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Bestimmung der Ökotoxizität
C.16. Honigbienen - Akute orale Toxizitätsprüfung

Stand RL 2001/59/EG

Anhang V
zur RL 67/548/EWG

zur aktuellen Fassung

C.16. 1. Methode

Diese Methode zur Prüfung der akuten Toxizität entspricht der OECD TG 213 (1998).

C.16. 1.1. Einleitung

Diese Toxizitätsprüfung ist ein Laborverfahren, mit dem die akute orale Toxizität von Pflanzenschutzmitteln und anderen Chemikalien für erwachsene Arbeitshonigbienen bewertet werden soll.

Bei der Bewertung und Beurteilung der toxischen Merkmale von Substanzen ist unter Umständen die Bestimmung der akuten oralen Toxizität bei Bienen erforderlich, beispielsweise wenn die Wahrscheinlichkeit einer Exposition von Bienen gegenüber einer bestimmten Chemikalie besteht. Die akute orale Toxizitätsprüfung wird durchgeführt, um die spezifische Toxizität von Pestiziden und anderen Chemikalien für Bienen zu bestimmen.

Die Ergebnisse dieser Prüfung sollten herangezogen werden, um festzulegen, ob weiterer Beurteilungsbedarf besteht. Diese Methode kann insbesondere in schrittweise aufgebauten Programmen zur Bewertung der Gefahren von Pflanzenschutzmitteln für Bienen verwendet werden, die auf einem sequenziellen Übergang von Labortoxizitätsprüfungen auf Halbfreiland- und Freilandversuche beruhen (1). Pestizide können dabei als Wirkstoffe oder als formulierte Produkte geprüft werden.

Zur Überprüfung der Empfindlichkeit der Bienen und der Genauigkeit des Prüfverfahrens sollte ein toxischer Standard verwendet werden.

C.16. 1.2. Begriffsbestimmungen

Akute orale Toxizität: Dies sind die negativen Wirkungen, die innerhalb eines Zeitraums von maximal 96 Stunden bei einer oralen Verabreichung einer einfachen Dosis der Prüfsubstanz auftreten.

Dosis: Dies ist die aufgenommene Menge an Prüfsubstanz. Die Dosis wird als Masse (µg) Prüfsubstanz je Prüftier ausgedrückt (µg/Biene). Die tatsächliche Dosis für jede einzelne Biene kann zwar nicht berechnet werden, da die Bienen gemeinsam gefüttert werden, es läßt sich jedoch eine durchschnittliche Dosis abschätzen (insgesamt aufgenommene Prüfsubstanz/Anzahl der Testbienen in einem Käfig).

Orale LD50 (mittlere letale Dosis): Dies ist die statistisch abgeleitete einfache Dosis einer Substanz, die bei oraler Verabreichung bei 50 % der Tiere zum Tod führen kann. Der LD50 -Wert wird in µg Prüfsubstanz je Biene angegeben. Bei Pflanzenschutzmitteln kann die Prüfsubstanz entweder als Wirkstoff oder als formuliertes

Produkt mit einem oder mehreren Wirkstoffen vorliegen. Mortalität: Ein Tier wird als tot protokolliert, wenn es absolut unbeweglich ist.

C.16. 1.3. Prinzip der Methode

Erwachsene Arbeitshonigbienen (Apis mellifera) werden einem Bereich von Dosen der in einer Zuckerlösung dispergierten Prüfsubstanz ausgesetzt. Die Bienen werden dann mit derselben Lösung, jedoch ohne die Prüfsubstanz, gefüttert. Die Mortalität wird täglich im Verlauf von zumindest 48 Stunden protokolliert und mit Kontrollwerten verglichen. Wenn die Mortalitätsrate in der Zeit zwischen 24 Stunden und 48 Stunden zunimmt, während die Kontrollmortalität auf einem akzeptierten Stand bleibt, d. h.< 10 % , ist es angebracht, die Dauer der Prüfung auf maximal 96 Stunden zu verlängern. Die Ergebnisse werden ausgewertet, um die LD50 für 24 Stunden und 48 Stunden und, sofern die Untersuchung verlängert wurde, für 72 Stunden und 96 Stunden zu berechnen.

