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Regelwerk

Einzelhandelserlass - Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums zur
Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten - Raumordnung, Bauleitplanung und Genehmigung von Vorhaben -

- Baden-Württemberg -

Vom 21. Februar 2001
(GABl. Nr. 5 vom 30.03.2001 S. 290; 20.02.2008aufgehoben)
Gl.-Nr.: 6-2500.4/7



1 Ausgangslage

Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe, die sich durch Größe und Standort von Einzelhandelsgeschäften herkömmlicher Art unterscheiden, sind geeignet, die raumordnerische und städtebauliche Struktur nachhaltig und bei falscher Standortwahl nachteilig zu beeinflussen.

Aufgabe der Raumordnung ist es, Fehlentwicklungen nach Maßgabe der Erfordernisse der Raumordnung entgegenzuwirken und Ansiedlungsvorhaben räumlich zu steuern. Dazu sind zunehmend Regionale Entwicklungskonzepte und gebietsbezogene Festlegungen der Regionalplanung einzusetzen, die eine vorausschauende und koordinierte Entwicklung der Einzelhandelsstandorte ermöglichen.

Der Einzelhandel ist eine tragende Säule der Stadtentwicklung und Stadterhaltung. Von besonderer Bedeutung sind dabei

Der dynamische Strukturwandel im Handel ist insbesondere geprägt durch

Nach dem Baugesetzbuch ( BauGB) sollen die Bauleitpläne eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung gewährleisten. Hierbei sind alle berührten öffentlichen und privaten Belange gerecht gegeneinander und untereinander abzuwägen (§ 1 Abs. 5 und 6 BauGB). In diesem Zusammenhang sind auch die Belange der Wirtschaft zu berücksichtigen. § 1 Abs. 5 Nr. 8 BauGB erwähnt dabei ausdrücklich die mittelständische Struktur der Wirtschaft im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung. Nach § 2 i.V. m. § 1 des Mittelstandsförderungsgesetzes vom 16. Dezember 1975 (GBl. S. 861) sind auch die Auswirkungen der Planungen und Maßnahmen auf die Wirtschaftsstruktur des Einzugsbereichs zu berücksichtigen und der Zweck des Gesetzes zu beachten. Das Gesetz hat den Zweck, eine ausgewogene Wirtschaftsstruktur, das heißt eine Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen und freien Berufen in der Wirtschaft in einem angemessenen Verhältnis mit großen Unternehmen sicherzustellen. Die Planungsträger und Genehmigungsbehörden haben auch bei der Bauleitplanung zur Verwirklichung der Zielsetzung des Mittelstandsförderungsgesetzes beizutragen.

Um negativen Auswirkungen durch die Ansiedlungen von Einzelhandelsgroßprojekten wirksamer entgegentreten zu können, wurde die Baunutzungsverordnung ( BauNVO) mehrfach geändert. Die in der Baunutzungsverordnung zentrale Vorschrift des § 11 Abs. 3 BauNVO hat in ihrer gültigen Fassung von 1990 die Regelung der BauNVO 1986 übernommen.

Die nachfolgende Verwaltungsvorschrift trägt dieser aktuellen Fassung und der neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Rechnung.

2 Die Regelung des § 11 Abs. 3 BauNVO 1990

2.1 Allgemeines

§ 11 Abs. 3 BauNVO enthält eine Sonderregelung für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Einkaufszentren, großflächigen Einzelhandelsbetrieben und sonstigen großflächigen Handelsbetrieben (im Folgenden als Einzelhandelsgroßprojekte bezeichnet). Danach sind die vorgenannten Betriebe nur in Kerngebieten und in für solche Betriebe ausdrücklich ausgewiesenen Sondergebieten zulässig. Diese Vorschrift schafft neben den in §§ 2 bis 9 BauNVO aufgeführten Baugebieten ein Baugebiet besonderer Art, das "Gebiet für großflächigen Einzelhandel". Seine eigentliche Bedeutung besteht darin, derartige Nutzungen einer speziellen bauleitplanerischen Regelung zu unterwerfen und die genannten Betriebe aus Gewerbegebieten und Industriegebieten fernzuhalten.

