umwelt-online: TRGS 300 Sicherheitstechnik (3)
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4.3 Beispiele zur systematischen Ermittlung von Sicherheitsmaßnahmen

(1) An dem Beispiel einer Anlage zur Herstellung von Stoffen durch chemische Umwandlung soll die Ermittlung von Sicherheitsmaßnahmen über Sicherheitsgrundsätze und -anforderungen beispielhaft erläutert werden (siehe Tabelle 3). Die Sicherheitsbetrachtung wurde zweckmäßigerweise in tabellarischer Form dokumentiert.

(2) Zunächst erfolgte die Unterteilung der Anlage in Funktionseinheiten (hier: Verbindungseinheit) und in Funktionselemente (hier: Rohrleitung). Unter Berücksichtigung der nach Nummer 3 erfaßten Grunddaten zur Ermittlung des Gefahrenpotentials wurden für das Funktionselement "Rohrleitung" der Sicherheitsgrundsatz "4. Sichere Umschließung" und die Sicherheitsanforderung "Vermeiden von Korrosion" nach Anhang 2 Tabelle 1 aufgelistet. Neben dem Sicherheitsgrundsatz und der -anforderung sind in dem Beispiel auch die korrespondierenden Begriffe "Gefahrenquelle" und "Bedingung zum Wirksamwerden der Gefahrenquelle" aufgeführt worden. Ausgehend von dieser Darstellung wurden anschließend die Sicherheitsmaßnahmen festgelegt.

(3) Tabelle 4 zeigt an einem weiteren Beispiel aus der Praxis die Vorgehensweise bei der Sicherheitsbetrachtung an einer Anlage zur Dispersionsherstellung. Hierbei wurde die Systematik über Sicherheitsgrundsätze und -anforderungen bis zur Herleitung der Sicherheitsmaßnahmen ebenfalls eingehalten. Die enge textliche Anlehnung an die Tabellen des Anhangs 2 erfolgte jedoch nicht. Darüber hinaus wurde in der Tabelle auf die Bezeichnung der Gefahrenquellen und die Bedingungen für deren Wirksamwerden verzichtet. Die Inhalte sind einzelfallbezogen formuliert.

(4) Um Entscheidungsabläufe objektiv nachvollziehbar zu machen und spätere Änderungen am Verfahren oder an der Anlage zu erleichtern, ist es zweckmäßig die Entscheidungsgrundlage für die zu treffenden Maßnahmen gesondert zu dokumentieren.

5 Sicherheitsbetrachtungen bei Arbeitsverfahren mit technischen Arbeitsmitteln

5.1 Allgemeines

(1) Werden Arbeitsverfahren eingesetzt. bei denen mit Gefahrstoffen unter Verwendung von technischen Arbeitsmitteln umgegangen wird, sind Maßnahmen nach dem Stand der Sicherheitstechnik zu treffen, damit die Beschäftigten nicht gefährdet werden und die Grenzwerte oder Richtwerte über die Konzentration gefährlicher Stoffe oder Zubereitungen am Arbeitsplatz nach dem Stand der Sicherheitstechnik unterschritten werden 18.

(2) Es sind Maßnahmen zu treffen, die Störungen im Ablauf des Arbeitsverfahrens verhindern. Treten dennoch derartige Störungen auf, müssen die Gefährdungen für die Beschäftigten nach dem Stand der Sicherheitstechnik begrenzt werden. 19

(3) Die erforderlichen Maßnahmen sollen mit Hilfe systematischer Sicherheitsbetrachtungen ermittelt werden. Ziel dieser Betrachtungen ist es, das Gefahrenpotential zu ermitteln und Maßnahmen zu treffen, die die Beschäftigten vor möglichen Gefährdungen, die aus diesem Potential entstehen können, schützen. Es ist dabei darauf zu achten, daß in der Gesamtbetrachtung (stoff- und arbeitsverfahrensbezogen) die Gefährdung reduziert wird. Das bedeutet auch, daß bei der bestimmungsgemäßen Verwendung das Arbeitsverfahren so ausgewählt und gestaltet wird, daß keine Gefährdungen für die Beschäftigten auftreten können .

(4) In der Sicherheitsbetrachtung werden zunächst, unter Berücksichtigung der unter Nummer 3 erfaßten Grunddaten zur Ermittlung des Gefahrenpotentials, die Gefahrenquellen und die Bedingungen für ihr Wirksamwerden systematisch ermittelt. Durch die Anwendung einer systematischen Methode kann die weitgehende Vollständigkeit der Ermittlungsergebnisse sichergestellt werden. Aus den gewonnenen Erkenntnissen sind dann die erforderlichen Maßnahmen für den Einzelfall festzulegen. In Nummer 5.2 wird eine mögliche Vorgehensweise zur systematischen Sicherheitsbetrachtung dargestellt. 20

(5) Bei Änderungen am Arbeitsverfahren, insbesondere beim Wechsel von technischen Arbeitsmitteln, die sicherheitstechnisch bedeutsam sind, ist eine erneute Sicherheitsbetrachtung durchzuführen.

