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Regelwerk, EU 2023, Wirtschaft - EU Bund

Empfehlung (EU) 2023/2425 der Kommission vom 20. Oktober 2023 zur Koordinierung der Reaktion auf Vorfälle, die sich insbesondere aus der Verbreitung illegaler Inhalte ergeben, bis zum Beginn der vollständigen Anwendung der Verordnung (EU) 2022/2065 des Europäischen Parlaments und des Rates (Gesetz über digitale Dienste)

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen C(2023) 7170)

(ABl. L 2023/2425 vom 26.10.2023aufgehoben)



aufgehoben gem. Nr. 13

Die Europäische Kommission -

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 292,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Die Welt erlebt gegenwärtig eine beispiellose Phase von Konflikten und Instabilität - mit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und dem Terroranschlag der Hamas in Israel. Aufgrund der großen Reichweite sozialer Medien schlagen sich Gewalt und Krieg zunehmend auch online in der Union nieder. Dies hat zu einer bisher nicht gekannten Zunahme illegaler und schädlicher Inhalte im Internet geführt, deren Verbreitung auch mit koordinierten Kampagnen zur unionsweiten Desinformation und Fehlinformation im Zusammenhang mit solchen internationalen Krisen erfolgt.

(2) Online-Plattformen spielen eine besonders wichtige Rolle bei der Verbreitung von Informationen in der gesamten Union. Einerseits sind Online-Plattformen wichtige Kommunikationskanäle für die Bürgerinnen und Bürger der Union und können den Regierungen und Behörden aussagekräftige Informationen liefern. Sie erleichtern die öffentliche Debatte und die Verbreitung von Informationen, Meinungen und Ideen in der Öffentlichkeit und haben Einfluss darauf, wie die Bürgerinnen und Bürger Informationen online erhalten und kommunizieren. Andererseits können Online-Plattformen als Mittel zur Verbreitung und Verstärkung illegaler oder schädlicher Online-Inhalte missbraucht werden.

(3) Mit der Verordnung (EU) 2022/2065 des Europäischen Parlaments und des Rates 1 hat die Union bahnbrechende Rechtsvorschriften erlassen, um - gerade in Konfliktzeiten - ihr Online-Informationsumfeld zu sichern und lebenswichtige Informationsfreiheiten zu schützen, aber auch eine wirksame Reaktion auf die Verbreitung illegaler Online-Inhalte sowie auf Bedrohungen der gesellschaftlichen Debatte, der Wahlen und der öffentlichen Sicherheit einzufordern. Mit harmonisierten Vorschriften für ein sicheres, vorhersehbares und vertrauenswürdiges Online-Umfeld, in dem Innovationen gefördert und die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundrechte wirksam geschützt werden, trägt diese Verordnung zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts für Vermittlungsdienste bei 2.

(4) Dies geschieht insbesondere durch die Einführung besonderer Sorgfaltspflichten, die auf bestimmte Kategorien von Anbietern von Vermittlungsdiensten zugeschnitten sind, und durch die Schaffung einer Governance-Struktur, um die Zusammenarbeit und Koordinierung zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und der Kommission bei der Überwachung und Durchsetzung dieser Pflichten sicherzustellen, einschließlich der Möglichkeit, Krisenprotokolle gemäß Artikel 48 zu erstellen.

(5) Obwohl die vollständige Anwendung der Verordnung (EU) 2022/2065 erst am 17. Februar 2024 beginnt, gilt sie schon vorab für jene Anbieter von Online-Plattformen und Online-Suchmaschinen, die von der Kommission am 25. April 2023 gemäß Artikel 33 Absatz 4 der Verordnung als sehr große Online-Plattformen und sehr große Online-Suchmaschinen benannt worden sind 3. Die Mitgliedstaaten müssen zwar ihre Koordinatoren für digitale Dienste und andere für die Überwachung und Durchsetzung der Verordnung (EU) 2022/2065 zuständige nationale Behörden erst zum 17. Februar 2024 benennen 4, die Kommission kann die ihr gemäß Kapitel IV Abschnitt 4 der Verordnung übertragenen Durchsetzungsbefugnisse in Bezug auf die sehr großen Online-Plattformen und sehr großen Online-Suchmaschinen, die sie am 25. April 2023 benannt hat, aber schon jetzt ausüben 5.