2.2 Begriffe

2.2.1 Einkaufszentren

Ein Einkaufszentrum ist eine räumliche Zusammenfassung von Einzelhandelsbetrieben verschiedener Art und Größe, zumeist in Kombination mit verschiedenartigen Dienstleistungsbetrieben. Sie müssen insgesamt deutlich über 1.200 m2 Geschossfläche aufweisen.

In der Regel wird es sich um einen einheitlich geplanten, finanzierten, gebauten und verwalteten Gebäudekomplex handeln. Aus der für die Anwendung des § 11 Abs. 3 BauNVO maßgeblichen raumordnerischen und städtebaulichen Sicht - insbesondere im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Versorgungsstruktur der Gemeinde - kann aber auch eine nicht von vornherein als solche geplante und organisierte Zusammenfassung von Einzelhandels- und Dienstleistungsbetrieben ein Einkaufszentrum im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO darstellen. Ein solches "Zusammenwachsen" mehrerer Betriebe zu einem "Einkaufszentrum" setzt jedoch außer der erforderlichen räumlichen Konzentration weitergehend voraus, dass die einzelnen Betriebe aus der Sicht der Kunden als aufeinander bezogen, als durch ein gemeinsames Konzept und durch Koordination miteinander verbunden in Erscheinung treten (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 1990 - 4 C 16.87 -, BauR 1990, S. 573 = NVwZ 1990, S. 1074).

Hersteller-Direktverkaufszentren (auch als Fabrikverkaufs-Zentren oder Factory-Outlet-center = FOC bezeichnet) sind Einkaufszentren. Mehrere aufeinander bezogene Fachmärkte ("Fachmarktzentren") sind ebenfalls Einkaufszentren.

2.2.2 Großflächige Einzelhandelsbetriebe

Großflächige Einzelhandelsbetriebe sind in Abgrenzung zum sonstigen Handel planungsrechtlich eine eigenständige Nutzungsart.

Einzelhandelsbetriebe sind Betriebe, die ausschließlich oder überwiegend an letzte Verbraucher verkaufen. Zu ihnen zählen unter anderem alle Kauf- und Warenhäuser, SB-Warenhäuser, SB-Kaufhäuser, Verbrauchermärkte sowie Fachmärkte. Dazu gehört auch der Direktverkauf an Endverbraucher am Standort des Fertigungsbetriebs.

Die Großflächigkeit beginnt, wo üblicherweise die Größe der der wohnungsnahen Versorgung dienenden Einzelhandelsbetriebe (Nachbarschaftsläden) ihre Obergrenze findet. Diese Grenze liegt - unabhängig von regionalen und örtlichen Verhältnissen - etwa bei 700 m2 Verkaufsfläche (so das Bundesverwaltungsgericht für einen der wohnungsnahen Versorgung dienenden Lebensmittelmarkt, Urteil vom 22. Mai 1987 - 4 C 19.85 -, BauR 1987, S. 528 = NVwZ 1987, S. 1076). Zur Frage, wann ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb Auswirkungen im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO haben kann, siehe Nummer 2.3.

Mehrere an sich selbstständige nicht großflächige Einzelhandelsbetriebe können dann als ein groß flächiger Einzelhandelsbetrieb angesehen werden, wenn diese Betriebe eine Funktionseinheit bilden. Eine solche Funktionseinheit liegt vor, wenn die Betriebe ein bestimmtes gemeinsames Nutzungskonzept haben, aufgrund dessen die einzelnen Betriebe wechselseitig voneinander profitieren und das die Betriebe nicht als Konkurrenten, sondern als gemeinschaftlich verbundene Teilnehmer am Wettbewerb erscheinen lässt (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. Januar 1996 - 8 S 2964/95 -, BRS 58 Nr. 201).

2.2.3 Sonstige großflächige Handelsbetriebe

Sonstige großflächige Handelsbetriebe sind Betriebe, die in nicht unerheblichem Umfang (mehr als 10 % vom Gesamtumsatz) auch an letzte Verbraucher verkaufen und hinsichtlich ihrer Auswirkungen großflächigen Einzelhandelsbetrieben vergleichbar sind.

