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Regelwerk

Richtlinie zur Beurteilung von geplanten Einzelhandelsgroßprojekten im Land Sachsen-Anhalt

Vom 22. Oktober 1998
(MBl. LSa S. 2217)
Gl.-Nr.: 230.s



24/20002-02

1. Ziel und Adressaten

Ziel dieser Verwaltungsvorschrift ist es, dazu beizutragen, Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe im Sinne des § 11 Abs. 3 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) i. d. F. vom 23.01.1990 (BGBl. I S. 132), zuletzt geändert durch Art. 3 des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes vom 22.04.1993 (BGBl. I S. 466), nur an raumordnerisch und städtebaulich geeigneten Stellen anzusiedeln oder zu erweitern. Die Beurteilung ist ausschließlich auf raumordnerische und städtebauliche Erfordernisse ausgerichtet und hat nicht den Zweck, auf den Wettbewerb der einzelnen Unternehmen und die unterschiedlichen Betriebsformen des Handels Einfluß zu nehmen. Im Rahmen der Siedlungsentwicklung geht es auch um eine räumlich ausgewogene und auf die Stärkung der Zentralen Orte ausgerichtete Einzelhandelsstruktur.

Diese Verwaltungsvorschrift soll den Trägern der Regional- und Bauleitplanung sowie den Landesplanungs- und Bauaufsichtsbehörden als Grundlage für die Beurteilung von Einzelhandelsgroßprojekten dienen.

2. Begriffe und Anwendungsbereich

2.1. Einkaufszentren

Einkaufszentren sind räumliche Zusammenfassungen von mehreren Einzelhandelsbetrieben verschiedener Art und Größe, zumeist verbunden mit verschiedenartigen Dienstleistungsbetrieben. In der Regel bilden sie einen von vornherein einheitlich geplanten, finanzierten, gebauten und verwalteten Gebäudekomplex. Fehlt es an der Voraussetzung einer einheitlichen Planung, dann ist außer einer engen räumlichen Konzentration ein Mindestmaß an äußerlich in Erscheinung tretender gemeinsamer Konzeption und Kooperation erforderlich (z.B. durch gemeinsame Werbung unter einer verbindenden Sammelbezeichnung), welche die Ansammlung mehrerer Betriebe aus der Sicht der Kundin und des Kunden zu einem planvoll gewachsenen und aufeinander bezogenen Ganzen werden läßt.

Hersteller-Direktverkaufszentren (Factory-Outlet-center - FOC) sind auf Grund ihrer besonderen Ausprägung und Funktion großflächige Einkaufszentren, unabhängig davon, ob diese am Standort des Fertigungsbetriebes oder an einem anderen Standort durch Neubau oder Umnutzung vorgesehen sind.

Diese Hersteller-Direktverkaufszentren sind der Zusammenschluß mehrerer Fabrikverkaufs- bzw. Direktverkaufseinrichtungen von Produktunternehmen (im In- und Ausland) "unter einem Dach" unter Ausschaltung des Groß- und Einzelhandels. Die Sortimentspalette umfaßt vorzugsweise Markenartikel nahezu der gesamten Bandbreite zentrenrelevanter Kernsortimente des innerstädtischen Einzelhandels. Der Verkauf der Erzeugnisse erfolgt erheblich preisreduziert. Hersteller-Direktverkaufszentren setzen auf einen Einzugsbereich potentieller Autokunden (150 bis 200 Kilometer) und bevorzugen deshalb verkehrsgünstige Standorte (Autobahnanbindungen). Sie verursachen damit zusätzliche Belastungen des öffentlichen Verkehrsnetzes und der Umwelt. Eine räumliche Verbindung mit Erlebnisgastronomie und Freizeiteinrichtungen übt zusätzlich eine große Anziehungskraft auf Kundinnen und Kunden aus.

2.2. Großflächige Einzelhandelsbetriebe

Der Begriff Einzelhandelsbetrieb bedeutet nicht eine bestimmte Betriebsform (zum Beispiel Verbrauchermärkte, Kauf- und Warenhäuser und Fachmärkte wie Möbelhäuser, Baumärkte, Gartencenter, Textilfachmärkte). Einzelhändlerin oder Einzelhändler ist vielmehr jeder, der überwiegend an private Endverbraucherinnen und Endverbraucher verkauft. Dies kann auch ein Hersteller-Direktverkaufszentrum sein. Die Großflächigkeit beginnt dort, wo üblicherweise die Größe der wohnungsnahen Versorgung dienenden Einzelhandelsbetriebe ihre Obergrenze findet. Diese Grenze liegt, unabhängig von regionalen und örtlichen Verhältnissen, bei einem Schwellenwert von etwa 700 Quadratmeter Verkaufsfläche.

2.3. Sonstige großflächige Handelsbetriebe

Sonstige großflächige Handelsbetriebe sind Handelsbetriebe, die nicht ausschließlich Einzelhandel betreiben. Sie sind jedoch mit Einzelhandelsbetrieben vergleichbar, weil sie in nicht unerheblichem Umfang (ab 10 v. H. des Gesamtumsatzes oder in der Regel ab 700 Quadratmeter Verkaufsfläche) auch an private Endverbraucherinnen und Endverbraucher verkaufen und deshalb die gleichen Auswirkungen wie großflächige Einzelhandelsbetriebe haben können.

Als sonstige großflächige Handelsbetriebe kommen auch Cash and Carry Betriebe (C & C Betriebe), die nach dem Prinzip der Selbstbedienung, insbesondere Nahrungs- und Genußmittel, jedoch auch "Non-Food" -Artikel anbieten, Selbstbedienungsgroßmärkte, Möbelgroßmärkte und ähnliche sich als Großhandel bezeichnende Betriebe, insbesondere wenn sie Kaufscheinhandel (Ausstellung einer Einkaufsberechtigung an letzte Verbraucherinnen und Verbraucher) betreiben, in Betracht. Davon kann bei einem C & C Betrieb im Zweifelsfall ausgegangen werden, wenn nicht durch geeignete Maßnahmen sichergestellt wird, daß der Verkauf an Endverbraucherinnern und Endverbraucher weitgehend unterbunden wird.

