zurück

73. TRK für 4,4'-Methylenbis(N,N-dimethylanilin)

(BArbBl. 11/96 S. 64)


0,1 mg/m3, G, Kurzzeitwertkategorie VI

4,4'-Methylenbis(N,N-dimethylanilin) (MBDA) ist in der TRGS 905 (Verzeichnis krebserzeugender, erbgutverändernder oder fortpflanzungsgefährdender Stoffe) als krebserzeugend in die Kategorie 2 nach Anhang VI der Richtlinie 67/548/EWG eingeordnet. Zubereitungen sind als krebserzeugend im Sinne des § 35 Abs. 1 GefStoffV anzusehen, sofern der Massengehalt an 4,4'-Methylenbis(N,N-dimethylanilin) > 0,1 % beträgt.

Arbeitsmedizinische Erfahrungen

Zur akuten Toxizität von MBDa liegen nur wenige Angaben vor. Danach scheint diese Verbindung akut nur wenig toxisch zu sein. Bei der Auraminproduktion wird MBDa als Ausgangsprodukt verwendet. Die Untersuchungen zur Inzidenz von Blasentumoren bei der Herstellung von Auramin konnten die Frage nach der eigentlichen kanzerogenen Substanz in dieser Produktion nicht beantworten. Es liegen also keine stoffspezifischen Untersuchungen zu dieser Verbindung am Menschen vor [2].

Toxikologische Erfahrungen

4,4 -Methylen-bis(N,N-dimethylanilin) wurde von mehreren Arbeitsgruppen im Ames-Test untersucht, wobei widersprüchliche Ergebnisse

erhalten wurden. Die Senatskommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft führt das wiederholt berichtete Ausbleiben mutagener Effekte von MBDa an Salmonella typhimurium auf unzureichende Aktivierung oder unkritische Auswertung zurück. Es wird darauf hingewiesen, daß Stoffwechselprodukte des MBDa eindeutig mutagen sind (DFG, 1988; dort auch allgemeine Literaturübersicht).

Mutagenitätstests an Escherichia coli lieferten ebenfalls sowohl positive als auch negative Resultate (Leifer et al., 1981; Dunkel et al., 1985). MBDA-induzierte Mutationen an L5178Y-Mauslymphomzellen stellten zwei Laboratorien fest; eine der beiden Arbeitsgruppen sogar ohne metabolische Aktivierung (Caspary et al., 1988). Keine Effekte ergaben Studien zur Auslösung mitotischer Rekombination an Saccharomyces cerevisiae (Simmon, 1979; Zimmermann et al., 1984) sowie ein Überlebenstest mit Mäuseleukämievirus-infizierten Rattenembryozellen im Flüssigmedium.

In einem Host-Mediated-Assay mit Salmonella typhimurium Ta l530 und 1538 sowie Saccharomyces cerevisiae D3 als Detektororganismen wurden männlichen Mäusen 125 mg MBDa pro Kilogramm Körpergewicht i.m. bzw. - beim Versuch mit der Hefe - 1.600 mg/kg oral verabreicht. Nach vierstündiger Verweildauer der Mikroorganismen in der Bauchhöhle zeigte nur der Salmonellenstamm Ta 1538 eine erhöhte Mutationsfrequenz.

Die Bindung von MBDA-Metaboliten an Makromoleküle wurde sowohl im In-vitro-Test mit Ratten- und Mäuse-Lebermikrosomen als auch an der lebenden Ratte (Addukte der Lebernukleinsäuren) nach intraperitonealer Injektion nachgewiesen. Ein UDS-Test an menschlichen Fibroblasten verlief ohne metabolische Aktivierung negativ (Mitchell et al., 1983), während in einem weiteren Versuch an primären Rattenhepatozyten eine erhöhte DNA-Syntheseaktivität registriert wurde (Williams et al., 1989).

Ferner wird vom Ausbleiben struktureller Chromosomenschäden nach Behandlung von Rattenleber-Zellinien mit MBDa berichtet und schließlich von einer leicht gesteigerten Schwesterchromatid-Austauschfrequenz in Kaninchenlymphozytenkulturen ohne exogene Aktivierung.

MBDa hatte transformierende Wirkungen auf BALB/c-3T3- und RLV-infizierte Rattenembryozellen sowie auf Ei- und Embryozellen des Syrischen Hamsters (Heidelberger et al., 1983).

Keine signifikante Erhöhung der Lungentumorrate erbrachte der Strain-A-Mäusetest mit achtwöchiger intraperitonealer Injektion (dreimal wöchentlich) von Einzeldosen bis zu 400 mg MBDa pro Kilogramm Körpergewicht.

