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13. TRK-Wert für 3,3'-Dichlorbenzidin und Salze von 3,3'-Dichlorbenzidin

(BArbBl. 1/94 S. 53)


0,03 mg/m3(0,003 ml/m3)

3,3'-Dichlorbenzidin ist einschließlich seiner Salze im Verzeichnis der krebserzeugenden Gefahrstoffe bei Massengehalten von³ 1 % in Gruppe II (stark gefährdend) und bei Massengehalten von < 1- 0,1 % in Gruppe III (gefährdend) eingeordnet.

Arbeitsmedizinische Erfahrungen

Aus den vorliegenden vier epidemiologischen Studien an ausschließlich gegenüber 3,3'-Dichlorbenzidin exponierten Arbeitnehmern ergeben sich keine Hinweise auf eine kanzerogene Wirkung der Substanz beim Menschen. Dazu wurden Kollektive von 180, 207, 51 und 259 Arbeitnehmern untersucht. Blasentumoren wurden nur in Fabriken bzw. bei Kollektiven beobachtet, in denen eine Mischexposition gegenüber 3,3'-Dichlorbenzidin und anderen Produkten, wie Benzidin, Dianisidin und Toluidin bestand.

Aus Untersuchungen im biologischen Material ist abzuleiten, daß für die Aufnahme in den Organismus die Hautresorption eine bedeutende Rolle spielt. Hohe Luftfeuchtigkeit und Temperaturen begünstigen die Aufnahme [1]. Aus einem deutschen Produktionsbetrieb sind Daten über die Ausscheidung von 3,3'-Dichlorbenzidin veröffentlicht worden. Seit 1983 wurde das Produkt quantitativ in den 2-3 Stunden nach Exposition gewonnenen Urinproben bestimmt (Nachweisgrenze 2 µg/l). Nach technischen Verbesserungen lagen 1986 82 % der Werte unterhalb von 5 µg/l und 98 % unterhalb von 20 µg/l. Seit Einführung der Spülcontainer liegen die Werte immer unterhalb der Nachweisgrenze. Aus den Daten wird abgeleitet, daß beim untersuchten Kollektiv 3,3'-Dichlorbenzidin nahezu ausschließlich über die Haut aufgenommen wurde. Das Maximum der Urinausscheidung dürfte 2-3 Stunden nach der Exposition erreicht sein, 16 Stunden nach Belastung wurden 10-40 % der Werte erreicht, die 2-3 Stunden nach Exposition gewonnen wurden. Es liegen auch Erfahrungen mit der Bestimmung der metabolisch gebildeten Mono- und Diacetylderivate von 3,3'-Dichlorbenzidin vor. Bei niedrigen Werten empfiehlt sich jedoch aufgrund der Nachweisgrenzen eine Gesamtbestimmung von 3,3'-Dichlorbenzidin. Neubildungen der ableitenden Harnwege oder Abweichungen bei den Laborparametern wurden in dem seit 1976 halbjährig untersuchten Kollektiv nicht beobachtet [2,3]. Dabei wurden neben der Anamnese und einer eingehenden körperlichen Untersuchung ein Differentialblutbild angefertigt und die Thrombozytenzahl, BSG, und die Leberenzyme GPT, GOT und Gamma-GT bestimmt, ergänzt durch einen Urinstatus und die Urinzytologie nach Papanicolaou.

Toxikologische Erfahrungen

Im Ames-Test zeigt 3,3'-Dichlorbenzidin eine direkt mutagene Wirkung. An HeLa-Zellen sowie an BHK-Zellen in vitro wirkt die Substanz transformierend. Im UDS-Test ergeben sich sowohl in vitro (HeLa-Zellen) als auch in vivo (Ratte, oral) Hinweise auf ein DNA-schädigendes Potential von 3,3'-Dichlorbenzidin. Ein Mikro-nucleus-Test mit einmaliger oraler Gabe von 1000 mg/kg KGW führte bei männlichen Ratten, nicht jedoch bei trächtigen weiblichen, zu einer dosisabhängig erhöhten Mikronuclei-Rate im Knochenmark; bei den Feten war die Mikronuclei-Rate in der Leber erhöht [1].

Es liegen mehrere Studien zur Frage der krebserzeugenden Wirkung von 3,3'-Dichlorbenzidin vor, die jedoch alle nicht den heutigen Anforderungen genügen [1].

In einer Publikation aus dem Jahre 1959 wird über die Entstehung von Leber- und Lungentumoren bei Mäusen nach 11monatiger subkutaner Applikation einer Gesamtdosis von 130 bzw. 265 mg/Tier sowie nach 10monatiger oraler Verabreichung einer Gesamtdosis von ca. 130 mg/ Tier mit dem Futter berichtet. Ebenfalls Hepatome wurden in einer Studie an Mäusen bereits nach 6monatiger Gabe von 0,1 % im Futter (ca. 143 mg/kg KGW/Tag) festgestellt. An trächtigen Mäusen wurde zudem gezeigt, daß die Substanz auch transplazentar zu Tumoren der Lunge, der Mamma und zu lymphatischen Leukämien bei den Nachkommen führt.

Beim Goldhamster wurden nach oraler Gabe von 0,3 % im Futter (ca. 430 mg/kg KGW/Tag) bei 4/60 Tieren (7 %) Übergangszellkarzinome der Harnblase sowie bei einigen wenigen Tieren Leberzell- und Gallengangstumoren festgestellt.