(6) Für die wirksame Überwachung und Durchsetzung der Verordnung (EU) 2022/2065 durch die Kommission gegenüber den benannten sehr großen Online-Plattformen und sehr großen Online-Suchmaschinen ist jedoch die Unterstützung der nationalen Behörden der Mitgliedstaaten und die aktive Zusammenarbeit mit ihnen erforderlich. In mehreren Fällen ist die Kommission laut Kapitel IV Abschnitt 4 der Verordnung sogar ausdrücklich verpflichtet, mit dem Europäischen Gremium für digitale Dienste (im Folgenden das "Gremium") 6, den Koordinatoren für digitale Dienste und anderen zuständigen nationalen Behörden zusammenzuarbeiten, die von den Mitgliedstaaten mit der Überwachung und Durchsetzung dieser Verordnung in ihrem Hoheitsgebiet betraut werden sollen.

(7) Die Tatsache, dass mehrere Mitgliedstaaten ihre Koordinatoren für digitale Dienste noch nicht benannt haben und dass das Gremium noch nicht gebildet wurde, erschwert der Kommission die Überwachung und Durchsetzung dieser Verordnung vor dem Beginn ihrer vollständigen Anwendung gegenüber den benannten sehr großen Online-Plattformen und sehr großen Online-Suchmaschinen, für die die Verordnung (EU) 2022/2065 bereits gilt 7. Dennoch ist die Kommission entschlossen, die volle Wirksamkeit dieser Verordnung in Bezug auf die Anbieter solcher Dienste sicherzustellen.

(8) Bis zum Zeitpunkt der Annahme dieser Empfehlung haben kaum 10 % der Mitgliedstaaten ihren Koordinator für digitale Dienste förmlich benannt. In vielen Mitgliedstaaten wurden aber bestehende Regulierungsbehörden, die die Rolle des Koordinators für digitale Dienste übernehmen sollen, bereits vorläufig benannt, und es wurden die betreffenden nationalen Gesetzgebungsverfahren eingeleitet. Deshalb ersucht die Kommission die Mitgliedstaaten, für den Zeitraum bis zur vollständigen Einrichtung der in der Verordnung (EU) 2022/2065 vorgesehenen Governance-Struktur eine unabhängige Behörde zu benennen, die Teil eines informellen Netzes der voraussichtlichen Koordinatoren für digitale Dienste sein soll, denn deren Rolle bei der Feststellung und Bewältigung von Vorfällen ist von wesentlicher Bedeutung, umso mehr, wenn sich solche Vorfälle aus der Verbreitung illegaler Inhalte ergeben, die die eindeutige Gefahr der Einschüchterung von Bevölkerungsgruppen und der Destabilisierung politischer und sozialer Strukturen in der Union oder Teilen davon bergen, einschließlich solcher, die zu einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Sicherheit oder der öffentlichen Gesundheit in der Union oder in wesentlichen Teilen der Union führen könnten. Die Koordinatoren sollten regelmäßig untereinander und mit der Kommission in einem informellen Netz zusammenzukommen, um Vorfälle zu erörtern, die sich aus der Verbreitung illegaler Inhalte auf sehr großen Online-Plattformen und über sehr große Online-Suchmaschinen, für die diese Verordnung bereits gilt, ergeben. Solche Vorfälle können insbesondere die Verbreitung illegaler Inhalte im Zusammenhang mit internationalen Konflikten, terroristischen Handlungen, Notlagen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, Wahlprozessen usw. umfassen.

