zurück |
Bestimmung der Ökotoxizität C.17. Honigbienen - akute Kontakttoxizitätsprüfung Stand RL 2001/59/EG |
Anhang V zur RL 67/548/EWG |
C.17. 1. Methode
Diese Methode zur Prüfung der akuten Toxizität entspricht der OECD TG 214 (1998).
C.17. 1.1. Einleitung
Diese Toxizitätsprüfung ist ein Laborverfahren, mit dem die akute Kontakttoxizität von Pflanzenschutzmitteln und anderen Chemikalien für erwachsene Arbeitshonigbienen bewertet werden soll.
Bei der Bewertung und Beurteilung der toxischen Merkmale von Substanzen ist unter Umständen die Bestimmung der akuten Kontakttoxizität bei Bienen erforderlich, beispielsweise wenn die Wahrscheinlichkeit einer Exposition von Bienen gegenüber einer bestimmten Chemikalie besteht. Die akute Kontakttoxizitätsprüfung wird durchgeführt, um die spezifische Toxizität von Pestiziden und anderen Chemikalien für Bienen zu bestimmen. Die Ergebnisse dieser Prüfung sollten herangezogen werden, um festzulegen, ob weiterer Beurteilungsbedarf besteht. Diese Methode kann insbesondere in schrittweise aufgebauten Programmen zur Bewertung der Gefahren von Pflanzenschutzmittel für Bienen verwendet werden, die auf einem sequenziellen Übergang von Labortoxizitätsprüfungen auf Halbfreiland- und Freilandversuche beruhen (1). Pestizide können dabei als Wirkstoffe oder als formulierte Produkte geprüft werden.
Zur Überprüfung der Empfindlichkeit der Bienen und der Genauigkeit des Prüfverfahrens sollte ein toxischer Standard verwendet werden.
C.17. 1.2. Begriffsbestimmungen
Akute Kontakttoxizität: Dies sind die negativen Wirkungen, die innerhalb eines Zeitraums von maximal 96 Stunden bei einer topikalen Verabreichung einer einzelnen Dosis der Prüfsubstanz auftreten.
Dosis: Dies ist die aufgebrachte Menge an Prüfsubstanz. Die Dosis wird als Menge (µg) Prüfsubstanz je Prüftier angegeben (µg/Biene).
Kontakt-LD50 (mittlere letale Dosis): Dies ist die statistisch abgeleitete einzelne Dosis einer Substanz, die bei Verabreichung durch Kontakt bei 50 % der Tiere zum Tod führen kann. Der LD50 -Wert wird in µg Prüfsubstanz je Biene angegeben. Bei Pestiziden kann die Pflanzenschutzmitteln entweder als Wirkstoff oder als formuliertes Produkt mit einem oder mehreren Wirkstoffen vorliegen.
Mortalität: Ein Tier wird als tot protokolliert, wenn es absolut unbeweglich ist.
C.17. 1.3. Prinzip der Methode
Erwachsene Arbeitshonigbienen (Apis mellifera) werden einem Bereich von Dosen der in einem entsprechenden Träger gelösten Prüfsubstanz durch direktes Aufbringen auf den Thorax (Tröpfchen) ausgesetzt. Die Dauer der Prüfung beträgt 48 Stunden. Wenn die Mortalitätsrate in der Zeit zwischen 24 Stunden und 48 Stunden zunimmt, während die Kontrollmortalität auf einem akzeptierten Stand bleibt, d. h.< 10 % , ist es angebracht, die Dauer der Prüfung auf maximal 96 Stunden zu verlängern. Die Mortalität wird täglich protokolliert und mit Kontrollwerten verglichen. Die Ergebnisse werden ausgewertet, um die LD50 für 24 Stunden und 48 Stunden und, sofern die Untersuchung verlängert wurde, für 72 Stunden und 96 Stunden zu berechnen.
