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Regelwerk

TRGS 612 - Ersatzstoffe, Ersatzverfahren und Verwendungsbeschränkungen für dichlormethanhaltige Abbeizmittel
Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS)

Ausgabe: Februar 2006
(BArbBl. 2/2006 S. 60; GMBl. 12.02.2007 S. 454; 02.07.2013 S. 943aufgehoben)



Archiv: 2002
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Die Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) geben den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene sowie sonstige gesicherte Erkenntnisse für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen einschließlich deren Einstufung und Kennzeichnung wieder. Sie werden vom

Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS)

aufgestellt und von ihm der Entwicklung entsprechend angepasst.

Die TRGS werden vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im Bundesarbeitsblatt bekannt gegeben.

1 Anwendungsbereich

Diese TRGS gilt für das Abbeizen und Entschichten mit dichlormethanhaltigen und dichlormethanfreien Abbeizmitteln. Sie gilt nicht für geschlossene Systeme.

2 Begriffsbestimmungen

(1) Abbeizmittel sind alkalische, saure oder neutrale Zubereitungen, die auf eine Beschichtung aufgebracht, diese so erweicht, dass sie von ihrem Substrat entfernt werden kann. Die Abbeizmittel können flüssig oder pastenförmig sein. Alkalische Abbeizmittel werden auch "Ablauger" und die lösemittelhaltigen Abbeizmittel auch "Abbeizfluide" genannt. Sie werden u.a. als Farbentferner, Fassadenreiniger und Graffitientferner vermarktet. Es kann zwischen dichlormethanhaltigen und dichlormethanfreien Abbeizmittel unterschieden werden.

(2) Dichlormethanhaltige Abbeizmittel enthalten etwa 80 % Dichlormethan (DCM), 2 - 5 % Verdickungsmittel (Cellulose bzw. Cellulosederivate), 15 % Alkohole als Cosolventien (z.B. Ethanol, Isopropanol, oder in Ausnahmefällen Methanol), sowie Emulgatoren und Netzmittel.

(3) Dichlormethanfreie Abbeizer enthalten kein Dichlormethan. Sie können unterschieden werden in:

(6) Ersatzstoffe im Sinne dieser TRGS sind Stoffe, Zubereitungen oder Erzeugnisse, die dichlormethanhaltige Abbeizmittel ersetzen können und unter den Verwendungsbedingungen für die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten nicht oder weniger gefährlich sind.

(7) Ersatzverfahren sind solche Verfahren, bei denen das gleiche oder ein vergleichbares technisches Ergebnis ohne den Einsatz von Abbeizmittel erreicht werden kann und die für die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten nicht oder weniger gefährlich sind.

3 Informationsermittlung und Gefährdungsbeurteilung

3.1 Dichlormethanhaltige Abbeizer

(1) Dichlormethanhaltige Abbeizmittel enthalten die in der Tabelle 1 genannten Inhaltsstoffe, wobei Dichlormethan zu ungefähr 80 % und die anderen genannten Inhaltsstoffe zu mindestens 1 % enthalten sind. Nicht berücksichtigt sind Verdickungsmittel, Emulgatoren und Netzmittel.

Tabelle 1: Inhaltsstoffe dichlormethanhaltiger Abbeizer(Stand: Oktober 2006)

  CAS Einstufung Grenzwert
nach TRGS
900
[mg/m3]
Dampfdruck
[hPa]
bei 20 °C
Dichlormethan 75-09-2 Carc.Cat.3; R40 * - 470
Ethanol 64-17-5 F; R11 * 960 57,3
Methanol 67-56-1 F; R11, T; R23/24/25-39/23/24/25 *) 270 129
(2-Methoxymethylethoxy)- propanol (Isomerengemisch) 34.590-94-8 - ** 310 0,5
1-Methoxy-2-propanol 107-98-2 R10 * 370 13
2-Methylpropan-1-ol 78-83-1 R10, Xi; R37/38-41, R67 * 310 11,7
Propan-2-ol 67-63-0 F; R11, Xi; R36, R67 * 500 43
Solvent Naphtha1   Xn; R65, R66, R67, N; R51-53 ** - < 1 - 5
1) Benzol < 0,1 Gewichts-%, Toluol < 5 Gewichts-%
*) Legaleinstufung nach Anhang I RL 67/548/EWG
**) Selbsteinstufung der Hersteller nach Anhang VI RL 67/548/EWG