In einer Langzeitstudie wurde technisches MBDa (dünnschichtchromatographisch und NMR- bzw. IR-spektrometrisch keine Verunreinigungen nachweisbar) F344-Ratten und B6C3F1-Mäusen mit dem Futter verabreicht. Die Behandlungszeit betrug bei den Ratten 59, bei den Mäusen 78 Wochen. Danach wurden die Tiere noch 45 (Ratten) bzw. 13 Wochen (Mäuse) beobachtet. Die exponierten Mäuse neigten vermehrt zu Hyperplasien von Schilddrüsenfollikelzellen und Kropfbildung und entwickelten Lebertumoren, während es bei den Ratten zu einer signifikanten Erhöhung der Schilddrüsentumorrate kam (Tabellen 1 u. 2). Kritisch anzumerken ist, daß im Rahmen dieser chronischen Fütterungsstudie nur jeweils 20 Kontrolltiere verwendet wurden und bei den Ratten die maximal tolerierbare Dosis wahrscheinlich nicht erreicht wurde.

In einer Untersuchung an männlichen Wistar-Ratten, die mit N-Bis(2-hydroxypropyl)nitrosamin initiiert worden waren, konnte das promovierende Potential von MBDa bei der Entstehung von Schilddrüsentumoren nachgewiesen werden (Kitahori et al., 1988).

Für eine Beteiligung gentoxischer Prozesse an der eindeutig tierkanzerogenen Wirkung sprechen nicht nur die beschriebenen positiven Ergebnisse einiger Punktmutations-Tests sowie die transformierenden Eigenschaften von MBDA, sondern auch In-vitro-Befunde mit Rattenlebermikrosomen, die u. a. eine Demethylierung zu mutagenen primären Aminen belegen (im Urin MBDA-behandelter Ratten wurde Diacetyl-4,4'-(hydroxymethylen)dianilin als Hauptmetabolit detektiert). Entsprechend wurde auch eine kovalente Bindung von MBDA-Stoffwechselprodukten an Makromoleküle gefunden und ein Tumorspektrum bei Ratte und Maus, das im wesentlichen demjenigen des 4,4'-Methylendianilins analog ist.

Meßverfahren

Zur Messung von 4,4'-Methylenbis(N,N-dimethylanilin) in der Luft am Arbeitsplatz steht seit kurzem ein anerkanntes Verfahren nach ZH 1/120.57 zur Verfügung.

Mit Hilfe einer Pumpe wird ein definiertes Luftvolumen durch ein mit Schwefelsäure imprägniertes Glasfaserfilter gesaugt. Das abgeschiedene 4,4'-Methylenbis(N,N-dimethylanilin) wird mit Wasser desorbiert und flüssigchromatographisch bestimmt. Die Bestimmungsgrenze dieses Verfahrens liegt bei einem Probenahmevolumen von 500 l bei 0,015 mg/m3.

Herstellung und Verwendung

4,4'.Methylenbis(N,N-dimethylanilin) wird durch Kondensation von N,N-Dimethylanilin mit Formaldehyd in einem geschlossenen System hergestellt. Zur internen Weiterverarbeitung erfolgt eine Beförderung der Substanz im geschlossenen System als Schmelze.

4,4'-Methylenbis(N,Ndimethylanilin) (Methanbase) dient als Ausgangssubstanz für die Synthese von Auramin. Hierbei wird die Oxidation zum Farbstoff mit Schwefel in einer Harnstoffschmelze durchgeführt.

Ergebnisse von Arbeitsbereichsmessungen

Bei der Herstellung von Methanbase ist eine Exposition über die Luft auszuschließen. Aus diesem Grunde wurden hierbei auch keine Messungen durchgeführt.

Bei der Weiterverarbeitung kann bei Probenahmen und Einfüllvorgängen kurzfristig (10-20 Minuten) eine Exposition vorliegen. Im Rahmen einer Arbeitsbereichsanalyse wurden zwei Kurzzeitmessungen durchgeführt. Die Ergebnisse lagen bei < 0,1 und 0,3 mg/m3. Die Probenahmezeit betrug jeweils 20 Minuten, das Probenahmevolumen 70 Liter. Die Messungen wurden unter worst case Bedingungen stationär durchgeführt.