5.2 Sicherheitsgrundsätze, -anforderungen und -maßnahmen

5.2.1 Allgemeines

(1) In der systematischen Sicherheitsbetrachtung gemäß dieser TRGS wird zunächst das Gefahrenpotential in folgenden aufeinander aufbauenden Stufen ermittelt:

  1. Erfassung der Grunddaten zur Ermittlung des Gefahrenpotentials nach Nummer 3,
  2. Auswahl der Gefahrenquellen bzw. Sicherheitsgrundsätze nach Nummer 5.2.2, die für das konkrete Arbeitsverfahren von Bedeutung sein können und
  3. Auswahl der relevanten Bedingungen zum Wirksamwerden der Gefahrenquellen bzw. Sicherheitsanforderungen nach Nummer 5.2.3.

Nach Bewertung des Gefahrenpotentials im Einzelfall werden anschließend die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen festgelegt (siehe Nummer 5.2.4). Dabei ist insbesondere darauf zu achten, daß die Rangfolge der Schutzmaßnahmen, die in der Gefahrstoffverordnung aufgeführt ist, eingehalten wird.

5.2.2 Sicherheitsgrundsätze

(1) Die möglichen Gefahrenquellen sind nicht spezifisch für ein Arbeitsverfahren und lassen sich daher weitgehend vollständig und allgemeingültig erfassen. Positiv formuliert ergeben sich hieraus Sicherheitsgrundsätze, die die Grundlage für die weitere Sicherheitsbetrachtung liefern (z.B. Arbeiten mit lösemittelhaltigen Lacken, Gefahrenquelle: Freiwerden des Lösemittels; Sicherheitsgrundsatz: Ersatz des gefährlichen Lösemittels). Gefahrenquellen und Sicherheitsgrundsätze entsprechen sich unmittelbar. Tabelle 5 zeigt eine Zusammenstellung der Sicherheitsgrundsätze.

(2) Allgemeine Sicherheitsgrundsätze dienen zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen bei der bestimmungsgemäßen Verwendung der Arbeitsmittel. Die störungsbezogenen Sicherheitsgrundsätze kommen dann zum Tragen. wenn es beim Arbeitsverfahren zu Störungen mit Gefährdung für die Beschäftigten kommt. Sie dienen der Begrenzung der dabei auftretenden Auswirkungen auf die Beschäftigten.

5.2.3 Sicherheitsanforderungen

(1) Eine Gefahrenquelle kann nur wirksam werden und damit zu einer Gefahr führen, wenn gleichzeitig die Bedingung zum Wirksamwerden erfüllt ist (siehe Bild 1). Aus den Bedingungen zum Wirksamwerden von Gefahrenquellen ergeben sich, positiv formuliert, Sicherheitsanforderungen. So gelten z.B. für das Arbeiten mit lösemittelhaltigen Lacken (siehe hierzu auch Tabelle 6)

Die Sicherheitsanforderungen werden aus den physikalischen/chemischen Eigenschaften der Stoffe und Zubereitungen, der Beschaffenheit und Funktionsweise der technischen Arbeitsmittel sowie dem Verhalten der Beschäftigten abgeleitet. Da sie zur Erfüllung der allgemein formulierten Sicherheitsgrundsätze dienen, sind sie unmittelbar auf diese bezogen. Sicherheitsanforderungen werden sowohl durch technische als auch durch organisatorische Maßnahmen nach dem Stand der Sicherheitstechnik verwirklicht. Im Anhang 3 sind Sicherheitsanforderungen für die entsprechenden Sicherheitsgrundsätze tabellarisch erfaßt.

(2) Bei der Anwendung der Tabellen des Anhangs 3 ist darauf zu achten, daß die Auflistung der Sicherheitsanforderungen nicht abschließend ist. Darüber hinaus muß bei der Anwendung der Sicherheitsanforderungen auf das konkrete Arbeitsverfahren geprüft werden, welche der genannten Sicherheitsanforderungen relevant sind oder gegebenenfalls ergänzt werden müssen.

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Tabelle 3: Systematische Ermittlung von Sicherheitsmaßnahmen ( Beispiel 1)     top

Art der Anlage: Anlage zur Herstellung von Stoffen durch chemische Umwandlung
Funktionseinheit: Verbindungseinheit
Funktionselement:     Rohrleitung
Lfd. Nr. Sicherheitsgrundsatz
Gefahrenquelle
Sicherheitsanforderungen
Bedingungen zum Wirksamwerden der
Gefahrenquellen
Sicherheitsmaßnahmen
... ... ... ...
n 4. Sichere Umschließung
4.Versagen der Umschließung
...

- Vermeiden von innerer und äußerer Korrosion

- Vermeiden von Spannungs- und Schwingungsrißkorrosion

-Innere und äußere Korrosion

- Spannungs- und Schwingungsrißkorrosion

...

