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Richtlinie (EU) 2016/343 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über die Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Anwesenheit in der Verhandlung in Strafverfahren
(ABl. Nr. L 65 vom 11.03.2016 S. 1)
Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union -
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 82 Absatz 2 Buchstabe b,
auf Vorschlag der Europäischen Kommission,
nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,
nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses 1,
nach Anhörung des Ausschusses der Regionen,
gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren 2,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1) Die Unschuldsvermutung und das Recht auf ein faires Verfahren sind in den Artikeln 47 und 48 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden "Charta"), in Artikel 6 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), in Artikel 14 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) und in Artikel 11 der Allgemeinen Menschenrechtserklärung verankert.
(2) Die Union hat sich die Erhaltung und Weiterentwicklung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zum Ziel gesetzt. Aus den Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates vom 15. und 16. Oktober 1999 in Tampere, insbesondere aus deren Nummer 33, geht hervor, dass eine verbesserte gegenseitige Anerkennung von Urteilen und anderen gerichtlichen Entscheidungen und die notwendige Annäherung der Rechtsvorschriften die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden verbessern und den Schutz der Rechte des Einzelnen durch die Justiz erleichtern würden. Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung sollte daher zum Eckstein der justiziellen Zusammenarbeit in Zivil- und Strafsachen innerhalb der Union werden.
(3) Gemäß dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) beruht die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen in der Union auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Urteile und anderer gerichtlicher Entscheidungen.
(4) Die Umsetzung dieses Grundsatzes beruht auf dem Grundgedanken, dass die Mitgliedstaaten gegenseitiges Vertrauen in ihre jeweilige Strafrechtspflege haben. Das Ausmaß des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung hängt von einer Reihe von Parametern ab; dazu gehören Mechanismen für den Schutz der Rechte von Verdächtigen und von beschuldigten Personen sowie gemeinsame Mindeststandards, die erforderlich sind, um die Anwendung dieses Grundsatzes zu erleichtern.
(5) Zwar sind die Mitgliedstaaten Vertragsparteien der EMRK und des IPbpR, doch hat die Erfahrung gezeigt, dass dies allein nicht immer ein hinreichendes Maß an Vertrauen in die Strafrechtspflege anderer Mitgliedstaaten schafft.
(6) Am 30. November 2009 hat der Rat eine Entschließung über einen Fahrplan zur Stärkung der Verfahrensrechte von Verdächtigen oder Beschuldigten in Strafverfahren 3 (im Folgenden "Fahrplan") angenommen. In dem Fahrplan, der eine schrittweise Herangehensweise vorsieht, wird dazu aufgerufen, Maßnahmen zu ergreifen, die das Recht auf Übersetzungen und Dolmetschleistungen (Maßnahme A), das Recht auf Belehrung über die Rechte und Unterrichtung über die Beschuldigung (Maßnahme B), das Recht auf Rechtsbeistand und Prozesskostenhilfe (Maßnahme C), das Recht auf Kommunikation mit Angehörigen, Arbeitgebern und Konsularbehörden (Maßnahme D) und besondere Garantien für schutzbedürftige Verdächtige oder Beschuldigte (Maßnahme E) betreffen.
(7) Am 11. Dezember 2009 hat der Europäische Rat den Fahrplan begrüßt und ihn zum Bestandteil des Stockholmer Programms - Ein offenes und sicheres Europa im Dienste und zum Schutz der Bürger 4 gemacht (Nummer 2.4). Der Europäische Rat betonte, dass der Fahrplan nicht abschließend sein soll, und ersuchte die Kommission, weitere Elemente von Mindestverfahrensrechten für Verdächtige und beschuldigte Personen zu prüfen und zu bewerten, ob andere Themen, beispielsweise die Unschuldsvermutung, angegangen werden müssen, um eine bessere Zusammenarbeit auf diesem Gebiet zu fördern.
(8) Bislang wurden drei Maßnahmen betreffend Verfahrensrechte in Strafverfahren gemäß dem Fahrplan angenommen, und zwar die Richtlinien 2010/64/EU 5, 2012/13/EU 6 und 2013/48/EU 7 des Europäischen Parlaments und des Rates.
(9) Mit dieser Richtlinie soll das Recht auf ein faires Verfahren in Strafverfahren gestärkt werden, indem gemeinsame Mindestvorschriften für bestimmte Aspekte der Unschuldsvermutung und das Recht auf Anwesenheit in der Verhandlung festgelegt werden.
(10) Durch die Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften zum Schutz der Verfahrensrechte Verdächtiger und beschuldigter Personen zielt diese Richtlinie darauf ab, das gegenseitige Vertrauen der Mitgliedstaaten in ihre jeweilige Strafrechtspflege zu stärken und auf diese Weise die gegenseitige Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen zu erleichtern. Auch können durch die Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften Hindernisse für die Freizügigkeit der Unionsbürger im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten beseitigt werden.
(Stand: 11.03.2019)
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