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6.1.5 Einbringen von Totholz
In naturnahen Gewässern hat Totholz vielfältige Funktionen. Es stabilisiert die Sohle, initiiert eigendynamische laterale Verlagerungen und bildet eigene Habitate. Totholzstrukturen sind prägend für die morphologische Ausbildung insbesondere kleiner bis mittelgroßer Gewässer.
Große Totholzelemente führen zu vielfältigen Gerinnebettmustern mit hoher Strömungs- und Substratdiversität. Totholzbarrieren bieten zudem Akkumulationsräume für Substrat, da sie zu einer Strömungsdifferenzierung führen, ohne die Durchgängigkeit einzuschränken. Zudem verstärken Totholzstrukturen das Durchströmen des Interstitials, vermindern die Kolmatierung und verbessern die Versorgung mit sauerstoffreichem Wasser aus der fließenden Welle. Kleine wie große Totholzelemente sind zudem direkte Nahrungsquellen für Organismen.
Die nordrheinwestfälischen Gewässer weisen aufgrund der Unterhaltung und intensiven Nutzung des Umlandes bis auf wenige Ausnahmen nur sehr geringe Mengen von Totholz auf. Insbesondere fehlen großdimensionierte Totholzstrukturen, die morphologisch relevante Veränderungen herbeiführen.
Neben der Entwicklung erst langfristig wirksamer Totholzquellen - natürliche Sukzession, naturnahe Waldbewirtschaftung, Anlage von Gehölzsäumen - bietet sich insbesondere an Gewässerabschnitten mit ausgeprägter Sohlerosion und anthropogenen Laufverkürzungen das gezielte Einbringen von Totholz an, da dies zu einer schnellen strukturellen Verbesserung führt.
In gehölzreichen Gewässerabschnitten bietet sich das Belassen von Totholz an. Hierdurch können bereits vorhandene naturnahe strukturelle Verhältnisse weiter bestehen und sich entwickeln. In weniger naturnahen Gewässerabschnitten kann durch das Belassen eine positive Veränderung initiiert werden.
Abb. 53: Angeschwemmtes Totholz im renaturierten Laufabschnitt der Rur in Jülich
Abb. 54: Alter Sturzbaum in naturnahem Laufabschnitt der Bröl
In solchen Gewässerabschnitten kann durch geeignete Maßnahmen das eigendynamische "Entstehen" von Totholz gefördert werden, z.B. durch das Entfernen der Ufersicherung (s. Kap. 6.1.7 ). Des Weiteren kann durch das Unterlassen regelmäßiger Gehölzpflege ein Eintrag von Totholz unterstützt werden. Auch die Auen liefern Totholz bei Hochwasser in Gewässer. Der Erhalt von natürlichen Totholzquellen sollte sich deshalb nicht nur auf die Uferbereiche, sondern auch auf die Uferstreifen und die Aue beziehen.
Große Totholzelemente müssen ggf. gesichert werden. Die Eignung der unterschiedlichen Sicherungsmethoden ist auf die örtlichen Gegebenheiten abzustimmen.
Eine Sicherung kann z.B. durch Anleinen mit Stahlseilen an Felsblöcke oder stabile Uferbäume sowie durch teilweises Eingraben des Totholzes in den Uferbereich erfolgen. Ideal ist die Verwendung vor Ort gewachsener, schlagreifer Gehölze, deren Wurzelteller nach dem gezielten "Stürzen" zusätzlichen Halt bieten.
Abb. 55: Totholzeinbau ohne Sicherung in naturnahem Laufabschnitt des Flechbaches
Abb. 56: Totholzeinbau mit Sicherung durch Blöcke in naturfernem Laufabschnitt der Bröl
Wesentliche, bereits in der Planungsphase zu berücksichtigende Voraussetzungen für das Einbringen oder das Belassen von Totholz sind unkritische hydraulische Verhältnisse und die eventuell notwendige Sicherung unterhalb liegender Bauwerke oder anderer Schutzgüter durch geeignete Maßnahmen (z.B. hydraulische Abschätzungen oder Errichtung von Treibholzfangeinrichtungen).
Bei ungesicherten Totholzelementen muss das Verändern der Lage bzw. Verdriften ohne Schaden möglich sein. Hierbei ist insbesondere auf die Gefahr von Verklausungen zu achten.
Da Totholz laterale Verlagerungen auslöst, sind entsprechende Uferstreifen oder Entwicklungskorridore bereitzustellen.
6.1.6 Anheben der Sohle
Der technische Ausbau hat vielfach durch die tiefen Sohllagen zu einer Entkopplung der Gewässer von ihrer Aue geführt. Die Aue wird hierdurch seltener überflutet, die gewässernahen Grundwasserstände abgesenkt und so die Entwicklung auentypischer Strukturen und Lebensgemeinschaften gestört. Dem kann durch ein Anheben der Sohle entgegengewirkt werden. Wesentliche Voraussetzung hierfür ist auch die Möglichkeit, das Gewässerbett auf eine gewässertypspezifische Breite aufzuweiten, um die Tiefenerosion zu stoppen.
Als Restriktionen sind der Hochwasserschutz und die Entwässerungsfunktion zu beachten.
Um das einzubringende Material vor Sohlerosion zu schützen, sollte eine Sohlanhebung möglichst mit einer typgerechten Laufverlängerung kombiniert werden.
Falls dies nicht möglich ist, muss das Gewässer vor rückschreitender Tiefenerosion geschützt werden. Dies kann zumindest bis zur Weiterführung der Maßnahmen durch den Bau einer Sohlgleite erfolgen.
Bei kleinen Gewässern und geringer Anhebung der Sohle kann dies auch durch den Einbau von Totholz erreicht werden.
Abb. 57: Sohlanhebung mit einer Verbreiterung des Gewässers
6.1.7 Rückbau von Sohl- und Ufersicherungen
In Laufabschnitten mit intakten Wasserbausteinschüttungen/Steinstickungen bzw. massivem Verbau ist die Ufer- und Sohlentwicklung langfristig unterbunden. Nach der Bereitstellung eines entsprechenden Uferstreifens bzw. Entwicklungskorridors kann der vollständige bzw. abschnittsweise Rückbau der Sohl- und Uferbefestigungen eine naturnahe Gewässerentwicklung einleiten. Bei geeigneten Rahmenbedingungen (z.B. keine zu starke Eintiefung) stellt sich so langfristig eine typspezifische Linienführung ein.
(Stand: 13.07.2018)
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