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14. Peroxyessigsäure
(CAS-NR.: 79-21-0)
(BArbBl.3/97 S. 72)
Peroxyessigsäure (PES) ist eine stark oxidierend wirkende organische Säure mit ausgeprägten bakterioziden, fungiziden und viruziden Eigenschaften. Sie wird zur Sterilisation und Desinfektion häufig als verdünnte Lösung (0,1-2,0 %ig) eingesetzt. Die PES existiert nur im Gleichgewicht zwischen Essigsäure und Wasserstoffperoxyd. Während konzentrierte Lösungen relativ stabil sind, führen Verdünnung, Temperaturerhöhung und Verunreinigungen zur Zersetzung. Daher ist damit zu rechnen, daß die beobachteten toxischen Effekte zumindest teilweise durch Wasserstoffperoxyd (H2O2) bedingt sind.
Bei den akut toxischen Wirkungen der PES stehen die lokalen Reizeffekte im Vordergrund, anwendungsbedingt vor allem an der Schleimhaut des Atemtrakts und an der Haut. Als systemische Wirkungen nach massiver Exposition werden verringerte Körpergewichtszunahme, Veränderungen des Blutbilds und Leberentzündungen beschrieben. Eine Hautpenetration der PES ist nur bei vorgeschädigter Haut möglich. Aufgrund der reizenden bis ätzenden und damit hautschädigenden Wirkung der PES kann jedoch bei Hautkontakt eine dermale Resorption generell nicht ausgeschlossen werden [Krüger u. Jancke 1976].
Nach mehrjähriger beruflicher Exposition gegenüber PES wurden bei Arbeitnehmern keine systemischen Effekte beobachtet, die durch regelmäßige Überwachungsuntersuchungen (Routine) oder durch Lungenfunktionsteste nachweisbar wären. Bei Arbeitsunfällen kam es zu Hautverätzungen und zu reversiblen respiratorischen obstruktiven Befunden [Garny 1994]. Eine zur Raumdesinfektion eingesetzte Luftkonzentration von 4,6 mg PES/m3 (Aerosol aus 1 %iger PES-Lösung mit 30 % Ethanol) wurde von Klinikpatienten und Klinikpersonal ohne subjektive Mißempfindungen vertragen Dworschak u. Linde 1976].
Zur Frage der Gentoxizität liegen neben den in der MAK-Begründung zitierten Befunden zusätzlich auch einige bisher unveröffentlichte Untersuchungsergebnisse vor; daher werden hier nochmals alle Daten aufgelistet (Tabelle 1) (s. Seite 73).
Insgesamt scheint PES nur im toxischen Konzentrationsbereich eine gentoxische Wirkung zu besitzen. Die positiven Befunde in den Sperma-Anomalietesten bleiben unberücksichtigt, da sie nicht ohne weiteres auf eine gentoxische Aktivität der PES zurückgeführt werden können.
Zur Frage der Kanzerogenität liegen lediglich ältere Studien vor, die den heutigen Anforderungen nicht genügen.
In drei 90-Tage-Inhalationsversuchen wurden insgesamt 360 Mäuse und 120 Meerschweinchen zweimal täglich für je 30 Minuten gegenüber 0; 186 bzw. 280 mg PES/m3 (Wolfasteril-Aerosol) Ganzkörperexponiert. Bei den mit PES behandelten Mäusen traten u.a. Lungenveränderungen auf. In 2 der 3 Versuche wurden insgesamt 4 Lungentumoren diagnostiziert; 3 bei mit PES behandelten Mäusen und 1 bei Kontroll-Mäusen. Aufgrund der nur sehr unvollständigen Dokumentation des Versuchsaufbaus und der Ergebnisse ist eine Bewertung dieser Studie nicht möglich [Heinze u. Nattermann 1984].
In einer anderen Studie [Bock et al. 1975] wurde die kanzerogene Wirkung eines kommerziellen Produkts (40 % PES, 40 % Essigsäure, 5 % H202, 13 % Wasser, 1 % Schwefelsäure, 500 ppm Stabilisator) nach wiederholter Hautpinselung (5x wöchentlich 0,2 ml PES-Lösung über 66 Wochen) bei je 30 weiblichen ICR-Swiss-Mäusen/Gruppe untersucht. Im Vorversuch hatte sich eine 4 %ige wäßrige PES-Lösung als stark toxisch und letal erwiesen.
Die Pinselung mit 1 % bzw. mit 3 % PES nach Vorbehandlung mit 125 µg 7,12-Dimethylbenz(a)-anthrazen (DMBA) in 250 µl Aceton hatte eine tumorpromovierende Wirkung zur Folge; die Behandlung mit 0,3 % PES sowie mit 1 % oder 2 % zersetzter PES nach DMBA-Vorbehandlung blieb ohne Effekt. Bei Pinselung mit 2 % PES in Wasser ohne DMBA-Vorbehandlung traten nach 26 Wochen bei 3 von 30 Tieren Hauttumoren auf, was auf eine mögliche tumorinitiierende Wirkung des Produktes hinweist. Eine 1 %ige PES-Lösung in Aceton blieb ohne Effekt. Maligne Hauttumoren traten nur nach DMBA-Vorbehandlung und ab einer PES-Konzentration von 1 % in Wasser auf (Tabelle 2). Generell führte die PES-Pinselung bei den Tieren zu Hautreizungen.
Tabelle 2: Hauttumor-Inzidenzen bei ICR-Swiss-Mäusen nach Hautpinselung mit kommerzieller Peroxyessigsäure [Bock et al. 1975]
PES/Vehikel |
DMBA | Mäuse mit Tumoren nach Wochen | Mäuse mit Haut-Karzinom |
|||
10 | 26 | 52 | 66 | |||
3,0/Wasser | + | 22 | 23 | 24 | 24 | 5 |
1,0/Wasser | + | 1 | 8 | 8 | 8 | 1 |
0,3/Wasser | + | 0 | 0 | 1 | 2 | 0 |
0/kein | + | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
0/Wasser | + | histor. Kontrolle: 5,4 % Hauttumoren n. 58 Wo. | ||||
0/Aceton | + | histor. Kontrolle: 5,4 % Hauttumoren n. 58 Wo. | ||||
2,0*/Wasser | + | 0 | 0 | 1 | 2° | 0 |
1,0*/Aceton | + | 0 | 0 | 2 | 2° | 0 |
2,0 /Aceton | - | keine Auswertung wegen 100 % Mortalität | ||||
2,0/Wasser | - | 0 | 3 | 3 | - | 0 |
1,0/Aceton | - | 0 | 0 | 0 | - | 0 |
0 /kein | - | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
*) zersetzte PES nach Passage über einen Edelmetall-Katalysator °)Auswertung nach 58 statt 66 Wochen |
Tabelle 1:
Befunde zur Gentoxizität von Peroxyessigsäure
Testsystem | Dosis/Konz. | Aktiv. | Ergebnis | Literatur |
Ames-Test/Ta 98 u. Ta 100 | 50µg/Platte | + | negativ | Yamaguchi u. Yamashita 1980. |
Spot-Test/LT-2 Spot-Test/LT-2 Spot-Test/Ta 1535, 1536, 1537, 1538, Ames-Test/Ta 1978 |
10 µg/Platte 10 µg/Platte 10 µg/Platte 0-40 µg/ml |
- - - - |
positiv* negativ** negativ*** |
(Stand: 20.08.2018)
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