- Keramikauskleidung des Rohrinneren
- korrosionsfester Rohrwerkstoff (1.4571)
- mehrlagiger geeigneter Farbschutzanstrich
- Korrosionszuschlag zur Wanddicke
- Eignungsnachweis für Werkstoff
- fachgerechter kathodischer Korrosionsschutz (KKS)
- regelmäßige Überprüfung des KKS auf Wirksamkeit
- Spannungsarmglühen
- schwingungsdämpfende Maßnahmen
- regelmäßige Wanddickenmessungen
- zerstörungsfreie Werkstoffprüfungen
- regelmäßige Instandhaltung

... ...
... ... ... ...

Tabelle 4: Systematische Ermittlung von Sicherheitsmaßnahmen (Beispiel 2)   top

Art der Anlage: Dispersionsproduktion
Funktionseinheit: Produktionshalle
Funktionselement: Rührwerksbehälter zur Dispersionsherstellung
Lfd. Nr. Sicherheitsgrundsatz Sicherheitsanforderungen Sicherheitsmaßnahmen
1. - Vermeiden von Explosionsgefahr bei Anwendung brennbarer Lösemittel

- Unterdrücken der Explosionsgefahr beim Einlassen von brennbarem Lösemittel

- Vermeiden von explosionsfähiger Atmosphäre

- Vermeiden von Zündquellen

- Inertisierung

- Verhindern elektrostatischer Aufladungen durch Erdung

- Verhindern elektrostatischer Aufladungen durch Begrenzung der Strömungsgeschwindigkeit

- Einfüllen unter Spiegel

- Anströmen der geerdeten Behälterwand

- Elektroinstallation nach ElexV

- Explosionsschutzeinstufung und Maßnahmen nach Ex-RL [13]

2 - Vermeiden von Explosionsgefahr beim Umgang mit brennbaren Stäuben

- Verhindern der Explosionsgefahr beim Einfüllen brennbarer Stäube in den Behälter

- Vermeiden von explosionsfähigem

Staub-Luft-Gemisch

- Verhindern von Aufladungen

- Verhindern von Staubablagerungen

- Verhindern von Aufwirbelungen des

Staubes

- Vermeiden von Zündquellen

- Änderung der Staubkonsistenz (größerer Meridiandurchmesser, Ansteigung, Pellets)

- Regelmäßige Reinigung der Umgebung

- Einsaugen des Staubes

- Einbringen von Sackgebinden über Sackaufreißanlage mit Absaugen

- Einbringen des Staubes über Zellradschleusen,

Doppelschiebersysteme, Schneckenförderung etc.

- Vermeiden von heißen Oberflächen

- Vermeiden von hohen Schüttgeschwindigkeiten (Elektrostatik)

3 Vermeiden der Exposition des Betriebspersonals - Vermeiden des Gefahrstoffaustritts - Geschlossenes System

- Behälterabsaugung

Objektabsaugung
- Leckageminimierte Wellendurchführung (Gleitringdichtung, Magnetkupplung)

- Schleusensysteme zum Feststoffeintrag

- Überfüllsicherung

- Leckagefrüherkennung im Produktionsraum

- Persönliche Schutzausrüstung bereithalten

- Optimiertes Probenahmesystem

- Bindemittel für Verschüttungen bereithalten

- Raumluftüberwachung

4 - Verhindern von Betriebsstörungen - Schulung des Personals

- Verhindern von unzulässigen Betriebsparametern

- Unterweisungen, Schulungen

- Betriebsanweisungen

- Kontrollgänge

- Wartung

- Schutz- und Überwachungseinrichtungen

- Druckfeste Bauweise

- Überdruckventil, Berstscheibe

  Tabelle 5: Zusammenstellung der Sicherheitsgrundsätze für Arbeitsverfahren 

1. allgemeine Sicherheitsgrundsätze 1. Ersatz gefährlicher Stoffe und Zubereitungen
2. Verringerung der Menge der eingesetzten Gefahrstoffe
3. Wahl von technischen Arbeitsmitteln, die zu einer möglichst geringen betriebsmäßigen Freisetzung von Gefahrstoffen führen
4. Bestimmungsgemäße Verwendung
5. Sicherstellen des sachgemäßen Umgangs mit Gefahrstoffen sowie Sichern gegen Fehlhandlungen
6. Vermeiden explosionsfähiger Atmosphäre beim Einsatz der technischen Arbeitsmittel
7. Vermeiden von Zündquellen
8. Reduzierung der Exposition
9. Räumliche Trennung der Beschäftigten vom Gefahrenbereich
2. störungsbezogene Sicherheitsgrundsätze 1. Vorbeugender Brandschutz
2. Abwehrender Brandschutz
3. Gewährleistung der Funktion von Alarmierungs- und Überwachungseinrichtungen
4. Schutz vor den Auswirkungen bei der Freisetzung von Gefahrstoffen

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(Stand: 20.08.2018)

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