(9) Ferner befürwortet die Kommission die Einberufung besonderer Zusammenkünfte zur Reaktion auf Vorfälle, um bei der Anwendung der Verordnung (EU) 2022/2065 seitens der Anbieter sowie zwischen den Organen der Union und den Mitgliedstaaten für ein flexibles, koordiniertes und verhältnismäßiges Vorgehen zu sorgen, die Kommunikation in dringenden Situationen zu straffen und eine umfassende Lageerfassung zu ermöglichen.

(10) Außerdem werden die Mitgliedstaaten dazu angehalten, die Kommission bei der Überwachung und Durchsetzung der Verordnung (EU) 2022/2065 gegenüber benannten sehr großen Online-Plattformen und sehr großen Online-Suchmaschinen zu unterstützen. In diesem Zusammenhang sollten die Mitgliedstaaten Belege für die Verbreitung illegaler Inhalte über sehr große Online-Plattformen und sehr große Online-Suchmaschinen in ihrem Hoheitsgebiet sammeln und diese der Kommission übermitteln, damit diese angemessen und rasch auf solche Inhalte reagieren kann.

(11) Die Verordnung (EU) 2022/2065 selbst enthält keine Vorschriften darüber, welche Arten von Inhalten als illegale Inhalte einzustufen sind. Die Rechtswidrigkeit von Inhalten bestimmt sich nach nationalem Recht oder - soweit eine Harmonisierung stattgefunden hat - nach europäischen Vorschriften. Mehrere Rechtsakte der Union bilden einen Rechtsrahmen für bestimmte Arten illegaler Inhalte, die online dargeboten und verbreitet werden, und vereinheitlichen, was in der gesamten Union als illegal zu betrachten ist. So enthält insbesondere die Richtlinie (EU) 2017/541des Europäischen Parlaments und des Rates 8 Mindestvorschriften für die Definition von Straftatbeständen und die Festlegung von Sanktionen auf dem Gebiet von terroristischen Straftaten, Straftaten im Zusammenhang mit einer terroristischen Vereinigung und Straftaten im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten sowie Maßnahmen zum Schutz, zur Unterstützung und zur Hilfe der Opfer des Terrorismus.

(12) Darüber hinaus ist in der Verordnung (EU) 2021/784 des Europäischen Parlaments und des Rates 9 ausdrücklich festgelegt worden, was unter terroristischen Online-Inhalten zu verstehen ist, nämlich Material, in dem zur Begehung einer terroristischen Straftat angestiftet wird, terroristische Handlungen verherrlicht werden, die Begehung terroristischer Straftaten befürwortet wird, andere zur Begehung oder zur Beteiligung oder Mitwirkung an Handlungen im Zusammenhang mit terroristischen Straftaten bestimmt werden, das Anleitungen zur Herstellung verschiedener Arten von Waffen für terroristische Zwecke enthält oder eine Androhung der Begehung einer terroristischen Straftat darstellt. Diese Verordnung bildet auch den rechtlichen Rahmen, aufgrund dessen die Mitgliedstaaten, Entfernungsanordnungen an Hostingdiensteanbieter richten können, die dann verpflichtet sind, solche Inhalte innerhalb einer Stunde zu entfernen. Zudem sind Hostingdiensteanbieter verpflichtet, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, um die Ausnutzung ihrer Dienste zu verhindern, wenn sie terroristischen Inhalten ausgesetzt sind.

(13) Ebenso müssen die Mitgliedstaaten nach dem Rahmenbeschluss 2008/913/JI 10 des Rates mehrere vorsätzliche Handlungen im Zusammenhang mit der Aufstachelung zu Gewalt oder Hass gegen eine nach den Kriterien der Rasse, Hautfarbe, Religion, Abstammung oder der nationalen oder ethnischen Herkunft definierte Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe als Straftat einstufen. Nach dem Beschluss müssen die Mitgliedstaaten auch das Billigen, Leugnen oder gröbliche Verharmlosen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen den Frieden gegenüber einer Gruppe von Personen oder einem Mitglied einer solchen Gruppe, die nach den Kriterien der Rasse, Hautfarbe, Religion, Abstammung oder nationalen oder ethnischen Herkunft definiert werden, als Straftat einstufen, wenn die Handlung in einer Weise begangen wird, die wahrscheinlich zu Gewalt oder Hass gegen solch eine Gruppe oder gegen ein Mitglied solch einer Gruppe aufstachelt.