(2) Das Gefahrenpotential dichlormethanhaltiger Abbeizmittel ist aus der Einstufung und Kennzeichnung nur unzureichend ersichtlich. Aus humantoxikologischer Sicht besteht das Gefahrenpotential von Dichlormethan in erster Linie in seiner narkotischen Wirkung und der anschließenden Depression des Zentralnervensystems bei hohen Konzentrationen [1]. Aufgrund der hohen Flüchtigkeit von Dichlormethan ist bei der Anwendung von dichlormethanhaltigen Abbeizmitteln grundsächlich mit hohen Dichlormethan-Konzentrationen am Arbeitsplatz zu rechnen.

(3) Dichlormethan kann nach Inhalation, insbesondere bei hohen Konzentrationen zur Bewusstlosigkeit und zum Tod durch Ersticken führen. Aus diesem Grund sind bei Anwendung von dichlormethanhaltigen Abbeizmitteln ohne den Einsatz von umgebungsluftunabhängigem Atemschutz bereits eine Reihe schwerer Unfälle, zum Teil mit Todesfolge, aufgetreten [2, 9].

(4) Dichlormethan ist von der EG-Kommission in die Kategorie 3 der krebserzeugenden Stoffe eingestuft: ≫Stoffe, die wegen möglicher krebserzeugender Wirkung beim Menschen Anlass zur Besorgnis geben ...≪

(5) Bei Tätigkeiten mit dichlormethanhaltigen Abbeizmitteln sind grundsätzlich Schutzmaßnahmen gemäß §§ 8 und 9 der GefStoffV (Schutzstufe 2) zu ergreifen. Durch die hohe Flüchtigkeit von Dichlormethan können derart hohe Konzentrationen am Arbeitsplatz auftreten, dass insbesondere durch die narkotisierende Wirkung [2] von einer sehr hohen Gefährdung der Beschäftigten auszugehen ist. Deshalb sind zusätzlich geeignete Schutzmaßnahmen nach § 10 der GefStoffV (Schutzstufe 3) anzuwenden. Technische, organisatorische und persönliche Schutzmaßnahmen beim Einsatz von dichlormethanhaltigen Abbeizmitteln im handwerklichen Bereich finden sich in Anlage 1 und 3.

(6) Beim Abbeizen oder Entschichten mit dichlormethanhaltigen Abbeizmitteln ohne Einsatz technischer Absaug- und Lüftungseinrichtungen ist von einer sehr hohen Gesundheitsgefährdung auszugehend. Dies gilt auch beim Arbeiten im Freien [3, 4, 9].

(7) Bei Temperaturen ab etwa 160 °C erfolgt die Zersetzung des Dichlormethans unter Bildung giftiger Gase (Phosgen und Chlorwasserstoff). Deshalb sollten bei der Verarbeitung von dichlormethanhaltigen Abbeizmitteln Temperaturen von über 100 °C grundsätzlich vermieden werden (siehe hierzu auch Anlage 1). Weiterhin ist zu beachten, dass Dichlormethan einen Explosionsbereich (untere Explosionsgrenze = 13 Vol-%, obere Explosionsgrenze = 22 Vol-%) aufweist. In Mischung mit brennbaren Lösemitteln kann die untere Explosionsgrenze sogar abgesenkt werden. Daher kann in ungünstigen Fällen die untere Explosionsgrenze durchaus überschritten werden und somit explosionsfähige Atmosphäre gebildet werden.

3.2 Dichlormethanfreie Abbeizer

(1) Dichlormethanfreie Abbeizmitteln enthalten die in Tabelle 2 genannten Inhaltsstoffe, die in den Abbeizmitteln wegen ihrer abbeizenden Wirkung bzw. als Cosolventien in Konzentrationen von mehr als 1 % eingesetzt werden. Nicht berücksichtigt sind Verdickungsmittel, Emulgatoren und Netzmittel.