Literatur:

[1] Caspary, W.J., Spencer Daston, D., Myhr, B.C., Mitohell, A.D., Rudd, C.J. u. Lee, P.S: Evaluation of the L5178Y mouse lymphoma cell mutagenesis assay: interlaboratory reproducibility and assessment. Environ. Mol. Mutagen. 12, Suppl. 13, 195-229 (1988)

[2] DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft): Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe. Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten (Hrsg.: Greim, H.). 4,4'-Methylen-bis(N,N-dimethylanilin). Weinheim: VCR (1988)

[3] Dunkel, V.C., Zeiger, E., Brusick, D., McCoy, E., McGregor, D., Mortelmans K., Rosenkranz, H.S. u. Simmon, V.F.: Reproducibility of microbial mutagenicity assays: II. Testing of carcinogens and noncarcinogens in Saimonella typhimuflum and Escherichia Coli . Environ. Mol. Mutagen. 7, Suppl. 5, 1-248 (1985)

[4] Heidelberger, C., Freeman, A.E., Pienta, R.J., Siväk, A., Bertram, J.S., Casto, B.C., Dunkel, V.C., Francis, M.W., Kakunaga, T., Little, J.B. u. Schechtman, L.M.: Cell transformation by chemical agents a review and analysis of the literature. a report of the U.S. Environmental Protection Agency Gene-Tox Program. Mutation Res. 114, 283-385 (1983)

[5] Kitahori, Y., Hiasa, Y., Katoh, Y., Konishi, N., Ohshima, M., Hashimoto, H., Minami, S. u. Sakaguchi, Y.: Promotive effect of 4,4'-methylenebis(N,N-dimethyl)benzenamine on N-bis(2-hydroxypropyl)nitrosamine-induced thyroid tumors in Wistar rats. Cancer Lett. 40, 275-281(1988)

[6] Leifer, Z., Kada, T., Mandel, M., Zeiger, E., Stafford, R. u. Rosenkranz, H.S.: An evaluation of tests using DNa repair-defecient bacteria for predicting genotoxicity and carcinogenicity. Mutation Res. 87, 211-297 (1981)

[7] Mitchell, A.D. Casciano, D.A., Meltz M.L., Robinson, D.E., San, R.H.C., Williamt, G.M u. von Halle, E.S.: Unscheduled DNa synthesis tests. a report of the U.S. Environmental Protection Agency Gene-Tox Program. Mutation Res. 123, 363-410 (1983)

[8] Simmon, V.F.: In vitro assay for recombinogenic activity of chemical carcinogens and related compounds ivith Saccharomyces cerevisiae D3. J. NatI. Cancer Inst. 62, 901-909 (1979)

[9] Williams, G.M., Mori, R. u. McQueen C.A.: Structure-activity relationships in the rat hepatocyte DNA-repair test for 300 chemicals. Mutation Res. 221, 263-286 (1989)

[10] Zimmermann, F.K., von Borstel, R.C., von Halle, E.S., Patry J.M., Siebert, D., Zetterberg, G., Barale, R. u. Loprieno, N.: Testing of chemicals for genetic activity with Saccharomyces cerevisiae: a report of the U.S. Environmental Protecting Agency Gene-Tox Program. Mutation Res. 133, 199-244 (1984)

Tab. 1: Wichtigste Ergebnisse der chronischen Fütterungsstudie mit F344-Ratten (nach DFG, 1988)

                   Dosis
Läsionen/Tumoren
0 375
(ca. 50 mg/kg KGW/d)
750 mg MDBA/kg Futter
(ca. 25 mg/kg KGW/d)
Schilddrüse (Follikelzellen)
Hyperplasie m 0/18 0/50 7/46
w 0/20 1/46 5/45
Adenome m 0/18 0/50 13/46
w 0/20 1/46 13/45
Karzinome m 1/18 4/50 21/46
w 0/20 3/46 23/45
Neoplasma (nicht spezifiz.) m 0/18 0/50 1/46
m0/20 0/46 1/45
Hypophyse
Adenome m 2/19 12/478 14/48
w 11/20 18/47 21/48
Nebenniere
Phäochromozytome m 1/20 3/47 5/48

Tab. 2: Wichtigste Ergebnisse der chronischen Fütterungsstudie mit B6C3F1-Mäusen (nach DFG, 1988)

                   Dosis
Läsionen/Tumoren
0 1.250
(ca. 190 mg/kg KGW/d)
2.500 mg MDBA/kg Futter
(ca. 380 mg/kg KGW/d)
Leber
Adenome m 2/20 3/50 16/48
w 1/19 18/49 22/48
Karzinome m 3/20 9/50 6/48
w 0/19 1/49 1/48
Schilddrüse
papilläre Hyperplasie m 0/20 10/45 13/49
w 0/19 7/43 6/43
adenomatöse Struma m 0/20 4/45 22/49
w 0/19 25/43 35/43


weiter

umwelt-online - Demo-Version


(Stand: 20.08.2018)

Alle vollständigen Texte in der aktuellen Fassung im Jahresabonnement
Nutzungsgebühr: 90.- € netto (Grundlizenz)

(derzeit ca. 7200 Titel s.Übersicht - keine Unterteilung in Fachbereiche)

Preise & Bestellung

Die Zugangskennung wird kurzfristig übermittelt

? Fragen ?
Abonnentenzugang/Volltextversion