(14) Ferner weist die Kommission darauf hin, dass die zuständigen nationalen Behörden schon heute Anordnungen gegen Anbieter von Vermittlungsdiensten erlassen können, deren Dienste zur Verbreitung illegaler Online-Inhalte genutzt werden. Im derzeitigen Kontext ist es von größter Bedeutung, dass die zuständigen nationalen Behörden solche illegalen Online-Inhalte rasch ermitteln und auf der Grundlage ihrer nationalen Systeme deren Entfernung anordnen. In Artikel 9 der Verordnung (EU) 2022/2065 wird klargestellt, dass solche Anordnungen auch grenzüberschreitend erlassen werden können. Angesichts der Gefahr von Vorfällen ist es von größter Bedeutung, dass die zuständigen Behörden alle erforderlichen Beweise sammeln, um wirksam gegen die Verstärkung illegaler Online-Inhalte im Zusammenhang mit oft schrecklichen Straftaten vorgehen zu können, und dass sie von den Befugnissen Gebrauch machen, die ihnen durch die verschiedenen Instrumente des Unionsrechts übertragen wurden, um gegen illegale Inhalte vorzugehen.

(15) In Anbetracht der Vielzahl geltender Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten und der Union und verschiedener Formen der Koordinierung in Bezug auf illegale Inhalte ist es umso notwendiger, in der Phase bis zur vollständigen Anwendung der Verordnung (EU) 2022/2065 für eine Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten zu sorgen. Daher ist ein rasches und koordiniertes Vorgehen wichtig, um zu verhindern, dass illegale Inhalte, insbesondere terroristische Inhalte und rechtswidrige Hetze, im Internet zirkulieren und sogar virale Verbreitung finden. Wenn Maßnahmen, die auf nationaler Ebene ergriffen werden, um der Verstärkung illegaler Online-Inhalte zu begegnen, nicht miteinander koordiniert werden, steigt möglicherweise die Gefahr, dass dadurch die rechtliche Fragmentierung und die Unsicherheit noch gesteigert und Reibungsverluste und Reaktionszeiten erhöht werden. Darüber hinaus ist die Kommission, wie in der Verordnung (EU) 2022/2065 anerkannt, besser in der Lage, diese Verordnung gegenüber Anbietern sehr großer Online-Plattformen und sehr großer Online-Suchmaschinen durchzusetzen. Vor diesem Hintergrund ist es wünschenswert, dass die Mitgliedstaaten in koordinierter Weise handeln, um etwaige Durchsetzungsmaßnahmen zu unterstützen, die die Kommission in Ausübung ihrer Befugnisse gemäß Kapitel IV Abschnitt 4 der Verordnung (EU) 2022/2065 ergreifen kann.

(16) Die Kommission erinnert ferner daran, dass es mehrere Rahmen für eine freiwillige Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Verbreitung illegaler Online-Inhalte gibt.

(17) In Krisensituationen ist ein rasches und koordiniertes Vorgehen wichtig, um zu verhindern, dass illegale Inhalte, insbesondere terroristische Inhalte und rechtswidrige Hetze, im Internet viral verbreitet werden. Das EU-Krisenprotokoll, das 2019 im Rahmen des EU-Internetforums erstellt und 2023 überarbeitet wurde, sieht einen freiwilligen Mechanismus für eine koordinierte und rasche grenzüberschreitende Reaktion der Online-Diensteanbieter und Strafverfolgungsbehörden auf mutmaßliche, auf terroristische oder gewaltsame extremistische Taten zurückzuführende Krisen im Online-Raum vor. Im EU-Krisenprotokoll, das auf einer freiwilligen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern im EU-Internetforum beruht, sind Verfahren, Aufgaben und Zuständigkeiten für die wichtigsten Akteure festgelegt, um insbesondere Störungen der Ermittlungen zu verhindern und die Beweiserhebung sicherzustellen. Die Mitgliedstaaten können das Protokoll in Abstimmung mit der EU-Meldestelle für Internetinhalte (EU-IRU) von Europol aktivieren. Das EU-IRU übernimmt eine federführende Rolle bei der Koordinierung zwischen nationalen Strafverfolgungsbehörden und Online-Diensteanbietern. Auch das Speichern zuvor entfernter Inhalte ist wichtig, um eine Wiederherstellung unrechtmäßig entfernter Inhalte und somit den Schutz der Grundfreiheiten zu ermöglichen.