Tabelle 2: Inhaltsstoffe dichlormethanfreier Abbeizmittel (Stand: Oktober 2006)

  CAS Einstufung Grenzwert
nach TRGS
900
[mg/m3]
Dampfdruck
[hPa]
bei 20 °C
Aceton 67-64-1 F; R11, Xi; R36, R66, R67 1200 246
2-Amino-ethanol 141-43-5 Xn; R20/21/22, C; R34 *) 5,1 0,3
Ameisensäure 64-18-6 C; R35 *) 9,5 43
2-(2-Aminoethoxy)-ethanol 929-06-6 Xn; R21, C; R34 **) - < 0,1
Benzylalkohol 100-51-6 Xn; R20/22 *) - 0,027
Benzylformiat 104-57-4 Xn; R21/22 **) - 0,31
Butan-1-ol 71-36-3 R10, Xn; R22, Xi; R37/38- 41, R67 *) 310 6,7
2-Butoxy-ethanol 111-76-2 Xn; R20/21/22, Xi; R36/38 *) 98 1,2
2-(2-Butoxyethoxy)ethanol 112-34-5 Xi; R36 *) 100 0,027
n-Butylacetat 123-86-4 R10, R66, R67 *) - 13
Butyldiglykol-acetat 124-17-4 - **) - 0,008
Dibasenester 95.481-62-2 - **) - 0,3
Dimethyladipat 627-93-0 - **) - 0,06
Dimethylglutarat 1119-40-0 - **) - 0,13
Dimethylsuccinat 106-65-0 - **) - 0,3
Dimethylsulfoxid 67-68-5 - **) - 0,55
1,3-Dioxolan 646-06-0 F; RI1 *) - 114
Dipropylenglykol- dimethylether 111.109-77-4 - *) - 0,8
Entaromatisiertes Testbenzin2 - Xn; R65 **)   < 1 - 8
Ethanol 64-17-5 F; R11 *) 960 57,3
1-Ethoxypropan-2-ol 1569-02-4 R10, R67 *) - 10
2-Ethylhexyl-acetat 103-09-3 Xi; R36/38 **)   0,28
Ethyldiglykol 111-90-0 - * - 0,1
Ethylencarbonat 96-49-1 Xi; R41 **} - < 0,09
gamma-Butyrolacton 96-48-0 Xn; R22, Xi; R36 **) - 0,4
Kaliumhydroxid 1310-58-3 Xn; R22, C; R35 *) - 0
3-Methoxy-n-butylacetat 4435-53-4 - **) - 1,5
(2-Methoxymethylethoxy)- propanol (Isomerengemisch) 34.590-94-8   310 0,7
2-Methoxy-1-methylethylacetat 108-65-6 R10, Xi; R36 *) 270 5
1-Methoxy-2-propanol 107-98-2 R10 *) 370 13
Methyldecanoat 110-42-9 Xi; R36/38 **) - 0,475
2-Methylpropan-1-ol 78-83-1 R10, Xi; R37/38-41, R67 *) 310 11,7
N-Methyl-2-pyrrolidon 872-50-4 Xi; R36/38 *) 80 0,32
Orangenterpene (Dipenten) 138-86-3 R10, Xi; R38, R43, N; R50-53 *) - 2,1
Orangenterpene/Citrusterpene 8028-48-6 R10, Xn; R65, Xi; R38, R43, N; 50-53 **) - 1,9
Propylencarbonat 108-32-7 Xi; R36 *) - 0,04
1,2-Propylenglykol 57-55-6 - ** - 0,11
Solvent Naphtha leicht bis schwer1 --- Xn; R65, R66, R67, N; R51-53 **) - < 1 - 5
Triethanolamin 102-71-6 - **) - 0,00.005
(bei 40 °C)
Wasserstoffperoxid 7722-84-1 R5, O; R8, C; R35, Xn; R20/22 *) -  
1) Benzol < 0,1 Gewichts-%, Toluol < 5 Gewichts-%
2) Flammpunkt > 55 °C
*) Legaleinstufung nach Anhang I RL 67/548/EWG
**) Selbsteinstufung der Hersteller nach Anhang VI RL 67/548/EWG

(2) Auch bei Tätigkeiten mit dichlormethanfreien Abbeizmitteln hat der Arbeitgeber grundsätzlich Schutzmaßnahmen der Schutzstufe 2 (GefStoffV §§ 8 und 9) zu ergreifen (siehe Anlage 1 und 2).