C.16. 1.4. Validitätskriterien

Damit die Validität einer Prüfung gegeben ist, gelten die folgenden Bedingungen:

C.16. 1.5. Beschreibung der Methode

C.16. 1.5.1. Sammlung der Bienen

Es sollten junge erwachsene Arbeiterinnen derselben Rasse verwendet werden, d. h. Bienen gleichen Alters, gleichen Ernährungszustands usw. Die Bienen sollten aus angemessen gefütterten, gesunden, möglichst krankheitsfreien Völkern mit Königin stammen, deren Vorgeschichte und physiologischer Zustand bekannt ist. Sie könnten am Morgen der Verwendung oder am Abend vor der Prüfung gesammelt und bis zum nächsten Tag unter Prüfbedingungen gehalten werden. Bienen, die von Rähmchen ohne Brut gesammelt werden, sind geeignet. Eine Sammlung im frühen Frühjahr oder Spätherbst sollte vermieden werden, da die Bienen in dieser Zeit eine veränderte Physiologie aufweisen. Müssen Prüfungen im frühen Frühjahr oder Spätherbst durchgeführt werden, können Bienen in einem Brutschrank zum Schlüpfen gebracht und eine Woche lang mit " "Bienenbrot" (aus der Wabe gesammelte Pollen) und Zuckerlösung aufgezogen werden. Bienen, die mit chemischen Substanzen behandelt wurden, wie z.B. Antibiotika, Anti-Varroa-Produkten usw., sollten nach dem Ende der letzten Behandlung vier Wochen nicht für Toxizitätsprüfungen eingesetzt werden."

C.16. 1.5.2. Unterbringungs- und Fütterungsbedingungen

Verwendet werden einfach zu säubernde und gut belüftete Käfige. Dabei kann jedes geeignete Material verwendet werden, beispielsweise Edelstahl-, Drahtgitter-, Kunststoff- oder Einwegholzkäfige usw. Es sollten möglichst Gruppen von jeweils zehn Bienen pro Käfig zum Einsatz kommen. Die Größe der Prüfkäfige sollte der Anzahl der Bienen entsprechen, d. h. angemessenen Platz bieten.

Die Bienen sollten im Dunkeln in einem Versuchsraum mit einer Temperatur von 25 °C ± 2 °C gehalten werden. Die relative Feuchte, die im Normalfall zwischen 50 und 70 % liegt, sollte während der gesamten Prüfung gemessen und protokolliert werden. Alle Tätigkeiten, einschließlich Behandlung und Beobachtungen, können bei (Tages-) Licht durchgeführt werden. Als Futter wird eine Zuckerlösung in Wasser mit einer endgültigen Konzentration von 500 g/l (50 % Gew./Vol.) verwendet. Nach Verabreichung der Prüfdosen sollte das Futter nach Belieben dargeboten werden. Das Fütterungssystem sollte die Möglichkeit bieten, die Futteraufnahme für jeden Käfig zu protokollieren (siehe 1.6.3.1). Es kann ein Glasröhrchen (circa 50 mm lang und 10 mm breit und am offenen Ende auf einen Durchmesser von etwa 2 mm verjüngt) verwendet werden.

C.16. 1.5.3. Vorbereitung der Bienen

Die gesammelten Bienen werden nach dem Zufallsprinzip auf die Prüfkäfige verteilt, die ebenfalls zufällig in dem Versuchsraum angeordnet sind.

Vor Beginn der Prüfung kann man die Bienen bis zu 2 Stunden hungern lassen. Es wird empfohlen, den Bienen vor der Behandlung die Nahrung zu entziehen, damit der Darminhalt zu Beginn der Prüfung bei allen Bienen gleich ist. Im Sterben liegende Bienen sollten ausgesondert und vor Beginn der Prüfung durch gesunde Bienen ersetzt werden.

C.16. 1.5.4. Herstellung der Dosen

Sofern es sich bei der Prüfsubstanz um eine mit Wasser mischbare Verbindung handelt, kann diese direkt in einer 50 %igen Zuckerlösung dispergiert werden. Bei technischen Produkten und Substanzen mit geringer Wasserlöslichkeit können Trägersubstanzen wie organische Lösemittel, Emulgatoren oder Dispersionsmittel mit geringer Bienentoxizität verwendet werden (z.B. Aceton, Dimethylformamid, Dimethylsulfoxid). Die Konzentration des Trägers hängt dabei von der Löslichkeit der Prüfsubstanz ab und sollte für alle geprüften Konzentrationen gleich sein. Im allgemeinen ist eine Konzentration der Trägersubstanz von 1 % angemessen und sollte nicht überschritten werden.