(18) Im Zusammenhang mit dem Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Hassreden im Internet haben sich große Plattformen der sozialen Medien, von denen einige auch nach der Verordnung (EU) 2022/2065 als sehr große Online-Plattformen benannt wurden, dazu verpflichtet, die ihnen gemeldeten Hassinhalte in der Regel innerhalb von 24 Stunden zu prüfen und erforderlichenfalls zu entfernen. Die Einhaltung dieser Verpflichtung wird von einem Netz vertrauenswürdiger Hinweisgeber bewertet. Der Verhaltenskodex wird gegenwärtig von der Kommission und den Unterzeichnern - auch im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Artikels 45 der Verordnung (EU) 2022/2065 - überarbeitet, um Verpflichtungen einzuführen, die helfen können, systemische Risiken zu mindern und drohenden Wellen rechtswidriger Hetze vorausschauend entgegenzutreten, bevor sich solche Inhalte viral im Internet verbreiten.

(19) Die Verordnung (EU) 2022/2065 sieht einen Koordinierungsmechanismen für die Bewältigung von Notsituationen vor. Wie jüngste Ereignisse zeigen, kommt es jedoch schon vor dem 17. Februar 2024 zu außergewöhnlichen Umständen, die den europäischen digitalen Raum beeinträchtigen. Solche außergewöhnlichen Umstände, die durch bestimmte Vorfälle oder Krisen und die damit verbundene Verbreitung illegaler Inhalte ausgelöst werden, bergen die eindeutige Gefahr der Einschüchterung von Bevölkerungsgruppen oder der Destabilisierung politischer und sozialer Strukturen in der Union oder Teilen davon. Deshalb ist schon jetzt ein koordiniertes Vorgehen auf Unionsebene nötig, d. h. lange vor dem Beginn der Anwendung der einschlägigen Bestimmungen der Verordnung (EU) 2022/2065 (17. Februar 2024).

(20) Angesichts solcher drohenden Notsituationen können Maßnahmen, die auf nationaler Ebene ergriffen werden, um der Verstärkung illegaler Online-Inhalte zu begegnen, die Gefahr bergen, dass sie unkoordiniert durchgeführt werden, sodass sie zu einer rechtlichen Fragmentierung und zu Unsicherheit führen und die Reibungsverluste und Reaktionszeiten erhöhen. Darüber hinaus ist die Kommission, wie in der Verordnung (EU) 2022/2065 anerkannt, besser in der Lage, die Durchsetzung der Verordnung im Hinblick auf die systemische Anwendung der Vorschriften durch die Anbieter sehr großer Online-Plattformen und sehr großer Online-Suchmaschinen zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund sollten die Mitgliedstaaten zu einem koordinierten Vorgehen angehalten werden, um etwaige Durchsetzungsmaßnahmen zu unterstützen, die die Kommission in der ihr durch die Verordnung (EU) 2022/2065 zugewiesenen Rolle ergreifen kann.

(21) Die Einbeziehung der Strafverfolgungsbehörden in die Planung nationaler Maßnahmen zur Bekämpfung illegaler Inhalte ist wichtig, damit ihre Arbeit durch die ergriffenen oder geplanten Maßnahmen nicht beeinträchtigt wird, insbesondere wenn eine unmittelbare Bedrohung für Menschenleben besteht.