Betriebe mit reiner Großhandelsfunktion zählen nicht zu den sonstigen großflächigen Handelsbetrieben. Großhandel liegt vor, wenn an einen Gewerbetreibenden (Wiederverkäufer, gewerblicher Verbraucher/Freiberufler oder Großverbraucher/Behörde/Kantine) betrieblich verwendbare oder betriebsfremde, aber betrieblich verwertbare Waren abgesetzt werden.

Der Absatz von Waren an Gewerbetreibende zu deren privaten Verbrauch rechnet zur Einzelhandelstätigkeit. Die Rechtsprechung hat eine Toleranzgrenze von 10 % des Umsatzes des Großhandelsunternehmens für betriebsfremde Waren zur Deckung des privaten Lebensbedarfs zugestanden.

2.2.4 Verkaufsfläche

Verkaufsfläche ist die Fläche, die dem Verkauf dient einschließlich der Gänge, Treppen in den Verkaufsräumen, Standflächen für Einrichtungsgegenstände, Kassenzonen, Schaufenster und sonstiger Flächen, soweit sie dem Kunden zugänglich sind, sowie Freiverkaufsflächen, soweit sie nicht nur vorübergehend genutzt werden.

2.2.5 Sortimente

Als Sortiment wird die Gesamtheit der von dem Handelsbetrieb angebotenen Warenarten verstanden. Zu dem Warenangebot gehört ein nach dem Charakter des Handelsbetriebs abgestuftes Sortiment an Dienstleistungen.

Der typische Charakter des Betriebs wird von seinem Kernsortiment (zum Beispiel Möbel; Nahrungsmittel, Getränke; Werkzeuge, Bauartikel) bestimmt. Das Randsortiment dient der Ergänzung des Angebots und muss sich dem Kernsortiment deutlich unterordnen. Da auf den Flächen der Randsortimente trotz ihres geringen Anteils an der Gesamtverkaufsfläche oft hohe Umsatzwerte erzielt werden, sind regelmäßig auch die Auswirkungen etwaiger Randsortimente auf die Zentrenstruktur genau zu untersuchen.

Die Sortimentsbreite ist die Vielfalt der angebotenen Warengruppen, die Sortimentstiefe wird durch die Auswahl innerhalb der Warengruppen charakterisiert.

Zentrenrelevante Sortimente zeichnen sich dadurch aus, dass sie zum Beispiel

Bei zentrenrelevanten Sortimenten sind negative Auswirkungen auf die Zentrenstruktur, insbesondere auf die Innenstadtentwicklung zu erwarten, wenn sie überdimensioniert an nicht integrierten Standorten (dazu unten Nr. 2.3.2) angesiedelt werden.

Nahversorgungsrelevante Sortimente sind vor allem die Waren des täglichen Bedarfs, insbesondere für die Grundversorgung mit Lebensmitteln.

In der Regel zentren- und nahversorgungsrelevant sind die in der Anlage genannten Sortimente. Dabei sind die örtlichen Gegebenheiten, insbesondere der Zentralitätsgrad der Gemeinde, zu berücksichtigen. In der jeweiligen Innenstadt nicht (mehr) vorhandene Sortimente sind dabei nicht automatisch nicht mehr zentrenrelevant.

2.3 Landesplanerische oder städtebauliche Auswirkungen großflächiger Handelsbetriebe

Großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe gelten dann als Einzelhandelsgroßprojekte im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO, wenn sie nicht nur unwesentliche Auswirkungen auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung haben können.

2.3.1 Auswirkungen nach § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO

Die in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 BauNVO genannten raumordnerischen oder städtebaulichen Auswirkungen werden in § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO beispielhaft konkretisiert. Im Einzelfall können auch nicht ausdrücklich ausgeführte Auswirkungen von Bedeutung sein. Für die Anwendung von § 11 Abs. 3 BauNVO bedarf es nicht des konkreten Nachweises, dass Auswirkungen tatsächlich eintreten; es genügt vielmehr bereits die Möglichkeit des Eintretens solcher Auswirkungen.

