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Quarz (in Form alveolengängiger Stäube)
(CAS-N R.: 14808-60-7)
Ausgabe: Oktober 2002
Stand: Mai 2002
Zusammenfassung:
Aufgrund der vorliegenden experimentellen und epidemiologischen Daten wird kristallines Siliciumdioxid in Form von Quarz und Cristobalit (alveolengängiger Staubanteil; aerodynamischer Partikel-Durchmesser < 12 µm) als krebserzeugend Kategorie 1 (C: 1) eingestuft. Tridymit kann wegen der unzureichenden Datenlage nicht eingestuft werden.
Obwohl kristallines Siliciumdioxid eine genotoxische Wirkung in der Lunge zeigt, kommt eine Einstufung als Mutagen nicht in Betracht, da die Keimzellen von Quarzstaub nicht erreicht werden können (M: -).
Ein gesundheitsbasierter Luftgrenzwert für Quarzfeinstaub ist aus den vorliegenden Daten nicht ableitbar.
Das mit einer Expositionskonzentration von 0,05 mg/m3 über 40 Berufsjahre verknüpfte zusätzliche Lungenkrebsrisiko kann mehr als 1,5 % betragen.
Einstufung
1.1 Einleitung
Bei beruflicher inhalativer Exposition gegenüber quarzhaltigen Stäuben stehen Lungenveränderungen an erster Stelle. Nach Langzeit-Exposition werden Silikose und das Auftreten von Lungentumoren beschrieben. Daneben gibt es Hinweise auf ein vermehrtes Auftreten von Tumoren der Speiseröhre, die auf das Abschlucken inhalierter Quarzpartikel zurückgeführt werden (Pan et al., 1999). Hohe Expositionen können das Krankheitsbild der akuten Silikose verursachen.
Prinzipiell ist in Abhängigkeit vom Industriezweig eine unterschiedliche Exposition gegenüber verschiedenen SiO2-Modifikationen zu erwarten. Beispielsweise ist in Steinbrüchen und Bergwerken von einer Exposition gegenüber a-Quarz auszugehen, während an Arbeitsplätzen in der Produktion feuerfester Ziegel oder von bei hohen Temperaturen gebrannten Keramiken eine Mischexposition gegenüber a-Quarz und Cristobalit vorliegt. Zu Tridymit liegen nur wenige, jedoch keine epidemiologischen, Daten vor. Aufgrund damaliger ungenauer Messverfahren bestehen bei einigen Studien Unsicherheiten bezüglich der angegebenen Konzentrationen von alveolengängigem Quarzstaub.
In Abhängigkeit von der Mineral- oder Gesteinsherkunft finden sich in Experimenten in vitro und in vivo Hinweise auf unterschiedliche Wirkungsstärken verschiedener SiO2-Modifikationen und quarzhaltiger Stäube. Daher ist eine unterschiedliche kanzerogene Wirkungsstärke der verschiedenen kristallinen Modifikationen von SiO2 anzunehmen. Diese kann abhängig sein von inhärenten Eigenschaften des kristallinen SiO2 oder von externen Faktoren, die die biologische Aktivität oder Verteilung der SiO2-Modifikationen beeinflussen (z.B. Kristallstruktur, Herkunft, spezifische Oberflächeneigenschaften, mechanische Aufbereitung oder Verunreinigungen). Allerdings reichen die derzeit vorliegenden Erkenntnisse für eine differenzierte Bewertung noch nicht aus.
1.2. Bewertung / Einstufung verschiedener Organisationen
ACGIH: Siliciumdioxid, kristallin (Quarz, Cristobalit, Tridymit) 0,05 mg/m3 (respirable)
Quarz: Kennzeichnung mit A2 (suspected human carcinogen) (1999)
IARC: Siliciumdioxid, kristallin (inhaled in the form of quartz or cristobalite from occupational exposures) Gruppe 1 (Carcinogenic to humans) (1997)
MAK: Siliciumdioxid, kristallin (Quarz-, Cristobalit-, Tridymit-Staub, Alveolengängiger Anteil) Kategorie 1 (Krebserzeugend beim Menschen) (1999)
TRGS 900: Quarz 0,15 mg/m3(alveolengängige Fraktion).
1.3. Allgemeiner Wirkungscharakter
Die folgenden Daten wurden, soweit nicht anders angegeben, aus der IARCMonographie (1997) und der MAK-Begründung (Greim, 1999) entnommen.
Derzeit ist der Mechanismus für die Entstehung einer Silikose und das Auftreten von Lungentumoren nach inhalativer Exposition gegenüber Quarz bei Menschen und Tieren noch nicht eindeutig geklärt. Diskutiert wird eine direkte Wechselwirkung der Oberfläche von Quarz und anderen kristallinen SiO2-Modifikationen mit Zellmembranen oder anderen Zellkomponenten, wobei die toxischen Eigenschaften von Quarzpartikeln durch Veränderung der Oberflächeneigenschaften modifiziert werden können. Nach inhalativer Aufnahme werden alveoläre Makrophagen und Epithelzellen aktiviert (d.h. Freisetzung von Zytokinen, bioaktiven Lipiden, Wachstumsfaktoren, Proteasen und reaktiven Sauerstoff- und Stickstoffoxid-Spezies), was zu einer chronischentzündlichen Reaktion führen kann. Oxidativer Stress kann Mutationen in Epithelzellen induzieren und durch reaktive Sauerstoffspezies kann eine Aktivierung nukleärer Transkriptionsfaktoren, eine erhöhte Expression proentzündlicher Gene und Onkogene sowie eine Induktion nukleärer Transkriptionsfaktoren und Mutationen in Tumorsuppressorgenen erfolgen. In in vitro-Untersuchungen induzierte Quarz DNA-Schädigungen in zellfreien Systemen und in Säugerzellkulturen Mikrokerne und Zelltransformationen. Das Ergebnis einer in vivo-Studie (Mikrokerntest an Mäusen) war negativ. Aufgrund der zytotoxischen Wirkung von Quarz gegenüber Makrophagen kann die alveoläre Clearance gestört werden, so dass nur ein minimaler Abtransport bei Exposition gegenüber hohen Quarzstaub-Konzentrationen resultiert. Durch Zigarettenrauch wird die Lungenreinigung zusätzlich beeinträchtigt. Der in tieferen Lungenabschnitten liegende Quarzstaub, der nicht über das Bronchialsystem eliminiert wurde, kann über die Lymphe abtransportiert werden, wobei für Quarz ein ausgeprägter Lymphotropismus besteht. Der Transport erfolgt von den intra- zu den extrapulmonalen Lymphknoten und damit auch in andere Organe (Ferlinz, 1994).
Es ist nicht bekannt, ob Fibrose eine Vorbedingung zur Entstehung von Tumoren ist, da für die Fibrose andere Zellen (Fibroblasten) relevant sind als für Lungentumoren (Epithelzellen). Auch die vorliegenden epidemiologischen Daten gestatten nicht die Beantwortung dieser Fragestellung. Es ist aber davon auszugehen, dass eine chronischentzündliche Reaktion wesentlich zur Entwicklung einer Fibrose als auch zur Entwicklung von Lungentumoren beiträgt. Demnach ist der Wirkungsmechanismus nicht soweit aufgeklärt, als dass eine Entscheidung für eine der nachfolgenden Wirkhypothesen vorgenommen werden könnte:
Entwicklung eines Lungenkarzinoms durch andere Schadstoffe erleichtern.
(Stand: 20.08.2018)
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