C.17. 1.4. Validitätskriterien
Damit die Validität einer Prüfung gegeben ist, gelten die folgenden Bedingungen:
C.17. 1.5. Beschreibung der Methode
C.17. 1.5.1. Sammlung der Bienen
Es sollten junge erwachsene Arbeiterinnen verwendet werden, d. h., Bienen gleichen Alters, gleichen Ernährungszustands, gleicher Rasse usw. Die Bienen sollten aus angemessen gefütterten, gesunden, möglichst krankheitsfreien Völkern mit Königin stammen, deren Vorgeschichte und physiologischer Zustand bekannt ist. Sie könnten am Morgen der Verwendung oder am Abend vor der Prüfung gesammelt und bis zum nächsten Tag unter Prüfbedingungen gehalten werden. Bienen, die von Rähmchen ohne Brut gesammelt werden, sind geeignet. Eine Sammlung im frühen Frühjahr oder Spätherbst sollte vermieden werden, da die Bienen in dieser Zeit eine veränderte Physiologie aufweisen. Müssen Prüfungen im frühen Frühjahr oder Spätherbst durchgeführt werden, können Bienen in einem Brutschrank zum Schlüpfen gebracht und eine Woche lang mit "Bienenbrot" (aus der Wabe gesammelte Pollen) und Zuckerlösung aufgezogen werden. Bienen, die mit chemischen Substanzen behandelt wurden wie z.B. Antibiotika, Anti-Varroa-Produkten usw., sollten nach dem Ende der letzten Behandlung vier Wochen nicht für Toxizitätsprüfungen eingesetzt werden.
C.17. 1.5.2. Unterbringungs- und Fütterungsbedingungen
Verwendet werden einfach zu säubernde und gut belüftete Käfige. Dabei kann jedes geeignete Material benutzt werden, beispielsweise Edelstahl-, Drahtgitter-, Kunststoff- oder Einwegholzkäfige, usw. Die Größe der Prüfkäfige sollte der Anzahl der Bienen entsprechen, d. h. angemessenen Platz bieten. Es sollten möglichst Gruppen von jeweils zehn Bienen pro Käfig zum Einsatz kommen.
Die Bienen sollten im Dunkeln in einem Versuchsraum mit einer Temperatur von 25 ± 2 °C gehalten werden. Die relative Feuchte, die im Normalfall zwischen 50 und 70 % liegt, sollte während der gesamten Prüfung gemessen und protokolliert werden. Alle Tätigkeiten, einschließlich Behandlung und Beobachtungen, können bei (Tages-) Licht durchgeführt werden. Als Futter sollte eine Zuckerlösung in Wasser mit einer endgültigen Konzentration von 500 g/l (50 % Gew./Vol.) verwendet und nach Belieben während der Prüfdauer mit Hilfe einer Bienenfütterungsvorrichtung dargeboten werden. Dies kann ein Glasröhrchen (circa 50 mm lang und 10 mm breit und am offenen Ende auf einen Durchmesser von etwa 2 mm verjüngt) sein.
C.17. 1.5.3. Vorbereitung der Bienen
Die gesammelten Bienen können mit Kohlendioxid oder Stickstoff zum Aufbringen der Prüfsubstanz betäubt werden. Dabei sollten die Menge an Betäubungsmittel und dessen Einwirkungszeit so gering wie möglich gehalten werden. Im Sterben liegende Bienen sollten ausgesondert und vor Beginn der Prüfung durch gesunde Bienen ersetzt werden.
C.17. 1.5.4. Herstellung der Dosen
Die Prüfsubstanz ist als Lösung in einer Trägersubstanz aufzubringen, d. h. einem organischen Lösemittel oder einer Wasserlösung mit einem Benetzungsmittel. Als organisches Lösemittel wird Aceton bevorzugt, aber auch andere organische Lösemittel mit geringer Bienentoxizität können verwendet werden (z.B. Dimethylformamid, Dimethylsulfoxid). Bei in Wasser dispergierten formulierten Produkten und hochpolaren organischen Substanzen, die in organischen Trägerlösemitteln nicht löslich sind, lassen sich die Lösungen unter Umständen einfacher auftragen, wenn sie in einer schwachen Lösung eines handelsüblichen Benetzungsmittels hergestellt werden (z.B. Agral, Cittowett, Lubrol, Triton, Tween).