Es sollten entsprechende Kontrollösungen hergestellt werden, d. h., wird ein Löse- oder Dispersionsmittel zur Lösung der Prüfsubstanz benutzt, sollten zwei getrennte Kontrollgruppen verwendet werden, und zwar eine Lösung in Wasser und eine Zuckerlösung mit dem Lösemittel/Träger in der Konzentration, die auch in den Dosierlösungen vorliegt.

C.16. 1.6. Vorgehensweise

C.16. 1.6.1. Prüf- und Kontrollgruppen

Die Anzahl an geprüften Dosen und Wiederholungen sollte die statistischen Anforderungen für eine Bestimmung der LD50 mit einem 95 %igen Vertrauensbereich erfüllen. Im Normalfall sind für die Prüfung fünf Dosen in einer geometrischen Reihe, die sich um einen Faktor von nicht mehr als 2,2 unterscheiden und den Bereich für die LD50 , abdecken, erforderlich. Der Verdünnungsfaktor und die Anzahl an Konzentrationen für die Dosierung müssen jedoch im Verhältnis zur Steigung der Toxizitätskurve (Dosis im Verhältnis zu Mortalität) unter Berücksichtigung der für die Auswertung der Ergebnisse herangezogenen statistischen Methode bestimmt werden. Mit Hilfe einer Vorprüfung zur Bestimmung des Konzentrationsbereichs lassen sich die angemessenen Konzentrationen für die Dosierung auswählen.

Mindestens drei Wiederholungsprüfgruppen von jeweils zehn Bienen sollten jeder Prüfkonzentrationsdosis ausgesetzt werden. Zusätzlich zu den Prüfreihen sollten mindestens drei Kontrollgruppen von jeweils zehn Bienen zum Einsatz kommen. Kontrollgruppen sollten auch für die verwendeten Lösemittel/Trägersubstanzen einbezogen werden (siehe 1.5.4).

C.16. 1.6.2. Toxischer Standard

In die Prüfreihen ist ein toxischer Standard aufzunehmen. Zumindest drei Dosen sollten ausgewählt werden, die den erwarteten LD50 -Wert abdecken. Für jede Prüfdosis sollten mindestens drei Wiederholungskäfige mit jeweils zehn Bienen verwendet werden Der bevorzugte toxische Standard ist Dimethoat; für diesen Stoff liegt die nachgewiesene orale LD50 für 24 Stunden im Bereich von 0,10 bis 0,35 µg Wirkstoff/Biene (2). Andere toxische Standards wären jedoch annehmbar, soweit hinreichende Daten zur Überprüfung der erwarteten Dosisreaktion vorgelegt werden können (z.B. Parathion).

C.16. 1.6.3. Exposition

C.16. 1.6.3.1. Verabreichung der Dosen

Jeder Prüfgruppe von Bienen müssen 100 bis 200 µl einer 50 %igen Zuckerlösung in Wasser mit der Prüfsubstanz in der entsprechenden Konzentration verabreicht werden. Bei Produkten mit geringer Löslichkeit, niedriger Toxizität oder geringer Konzentration in der Rezeptur ist ein größeres Volumen erforderlich, da dann größere Anteile an Zuckerlösung verwendet werden müssen. Die Menge an aufgenommener Nahrung je Gruppe ist festzuhalten. Nach dem Verzehr (im allgemeinen innerhalb von 3 bis 4 Stunden) muss die Fütterungsvorrichtung aus dem Käfig entfernt und durch eine Vorrichtung, die ausschließlich Zuckerlösung enthält, ersetzt werden. Die Zuckerlösung wird dann nach Belieben dargeboten. Bei einigen Verbindungen kann bei höheren Konzentrationen die Ablehnung der Prüfdosis dazu führen, dass nur wenig oder gar kein Futter aufgenommen wird. Nach maximal 6 Stunden sollte das bis dahin unverbrauchte behandelte Futter durch eine reine Zuckerlösung ersetzt werden. Die Menge an aufgenommenem behandeltem Futter muss gemessen werden (z.B. Messung von Volumen/Gewicht des noch verbleibenden behandelten Futters).

C.16. 1.6.3.2. Dauer

Die Dauer der Prüfung sollte vorzugsweise 48 Stunden ab dem Zeitpunkt, zu dem die Prüflösung durch die Zuckerlösung allein ersetzt wurde, betragen. Steigt die Mortalität nach den ersten 24 Stunden weiterhin um mehr als 10 % an, sollte die Prüfdauer auf maximal 96 Stunden verlängert werden, sofern die Kontrollmortalität nicht über 10 % hinausgeht.