(3) Im Vergleich zu dichlormethanhaltigen Abbeizmitteln besteht bei den lösemittelhaltigen dichlormethanfreien Abbeizmitteln ein erhöhtes Brand- und Explosionsrisiko, sofern die dichlormethanfreien Abbeizmittel mit R10 oder R11 gekennzeichnet sind, oder wenn diese gesprüht werden. In solchen Fällen muss mit Auftreten bzw. Vorhandensein explosionsfähiger Dampf/Luftgemische während der gesamten Anwendung gerechnet werden. Während des Versprühens muss mit explosionsfähigen Nebel-Luft-Gemischen gerechnet werden. In allen diesen Fällen sind angemessene Schutzmaßnahmen gemäß § 12 GefStoffV zu ergreifen (siehe Anlage 1).

4 Substitution von dichlormethanhaltigen Abbeizmitteln

(1) Der Arbeitgeber hat nach der Gefahrstoffverordnung sicherzustellen, dass die durch dichlormethanhaltige Abbeizer bedingte Gefährdung der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten beseitigt oder auf ein Mindestmaß verringert wird. Wenn technisch möglich, hat der Arbeitgeber dichlormethanhaltige Abbeizer durch Stoffe, Zubereitungen oder Erzeugnisse oder Verfahren zu ersetzen, die unter den jeweiligen Verwendungsbedingungen für die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten nicht oder weniger gefährlich sind.

4.1 Ersatzstoffe (Dichlormethanfreie Abbeizmittel)

(1) In der Regel sind für alle Beschichtungen, die mit dichlormethanhaltigen Abbeizmitteln entfernt werden können, auch geeignete wirksame dichlormethanfreie Abbeizmittel erhältlich und somit aus technischer Sicht einsetzbar. Eine Liste von dichlormethanfreien Abbeizern kann unter www.gisbau.de abgerufen werden.

(2) Welcher Ersatzstoff im Hinblick auf seine technische Wirksamkeit eingesetzt werden kann, ist vom Arbeitgeber im Einzelfall zu prüfen. Schlagen entsprechende Prüfungen fehl (mindestens 3 Abbeizversuche mit erwartungsgemäß geeigneten Ersatzstoffen), gelten Ersatzstoffe als technisch nicht geeignet. Informationen zu geeigneten Produkten können beim Hersteller oder Händler erfragt werden. Das Ergebnis der Prüfungen ist in der Gefährdungsbeurteilung zu dokumentieren.

(3) Gegenüber Dichlormethan haben alle Inhaltsstoffe der dichlormethanfreien Abbeizer außer Aceton (siehe Tabelle 2) einen weit geringeren Dampfdruck als Dichlormethan. Aufgrund der geringeren Dampfdrücke und aufgrund der toxikologischen Eigenschaften geht somit von den dichlormethanfreien Abbeizmitteln am Arbeitsplatz ein geringeres akutes gesundheitliches Risiko aus.

(4) Dimethylsulfoxid oder N-Methyl-2-pyrrolidon werden besonders leicht über die Haut in den Körper aufgenommen und fördern darüber hinaus die Hautresorption von Stoffen wie den polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK). Abbeizmittel, die diese Stoffe enthalten, sollten nicht verwendet werden.

(5) Der Einsatz technisch geeigneter dichlormethanfreier Abbeizmittel als Ersatzstoffe für dichlormethanhaltige Abbeizmittel ist entsprechend TRGS 440 "Ermittlungspflichten" [5] - insbesondere unter Berücksichtigung der sonst notwendigen Schutzmaßnahmen - wirtschaftlich sinnvoll.