Es sollten entsprechende Kontrollösungen hergestellt werden, d. h., wird ein Löse- oder Dispersionsmittel zur Lösung der Prüfsubstanz benutzt, sollten zwei getrennte Kontrollgruppen verwendet werden, und zwar eine, die mit Wasser, und eine, die mit dem Löse-/Dispersionsmittel behandelt ist.
C.17. 1.6. Vorgehensweise
C.17. 1.6.1. Prüf- und Kontrollgruppen
Die Anzahl an geprüften Dosen und Wiederholungen sollte die statistischen Anforderungen für eine Bestimmung der LD50 mit einem 95%igen Vertrauensbereich erfüllen. Im Normalfall sind für die Prüfung fünf Dosen in einer geometrischen Reihe, die sich um einen Faktor von nicht mehr als 2,2 unterscheiden und den Bereich für die LD50 , abdecken, erforderlich. Die Anzahl an Dosen muß jedoch im Verhältnis zur Steigung der Toxizitätskurve (Dosis im Verhältnis zu Mortalität) unter Berücksichtigung der für die Auswertung der Ergebnisse herangezogenen statistischen Methode bestimmt werden. Mit Hilfe einer Vorprüfung zur Bestimmung des Konzentrationsbereichs lassen sich die angemessenen Dosen auswählen.
Mindestens drei Wiederholungsprüfgruppen von jeweils zehn Bienen sollten jeder Prüfkonzentrationsdosis ausgesetzt werden.
Zusätzlich zu den Prüfreihen sollten mindestens drei Kontrollgruppen von jeweils zehn Bienen zum Einsatz kommen. Wird ein organisches Lösemittel oder ein Benetzungsmittel verwendet, müssen drei zusätzliche Kontrollgruppen mit jeweils zehn Bienen für das Löse- oder Benetzungsmittel mit einbezogen werden.
C.17. 1.6.2. Toxischer Standard
In die Prüfreihen ist ein toxischer Standard aufzunehmen. Zumindest drei Dosen sollten ausgewählt werden, die den erwarteten LD50 -Wert abdecken. Für jede Prüfdosis sollten mindestens drei Wiederholungskäfige mit jeweils zehn Bienen verwendet werden. Der bevorzugte toxische Standard ist Dimethoat; für diesen Stoff liegt die nachgewiesene Kontakt-LD50 für 24 Stunden im Bereich von 0,10 bis 0,30 µg Wirkstoff/Biene (2). Andere toxische Standards wären jedoch annehmbar, soweit hinreichende Daten zur Überprüfung der erwarteten Dosisreaktion vorgelegt werden können (z.B. Parathion).
C.17. 1.6.3. Exposition
C.17. 1.6.3.1. Verabreichung der Dosen
Bei den betäubten Bienen erfolgt jeweils einzeln eine topikale Aufbringung. Die Bienen werden nach dem Zufallsprinzip den verschiedenen Prüfdosen und Kontrollen zugeordnet. Ein Volumen von 1 µl Lösung mit der Prüfsubstanz in der geeigneten Konzentration wird mit einem Mikroapplikator auf die Dorsalseite des Thorax einer jeden Biene aufgetragen. Sofern begründet, können andere Volumina verwendet werden. Nach dem Auftragen werden die Bienen auf die Prüfkäfige verteilt und mit den Zuckerlösungen versorgt.
C.17. 1.6.3.2. Dauer
Die Dauer der Prüfung sollte vorzugsweise 48 Stunden betragen. Steigt die Mortalität zwischen 24 und 48 Stunden um mehr als 10 % an, sollte die Prüfdauer auf maximal 96 Stunden verlängert werden, sofern die Kontrollmortalität nicht über 10 % hinausgeht.
C.17. 1.6.4. Beobachtungen
Die Mortalität wird 4 Stunden nach der Dosierung und dann nach 24 Stunden und 48 Stunden protokolliert.