C.16. 1.6.4. Beobachtungen

Die Mortalität wird 4 Stunden nach Beginn der Prüfung und dann nach 24 Stunden und 48 Stunden protokolliert (d. h. nach Verabreichung der Dosis). Ist ein verlängerter Beobachtungszeitraum erforderlich, sollten weitere Bewertungen im Abstand von 24 Stunden bis maximal 96 Stunden vorgenommen werden, sofern die Kontrollmortalität 10 % nicht übersteigt.

Die Menge an aufgenommenem Futter pro Gruppe muß gemessen werden. Ein Vergleich zwischen den Anteilen an verzehrtem behandeltem und unbehandeltem Futter innerhalb der vorgegebenen 6 Stunden kann Aufschluss über die Genießbarkeit des behandelten Futters geben.

Alle anormalen Verhaltensweisen während des Prüfzeitraums müssen protokolliert werden.

C.16. 1.6.5. Limit-Test

In einigen Fällen (z.B. wenn man erwartet, dass die Prüfsubstanz eine geringe Toxizität besitzt) kann ein Limit-Test mit 100 µg Wirkstoff/Biene durchgeführt werden, um nachzuweisen, dass die LD50 höher als dieser Wert ist. Dabei sollte das gleiche Verfahren zum Einsatz kommen, einschließlich drei Wiederholungsprüfgruppen für die Prüfdosis, die betreffenden Kontrollen, die Messung der Menge an verzehrtem behandeltem Futter und die Verwendung des toxischen Standards. Sofern Mortalitäten auftreten, sollte eine vollständige Untersuchung durchgeführt werden. Eventuell beobachtete subletale Wirkungen (siehe 1.6.4) müssen dokumentiert werden.

C.16. 2. Daten und Berichterstattung

C.16. 2.1. Daten

Daten sollten in tabellarischer Form zusammengefasst werden, wobei für jede Behandlungsgruppe sowie für die Kontrollgruppe und die Gruppe mit dem toxischen Standard die Anzahl an eingesetzten Bienen, die Mortalität für jede Beobachtungszeit und die Anzahl an Bienen mit beeinträchtigtem Verhalten auszuweisen sind. Die Mortalitätsdaten sind mit angemessenen statistischen Verfahren zu analysieren (z.B. Probit-Analyse, gleitender Durchschnitt, binomiale Wahrscheinlichkeit) (3) (4). Die Dosisreaktionskurven sind für jede empfohlene Beobachtungszeit darzustellen, und die Steigungen der Kurven und die mittleren letalen Dosen (LD50) sind mit einem 95 % Vertrauensbereich zu berechnen. Korrekturen an der Kontrollmortalität könnten mit Hilfe der Abbottschen Korrektur vorgenommen werden (4) (5). Sofern das behandelte Futter nicht vollständig verzehrt wurde, sollte die Prüfsubstanzdosis, die von jeder Gruppe aufgenommen wurde, ermittelt werden. Die LD50 sollte in µg Prüfsubstanz je Biene angegeben werden.

C.16. 2.2. Prüfbericht

Der Prüfbericht muss die folgenden Angaben enthalten:

C.16. 2.2.1. Prüfsubstanz

C.16. 2.2.2. Geprüfte Bienenart

C.16. 2.2.3. Prüfbedingungen

C.16. 2.2.4. Ergebnisse

C.16. 3. Literaturhinweise

(1) EPPO/Council of Europe (1993). Decision-Making Scheme for the Environmental Risk Assessment of Plant Protection Products - Honeybees. EPPO Bulletin, Vol. 23, N.1, pp. 151-165. March 1993.

(2) Gough, H. J., McIndoe, E.C., Lewis, G.B. (1994). The use of dimethoate as a reference compound in laboratory acute toxicity tests on honeybees (Apis mellifera L.) 1981-1992. Journal of Apicultural Research, 22, pp. 119-125.

(3) Litchfield, J.T. and Wilcoxon, F. (1949). a simplified method of evaluating dose-effect experiments. Jour. Pharmacol. and Exper. Ther., 96, pp. 99-113.

(4) Finney, D. J. (1971). Probit Analysis. 3rd ed., Cambridge, London and New York.

(5) Abbott, W. S. (1925). a method for computing the effectiveness of an insecticide. Jour. Econ. Entomol., 18, pp. 265-267.


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