Bund vorgegebenen Kommunikationsregeln einhalten und hierzu insbesondere die technischen und organisatorischen Voraussetzungen schaffen müssen, was je nach Ausgestaltung zu einem hohen Aufwand namentlich bei der Anpassung der in den Ländern eingesetzten Fachverfahren führen kann.
Im Falle einer Delegation der Verordnungsermächtigung auf das BfJ wäre der Zustimmungsvorbehalt nicht mehr gewahrt. Deswegen ist § 7 Absatz 2 BfJG-E zu streichen.
Die Länder wären insbesondere durch die Regelungen nach § 7 Absatz 1 Nummern 2 bis 5 BfJG-E betroffen. Deswegen könnte aus hiesiger Sicht alternativ die Verordnungsermächtigung "ohne Zustimmung des Bundesrates" auf die Regelungen gemäß § 7 Absatz 1 Nummern 1 und 6 BfJG-E beschränkt und für die Regelungen nach § 7 Absatz 1 Nummern 2 bis 5 BfJG-E ein Zustimmungserfordernis vorgesehen werden.