4.2 Ersatzverfahren

(1) Das Entschichten mit Strahlgeräten (z.B. Trocken-, Nass- und Schlämmstrahlen; Wasserhochdruckstrahlen) ist immer als Alternative zu erwägen und im Außenbereich häufig geeignet und technisch möglich. Da die zu berücksichtigenden Parameter (Druck, Düsenform, Strahlmittel, Zusatzmittel, Temperatur) sehr von Art, Form und der Materialbeschaffenheit des zu bearbeitenden Untergrundes sowie von der zu entfernenden Beschichtung abhängen, lassen sich keine allgemein anwendbaren Empfehlungen abgeben. Für die Arbeiten mit Strahlgeräten wird auf die BG-Regel "Betreiben von Arbeitsmitteln" (BGR 500) (Teil 2, Kapitel 2.36 "Arbeiten mit Flüssigkeitsstrahlern" sowie Teil 2, Kapitel 2.24 "Arbeiten mit Strahlgeräten (Strahlarbeiten)") hingewiesen:

(2) Die sonstige mechanische Entschichtung wurde bisher vorwiegend mit Schleifgeräten praktiziert. Für mineralische und Holzuntergründe stehen inzwischen zusätzlich bewährte Maschinen zur Verfügung, die mit Hartmetall- oder Diamantfräswerkzeugen arbeiten. Speziell für Holzuntergründe kann eine nach dem Hobelprinzip arbeitende Fräse eingesetzt werden. Ebenso wie die abrasiven Strahltechniken bewirken diese mechanischen Verfahren allerdings einen Substanzverlust am Untergrund. Es ist im Anwendungsfall zu prüfen, ob explosionsgeschützte Abscheidesysteme zu verwenden sind.

(3) Die gesundheitsgefährdende Wirkung der beim mechanischen Entschichten freigesetzten Stäube oder Spritznebel hängt von dem zu bearbeitenden Untergrund und von der zu entfernenden Beschichtung ab. Grundsätzlich sind Maschinen und Geräte so auszuwählen und zu betreiben, dass möglichst wenig Staub oder Spritznebel freigesetzt wird. Ergibt die Gefährdungsbeurteilung, dass die Arbeitsplatzgrenzwerte nicht eingehalten werden, hat der Arbeitgeber geeignete persönliche Schutzausrüstungen, insbesondere Atemschutz, zur Verfügung zu stellen. Beim Entfernen Blei- oder teerhaltiger Beschichtungen sind die TRGS 505 "Blei und bleihaltige Gefahrstoffe" bzw. TRGS 551 "Teer und andere Pyrolyseprodukte aus organischem Material" zu beachten.

(4) Auch durch Heißluft oder andere thermische Behandlung kann im Einzelfall eine Entschichtung erfolgen. Diese Verfahren sollten jedoch wegen der möglichen Entstehung thermischer Zersetzungsprodukte, insbesondere bei chlor- oder bleihaltigen Beschichtungsstoffen [2], und der Brandgefahr nur dann eingesetzt werden, wenn andere Alternativen nicht möglich sind.

(5) Der Einsatz von Strahlgeräten ist bei technischer Eignung vor allem bei Entschichtungsarbeiten an Fassaden in der Regel wirtschaftlich sinnvoll. Auch andere mechanische Entschichtungsverfahren können wirtschaftlich sinnvoll sein.

5 Verwendungsbeschränkungen

(1) Aufgrund der prinzipiellen Verfügbarkeit und vergleichbaren Wirksamkeit von Ersatzstoffen (siehe Nummer 4.1) und Ersatzverfahren (siehe Nummer 4.2) sind dichlormethanhaltige Abbeizmittel grundsätzlich nicht mehr einzusetzen. Weicht der Arbeitgeber hiervon ab, muss er durch andere Maßnahmen zumindest in vergleichbarer Weise den Schutz der Gesundheit und die Sicherheit der Beschäftigten gewährleisten.