(22) Angesichts der beispiellosen Phase von Konflikten und Instabilität, von denen die Union betroffen ist, werden in dieser Empfehlung mit Blick auf die vollständige Anwendung der Verordnung (EU) 2022/2065 ab dem 17. Februar 2024 bestimmte Mechanismen für die Prävention, Kooperation und Koordinierung zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten im Geiste der loyalen Zusammenarbeit festgelegt, um einen raschen Übergang zur Anwendung dieser Verordnung zu ermöglichen und von Anfang an ihre volle Wirksamkeit sicherzustellen. Diese Empfehlung soll die Durchsetzungsmechanismen und den Rahmen der Verpflichtungen, die in der Verordnung (EU) 2022/2065 festgelegt worden sind, weder ersetzen oder ergänzen.

(23) Die Kommission wird die Erfahrungen aus der Anwendung dieser Empfehlung bewerten, sobald diese ausgelaufen ist, d. h. sobald die Verordnung (EU) 2022/2065 vollständig Anwendung findet.

(24) Die vorliegende Empfehlung sollte bis zum 17. Februar 2024 gelten

- hat folgende Empfehlung abgegeben:

Zweck dieser Empfehlung

Mit dieser Empfehlung werden die Mitgliedstaaten dazu angehalten, schon vor dem 17. Februar 2024 gegenüber benannten sehr großen Online-Plattformen und sehr großen Online-Suchmaschinen gemäß der Verordnung (EU) 2022/2065 in koordinierter und kohärenter Weise auf Vorfälle zu reagieren, die sich insbesondere aus der Verbreitung illegaler Inhalte ergeben, die die eindeutige Gefahr der Einschüchterung von Bevölkerungsgruppen oder der Destabilisierung politischer und sozialer Strukturen in der Union oder Teilen davon bergen, einschließlich solcher, die zu einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Sicherheit oder der öffentlichen Gesundheit in der Union oder in wesentlichen Teilen davon führen könnten.

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Empfehlung bezeichnet der Ausdruck

  1. "Koordinator für digitale Dienste" den von jedem Mitgliedstaat gemäß Artikel 49 der Verordnung (EU) 2022/2065 benannten Koordinator für digitale Dienste;
  2. "Gremium" das gemäß Artikel 61 der Verordnung (EU) 2022/2065 eingerichtete Europäische Gremium für digitale Dienste;
  3. "sehr große Online-Plattformen" und "sehr große Online-Suchmaschinen" die Online-Plattformen und Online-Suchmaschinen, die gemäß Artikel 33 Absatz 4 der Verordnung (EU) 2022/2065 benannt wurden.

Spezifische Empfehlungen

Informelles Netz der voraussichtlichen Koordinatoren für digitale Dienste für die Zusammenarbeit und Koordinierung vor dem 17. Februar 2024

1. Die Mitgliedstaaten werden dazu angehalten, vor dem 17. Februar 2024 über ein informelles Netz (im Folgenden "informelles Netz") ihre Maßnahmen im Zusammenhang mit der Verbreitung illegaler Inhalte auf sehr großen Online-Plattformen und über sehr große Online-Suchmaschinen, die bereits gemäß Artikel 33 Absatz 4 der genannten Verordnung benannt wurden, zu koordinieren.

2. Die Mitgliedstaaten, die bereits ihren unabhängigen Koordinator für digitale Dienste gemäß Artikel 49 der Verordnung (EU) 2025/2065 benannt oder zumindest angegeben haben, sollten der Kommission die Kontaktangaben der zuständigen Behörde mitteilen, die benannt wurde oder benannt werden soll. Alle anderen Mitgliedstaaten werden ersucht, dies so bald wie möglich zu tun, auch auf Ad-hoc-Basis, um sich an dem in Absatz 1 genannten Netz der voraussichtlichen Koordinatoren für digitale Dienste zu beteiligen.