2.4. Sonderfall Agglomeration

Die Zusammenfassung von mehreren kleineren Betrieben, die für sich genommen weniger als 700 Quadratmeter Verkaufsfläche aufweisen, können im Einzelfall ein Einkaufszentrum oder einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 BauNVO bilden, wenn sie durch ein gemeinsames Nutzungskonzept verbunden sind, auf Grund dessen sie wechselseitig voneinander profitieren (Verwaltungsgerichtshof Baden- Württemberg, Beschluß vom 22.01.1996 - 8 S 2964/95).

2.5. Verkaufsfläche

Die Verkaufsfläche ist die Fläche, auf der die Verkäufe abgewickelt werden und die von den Kundinnen und Kunden zu diesem Zweck betreten werden darf. Sie umschließt die dem Verkauf dienende Fläche einschließlich der Gänge, Treppen, Aufzüge, Standflächen für Einrichtungsgegenstände, Kassenzonen, Schaufenster, Ausstellungsflächen und Freiflächen, soweit sie den Kundinnen und Kunden zugänglich sind. Freiflächen, die dem Verkauf dienen, sind dann keine Verkaufsflächen, wenn sie nicht dauerhaft oder saisonal, sondern nur kurzfristig (in der Regel nicht länger als vier Wochen) genutzt werden. In Fällen der "auch integrierten Lagerhaltung" und des "Verkaufs ab Lager" gilt auch die Lagerfläche als Verkaufsfläche.

2.6. Sortimente

Als Sortiment wird die Gesamtheit der von dem Handelsbetrieb angebotenen Warenarten (-sorten) verstanden. Zu dem Warenangebot gehört ein nach dem Charakter des Handelsbetriebs abgestuftes Sortiment an Dienstleistungen. Der typische Charakter des Betriebes wird von seinem Kernsortiment (z.B. Möbel; Nahrungsmittel, Getränke usw.; Kleineisenwaren, Werkzeuge, Bauartikel u. ä.) bestimmt. Das Randsortiment dient der Ergänzung des Angebots und muß sich dem Kernsortiment deutlich unterordnen. Es soll nicht mehr als 15 v. H. der gesamten Verkaufsfläche in Anspruch nehmen. Die Sortimentsbreite ist die Vielfalt der angebotenen Warengruppen, die Sortimentstiefe wird durch die Auswahl innerhalb der Warengruppen charakterisiert.

Bei der Beurteilung der Sortimente ist zwischen zentrenrelevanten und weniger zentrentrelevanten Sortimenten zu unterscheiden.

Zentrenrelevante Sortimente zeichnen sich dadurch aus, daß sie zum Beispiel

  1. einen geringen Flächenanspruch haben,
  2. häufig im Zusammenhang mit anderen Innenstadtnutzungen nachgefragt werden und
  3. überwiegend ohne Personenkraftwagen transportiert werden können.

Bei zentrenrelevanten Sortimenten sind in der Regel negative Auswirkungen auf die Zentrenstruktur, insbesondere auf die Innenstadtentwicklung zu erwarten, wenn sie überdimensioniert an nicht integrierten Standorten angesiedelt werden.

Zentrenrelevant sind u. a.:

  1. Nahrungs- und Genußmittel,
  2. Drogerie- und Parfümerieprodukte,
  3. Bücher, Zeitschriften, Papier, Schreibwaren, Büroorganisation,
  4. Kunst und Antiquitäten,
  5. Baby- und Kinderartikel,
  6. Bekleidung, Lederwaren, Schuhe,
  7. Unterhaltungselektronik und Computer, Elektrohaushaltswaren,
  8. Foto und Optik,
  9. Blumen,
  10. Einrichtungszubehör (ohne Möbel), Haus- und Heimtextilien, Bastelartikel,
  11. Kunstgewerbe,
  12. Musikalienhandel,
  13. Uhren und Schmuck,
  14. Spielwaren, Sportartikel,
  15. Fahrräder,
  16. Zooartikel.

Geringere Innenstadtrelevanz ist anzunehmen bei:

  1. Möbeln,
  2. Tapeten, Teppichen, Bodenbelägen,
  3. Kraftfahrzeugen, Kraftfahrzeugteilen,
  4. Bau-, Garten- und Heimwerkerbedarf,
  5. Brennstoffen,
  6. Herden, Öfen,
  7. Campingartikeln, Booten.

3. Auswirkungen von Einkaufszentren, großflächigen Einzelhandelsbetrieben und sonstigen großflächigen Handelsbetrieben

Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe können sich sowohl auf die Zentrale-Orte-Struktur als auch auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung auswirken.

Im folgenden wird dargestellt, wie Auswirkungen dieser Betriebe in der Raumordnung, in der Bauleitplanung und im Baugenehmigungsverfahren zu behandeln sind.

3.1. Raumordnung

3.1.1. Erfordernisse der Raumordnung

Das Raumordnungsrecht unterscheidet folgende Erfordernisse der Raumordnung: Ziele, Grundsätze und sonstige Erfordernisse.

Neben den Grundsätzen in § 2 des Raumordnungsgesetzes (ROG) i. d. F. vom 18.08.1997 (BGBl. I S. 2081), geändert durch Art. 3 des Gesetzes über die Errichtung eines Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung vom 15.12.1997 (BGBl. I S. 2902), werden die zukünftigen Ziele und Grundsätze der Raumordnung im Landesentwicklungsplan, in den Regionalen Entwicklungsplänen und in Regionalen Teilgebietsentwicklungsplänen (zur Zeit nur Braunkohlen- und Sanierungsgebiete, im Landesplanungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt, LPlG, vom 28.04.1998, GVBl. LSa S. 255, jedoch erweitert für verdichtete Räume) oder bei sonstigen raumstrukturellen Verflechtungen festgelegt.

3.1.2. Ziele

Als Ziel der Raumordnung ist entsprechend dem Vorschaltgesetz zur Raumordnung und Landesentwicklung des Landes Sachsen-Anhalt vom 02.06.1992 (GVBl. LSa S. 390), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28.10.1997 (GVBl. LSa S. 918), festgelegt, daß Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe an Zentrale Orte der oberen und mittleren Stufe zu binden sind.

Die Ziele der Raumordnung sind zu beachten. Sie sind verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Landes- oder Regionalplanung abschließend abgewogenen textlichen und/oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raumes.

3.1.3. Grundsätze

Nach § 3 Nr. 3 ROG sind Grundsätze der Raumordnung allgemeine Aussagen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums als Vorgaben für nachfolgende Abwägungs- oder Ermessensentscheidungen. Die bundesweit geltenden Grundsätze der Raumordnung sind in § 2 Abs. 2 ROG formuliert. Sie sind in räumliche und fachliche Grundsätze untergliedert und untereinander nicht widerspruchsfrei. Auslegungs- und Anwendungsmaxime der Grundsätze ist die in § 1 ROG beschriebene Leitvorstellung (siehe § 2 Abs. 1 ROG).

