umwelt-online: Beurteilung von Innenraumluftkontaminationen mittels Referenz- und Richtwerten (2)
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5.2 Zeitlicher Verlauf erhöhter TVOC-Konzentrationen
Die Beurteilung anhand von Referenzwerten bzw. des TVOC-Wertes ist vor allem für Räumlichkeiten, in denen sich eine Ausgleichskonzentration in der Luft eingestellt hat, geeignet und lässt bei erhöhten Werten möglicherweise dann Rückschlüsse auf besondere Quellen zu. Wenn Quellen neu in Räume eingebracht wurden, wie dies z.B. nach Renovierungsarbeiten, Neu- und Umbauten sowie Neumöblierungen der Fall ist, sind die Raumluftkonzentrationen in den meisten Fällen zunächst hoch und fallen mit der Zeit mehr oder minder schnell auf ein "Gleichgewichtsniveau" ab. Für manche Stoffe können die Konzentrationen auch nach einer gewissen Zeit ansteigen. Der zeitliche Abstand des Messzeitpunktes vom Zeitpunkt der Maßnahme (z.B. Renovierung) hat deshalb einen bedeutenden Einfluss auf das Ergebnis. Eine "Gleichgewichtseinstellung" der Konzentration kann erfahrungsgemäß Monate bis zu etwa einem Jahr dauern.
In Neubauten, frisch renovierten Räumen oder nach Neumöblierungen sind deshalb für eine begrenzte Zeit (maximal 12 Monate) höhere TVOC-Konzentrationen tolerabel. Allerdings sollten 3 mg/m3 nicht überschritten werden (s. Tabelle 2). Hierzu sind gesonderte Lüftungsempfehlungen für die Nutzung auszusprechen. In einem Zeitraum von 6 Monaten nach Neubau/Renovierung sollten erhöhte TVOC-Werte, die unter standardisierten Bedingungen (s. Kapitel 9) gemessen wurden, deutlich abgefallen sein. Durch Wiederholungsmessungen kann der zeitliche Verlauf der Konzentration dokumentiert und eine Zeitverlaufsprognose erstellt werden.
Es ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass Lüftung grundsätzlich zur üblichen Nutzung von Räumen gehört, die von Personen benutzt werden. Aus besonderem Anlass wie z.B. nach einer Renovierung ist eine erhöhte Lüftungsaktivität, die ggf. mit den Raumnutzern vereinbart werden sollte, zumutbar.
6 Beurteilung der Innenraumluftqualität anhand von Referenzwerten
Bei einer vergleichenden Bewertung wird der in einer Messung gefundene Messwert mit bereits vorliegenden Erfahrungen in Beziehung gesetzt. Im günstigsten Fall liegen aktuelle Häufigkeitsverteilungen und daraus nach bestimmten Standards statistisch abgeleitete Kenngrößen (Referenzwerte) vor, die das übliche ("normale") Vorkommen einer Substanz in einem Umweltmedium beschreiben. Aufgrund seiner ausschließlich statistischen Definition ist mit einem Referenzwert grundsätzlich keine gesundheitliche Bewertung verknüpft. Liegt z.B. die Konzentration unterhalb des Referenzwertes, so ist auch damit keine gesundheitliche Bewertung verbunden, sondern es wird lediglich ausgesagt, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung in einer vergleichbaren Größenordnung exponiert ist.
Auf ein methodisches systemimmanentes Paradoxon wird in diesem Zusammenhang hingewiesen. Da Referenzwerte als (dynamische) statistische Größen die Gegenwart von Quellen und den alltäglichen Gebrauch von Substanzen und Produkten im Innenraum für den Referenzzeitraum widerspiegeln, sind Referenzwerte im Sinne der hygienischen Bewertung vor allem für Substanzen anwendbar, die seit vielen Jahren eine breite Verwendung finden. Für erst in jüngster Zeit verstärkt angewendete Substanzen und Ersatzprodukte kann dagegen aus systematischen Gründen keine vergleichbar breite Datenbasis vorliegen. Wenn aus den vorhandenen (historischen) Datensätzen für solche neu zur Anwendung kommenden Verbindungen Referenzwerte abgeleitet werden, so liegen diese oft nur wenig oberhalb der Nachweisgrenzen und die Verwendung einer "neuen" Substanz im Innenraum führt zwangsläufig zu einer Überschreitung des Referenzwertes. Die Aussagekraft eines auf diese Weise abgeleiteten Referenzwertes ist gering und die Anwendung solcher Werte birgt die Gefahr in sich, dass sinnvolle Ersatzstoffe nicht eingeführt werden und die Entwicklung innovativer Produkte behindert wird. Aus dem zuvor Angeführten ergibt sich, dass sich Referenzwerte im Lauf der Zeit ändern können. Auch im Spektrum der im Innenraum vorkommenden Substanzen sowie ihrer Konzentrationen in der Raumluft und im Hausstaub ließen sich in den letzten Jahrzehnten deutliche Veränderungen beobachten. Deshalb sollten auch im Bereich der Innenraummessungen Referenzwerte möglichst zeitnah aktualisiert werden.
6.1 Zum Stand von Referenzwerten für die Innenraumluft
Als Bezugsgröße für die Innenraumluft wird in Deutschland auch heute noch auf die Untersuchung des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes in etwa 500 westdeutschen Wohnungen verwiesen, obwohl diese Untersuchungen bereits 1985/86 durchgeführt worden waren [ 18]. Die aus dieser Untersuchung ermittelten Referenzwerte für Einzelsubstanzen sind heute jedoch teilweise nicht mehr aktuell und gelten streng genommen nur für die Langzeit-Probenahme mittels Diffusionssammler. In der Folgezeit wurden in Deutschland mehrere meist regionale Untersuchungen durchgeführt. Auch wenn diese Studien im strengen Sinne nicht als repräsentativ angesehen werden können, bilden die dabei ermittelten Verteilungen die aktuelle Situation besser ab, beispielsweise Untersuchungen zur Raumluft in Schulen [ 21], Kindertagesstätten [ 22] und in Büroräumen [ 23].
Abweichend davon verwenden manche Messinstitute aus eigenen Daten (u. a. aus Schadensfällen) abgeleitete Werte, teilweise mit abweichenden Bezeichnungen [ 24, 25, 26, 27].
6.2 Empfehlungen
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