3. Anderen Mitgliedstaaten wird nahegelegt, einen hochrangigen Beamten zu benennen, der am informellen Netz teilnimmt, und der Kommission die Kontaktangaben der Behörde mitzuteilen, die von diesem Beamten vertreten wird und die bis zur Benennung ihres Koordinators für digitale Dienste als Kontaktstelle dienen kann.

Besondere Zusammenkünfte zur Koordinierung der Reaktionen

4. Die Kommission kann das informelle Netz der voraussichtlichen Koordinatoren für digitale Dienste auf eigene Initiative oder auf Empfehlung eines oder mehrerer Mitglieder dieses informellen Netzes einberufen. Das informelle Netz sollte mit der Kommission zusammenzuarbeiten, um mittels besonderer Zusammenkünfte auf Vorfälle zu reagieren, die sich insbesondere aus der Verbreitung illegaler Inhalte ergeben, die die eindeutige Gefahr der Einschüchterung von Bevölkerungsgruppen oder der Destabilisierung politischer und sozialer Strukturen in der Union oder Teilen davon bergen, einschließlich solcher, die zu einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Sicherheit oder der öffentlichen Gesundheit in der Union oder in wesentlichen Teilen davon führen könnten.

5. Die Kommission ermuntert die Mitgliedstaaten zu einer aktiven Beteiligung an den Zusammenkünften des informellen Netzes.

6. Die vom informellen Netz koordinierte Reaktion könnte Folgendes umfassen:

Regelmäßige Zusammenkünfte zur Reaktion auf Vorfälle

7. Im Zusammenhang mit Vorfällen empfiehlt die Kommission, dass das informelle Netz der voraussichtlichen Koordinatoren für digitale Dienste regelmäßig zusammenkommt, um ein koordiniertes Verständnis der Entwicklung der außergewöhnlichen Umstände auf nationaler Ebene zu erreichen und einen Rahmen für Folgemaßnahmen vorzuschlagen, die angesichts der festgestellten außergewöhnlichen Umstände möglicherweise als notwendig erachtet werden.

8. Diese Zusammenkünfte sollten folgende Aspekte abdecken:

  1. Austausch von Informationen, bewährten Verfahren, Methoden, technischen Systemen und Werkzeugen zur Unterstützung der Beaufsichtigung sehr großer Online-Plattformen und sehr großer Online-Suchmaschinen im Krisenkontext;
  2. Austausch von auf nationaler Ebene von den zuständigen nationalen Behörden erhobenen Informationen über die Ermittlung illegaler Online-Inhalte im Zusammenhang mit der jeweiligen Krisensituation und deren Verstärkung durch sehr große Online-Plattformen und sehr große Online-Suchmaschinen sowie - falls verfügbar - Informationen über ihre Auswirkungen auf die lokale öffentliche Meinungsbildung.

Einholung von Informationen

9. Das informelle Netz der voraussichtlichen Koordinatoren für digitale Dienste könnte - soweit dies zweckmäßig ist - aussagekräftige Informationen über die Funktionsweise und Gestaltung relevanter sehr großer Online-Plattformen und sehr großer Online-Suchmaschinen liefern, die bei der Wahrnehmung ihrer jeweiligen Aufgaben und im Rahmen ihrer Zuständigkeiten gemäß der Verordnung (EU) 2022/2065 oder von anderen zuständigen Behörden im jeweiligen Mitgliedstaat gesammelt worden sind.

Unterstützung der Kommission bei der Überwachung und Durchsetzung der Verordnung (EU) 2022/2065

10. Die Mitgliedstaaten werden dazu angehalten, die Kommission schon vor dem 17. Februar 2024 bei der Ausübung ihrer Befugnisse gemäß Kapitel IV Abschnitt 4 der Verordnung (EU) 2022/2065 in Bezug auf die Verbreitung illegaler Inhalte auf sehr großen Online-Plattformen und über sehr große Online-Suchmaschinen, die bereits gemäß Artikel 33 Absatz 4 der genannten Verordnung benannt wurden, zu unterstützen.