Hinsichtlich der Einzelhandelsgroßprojekte ist insbesondere der Grundsatz 4 hervorzuheben: "Die Infrastruktur ist mit der Siedlungs- und Freiraumstruktur in Übereinstimmung zu bringen. Eine Grundversorgung der Bevölkerung mit technischen Infrastrukturleistungen der Ver- und Entsorgung ist flächendeckend sicherzustellen. Die soziale Infrastruktur ist vorrangig in Zentralen Orten zu bündeln."

Die Grundsätze sind bei der Bauleitplanung in der Abwägung nach § 1 Abs. 6 des Baugesetzbuches (BauGB) i. d. F. vom 27.08.1997 (BGBl. I S. 1241), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 6 des Begleitgesetzes zum Telekommunikationsgesetz vom 17.12.1997 (BGBl. I S. 3108), zu berücksichtigen.

3.1.4. Sonstige Erfordernisse

Sonstige Erfordernisse der Raumordnung sind in § 3 Nr. 4 ROG definiert. Danach handelt es sich um in Aufstellung befindliche Ziele der Raumordnung, um die Ergebnisse förmlicher landesplanerischer Verfahren wie des Raumordnungsverfahrens und landesplanerischer Stellungnahmen, wozu auch Beschlüsse der Landesregierung zählen können.

In dem in Aufstellung befindlichen Landesentwicklungsplan werden allgemeine und einzelfachliche Grundsätze formuliert. Danach sollen geplante Einzelhandelsgroßprojekte

  1. mit ihrem Einzugsbereich den Verflechtungsbereich des Zentralen Ortes nicht wesentlich überschreiten,
  2. städtebaulich integriert werden,
  3. eine verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung nicht gefährden,
  4. mit qualitativ bedarfsgerechten Linienverkehrsangeboten des öffentlichen Personennahverkehrs sowie mit Fuß- und Radwegenetzen erschlossen sein oder zeitgleich erschlossen werden,
  5. durch auftretende Personenkraftwagen- und Lastkraftwagenverkehre zu keinen unverträglichen Belastungen in angrenzenden Siedlungs-, Naherholungs- und Naturschutzgebieten führen.

Hinsichtlich der Hersteller-Direktverkaufszentren ist beabsichtigt, in dem in Aufstellung befindlichen Landesentwicklungsplan die Zielformulierung zu erweitern. Hersteller -Direktverkaufszentren sollen danach nur noch in festgesetzten Kerngebieten in Zentralen Orten der oberen Stufe (Oberzentren) vorgesehen werden.

Grundsätzlich könnte für die raumstrukturelle Beurteilung von Einzelhandelsgroßprojekten nach § 1 Abs. 3 Nr. 19 der Raumordnungsverordnung (RoV) vom 13.12.1990 (BGBl. I S. 2766), zuletzt geändert durch Art. 4 des Bau- und Raumordnungsgesetzes 1998 vom 18.08.1997 (BGBl. I S. 2081), ein Raumordnungsverfahren, dessen Ergebnis als sonstiges Erfordernis zu berücksichtigen wäre, in Betracht kommen. In der Regel wird sich die Notwendigkeit der Durchführung eines Raumordnungsverfahrens aber auf Grund festgelegter Ziele nicht ergeben.

Auch die sonstigen Erfordernisse der Raumordnung sind in der Bauleitplanung nach § 1 Abs. 6 BauGB in der Abwägung zu berücksichtigen.

3.2. Bauleitplanung

3.2.1. Anpassungspflicht der Bauleitplanung

Gemäß § 1 Abs. 4 BauGB sind Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen. Dementsprechend ist das Ziel der Raumordnung, Ausweisung von Einzelhandelsgroßprojekten an Zentralen Orten der oberen und mittleren Stufe, unmittelbar bindende Vorgabe und nicht Gegenstand der Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB.

Bei der Anwendung des § 1 Abs. 4 BauGB sind drei mögliche Konstellationen zu unterscheiden:

  1. laufendes Aufstellungsverfahren
    Soweit im Verfahren zur Aufstellung oder Änderung eines Bauleitplanes ein Konflikt zu den Zielen der Raumordnung festgestellt wird, ist die Planung zu überarbeiten oder einzustellen. Einem Bauleitplan, welcher trotz entgegenstehender Ziele von der Gemeinde beschlossen wird, ist die Genehmigung zu versagen.
  2. inkraftgetretene Pläne, die bereits zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung im Widerspruch zu Zielen der Raumordnung standen
    Bauleitpläne, welche trotz fehlender Anpassung an die Ziele der Raumordnung bekanntgemacht worden sind, sind materiell fehlerhaft und aus diesem Grunde von der Gemeinde aufzuheben oder - soweit eine den städtebaulichen Vorstellungen der Gemeinde entsprechende zielkonforme Planänderung möglich ist - zu ändern.
  3. erst nach Inkrafttreten entstandener Zielkonflikt
    Soweit ein Bauleitplan nach seinem Inkrafttreten mit danach verbindlich erklärten oder geänderten Zielen der Raumordnung in Konflikt geraten ist, wird er dadurch nicht ungültig. Er ist jedoch in der Regel zielkonform zu ändern, da sich das Anpassungsgebot des § 1 Abs. 4 BauGB auch auf bestehende Bauleitpläne erstreckt.

Flächennutzungspläne können ihre Funktion als vorbereitende Bauleitpläne nur dann erfüllen, wenn sie in Übereinstimmung mit den landesplanerischen Vorgaben stehen. Da Bebauungspläne nach § 8 Abs. 2 BauGB aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln sind, verdichtet sich die Anpassungspflicht für einen Flächennutzungsplan spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem ein Bebauungsplan aufgestellt oder geändert werden soll, welcher seinerseits den raumordnerischen Zielen entsprechen muß.

3.2.2. Berücksichtigung öffentlicher Belange( § 1 Abs. 5 und 6 BauGB)

§ 1 Abs. 5 BauGB nennt in einer nicht abschließenden Aufzählung die bei der Bauleitplanung zu berücksichtigenden öffentlichen Belange, welche nach § 1 Abs. 6 BauGB in die Abwägung einzustellen sind.

