Für einen individuellen Ausdruck passen Sie bitte die
Einstellungen in der Druckvorschau Ihres Browsers an.
Regelwerk

Arbeitshilfe zur bauplanungsrechtlichen Zulassung von Kindertageseinrichtungen in reinen Wohngebieten beschlossen durch die Fachkommission Städtebau
- Hessen -

Vom 12. Mai 2009
(StAnz. Nr. 23 vom 01.06.2009 S. 1273)



I. Einleitung

Die Baunutzungsverordnung ( BauNVO) differenziert hinsichtlich der planungsrechtlichen Zulässigkeit von Anlagen für soziale Zwecke (zu denen auch Kindertageseinrichtungen gehören). Während Kindertageseinrichtungen in allgemeinen Wohngebieten nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO allgemein zulässig sind, können sie in reinen Wohngebieten, soweit die BauNVO 1990 anwendbar ist, nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in reinen Wohngebieten ausnahmsweise zugelassen werden. In reinen Wohngebieten, für die frühere Fassungen der BauNVO Anwendung finden, können Kindertageseinrichtungen im Wege der Befreiung zugelassen werden. Kindertageseinrichtungen werden insoweit anders behandelt als Altenpflegeheime (vgl. § 3 Abs. 4 BauNVO).

Da Kindertageseinrichtungen in reinen Wohngebieten nicht allgemein zulässig sind, kommt es vor, dass Gerichte die Genehmigung von Kindertageseinrichtungen in solchen Gebieten unter bestimmten Voraussetzungen für unzulässig erklären. Das ist angesichts der demographischen Situation Deutschlands, die dazu anhält, für Kinder und Eltern attraktive Voraussetzungen zu schaffen, unbefriedigend.

Forderungen nach einer Ergänzung von § 3 BauNVO dahingehend, Kindertageseinrichtungen in reinen Wohngebieten allgemein zuzulassen, würden die Rechtslage in der Regel jedoch nicht ohne Weiteres ändern. Vielmehr bedürfte es in vielen Fällen eines neuen Bebauungsplans, um den geänderten § 3 BauNVO zur Anwendung zu bringen und die allgemeine Genehmigungsfähigkeit einer Kindertageseinrichtung zu erreichen. Grundsätzlich gilt für Bebauungspläne immer die Fassung der BauNVO, die bei ihrer Aufstellung galt; d. h., eine Änderung der BauNVO hätte keine Rückwirkung auf bestehende Bebauungspläne. Wie das

Bundesverwaltungsgericht geurteilt hat, kann die aktuell geltende BauNVO nur in eingeschränktem Maße für die Auslegung von nach altem Recht erlassenen Bebauungsplänen herangezogen werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.1998, Az.: 4 C 16/97). Das Regelungsmodell der geltenden BauNVO darf nicht schematisch übernommen werden, sondern es muss auf die daraus folgende Wertung abgestellt werden. Diese Wertung besagt bereits heute, dass in reinen Wohngebieten Einrichtungen für die Kinderbetreuung zulässig sein können. In einer Entscheidung des OVG Hamburg, (Beschl. v. 15.10.2008 , Az.: 2 Bs 171/08) kam es denn letztlich auch auf die Größe der geplanten Kindertagesstätte an (60 Plätze zur gleichzeitigen Betreuung), nicht auf die Eigenschaft Kindertageseinrichtung als solche.

Ziel dieser Arbeitshilfe ist es, darzulegen, dass und wie die Gemeinden bereits auf Grund der geltenden Rechtslage die Errichtungen von Kindertageseinrichtungen auch in reinen Wohngebieten planungsrechtlich ermöglichen können.

II. Regelungsgehalt von § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO

Reine Wohngebiete dienen dem Wohnen. Von den anderen Wohngebieten unterscheidet sich das reine Wohngebiet dadurch, dass es nicht lediglich vorwiegend, sondern ausschließlich "dem Wohnen" dient. Da das reine Wohngebiet wenig Störungsquellen kennt, bietet es dem Wohnen im Vergleich zu allen anderen Baugebieten den umfassendsten Schutz der Wohnruhe. Die in Absatz 3 vorgesehenen Ausnahmen von dem Grundsatz sind in diesem Lichte zu betrachten. Zu berücksichtigen ist andererseits jedoch auch, dass nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts die ausnahmsweise zulässige Bebauung den Gebietscharakter mitprägt (vgl. Beschl. v. 28.02.2008, Az.: 4 B 60.07).

III. Handlungsoptionen

Die Gemeinden und Baugenehmigungsbehörden haben auf mehrere Weisen die Möglichkeit, dem hohen Gut des Schutzes des Wohnens bzw. der Wohnruhe gerecht zu werden und gleichwohl Kindertageseinrichtungen in reinen Wohngebieten planungsrechtlich zuzulassen.

1. Erteilung einer Ausnahme (§ 31 Abs. 1 Baugesetzbuch - BauGB) durch Baugenehmigungsbehörde

Von der in § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO eingeräumten Möglichkeit kann die Baugenehmigungsbehörde im Wege der Ausnahmeerteilung nach § 31 Abs. 1 BauGB Gebrauch machen. Bei reinen Wohngebieten, die durch Bebauungsplan förmlich festgesetzt sind, ist dafür erforderlich, dass die Ausnahme Bestandteil des Bebauungsplans ist.

Wie der Wortlaut von § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zeigt, ist die Zulässigkeit nicht - anders als bei den Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke - auf eine gebietsversorgende Funktion beschränkt (vgl. auch OVG Saarland, Urt. v. 11.09.2008, Az.: 2 C 186/08). Die Größe der Kindertagesstätte wird also nicht dadurch beschränkt, dass sie nur der im Gebiet ansässigen Wohnbevölkerung dienen darf.

Ein Vorhaben kann auch dann ausnahmsweise zugelassen werden, wenn es sich um ein Gebiet handelt, dass nach § 34 Abs. 2 BauGB zu beurteilen ist (vgl. § 34 Abs. 2 Halbsatz 2 Alternative 1).

2. Erteilung einer Befreiung (§ 31 Abs. 2 BauGB) durch die Baugenehmigungsbehörde

Die Möglichkeit der ausnahmsweisen Zulassung von Kindertagseinrichtungen in reinen Wohngebieten ist erst mit der BauNVO 1990 geschaffen worden. Für Bebauungspläne auf der Grundlage älterer Fassungen der BauNVO besteht diese Möglichkeit nicht. Von einem solchen Bebauungsplan, der ein reines Wohngebiet festsetzt, kann aber im Wege der Befreiung gemäß § 31

umwelt-online - Demo-Version


(Stand: 21.01.2022)

Alle vollständigen Texte in der aktuellen Fassung im Jahresabonnement
Nutzungsgebühr: 90.- € netto (Grundlizenz)

(derzeit ca. 7200 Titel s.Übersicht - keine Unterteilung in Fachbereiche)

Preise & Bestellung

Die Zugangskennung wird kurzfristig übermittelt

? Fragen ?
Abonnentenzugang/Volltextversion