11. Diese Unterstützung kann Folgendes umfassen:

  1. Unterstützung der Kommission bei der Durchführung von Befragungen gemäß Artikel 68 der Verordnung (EU) 2022/2065;
  2. Unterstützung der Kommission bei der Durchführung von Nachprüfungen in ihrem Hoheitsgebiet gemäß Artikel 69 der Verordnung (EU) 2022/2065 im Einklang mit den anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften und Verfahren.

Förderung der Beteiligung an bestehenden Rahmen für die freiwillige Zusammenarbeit

12. Die Mitgliedstaaten werden ferner dazu angehalten, sich an bestehenden Rahmen für die freiwillige Zusammenarbeit zur Bekämpfung der Verbreitung illegaler Online-Inhalte zu beteiligen. Zu diesen Rahmen für die freiwillige Zusammenarbeit gehört insbesondere das EU-Krisenprotokoll, das einen freiwilligen Mechanismus zur Reaktion auf mutmaßliche, auf terroristische oder gewaltsame extremistische Taten zurückzuführende Krisen im Online-Raum vorsieht. Darüber hinaus werden die Mitgliedstaaten dazu angehalten, sich in internationalen Foren für die Terrorismusbekämpfung, wie dem Christchurch-Aufruf und dem branchengeführten Globalen Internetforum zur Bekämpfung des Terrorismus, abzustimmen.

Geltungszeitraum

13. Diese Empfehlung gilt bis zum 17. Februar 2024.

14. Diese Empfehlung ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Brüssel, den 20. Oktober 2023

1) Verordnung (EU) 2022/2065 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG (Gesetz über digitale Dienste) (ABl. L 277 vom 27.10.2022 S. 1).

2) Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/2065.

3) Die Liste der benannten Dienste wurde gemäß Artikel 33 Absatz 6 der Verordnung (EU) 2022/2065 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht: ABl. C 249 vom 14.07.2023 S. 2.

4) Siehe Artikel 49 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2022/2065.

5) Nach Artikel 56 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2022/2065 verfügt die Kommission über ausschließliche Befugnisse zur Überwachung und Durchsetzung von Kapitel III Abschnitt 5 der Verordnung (EU) 2022/2065, in dem erweiterte Sorgfaltspflichten für benannte sehr große Online-Plattformen und sehr große Online-Suchmaschinen festgelegt sind. Nach Artikel 56 Absatz 3 der Verordnung hat die Kommission gegenüber Anbietern sehr großer Online-Plattformen und sehr großer Online-Suchmaschinen außerdem die Befugnis zur Überwachung und Durchsetzung anderer in der Verordnung vorgesehener Sorgfaltspflichten als derjenigen, die in Kapitel III Abschnitt 5 der Verordnung festgelegt sind.

6) Nach Artikel 61 der Verordnung (EU) 2022/2065 ist das Gremium eine unabhängige Beratungsgruppe, die sich aus den Koordinatoren für digitale Dienste zusammensetzt und sich mit der Beaufsichtigung der Anbieter von Vermittlungsdiensten befasst.

7) Nach Artikel 63 der Verordnung (EU) 2022/2065 wird das Gremium u. a. die Kommission und die Koordinatoren für digitale Dienste zu geeigneten Untersuchungs- und Durchsetzungsmaßnahmen beraten, und zwar insbesondere im Hinblick auf die Anbieter sehr großer Online-Plattformen oder sehr großer Online-Suchmaschinen und unter besonderer Berücksichtigung der Freiheit der Anbieter von Vermittlungsdiensten, Dienste in der gesamten Union anzubieten.

8) Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates (ABl. L 88 vom 31.03.2017 S. 6).

9) Verordnung (EU) 2021/784 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2021 zur Bekämpfung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte (ABl. L 172 vom 17.05.2021 S. 79).

10) Rahmenbeschluss 2008/913/JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (ABl. L 328 vom 06.12.2008 S. 55).


ENDE

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