(2) Wegen der Verätzungsgefahr dürfen mit "ätzend" gekennzeichnete Ablauger nicht im Spritzverfahren angewendet werden.

(3) Den Verzicht auf eine mögliche Substitution (Austausch der dichlormethanhaltigen Abbeizmittel durch Ersatzstoffe oder Ersatzverfahren) sowie die statt Substitution ergriffenen Schutzmaßnahmen hat der Arbeitgeber in der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung zu begründen und zu dokumentieren.

Literatur

[1] BUA-Stoffbericht Nr. 6 "Dichlormethan". VCH Verlagsgesellschaft, 69469 Weinheim

[2] Rühl, R. und Kluger, N.: Kapitel IV-8 "Entschichtungsarbeiten" im Handbuch Bau-Chemikalien. Ecomed-Verlagsgesellschaft, Landsberg, 9. Ergänzungslieferung, 10/98

[3] Rühl, R., Höber, D., Bredendiek-Kämper, S.: European measurements confirm high exposure during paint stripping. Gefahrstoffe-Reinhaltung der Luft 64 (2004) Nr. 11/12, 467-470

[4] Expositionsbeschreibung "Einsatz von dichlormethanhaltigen Abbeizmitteln". Handbuch Bau-Chemikalien, ecomed verlag, Landsberg, 32. Lfg., 09/04

[5] Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 440: Ermitteln und Beurteilen der Gefährdungen durch Gefahrstoffe am Arbeitsplatz: Ermitteln von Gefahren und Methoden zur Ersatzstoffprüfung

[6] Effectiveness of vapor retardants in reducing risks to human health from paint strippers containing dichloromethane. Scientific committee an Health and environment risks (SCHER), European Commission, 18. März 2005

[7] Regeln für den Einsatz von Atemschutzgeräten (BGR 190, früher ZH 1/701), Carl Heymanns Verlag

[8] Verband der chemischen Industrie: Sicher Entschichten mit dichlormethanhaltigen Abbeizmitteln. VCI-Merkblatt, 2000

[9] European Commission, Brussels, Effectiveness of vapor retardants in reducing risks to human health from paint strippers containing dichloromethane, Final Report, April 01, 2004, ETVAREAD

[10] ATV-Arbeitsblatt a 115 ≫Hinweise für das Einleiten von Abwasser in eine öffentliche Abwasseranlage≪. Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Abwassereinleiter, Hennef 1994

[11] ATV-DVWK Merkblatt 370 ≫ Abwässer und Abfälle aus der Reinigung und Entschichtung von Fassaden≪. Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall, September 2001

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Technische, organisatorische und persönliche Schutzmaßnahmen beim Einsatz von Abbeizmitteln im handwerklichen Bereich  Anlage 1
zu TRGS 612

(1) Die Rangfolge der Schutzmaßnahmen ist zu beachten:

  1. Substitution
  2. Technische und organisatorische Maßnahmen
  3. Persönliche Schutzmaßnahmen

(2) Schutzmaßnahmen finden sich im Sicherheitsdatenblatt der Abbeizmittel. Detaillierte technische, organisatorische und persönliche Maßnahmen bei Tätigkeiten mit dichlormethanfreien Abbeizmitteln können auf der Gefahrstoff-Software der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, WINGIS, oder unter www.gisbau.de nachgelesen werden.

(3) Wenn das Auftreten hoher Lösemittelkonzentrationen in der Luft am Arbeitsplatz nicht auszuschließen ist, muss in Innenräumen - vor allem bei großflächigen Arbeiten - für gute Durchlüftung gesorgt werden, wenn örtlich nicht anders möglich mit technischer Lüftung. Bei Abbeizarbeiten in Räumen und Behältern sind darüber hinaus die Regelungen des Anhangs III Nr. 1 und 3 GefStoffV und der TRGS 507 "Oberflächenbehandlung in Räumen und Behältern" zu beachten.