Einen wesentlichen öffentlichen Belang stellen im Hinblick auf die Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten die Belange der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur, im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung dar. Beeinträchtigungen der verbrauchernahen Versorgung können zum Beispiel eintreten, wenn Einzelhandelsgroßprojekte in nicht zentralen Lagen auf Grund ihres großen Einzugsbereichs und des damit verbundenen Kaufkraftabzugs Einrichtungen der verbrauchernahen Versorgung verdrängen. Hierbei ist insbesondere auf die Bedürfnisse der weniger mobilen Bevölkerung Rücksicht zu nehmen.

Die Belange des Verkehrs, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs ( § 1 Abs. 5 Nr. 8 BauGB), sind auf Grund des durch Einzelhandelsgroßprojekte verursachten hohen Verkehrsaufkommens regelmäßig wesentlich berührt. Es ist daher erforderlich, diese Projekte verkehrsgerecht zu erschließen und zu diesem Zweck vorhandene Verkehrseinrichtungen auszubauen oder neue zu schaffen. Dabei sind unter Beachtung des Gebots des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden ( § 1 Abs. 5 Satz 3 BauGB) auch ausreichende Flächen für den ruhenden Verkehr (zum Beispiel Tiefgarage, Parkhaus) bereitzustellen.

Bei der Steuerung der Einzelhandelsentwicklung kommt den Gemeinden eine entscheidende Rolle zu. Mit der Aufstellung von gemeindlichen Einzelhandelskonzepten und der planungsrechtlichen Absicherung dieser Konzepte durch Bauleitpläne können die Gemeinden die Entwicklung, insbesondere ihrer Zentren, unterstützen und für eine ausgewogene Versorgungsstruktur sorgen.

Einzelhandelskonzepte können einerseits eine Orientierungs- und Beurteilungsgrundlage für die Bauleitplanung und die Beurteilung von Vorhaben wie auch andererseits Planungs- und Investitionssicherheit für den Einzelhandel, Investorinnen und Investoren und Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümer schaffen.

Bei der Aufstellung kommunaler Einzelhandelskonzepte ist eine Beteiligung der Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern und Organisationen des Einzelhandels zu empfehlen.

3.2.3. Verfahren

3.2.3.1. Landesplanerische Abstimmung

Der oberen Landesplanungsbehörde ist die Absicht, einen Bauleitplan aufzustellen, durch den die planungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben nach Nrn. 2.1. bis Nr. 2.3. vorbereitet oder geschaffen werden soll, mitzuteilen ( § 13 LPlG).

3.2.3.2 Prüfung der Umweltverträglichkeit

Für die Aufstellung von Bebauungsplänen für Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe ab einer Geschoßfläche von 5000 Quadratmeter besteht nach Nr. 18 der Anlage zu § 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) vom 12.02.1990 (BGBl. I S. 205), zuletzt geändert durch Art. 7 des Bau- und Raumordnungsgesetzes 1998 vom 18.08.1997 (BGBl. I S. 2081), die Pflicht, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen.

3.2.3.3. Beteiligung der benachbarten Gemeinden ( § 2 Abs. 2 BauGB)

Wegen des häufig über die Gemeindegrenzen hinausgehenden Einzugsgebietes von Einkaufszentren, großflächigen Einzelhandelsbetrieben und sonstigen großflächigen Handelsbetrieben im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO ist es erforderlich, bei den notwendigen Planverfahren auch die von den Auswirkungen betroffenen Gemeinden zu beteiligen. Dies gilt auch dann, wenn Gemeinden in einem anderen Land liegen. Für die (materielle) gemeindenachbarliche Abstimmungspflicht kommt es nicht auf ein unmittelbares Angrenzen der Gemeinden an.

Einer gemeindenachbarlichen Abstimmung bedarf es bereits dann, wenn unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf die städtebauliche Ordnung und Entwicklung der Nachbargemeinde in Betracht kommen. Voraussetzung ist, anders als für die rechtliche Betroffenheit einer Gemeinde durch eine Fachplanung, nicht, daß eine hinreichend bestimmte Planung der Nachbargemeinde nachhaltig gestört wird.

Die mangelnde Abstimmung verletzt die benachbarte Gemeinde in ihrer Planungshoheit und damit in ihrem Selbstverwaltungsrecht.

3.2.3.4. Beteiligung der Träger öffentlicher Belange ( § 4 BauGB)

Bei Planungen im Zusammenhang mit Einzelhandelsgroßprojekten kann es fachlich geboten sein, außerhalb der förmlichen Beteiligung der Träger öffentlicher Belange zusätzlich die Einzelhandelsverbände um Stellungnahme zu bitten.

3.2.4. Inhalte von Bauleitplänen

3.2.4.1. Darstellungen im Flächennutzungsplan

Bestehen bereits konkrete Pläne für die Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, ist - in Abhängigkeit von der Größe und Struktur der Gemeinde sowie des Plankonzeptes - die Darstellung einer Sonderbaufläche oder die Darstellung von Baugebieten ( § 5 Abs. 2 Nr. 1 BauGB, § 1 Abs. 2 BauNVO) angebracht. Bei der Darstellung von Sonderbauflächen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 BauNVO muß deren allgemeine Zweckbestimmung angegeben werden, um der Funktion des Flächennutzungsplans als vorbereitender Bauleitplan der Gemeinde gerecht zu werden. Auf Grund der höchst unterschiedlichen besonderen Nutzungsarten des § 11 BauNVO ist bereits im Flächennutzungsplan eine gewisse, den Rahmen der zulässigen Nutzungsarten eingrenzende Konkretisierung, zum Beispiel durch den Zusatz "großflächiger Einzelhandel", zweckmäßig.

Sollen im Flächennutzungsplan Kerngebiete außerhalb der eigentlichen, bestehenden, Ortskerne mit zentralen Funktionen dargestellt werden, so sind wegen der in dieser Gebietsart zulässigen großflächigen Einzelhandelsvorhaben bereits in dieser Planungsphase deren Auswirkungen zu bedenken. Zur Vermeidung derartiger Auswirkungen kann bei der Darstellung eines Kerngebiets schon im Flächennutzungsplan darauf hingewiesen werden, daß ein hieraus zu entwickelnder Bebauungsplan Einzelhandelsgroßprojekte, gegebenenfalls bestimmter Größe, auszuschließen hat.

