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Richtlinie (EU) 2016/800 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für Kinder, die Verdächtige oder beschuldigte Personen in Strafverfahren sind
(ABl. Nr. L 132 vom 21.05.2016 S. 1)
Bekanntmachung siehe =>
Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union -
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 82 Absatz 2 Buchstabe b,
auf Vorschlag der Europäischen Kommission,
nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,
nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses 1,
nach Anhörung des Ausschusses der Regionen,
gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren 2,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1) Mit dieser Richtlinie sollen Verfahrensgarantien festgelegt werden, um zu gewährleisten, dass Kinder, das heißt Personen unter 18 Jahren, die Verdächtige oder beschuldigte Personen in Strafverfahren sind, diese Verfahren verstehen, ihnen folgen und ihr Recht auf ein faires Verfahren ausüben können, um zu verhindern, dass Kinder erneut straffällig werden und um ihre soziale Integration zu fördern.
(2) Durch die Festlegung von gemeinsamen Mindestvorschriften zum Schutz der Verfahrensrechte von Kindern, die Verdächtigen oder beschuldigte Personen sind, zielt diese Richtlinie darauf ab, das gegenseitige Vertrauen der Mitgliedstaaten in ihre jeweilige Strafrechtspflege zu stärken und auf diese Weise die gegenseitige Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen zu erleichtern. Auch sollten durch die Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften Hindernisse für die Freizügigkeit der Unionsbürger im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten beseitigt werden.
(3) Zwar sind die Mitgliedstaaten Vertragsparteien der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) und des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes, doch hat die Erfahrung gezeigt, dass dadurch allein nicht immer ein hinreichendes Maß an Vertrauen in die Strafrechtspflege anderer Mitgliedstaaten geschaffen wird.
(4) Am 30. November 2009 hat der Rat eine Entschließung über einen Fahrplan zur Stärkung der Verfahrensrechte von Verdächtigten oder Beschuldigten in Strafverfahren (im Folgenden "Fahrplan") 3 angenommen. In dem Fahrplan, der eine schrittweise Herangehensweise vorsieht, wird dazu aufgerufen, Maßnahmen zu ergreifen, die das Recht auf Übersetzungen und Dolmetschleistungen (Maßnahme A), das Recht auf Belehrung über die Rechte und Unterrichtung über die Beschuldigung (Maßnahme B), das Recht auf Rechtsbeistand und Prozesskostenhilfe (Maßnahme C), das Recht auf Kommunikation mit Angehörigen, Arbeitgebern und Konsularbehörden (Maßnahme D) und besondere Garantien für schutzbedürftige Verdächtige oder Beschuldigte (Maßnahme E) betreffen. Im Fahrplan wird betont, dass die Reihenfolge dieser Rechte nur indikativ ist, was bedeutet, dass diese Reihenfolge entsprechend den Prioritäten geändert werden kann. Der Fahrplan soll in seiner Gesamtheit wirken und wird erst dann voll zum Tragen kommen, wenn alle darin vorgesehenen Einzelmaßnahmen umgesetzt worden sind.
(5) Am 11. Dezember 2009 begrüßte der Europäische Rat den Fahrplan und machte ihn zum Bestandteil des Stockholmer Programms - Ein offenes und sicheres Europa im Dienste und zum Schutz der Bürger 4 (Nummer 2.4). Der Europäische Rat betonte, dass der Fahrplan nicht abschließend sein soll, und ersuchte die Kommission, weitere Elemente von Mindestverfahrensrechten für Verdächtige und beschuldigte Personen zu prüfen und zu bewerten, ob andere Themen wie beispielsweise die Unschuldsvermutung angegangen werden müssen, um eine bessere Zusammenarbeit auf diesem Gebiet zu fördern.
(6) Bisher sind vier Maßnahmen zu Verfahrensrechten in Strafverfahren gemäß dem Fahrplan erlassen worden, und zwar die Richtlinien 2010/64/EU 5, 2012/13/EU 6, 2013/48/EU 7 und die Richtlinie (EU) 2016/343 8 des Europäischen Parlaments und des Rates.
(7) Unter Berücksichtigung der Leitlinien des Europarates für eine kindgerechte Justiz fördert diese Richtlinie die Rechte des Kindes.
(8) Wenn Kinder Verdächtige oder beschuldigte Personen in Strafverfahren oder Personen sind, gegen die ein Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls auf der Grundlage des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates 9 (im Folgenden "gesuchte Personen") eingeleitet wurde, sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass das Kindeswohl gemäß Artikel 24 Absatz 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden "Charta") immer eine vorrangige Erwägung ist.
(9) Kindern, die Verdächtige oder beschuldigte Personen in Strafverfahren sind, sollte besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, um das Potenzial für ihre Entwicklung und Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu wahren.
(10) Diese Richtlinie sollte für Kinder gelten, die Verdächtige oder beschuldigte Personen in Strafverfahren sind, sowie für Kinder, die gesuchte Personen sind. Für Kinder, die gesuchte Personen sind, sollten die einschlägigen Bestimmungen dieser Richtlinie ab dem Zeitpunkt ihrer Festnahme im Vollstreckungsmitgliedstaat gelten.
(Stand: 01.03.2024)
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