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61. 1,1,2-Trichlorethan
(CAS-Nr.: 79-00-5)
Ausgabe: September 1999
(BArbBl. 9/1999 S. 77)
Verwendung
1,1,2-Trichlorethan (1,1,2-TCE) kommt hauptsächlich als Zwischenprodukt für die Herstellung von Vinylidenchlorid zum Einsatz. In geringem Ausmaß wird 1,1,2-TCE als Lösungsmittel verwendet.
Aufnahme, Verteilung, Metabolismus, Elimination
Freiwillige nahmen 1,1,2-TCE in einem Atemzug auf hielten dann bis zu 40 Sekunden die Luft an. Unter diesen Bedingungen wurden Resorptionsraten von über 90 % ermittelt (Morgan et al., 1970). Unter normalen Atmungsbedingungen dürfte die Resorptionsrate niedriger liegen.
Die Substanz wird im ganzen Organismus verteilt, höchste Konzentrationen wurden in Fett, Leber und Nieren gefunden (ATSDR, 1989; IARC, 1991). Die Blut-/Hirnschranke wird überschritten (BUA, 1995), zur Plazentaschranke liegen keine Daten vor.
16 - 20 % einer aufgenommenen Dosis werden unmetabolisiert abgeatmet (Yllner et al., 1971). Der überwiegende Anteil der Metaboliten wird über den Um ausgeschieden, wobei S-Carboxymethylcystein das Hauptprodukt darstellt. Geringe Mengen werden über die Faeces ausgeschieden (Yllner, 1971).
Die Metabolisierung von 1,1,2-TCE kann auf verschiedene Weise erfolgen:
Während nach Yllner et al. (1971) eine Metabolisierung über Glutathionkonjugation und weitere Folgereaktionen der Intermediate des oxidativen Abbaus zu S-Carboxymethylcystein und Thiodiessigsäure erfolgt, führt nach Mazzullo et al. (1986) die Bildung dieser Verbindungen über die direkte Glutathionkonjugation. Die durch das Cytochrom P-450-System katalysierte Dechlorierung kann über Chloracetaldehyd zu Chloressigsäure führen (Yllner et al., 1971). Die als14C-Radioaktivität im Um weiblicher Ratten gemessenen Hauptanteile (nach einmaliger i.p.-Gabe von 100-190 mg/kg) betrugen für Thiodiessigsäure 40 %, für S-Carboxymethylcystein 38 % und für Chloressigsäure 16 % (Yllner et al., 1971). Der Metabolit Chloracetaldehyd (möglicherweise auch Chloressigsäure) wird für zytotoxische und gentoxische bzw. kanzerogene Wirkungen verantwortlich gemacht (BUA, 1995).
Genotoxizitat:
In vitro
Die Gentoxizitätsprüfungen von 1,1,2-TCE an mehreren Stämmen von Salmonella typhimurium erbrachten mit und ohne metabolische Aktivierung negative Ergebnisse. Hierzu liegen übereinstimmende Befunde aus mehrerer Studien vor, lediglich in einer Arbeit ist ein fraglich positives Ergebnis ohne Dosis-Wirkungsbeziehung berichtet (BUA, 1995; IARC, 1991).
Bronzetti et al. untersuchten die Gentoxizität an Saccharomyces cervisiae mit und ohne metabolische Aktivierung und berichten von der Induktion von Genkonversionen. Zu den eingesetzten Konzentrationen sind keine Angaben gemacht worden (Bronzetti et al., 1987).
In dem Testsystem Aspergillus nidulans zeigten sich mit einer Konzentration von 750 ppm Störungen der Chromosomensegregation (keine Angaben zur metabolischen Aktivierung; Crebelli et al., 1988).