3.2.4.2. Festsetzungen im Bebauungsplan

Eine undifferenzierte Festsetzung außerhalb vorhandener Zentren wird häufig wegen der möglichen Auswirkungen im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO und der städtebaulichen oder raumordnerischen Unvertretbarkeit unzulässig sein.

Mit Festsetzungen nach § 1 Abs. 4, 5 und 9 BauNVO kann die Zulässigkeit von Einzelhandelsgroßprojekten wesentlich eingeschränkt oder gar gänzlich ausgeschlossen werden. Nach § 1 Abs. 9 BauNVO ist die Gemeinde befugt, nur einzelne Unterarten von Nutzungen (z.B. bestimmte Einzelhandelsbetriebstypen) zuzulassen, sofern städtebauliche Gründe dies rechtfertigen. Eine weitere Einschränkung der Einzelhandelsnutzung kann über die Festsetzung einer höchst zulässigen Geschoß- oder Verkaufsfläche erfolgen. Während die Festsetzung einer Geschoßflächenobergrenze auf § 16 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO (Maß der baulichen Nutzung) beruht, stellt die Regelung der Verkaufsfläche eine detaillierte Regelung im Sinne von § 1 Abs. 9 BauNVO dar. Dabei ist die Bestimmung einer Verkaufsflächenobergrenze jedoch nur insoweit zulässig, als dadurch bestimmte Anlagetypen, gegebenenfalls unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in der Gemeinde, zutreffend bezeichnet werden.

Während die BauNVO bei den übrigen Baugebieten ( §§ 2 bis 9) die Zweckbestimmung des Gebiets und die zulässige Art der Nutzung selbst festlegt, müssen diese Regelungen bei den "Sonstigen Sondergebieten" gemäß § 11 Abs. 2 BauNVO im Bebauungsplan getroffen werden. Dadurch ergibt sich ein größerer Spielraum, die zulässige Nutzung durch entsprechende Festsetzungen zu konkretisieren. Bei einer Zweckbestimmung "Sondergebiet für großflächige Einzelhandelsbetriebe" sollten beispielsweise als Art der Nutzung die im einzelnen zulässigen Anlagen, zum Beispiel durch Bezeichnung der Branche, der höchstzulässigen Verkaufsfläche, der Art und Umfang des Sortiments, bezeichnet werden.

Im Gegensatz zu den Baugebieten nach §§ 2 bis 9 BauNVO darf die Gemeinde bei Festsetzung eines Sondergebiets für großflächigen Einzelhandel innerhalb der sich aus § 1 Abs. 3 und Abs. 6 BauGB ergebenden Grenzen, das heißt bei städtebaulicher Rechtfertigung, die maximal zulässige Verkaufsfläche ohne Bindung an vorgegebene Anlagetypen selbst bestimmen.

3.3. Baugenehmigungsverfahren

Im Rahmen eines Baugenehmigungsverfahrens und gegebenenfalls im Rahmen eines Verfahrens zur Erteilung eines Vorbescheides ist die Vorschrift des § 11 Abs. 3 BauNVO zu berücksichtigen.

3.3.1. Auswirkungen nach § 11 Abs. 3 BauNVO

Einkaufszentren, großflächige Handelsbetriebe gelten dann als Einzelhandelsgroßprojekte im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO, wenn sie nicht nur unwesentliche Auswirkungen auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung haben können.

Die in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 2 und 3 BauNVO genannten landesplanerischen oder städtebaulichen Auswirkungen werden in § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO beispielhaft konkretisiert. Im Einzelfall können auch nicht ausdrücklich aufgeführte Auswirkungen von Bedeutung sein. Für die Anwendung von § 11 Abs. 3 BauNVO bedarf es nicht des konkreten Nachweises, daß Auswirkungen tatsächlich eintreten; es genügt vielmehr bereits die Möglichkeit des Eintretens solcher Auswirkungen.

§ 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO nennt beispielhaft folgende Auswirkungen:

  1. schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG)i. d. F. vom 14.05.1990 (BGBl. I S. 880), zuletzt geändert durch Art. 2 des Kraftfahrzeugsteueränderungsgesetzes 1997 vom 18.04.1997 (BGBl. I S. 805),
  2. auf die infrastrukturelle Ausstattung,
  3. auf den Verkehr,
  4. auf die Versorgung der Bevölkerung,
  5. auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden,
  6. auf das Orts- und Landschaftsbild und
  7. auf den Naturhaushalt.

Schädliche Umwelteinwirkungen sind insbesondere auf die Nachbarschaft einwirkende Immissionen durch einen stärkeren Zu- und Abfahrtsverkehr zu dem Vorhaben, zum Beispiel die Zunahme von Lärm- oder Abgasbelastungen in Wohnstraßen. Auswirkungen im Sinne einer Störung sind auch schon dann anzunehmen, wenn die zu erwartenden Belastungen noch nicht die Schwelle der schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG überschreiten. So kann die Zunahme des Lärms in einer ruhigen Wohnstraße nur um wenige dB(A) bereits eine "Auswirkung" sein. Zur Vermeidung derartiger Auswirkungen müssen verkehrsintensive Bereiche wie Zufahrten, Anlieferung, Kundenstellplätze so angeordnet sein, daß Störungen von Wohnbereichen weitgehend ausgeschlossen sind.

Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung liegen insbesondere vor, wenn die ordnungsgemäße verkehrliche Anbindung des Vorhabens nicht gewährleistet ist bzw. das vorhandene Verkehrsnetz nach seiner Konzeption und Leistungsfähigkeit nicht auf das Vorhaben ausgerichtet ist.

Auswirkungen auf den Verkehr sind anzunehmen, wenn vorhandene Verkehrseinrichtungen durch den vom Vorhaben ausgehenden zusätzlichen Verkehr überlastet bzw. ihrer bestimmungsmäßigen Nutzung entzogen werden oder wenn Verkehrsbehinderungen auftreten. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn Wohnstraßen wesentlich zusätzlich belastet und dadurch zu Durchgangsstraßen werden, Straßenquerschnitte nicht mehr ausreichen, der linksabbiegende Verkehr den Geradeausverkehr behindert oder sich an Verkehrsknoten Staus entwickeln können.

Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung können sich dadurch ergeben, daß durch die zu erwartende Kaufkraftbindung an einem Standort und hierdurch beeinflußte Geschäftsaufgaben im Wohnbereich die ausreichende Nahversorgung, vor allem für nicht motorisierte Bevölkerungsgruppen, nicht mehr gewährleistet ist. Es ist davon auszugehen, daß die Nahversorgung für den kurzfristigen Bedarf insbesondere im Nahrungs- und Genußmittelbereich in der Regel noch in einer Gehzeit von zehn Minuten möglich sein soll. Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Nahversorgung können sich aus einer Gegenüberstellung der nur einmal umsetzbaren Kaufkraft der Bevölkerung im Einzugsbereich des Betriebes und der vorhandenen Verkaufsfläche je Einwohnerin oder Einwohner unter Berücksichtigung der Sortimentsverteilung und der Flächenproduktivität ergeben.

Auswirkungen auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden sind insbesondere Auswirkungen auf das Stadtzentrum oder die Neben- und Grundversorgungszentren in den Ortsteilen. Solche Auswirkungen können sich beispielsweise ergeben, wenn durch ein Einzelhandelsgroßprojekt außerhalb dieser Zentren eine in der Innenstadt eingeleitete mit öffentlichen Mitteln geförderte städtebauliche Sanierungsmaßnahme nicht planmäßig fortgeführt werden kann, weil sich zum Beispiel die vorgesehene Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben nicht mehr ermöglichen läßt, oder wenn durch starke Kaufkraftbindung außerhalb der Zentren das Niveau und die Vielfalt der Einzelhandelsgeschäfte in der Innenstadt absinken, weil es dort, auch wegen des höheren Mietpreisniveaus, zu Leerständen von Geschäften kommt.

Auswirkungen auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in anderen Gemeinden können sich ergeben, wenn der Einzugsbereich eines Einzelhandelsgroßprojektes den zentralörtlichen Versorgungsbereich der Gemeinde wesentlich überschreitet und die Entwicklung und Versorgungsfunktion von Nachbargemeinden einschließlich des ländlichen Raumes beeinträchtigen.

Auswirkungen auf das Orts- und Landschaftsbild können insbesondere bei einem nach Lage, Umfang und Größe aus dem Rahmen der näheren oder weiteren Umgebung fallenden oder in der Landschaft dominierenden Vorhaben gegeben sein. Maßgeblich ist, ob sich das Vorhaben in den gegebenen städtebaulichen und landschaftlichen Rahmen einfügt bzw. sich dem Landschaftsbild unterordnet oder ob es an einem exponierten Standort vorgesehen ist oder als Fremdkörper empfunden wird. Bei größeren Baumassen sind erhöhte Anforderungen an das Bauwerk auch hinsichtlich seines Maßstabs und der nicht zu bebauenden Freiflächen zu stellen.

Zu den Auswirkungen auf den Naturhaushalt gehören insbesondere Einwirkungen auf die Naturressourcen, wie Wasser, Boden, Luft und Klima. Zu überprüfen ist vor allem, ob die Versiegelung von Freiflächen mit Stellplätzen und in der Regel eingeschossiger Bebauung möglicherweise zu einer Veränderung des Grundwasserstandes oder des Kleinklimas führt.

3.3.2. Regelvermutung nach § 11 Abs. 3 Sätze 3 und 4 BauNVO

Nach § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO sind Auswirkungen der genannten Art anzunehmen, wenn die Geschoßfläche 1.200 Quadratmeter überschreitet.

Diese gesetzliche Regelvermutung kann im Einzelfall widerlegt werden, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Auswirkungen trotz Überschreitens dieses Richtwertes nicht auftreten oder trotz des Unterschreitens dennoch vorliegen ( § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO).

Nach § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO gilt die widerlegliche Vermutung des Satzes 3 nicht, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß Auswirkungen bereits bei weniger als 1.200 Quadratmeter Geschoßfläche vorliegen oder bei mehr als 1200 Quadratmeter Geschoßfläche nicht vorliegen. § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO konkretisiert die Anhaltspunkte, das heißt städtebauliche und betriebliche Besonderheiten, für eine von der Regel des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO abweichende Beurteilung:

  1. Gliederung und Größe der Gemeinde und ihrer Ortsteile
    Dabei wird berücksichtigt, daß sich ein Einzelhandelsbetrieb mit 1200 Quadratmeter Geschoßfläche in einer kleinen Gemeinde stärker als ein Betrieb mit gleicher Größe in einer Großstadt.
  2. Sicherung der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung
    Hier ist insbesondere die Versorgung der Bevölkerung mit Waren des täglichen Bedarfs zu berücksichtigen.
  3. Warenangebot des Betriebes
    Hier ist wegen der unterschiedlichen Zentrenrelevanz einzelner Sortimente die Sortimentsstruktur von Bedeutung, zum Beispiel ob es sich um Waren mit einem typischerweise großen Flächenbedarf und geringer Zentrenrelevanz, wie zum Beispiel Möbel, handelt.

Bei Vorhaben mit mehr als 1200 Quadratmeter Geschoßfläche ist im Sinne einer typisierenden Betrachtungsweise ohne besondere Prüfung von Auswirkungen im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO auszugehen, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller nicht eine atypische Fallgestaltung geltend macht.

Eine von der Antragstellerin oder vom Antragsteller nachzuweisende atypische Fallgestaltung, die die rechtliche Vermutung des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO widerlegt, liegt somit nur vor, wenn auf Grund betrieblicher Besonderheiten oder der konkreten städtebaulichen Situation der beabsichtigte Betrieb nicht zu der Art der Betriebe gehört, die von der Vermutung erfaßt werden sollen.

Betriebliche Besonderheiten, die von der typischen Fallgestaltung abweichen können, sind insbesondere gegeben:

  1. bei einer Abweichung des normalerweise vorhandenen Verhältnisses von Geschoßfläche zur Verkaufsfläche, das heißt wenn der Anteil der Verkaufsfläche wesentlich unter zweidrittel der Geschoßfläche liegt,
  2. wenn der Betrieb beschränkt ist auf ein schmales Warensortiment (z.B. Gartenbedarf),
  3. bei Artikeln, die üblicherweise mit handwerklichen Dienstleistungen angeboten werden (z.B. Kraftfahrzeughandel mit Werkstatt),
  4. bei Artikeln, die in einer gewissen Beziehung zu gewerblichen Nutzungen stehen (z.B. Baustoffhandel, Büromöbelhandel).