(4) Arbeitsbereiche, in denen Abbeizarbeiten ausgeführt werden, sind von anderen Bereichen deutlich abzugrenzen und nur solchen Arbeitnehmern zugänglich zu machen, die sie zur Durchführung der Abbeizarbeiten betreten müssen. Unbefugten ist das Betreten durch Verbotszeichen zu verbieten. Auf die BGV A8 wird hingewiesen.

(5) Der Arbeitgeber hat die Funktion und Wirksamkeit der technischen Schutzmaßnahmen regelmäßig zu überprüfen und sicherzustellen, dass die persönlichen Schutzmaßnahmen angewendet und die organisatorischen Maßnahmen beachtet werden.

(6) An nichtstationären Arbeitsplätzen im handwerklichen Bereich wie z.B. Baustellen sind technische oder organisatorische Maßnahmen häufig allein nicht ausreichend zum Schutz der Beschäftigten. Deshalb sind zusätzlich individuelle Schutzmaßnahmen erforderlich. In den Anlagen 2 und 3 zu TRGS 612 werden daher die wichtigsten persönlichen Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit Abbeizern angegeben. Der Arbeitgeber hat jedoch zu beachten, dass das Tragen von belastender persönlicher Schutzausrüstung, wie z.B. das Tragen umgebungsluftunabhängiger Atemschutzgeräte (Isoliergeräte), keine ständige Maßnahme sein darf, wenn technische oder organisatorische Maßnahmen, wie z.B. der Einsatz weniger gefährlicher Abbeizmittel, einsetzbar sind. Atemschutzfiltergeräte sowie Atemschutzhauben mit AX-Filtern sind für Abbeizarbeiten mit dichlormethanhaltigen Abbeizmitteln nicht geeignet. Auf die Tragezeitbegrenzungen nach den "Regeln für den Einsatz von Atemschutzgeräten" (BGR 190) wird verwiesen [7].

(7) Der Arbeitgeber hat seinen Beschäftigten eine ausreichende Zahl von Schutzhandschuhen und Atemschutzgeräte zur Verfügung zu stellen.

(8) Die Gefahr der thermischen Zersetzung von Dichlormethan oder die Brennbarkeit lösemittelhaltiger Abbeizmittel erfordern bei Tätigkeiten mit solchen Abbeizmitteln den Ausschluss von Heizwendeln und Infrarotstrahlern aus dem Arbeitsbereich. Das Rauchen, das Erzeugen von Flammen, Funken oder heißen Oberflächen ist deshalb in allen Bereichen untersagt, in denen ein Eindringen von Lösemitteldämpfen möglich ist. Auf das Verbot ist mit dem Verbotszeichen P02 entsprechend der Unfallverhütungsvorschrift "Sicherheit- und Gesundheitsschutzkennzeichnung am Arbeitsplatz" (BGV A8) hinzuweisen.

(9) Die aus den Abbeizmitteln freigesetzten Lösemitteldämpfe sind deutlich schwerer als Luft. Das Absinken der Lösemitteldämpfe macht es erforderlich, Abbeizarbeiten, beispielsweise in Treppenhäusern, von unten nach oben auszuführen.

(10) Bei Abbeizarbeiten hat der Arbeitgeber die entsprechenden umweltrechtlichen Vorschriften zu beachten. Die anfallenden Abwässer und Farbreste sind aufgrund der bestehenden Einleitgrenzwerte der einzelnen Gemeinden (Abwassersatzungen) aufzufangen und vorzubehandeln. Nähere Hinweise dazu finden sich im ATV-Arbeitsblatt a 115 (Hinweise für das Einleiten von Abwasser in eine öffentliche Abwasseranlage) [10] und im ATV Merkblatt M 370 (Abwässer und Abfälle aus der Fassadenreinigung) [11]. Herausgefilterte Schlämme und Farbreste sind in der Regel als Sonderabfälle zu entsorgen.