In einer Studie an Ratten mit 0,1 % im Futter (ca. 67 mg/kg KGW/ Tag) für ca. 350 Tage traten bei den behandelten Tieren vorwiegend Tumoren der Brustdrüse auf. Bei den Männchen wurden außerdem vermehrt Zymbaldrüsenkarzinome sowie granulozytäre Leukämien beobachtet.

Ähnliche Resultate lieferten auch eine orale Studie an Ratten, in der die Tiere die Substanz als Paste über einen Zeitraum von 12 Monaten oral verabreicht bekamen (Gesamtdosis 4,53 g/Tier) sowie eine Rattenstudie mit subkutaner Injektion der Paste über 10-11 Monate (Gesamtdosis 1,62-3,0 g/Tier).

Bei weiblichen Beagle-Hunden traten nach maximal 7jähriger oraler Gabe (in Gelatine-Kapseln) von 5 x wöchentlich 100 mg (ca. 10 mg/kg KGW) bei 5/6 Tieren (83%) Übergangszellkarzinome der Harnblase und bei 3/6 Tieren (50 %) hepatozelluläre Karzinome auf (Kontrolle jeweils 0 %).

Damit hat sich 3,3`-Dichlorbenzidin im Tierversuch als deutlich kanzerogen bei Ratte, Maus, Hamster und Hund erwiesen; die Substanz besitzt ein gentoxisches Potential.

Analytik

Für die Messung von 3,3'-Dichlorbenzidin in der Luft in Arbeitsbereichen steht ein anerkanntes Analysenverfahren (ZH 1/120.17) zur Verfügung. Mit Hilfe einer Pumpe wird ein definiertes Luftvolumen durch ein Partikelfilter gesaugt. Das vom Filter zurückgehaltene 3,3'-Dichlorbenzidin wird nach der Elution mit Iriethylamin enthaltenden Methanol gaschromatographisch bestimmt.

Es sollte geprüft werden, ob die Bestimmungsgrenze (0,02 mg/m3) des Verfahrens gesenkt werden kann.

Darüber hinaus wurde von der Herstellerfirma ein Verfahren zur Bestimmung von 3,3'-Dichlorbenzidin (Bestimmungsgrenze 0,006 mg/ m3) erarbeitet. Anfragen zum Analysenverfahren sind an das Sekretariat des Ua V des Ausschusses für Gefahrstoffe zu richten (Anschrift: Berufsgenossenschaftliches Institut für Arbeitssicherheit - BIA, Alte Heerstraße 111, 53757 Sankt Augustin).

Herstellung und Verwendung

3,3'-Dichlorbenzidin findet vorwiegend Einsatz als Diazotierungskomponente bei der Herstellung von Azopigmenten.

Ergebnisse von Arbeitsbereichsmessungen

Herstellung

Die Herstellung von 3,3'-Dichlorbenzidin erfolgt im geschlossenen System. Die Substanz wird durch Reduktion von o-Nitrochlorbenzol zu dem entsprechenden Hydrazobenzolderivat und anschließender Umlagerung gewonnen.

Fünfundzwanzig personenbezogene 8-h-Schichtmittelwerte von Arbeitsplatzmessungen während der Bedienung der Produktionsanlage, Probenahmen, Apparatekontrollen und versandfertiger Abfüllung liegen für 3,3'-Dichlorbenzidin vor. Das arithmetische Mittel beträgt 0,007 mg/m3. Konzentrationsspitzen liegen zwischen 0,01 und 0,03 mg/m3.

Verwendung

Die Anlieferung erfolgt vorwiegend als technisch wasserfeuchtes Produkt. Beim Einsatz größerer Produktmengen von 3,3'-Dichlorbenzidin erfolgt die Chargierung geschlossen über Spülcontainer. Sechs personenbezogene Arbeitsplatzmessungen beim Einbringen von 3,3'-Dichlorbenzidin über Spülcontainer in Diazotierer ergaben Schichtmittelwerte von < 0,006 mg/m3.

Hinweise

Neben der inhalativen Aufnahme kann 3,3'-Dichlorbenzidin auch über die Haut aufgenommen werden. Dem ist auch bei Ausschöpfung der technischen Möglichkeiten zusätzlich durch geeignete Körperschutzmaßnahmen Rechnung zu tragen (weitere Hinweise: siehe TRGS 150 "Unmittelbarer Hautkontakt mit Gefahrstoffen").

Bei der Festlegung des Grenzwertes wurden die analytischen Möglichkeiten berücksichtigt.

Literatur.

[1] Henschler. D: Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe, Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten: 3,3'-Dichlorbenzidin. Kommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Verlag Chemie, Weinheim (1992).

[2] Kaleja, R.: Allgemeines und spezielles Vorgehen zur Erfassung nach ODIN am Beispiel eines Unternehmens der chemischen Industrie. Tagungsbericht der 29. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin e.V.; Arbeitsmedizinisches Kolloquium der gewerblichen Berufsgenossenschaften; Gentner Verlag, Stuttgart; 43-50 (1989)

[3] Persönliche Mitteilung von Kaleja, R. (1993)

[4] ZH 1/120.17: Verfahren zur Bestimmung von 3,3'-Dichlorbenzidin. Carl Heymanns Verlag, Köln

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