§ 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO nennt beispielhaft folgende Auswirkungen:

Schädliche Umwelteinwirkungen sind insbesondere auf die Nachbarschaft einwirkende Immissionen durch einen stärkeren Zu- und Abfahrtsverkehr zu dem Vorhaben, zum Beispiel die Zunahme von Lärm- oder Abgasbelastungen in Wohnstraßen. Auswirkungen im Sinne einer Störung sind auch schon dann anzunehmen, wenn die zu erwartenden Belastungen noch nicht die Schwelle der schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) überschreiten.

Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung und den Verkehr liegen insbesondere vor, wenn die ordnungsgemäße verkehrliche Anbindung des Vorhabens nicht gewährleistet ist beziehungsweise das vorhandene Verkehrsnetz nach seiner Konzeption und Leistungsfähigkeit nicht auf das Vorhaben ausgerichtet ist, insbesondere Einrichtungen des ÖPNV fehlen.

Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung können sich dadurch ergeben, dass durch die zu erwartende Kaufkraftbindung an einem Standort und dadurch verursachter Geschäftsaufgaben im Wohnbereich die ausreichende Nahversorgung, vor allem für nicht motorisierte Bevölkerungsgruppen, beeinträchtigt ist.

Auswirkungen auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden sind insbesondere Auswirkungen auf das Stadtzentrum oder die Nebenzentren in den Stadtteilen oder das Ortszentrum einer Gemeinde. Solche Auswirkungen können sich beispielsweise ergeben, wenn durch Einzelhandelsgroßprojekte außerhalb dieser Zentren eine in der Innenstadt oder im Ortskern eingeleitete, mit öffentlichen Mitteln geförderte städtebauliche Sanierungsmaßnahme nicht planmäßig fortgeführt werden kann oder wenn durch starke Kaufkraftbindung außerhalb der Zentren das Niveau und die Vielfalt der Einzelhandelsgeschäfte in der Innenstadt oder im Ortskern abzusinken drohen. Auswirkungen auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in anderen Gemeinden können sich ergeben, wenn der Einzugsbereich eines Einzelhandelsgroßprojekts den zentralörtlichen Versorgungsbereich der Ansiedlungsgemeinde wesentlich überschreitet und die Entwicklung und Versorgungsfunktion von Nachbargemeinden beeinträchtigt.

Auswirkungen auf das Orts- und Landschaftsbild können insbesondere bei einem nach Lage und Größe aus dem Rahmen der näheren oder weiteren Umgebung fallenden oder in der Landschaft dominierenden Vorhaben gegeben sein. Maßgebend ist, ob sich das Vorhaben in den gegebenen städtebaulichen und landschaftlichen Rahmen einfügt.

Auswirkungen auf den Naturhaushalt können durch eine Beeinträchtigung des Ökosystems gegeben sein, zum Beispiel Versiegelung von Freiflächen mit Stellflächen, Veränderung des Kleinklimas durch ausgedehnte Gebäude.

2.3.2 Vermutungsregel nach § 11 Abs. 3 Satz 3 und 4 BauNVO

Nach § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO 1990 sind Auswirkungen im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO in der Regel anzunehmen, wenn die Geschossfläche des Betriebs 1200 m2 überschreitet. Diese Vermutungsregel geht davon aus, dass die Verkaufsfläche erfahrungsgemäß etwa 2/3 der Geschossfläche beträgt und eine Verkaufsfläche oberhalb von 800 m2 die in der Vorschrift genannten Auswirkungen haben kann.

Nach § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO gilt die - widerlegliche - Vermutung des Satzes 3 nicht, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Auswirkungen bereits bei weniger als 1200 m2 Geschossfläche vorliegen oder bei mehr als 1.200 m2 Geschossfläche nicht vorliegen. § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO konkretisiert die Anhaltspunkte - das heißt städtebauliche und betriebliche Besonderheiten - für eine von der Regel des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO abweichende Beurteilung:

Bei Vorhaben mit mehr als 1.200 m2 Geschossfläche ist im Sinne einer typisierenden Betrachtungsweise ohne besondere Prüfung von den Auswirkungen im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO auszugehen, wenn der Antragsteller nicht eine atypische Fallgestaltung nachweist.