Ist ein verlängerter Beobachtungszeitraum erforderlich, sollten weitere Bewertungen im Abstand von 24 Stunden bis maximal 96 Stunden vorgenommen werden, sofern die Kontrollmortalität 10 % nicht übersteigt.
Alle anormalen Verhaltensweisen während des Prüfzeitraums müssen protokolliert werden.
C.17. 1.6.5. Limit-Test
In einigen Fällen (z.B. wenn man erwartet, daß die Prüfsubstanz eine geringe Toxizität besitzt) kann ein Limit-Test mit 100 µg Wirkstoff/Biene durchgeführt werden, um nachzuweisen, daß die LD50 höher als dieser Wert ist. Dabei sollte das gleiche Verfahren zum Einsatz kommen, einschließlich drei Wiederholungsprüfgruppen für die Prüfdosis, die betreffenden Kontrollen und die Verwendung des toxischen Standards. Sofern Mortalitäten auftreten, sollte eine vollständige Untersuchung durchgeführt werden. Eventuell beobachtete subletale Wirkungen (siehe 1.6.4) sind zu dokumentieren.
C.17. 2. Daten und Berichterstattung
C.17. 2.1. Daten
Daten sollten in tabellarischer Form zusammengefasst werden, wobei für jede Behandlungsgruppe sowie für die Kontrollgruppe und die Gruppe mit dem toxischen Standard die Anzahl an eingesetzten Bienen, die Mortalität für jede Beobachtungszeit und die Anzahl an Bienen mit beeinträchtigtem Verhalten auszuweisen sind.
Die Mortalitätsdaten sind mit angemessenen statistischen Verfahren zu analysieren (z.B. Probit-Analyse, gleitender Durchschnitt, binomiale Wahrscheinlichkeit) (3) (4). Die Dosisreaktionskurven sind für jede empfohlene Beobachtungszeit (d. h. 24 und 48 Stunden sowie, soweit zutreffend, 72 und 96 Stunden) darzustellen, und die Steigungen der Kurven und die mittleren letalen Dosen (LD50 ) sind mit einem 95 % Vertrauensbereich zu berechnen. Korrekturen um die Kontrollmortalität könnten mit Hilfe der Abbottschen Korrektur vorgenommen werden (4) (5). Die LD50 sollte in µg Prüfsubstanz je Biene angegeben werden.
C.17. 2.2. Prüfbericht
Der Prüfbericht muss die folgenden Angaben enthalten:
C.17. 2.2.1. Prüfsubstanz
C.17. 2.2.2. Geprüfte Bienenart
C.17. 2.2.3. Prüfbedingungen
C.17. 2.2.4. Ergebnisse
C.17. 3. Literaturhinweise
(1) EPPO/Council of Europe (1993). Decision-Making Scheme for the Environmental Risk Assessment of Plant Protection Products - Honeybees. EPPO bulletin, Vol. 23, N.1, pp. 151-165. March 1993.
(2) Gough, H. J., McIndoe, E. C., Lewis, G. B. (1994). The use of dimethoate as a reference compound in laboratory acute toxicity tests on honeybees (Apis mellifera L.), 1981-1992. Journal of Apicultural Research 22, pp. 119-125.
(3) Litchfield, J. T. and Wilcoxon, F. (1949). a simplified method of evaluating dose-effect experiments. Jour. Pharmacol. and Exper. Ther., 96, pp. 99-113.
(4) Finney, D. J. (1971). Probit Analysis. 3rd ed., Cambridge, London and New York.
(5) Abbott, W. S. (1925). a method for computing the effectiveness of an insecticide. Jour. Econ. Entomol. 18, pp. 265-267.
weiter . |
(Stand: 04.08.2022)
Alle vollständigen Texte in der aktuellen Fassung im Jahresabonnement
Nutzungsgebühr: 90.- € netto (Grundlizenz)
(derzeit ca. 7200 Titel s.Übersicht - keine Unterteilung in Fachbereiche)
Die Zugangskennung wird kurzfristig übermittelt
? Fragen ?
Abonnentenzugang/Volltextversion