(11) Bei den auf Baustellen üblichen offenen großflächigen Anwendungen ist zu beachten, dass bereits bei Konzentrationen von 690 mg/m3 Dichlormethan "Persönlichkeitsveränderungen bei Menschen" (neurobehavioral changes in Human) [6] beobachtet wurden. Dies gilt insbesondere für Kinder, da diese auf Grund einer höheren Ventilationsrate empfindlicher sind für Dichlormethan-Expositionen. Zudem ist die Konzentration von Dichlormethan auf Fußbodenniveau höher als im Atemwegsbereich der Erwachsenen [6]. Auf Baustellen besteht daher eine Gefährdung für die Beschäftigten anderer Gewerke. Deshalb ist beim Einsatz dichlormethanhaltiger Abbeizmittel besonders darauf zu achten, dass baustellenfremde Personen nicht gefährdet werden.

(12) Bei der Verwendung hochsiedender organischer Komponenten in Abbeizmitteln kann es bei der Verwendung auf porösen Untergrund zu einer stark verzögerten Abgabe in die Raumluft und daher z.B. in Wohnräumen zu einer Langzeitexposition der Bewohner kommen. Bei der Verwendung solcher Abbeizmittel ist dies in die Gefährdungsbeurteilung einzubeziehen.

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  Zusätzliche persönliche Schutzmaßnahmen beim Einsatz von dichlormethanfreien Abbeizmitteln Anlage 2
zu TRGS 612

(1) Alkalische Abbeizer (Ablauger) (Kennzeichnung mit Xi oder C)

Augenschutz

bei Spritzgefahr:

Gesichtsschutzschirm und Korbbrille
Handschutz: Schutzhandschuhe aus Latex, Polychloropren, Nitril, oder Butylkautschuk; konkrete Handschuhfabrikate sind in WINGIS* aufgeführt.

Beim Tragen von Schutzhandschuhen sind Baumwollunterziehhandschuhe empfehlenswert

Hautschutz: Hautschutzsalbe
Atemschutz
bei Spritzverfahren:
Partikelfilter P2 bzw. FFP2 (weiß); bei Handauftrag ist kein Atemschutz erforderlich
Körperschutz
bei Spritzverfahren:
flüssigkeitsdichter Chemikalien-Schutzanzug (Typ 3)

Wegen der großen Verätzungsgefahr dürfen mit "ätzend" gekennzeichneten Ablauger nicht im Spritzverfahren angewendet werden.

(2) Lösemittelhaltige Abbeizer (ohne Kennzeichnung oder Kennzeichnung mit Xi oder Xn)

   
Augenschutz
bei Spritzgefahr:
Gestell- oder Korbbrille
Handschutz: Schutzhandschuhe aus Butylkautschuk; konkrete Handschuhfabrikate sind in WINGIS aufgeführt

Beim Tragen von Schutzhandschuhen sind Baumwollunterziehhandschuhe empfehlenswert

Atemschutz: falls nach Gefährdungsbeurteilung erforderlich Gasfilter A1 (bis 1000 ppm) oder A2 (bis 5000 ppm) (braun), je nach Konzentration in der Luft am Arbeitsplatz

Bei Spritzverfahren sind anstelle der Gasfilter entsprechende Kombinationsfilter, also A1-P2 oder A2-P2 zu verwenden

Körperschutz
bei Spritzverfahren:
flüssigkeitsdichter Chemikalien-Schutzanzug (Typ 3)

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Zusätzliche Persönliche Schutzmaßnahmen beim Einsatz von dichlormethanhaltigen Abbeizmittel Anlage 3
zu TRGS 612


Augenschutz
bei Spritzgefahr:
Gestell- oder Korbbrille
Handschutz: Schutzhandschuhe aus Fluorkautschuk (Viton), maximale Tragedauer 150 min Beim Tragen von Schutzhandschuhen sind Baumwollunterziehhandschuhe empfehlenswert
Atemschutz: Es sind umgebungsluftunabhängige Atemschutzgeräte (z.B. Frischluft- oder Druckgeräte) zu verwenden. Filtergeräte sowie Atemschutzhauben mit AX-Filtern sind grundsätzlich nicht geeignet.
Körperschutz
bei Spritzverfahren:
flüssigkeitsdichter Chemikalien-Schutzanzug (Typ 3)
ENDE

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(Stand: 15.02.2021)

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