Abweichungen der konkreten städtebaulichen Situation von derjenigen, in der § 11 Abs. 3 BauNVO das Entstehen großflächiger Einzelhandelsbetriebe wegen deren Auswirkungen verhindert wissen will, können beispielsweise darin bestehen,

  1. daß der Einzugsbereich des Betriebs im Warenangebot bisher unterversorgt war und innerhalb des Einzugsbereichs des Betriebs zentrale Versorgungsbereiche an anderen Standorten nicht vorgesehen sind oder
  2. der Betrieb in zentraler und für die Wohnbevölkerung gut erreichbarer Lage (städtebaulich integriert) errichtet werden soll, jedoch nur, wenn ein etwa vorhandenes Zentrenkonzept oder die angestrebte Zentrenstruktur dadurch nicht gestört wird.

Generell gilt für alle atypischen Fallgestaltungen folgendes:

  1. Ist bei einer atypischen Fallgestaltung die Regelvermutung nicht anzuwenden, muß die Abschätzung möglicher Auswirkungen auf konkrete Untersuchungen gestützt werden.
  2. Die atypische Fallgestaltung kann nicht losgelöst von der Größenordnung des Vorhabens beurteilt werden. Auch bei Vorhaben mit einem schmalen Warensortiment und nichtzentrenrelevanten Kernsortimenten wie zum Beispiel Möbelhäusern, Bau- und Heimwerkermärkten sowie Gartencentern können auf Grund der Größe des Vorhabens Auswirkungen auf den Verkehr, auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich, auf das Orts- und Landschaftsbild oder auf den Naturhaushalt vorliegen. Außerdem sind bei solchen Vorhaben auf Grund der branchenüblichen zentrenrelevanten Randsortimente Auswirkungen auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in benachbarten Gemeinden möglich und daher auch zu prüfen. Zur Abgrenzung der Sortimente mit geringer Zentrenrelevanz und der zentrenrelevanten Sortimente wird in Nr. 2. 6. hingewiesen.
  3. Bei der Zulassung eines Vorhabens auf Grund einer atypischen Fallgestaltung wird es in der Regel erforderlich sein, die Sortimente in der Baugenehmigung festzuschreiben. Die zulässigen Sortimente sollten als Positivliste oder die unzulässigen Sortimente als Negativliste, gegebenenfalls flächenmäßig begrenzt, Bestandteil der Antragsunterlagen sein oder in der Baugenehmigung festgeschrieben werden.

3.3.3. Planungsrechtliche Beurteilung

Aus den unter Nrn. 3.3.1. und 3.3.2. genannten Ausführungen ergeben sich folgende Konsequenzen für die planungsrechtliche Zulässigkeit von Einzelhandelsgroßprojekten:

  1. Bebauungspläne im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB
    Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans im Sinne von § 30 Abs. 1 BauGB ist ein Einzelhandelsgroßprojekt zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist; § 15 BauNVO ist zu beachten.
  2. Bebauungspläne im Sinne des § 30 Abs. 2 BauGB
    Liegt ein vorhabenbezogener Bebauungsplan ( § 30 Abs. 2 BauGB) vor, sind Einzelhandelsgroßprojekte aller Art nur zulässig, wenn sie dessen Festsetzungen nicht widersprechen und die Erschließung gesichert ist.
  3. Bebauungspläne im Sinne des § 30 Abs. 3 BauGB
    Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans nach § 30 Abs. 3 BauGB richtet sich die Zulässigkeit des Einzelhandelsgroßprojektes im übrigen nach § 34 BauGB oder § 35 BauGB, wenn sie dessen Festsetzungen nicht widersprechen und die Erschließung gesichert ist. Soweit ein Baugebiet festgesetzt ist, ist § 15 BauNVO zu beachten.
  4. Zulässigkeit nach § 34 Abs. 1 BauGB
    Bei der planungsrechtlichen Zulässigkeitsprüfung sind die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zu berücksichtigen. Insbesondere wird hinsichtlich des Merkmals "Einfügen" auf die Urteile des BVerwG vom 26.05.1978 - 4 C 8.77 - (DVBl. 1978, 815 = BauR 1978, 276 = BayVBl. 1979, 152 = BVerwGE 55, 370) und vom 04.07.1980 - 4 C 101. 77 - (ZfBR 1980, 246 = BauR 1980, 5 = NJW 1981, 139 = RdL 1981, 8 = BBauBl. 1981, 120 = DÖV 1980, 919 = BayVBl. 1981, 119) hingewiesen. Danach fügt sich ein Vorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung, Bauweise und zu überbauender Grundstücksfläche in der Regel ein, wenn es sich innerhalb des sich aus seiner näheren Umgebung ergebenden Rahmens hält. Im Rahmen hält sich nur eine Nutzung, die in der näheren Umgebung bereits vorhanden ist. Sind Einzelhandelsgroßprojekte dort noch nicht vorhanden, fällt ein derartiges Vorhaben aus dem Rahmen.
    Selbst wenn ein Vorhaben sich nicht innerhalb des sich aus seiner Umgebung ergebenden Rahmens hält, kann es sich unter bestimmten Voraussetzungen einfügen und zwar dann, wenn es nicht geeignet ist, bodenrechtlich relevante Spannungen zu erzeugen oder zu verstärken.
    Großflächige Einzelhandelsbetriebe werden in der Regel Spannungen erzeugen oder vorhandene Spannungen verstärken. Eine Spannungsverstärkung ist zum Beispiel auch darin zu sehen, daß der durch das Vorhaben bedingte stärkere Zu- und Abfahrtsverkehr bisher ruhigere Wohnstraßen durch Lärm und Abgase belastet, wobei schon eine Zunahme von wenigen Dezibel bedeutsam ist, oder daß das vorhandene Straßennetz überlastet wird, auch durch den ruhenden Verkehr der Kundenfahrzeuge.
    Maßgeblich bei Anwendung des § 34 Abs. 1 BauGB ist die Berücksichtigung nur der "näheren Umgebung". Zu beachten ist, daß die nach § 11 Abs. 3 BauNVO zu berücksichtigenden landesplanerischen und städtebaulichen Auswirkungen regelmäßig weit über die nähere Umgebung hinausreichen. Derartige "Fernwirkungen" bleiben jedoch bei der Beurteilung des Einfügens außer Betracht (siehe B VerwG, Urteil vom 03.02.1984 - 4 C 8.80 -, BauR 1984, 377).
  5. Zulässigkeit nach § 34 Abs. 2 BauGB
    In diesem Fall ist hinsichtlich der Beurteilung der Art der Nutzung die Baunutzungsverordnung (siehe § 11 Abs. 3) unmittelbar anzuwenden. Bei dieser Beurteilung sind auch die landesplanerischen und städtebaulichen Auswirkungen zu berücksichtigen, die räumlich über die nach § 34 Abs. 1 BauGB maßgebliche nähere Umgebung hinausgehen (Fernwirkungen). Ein Vorhaben im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO ist nur zulässig in einem Gebiet, das als Kerngebiet oder Sondergebiet "großflächiger Einzelhandel" einzustufen ist. Hinsichtlich der Beurteilung des Maßes der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche ist darüber hinaus auch die Prüfung nach § 34 Abs. 1 BauGB erforderlich.
  6. Im Außenbereich ohne bauplanungsrechtliche Festlegungen nach § 35 BauGB
    Vorhaben, welche die Ansiedlung eines Einkaufszentrums oder eines großflächigen Einzelhandelsprojektes zum Gegenstand haben, sind als sonstige Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilen. In Anbetracht der regelmäßig mit ihnen verbundenen vielfältigen (negativen) Auswirkungen beeinträchtigen sie zahlreiche öffentliche Belange. Im Gegensatz zu § 34 BauGB kann Außenbereichsvorhaben gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB auch ein Widerspruch zu den Zielen der Raumordnung und Landesplanung entgegengehalten werden. Auf Grund der Vielzahl der öffentlichen Belange, welche durch ein Einzelhandelsgroßprojekt im Außenbereich beeinträchtigt werden, kann sich in der Regel auch bei einer Anwendung von § 35 Abs. 4 BauGB (Nutzungsänderungen, Ersatzbauten, Erweiterungen) kein Zulassungsanspruch ergeben, da hierdurch lediglich die dort abschließend aufgeführten öffentlichen Belange nicht entgegengehalten werden können. Im übrigen kommt bei Betrieben nach § 11 Abs. 3 BauNVO eine Anwendung von § 35 Abs. 4 BauGB regelmäßig mangels Vorliegens der tatbeständlichen Voraussetzungen nicht in Betracht. Dies gilt auch, wenn und soweit in einem Flächennutzungsplan Bauflächen dargestellt sind, die durch Bebauungspläne als Kerngebiete oder als Sondergebiete im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO ausgewiesen werden könnten.
  7. Zulässigkeitsbeschränkung durch § 15 BauNVO
    Nach § 15 BauNVO sind Vorhaben im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden. Die durch § 15 BauNVO geschützte maßgebliche Umgebung auch außerhalb des Baugebiets reicht nur so weit, wie unmittelbare Wirkungen eines Vorhabens die Nutzung anderer Grundstücke in bebauungsrechtlicher Hinsicht beeinträchtigen können. Eine Verschlechterung der Wirtschaftlichkeit der in der maßgeblichen Umgebung oder in einzelnen Stadtteilzentren ausgeübten Einzelhandelsnutzungen kann durch Anwendung des § 15 BauNVO nicht verhindert werden."Fernwirkungen" finden daher im Rahmen des § 15 keine Berücksichtigung. Unzumutbare Belästigungen oder Störungen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO können jedoch beispielsweise darin bestehen, daß ein hohes Verkehrsaufkommen die öffentlichen Straßen in der maßgeblichen Umgebung ungewöhnlich belastet, so daß der Zu- und Auslieferungsverkehr anderer Grundstücke erheblich behindert wird oder Wohngrundstücke durch Immissionen stark beeinträchtigt werden. Die Eigenart eines Baugebiets ( 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO) läßt sich einerseits unmittelbar anhand der Festsetzungen des Bebauungsplans sowie aus der bereits vorhandenen und zugelassenen Bebauung feststellen. So kann sich zum Beispiel in den Festsetzungen von Verkehrsflächen, insbesondere der Dimensionierung der örtlichen Verkehrsflächen zur Erschließung des Baugebiets, eine besondere Prägung niederschlagen.

Hält die Baugenehmigungsbehörde hingegen einen Bebauungsplan, welcher die Zulässigkeit eines Einkaufszentrums oder eines großflächigen Einzelhandelsgroßprojektes begründet, zum Beispiel aus raumordnerischen Gründen für fehlerhaft, so ist es ihr verwehrt, über die Anwendung des § 15 BauNVO einen Ausgleich derart zu schaffen, daß das Vorhaben nicht oder nur in eingeschränkter Form zugelassen wird.

3.3.4. Erweiterungen und Nutzungsänderungen

Für Erweiterungen und genehmigungspflichtige Nutzungsänderungen gilt Nr. 3.3.3. entsprechend.

Eine Nutzungsänderung liegt auch vor, wenn ein Großhandelsbetrieb ganz oder teilweise auf Einzelhandel umstellt. Der Bestandsschutz des Großhandels deckt nicht die Fortführung des Betriebs als (Teil-) Einzelhandel. Das gleiche gilt, wenn ein in der Baugenehmigung festgeschriebenes Sortiment umgestellt bzw. geändert wird oder wenn ein neues Sortiment hinzukommt.

4. Behandlung von Bauanträgen

4.1. Antragsunterlagen

Antragsunterlagen für Einzelhandelsgroßprojekte müssen die Art des Betriebes (Einzelhandel, Großhandel), die Geschoßfläche, die Verkaufsfläche (siehe Nr.2.5.) und die vorgesehenen Sortimente (siehe Nr.2.6.), gegliedert nach der Größe der Verkaufsfläche, klar und eindeutig erkennen lassen. Liegen hierzu keine klaren Angaben vor, kann eine Baugenehmigung wegen Unmöglichkeit der Prüfung nach § 11 Abs. 3 BauNVO nicht erteilt werden.

Bei Anträgen für Großhandelsbetriebe ist darzulegen, inwieweit durch geeignete organisatorische Maßnahmen sichergestellt wird, daß der Handel mit dem letzten Verbraucher weitestgehend unterbunden wird.

4.2. Festschreibung in der Baugenehmigung

In der Baugenehmigung sind die Betriebsarten (Einzel-, Großhandel), die Größe der Verkaufsfläche sowie Art und Umfang bzw. die absolute Größe des Sortiments (nach Quadratmeter oder Anteil) festzuschreiben.

5. Inkrafttreten

Dieser Gem. RdErl. tritt mit seiner Veröffentlichung in Kraft.

ENDE

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