In den Untersuchungen von DiRenzo et al. und Mazzullo et al. zeigte sich die Fähigkeit von 1,1,2-TCE bzw. dessen Metaboliten kovalent an Kalbsthymus-DNa zu binden. DiRenzo et al. (1982) inkubierten Kalbsthymus-DNa mit14C-markiertem 1,1,2-TCE nach Metabolisierung mit Phenobarbital-induzierten Mikrosomen der Ratte. Nach Mazzullo et al. erhöhten Phenobarbital-induzierte Mikrosomen der Maus die Effizienz, die Gegenwart von Glutathion reduzierte die DNA-Adduktbildung (Mazzullo et al., 1986).
Eine unplanmäßige DNA-Synthese (UDS) wurde in primären Ratten-Hepatozyten bei einer Konzentration von 0,1 % induziert, die Zytotoxizität lag bei 1 % (NDI, 1983).
Tafazoli und Kirsch-Volders (1996) haben die Wirkung von 1,1,2-TCE im Comet-Assay mit menschlichen Lymphozyten untersucht. 2,5 mM zeigten mit und ohne metabolische Aktivierung (S9-Mix) eine signifikante Zunahme an Effekten (Schweiflänge und fluoreszensgemessener DNA-Gehalt im Schweif), die reproduziert werden konnten. Schweiflänge und DNA-Gehalt korrespondierten, Zytotoxizität lag nicht vor (weniger als 15 % tote Zellen). Mehr als diese eine Konzentration wurde nicht untersucht.
1,1,2-TCE wurde in zwei unabhängig voneinander durchgeführten Mikronukleus-Tests in vitro mit Humanlyphozyten untersucht. Die Exposition gegenüber 0,1 bis 5 mM induzierte ohne metabolische Aktivierung bereits bei der niedrigsten Konzentration in beiden Untersuchungen eine statistisch signifikante Zunahme an Zellen mit Mikronuklei. Mit metabolischer Aktivierung (S9-Mix) wurden nur im zweiten Experiment Effekte gesehen. Eine Konzentrations-Effektbeziehung konnten nicht ermittelt werden (Tafazoli und Kirsch-Volders, 1996).
Im Mikrokern-Test zur Ermittlung aneuploidischer Wirkungen zeigte 1,1,2-TCE eine signifikante Zunahme an Mikrokernen mit kinetichorund zentromerpositiver DNa in hinsichtlich ihrer metabolischen Aktivität gentechnisch veränderte menschliche lymphoblastoide Zellen (Zelllinie MCL-5, mit CYP1A1, CYP1A2, CYP3A6, CYP3A4, CYP2E1 und Epoxidhydrolase), in einer unveränderten Zielllinie (AHH-I, mit natürlichem CYP1A1) zeigten sich keine Effekte (Parry et al., 1996).
In vivo
Die orale Applikation von 50, 200 bzw. 1000 mg/kg Körpergewicht von 1,1,2-TCE (gelöst in Maisöl) an der Maus ( B6C3F1) zeigte keine Induktion von UDS in den Mäusehepatozyten, jedoch eine Induktion der S-Phasen-Synthese (Mirsalis et al., 1989).
In Ratte (Wistar) und Maus (Balb c) zeigte14C-markiertes 1,1,2-TCE nach einmaliger intraperitonealer Verabreichung von 6,35 mmol/kg (entsprechen 0,85 mg/kg) schwach kovalente Bindungen an Nukleinsäuren von Leber, Niere, Lunge und Magen; in Mäusen stärker als in Ratten. Für die Bestimmung der Addukte wurde die DNa nach der Homogenisierung der Organe durch die Zugabe von 2-Ethoxyethanol und Ethanol ausgefällt und anschließend isoliert (Phenolmethode nach Kinoshita und Gelboin). Die Makromoleküle wurde ausgewaschen, bis die Fraktion keine Radioaktivität mehr enthielt. Die Radioaktivität wurde schließlich durch Flüssigkeits-Szintillationsdetektion gemessen (Mazzullo et al., 1986).
Die intratestikuläre Applikation von 400 - 1200 mg 1,1,2-TCE/kg Maus (CD-1) führte zu einer lokalen Inhibition der DNA-Synthese (Borzelleca, 1983).
Über die Luft mit 5460 oder 10920 mg 1,1,2-TCE/m3
(Stand: 20.08.2018)
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