Betriebliche Besonderheiten, die von der typischen Fallgestaltung abweichen können, sind insbesondere gegeben,

Besonderheiten auf der städtebaulichen Seite können beispielsweise darin bestehen,

Generell gilt für alle atypischen Fallgestaltungen Folgendes:

2.3.3 Sonderfall Agglomeration

Auswirkungen im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO können jedoch auch dadurch gegeben sein, dass mehrere kleinere Betriebe mit einer Größe von jeweils unter 1.200 m2 Geschossfläche in räumlichem und zeitlichem Zusammenhang errichtet werden, zu vorhandenen Betrieben neue Betriebe unter 1.200 m2 hinzutreten oder vorhandene Betriebe entsprechend erweitert oder umgenutzt werden sollen. Solche als isolierte Einzelfälle gegebenenfalls für sich unbedenkliche Vorhaben müssen in ihrem Zusammenhang gesehen werden und können durch eine derartige Agglomeration gemeinsam zu Vorhaben im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 BauNVO, wenn nicht sogar zu einem Einkaufszentrum werden. Die näheren Voraussetzungen ergeben sich aus den Nummern 2.2.1 und 2.2.2.

Auf die Zulässigkeitsbeschränkung durch § 15 BauNVO wird hingewiesen (siehe im Einzelnen Nr. 5.1.5).

Durch die Aufstellung von Bebauungsplänen und die Beschränkung beziehungsweise den Ausschluss des Einzelhandels kann die Agglomeration von Einzelhandelsbetrieben unterbunden werden.

3 Raumordnungsrechtliche Zulässigkeit

3.1 Allgemeines

Die raumordnungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens richtet sich nach den Erfordernissen der Raumordnung, insbesondere nach den Zielen und Grundsätzen der Raumordnung, wie sie im Landesentwicklungsplan (LEP) 1983 und in den Regionalplänen festgelegt sind.

Wesentlicher Aspekt bei der Überprüfung der Raumverträglichkeit eines geplanten Einzelhandelsgroßprojekts ist die Erhaltung ausreichender Versorgungsstrukturen und funktionsfähiger Zentren der Städte und Gemeinden. Die Raumordnung ist kein Instrument der Bedarfsprüfung, der Investitionslenkung oder des Konkurrenzschutzes.

3.2 Raumordnerische Kernregelung

Kernregelung ist das Ziel der Raumordnung in Plansatz 2.2.34 des LEP 1983 mit folgendem Wortlaut:

"Großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe für Endverbraucher sollen nur an solchen Standorten ausgewiesen, errichtet oder erweitert werden, wo sie sich nach Größe und Einzugsbereich in das zentralörtliche Versorgungssystem einfügen; sie dürfen weder durch ihre Lage oder Größe noch durch ihre Folgewirkungen das städtebauliche Gefüge, die Funktionsfähigkeit des zentralörtlichen Versorgungskerns oder die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich beeinträchtigen."

Dieses Ziel ist in den meisten Regionalplänen ausgeformt worden. Die betreffenden Plansätze enthalten weitere einschränkende Regelungen.

Im Rahmen der gegenwärtig laufenden Fortschreibung des LEP hat die Landesregierung folgende Neuregelung beschlossen:


Z Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe für Endverbraucher (Einzelhandelsgroßprojekte) sollen sich in das zentralörtliche Versorgungssystem einfügen; sie dürfen in der Regel nur in Ober-, Mittel- und Unterzentren ausgewiesen, errichtet oder erweitert werden. Hiervon abweichend kommen im Verdichtungsraum auch Kleinzentren und Gemeinden ohne zentralörtliche Funktionen in Betracht, wenn sie mit Siedlungsbereichen benachbarter Ober-, Mittel- oder Unterzentren zusammengewachsen sind.
Z Hersteller-Direktverkaufszentren als besondere Form des großflächigen Einzelhandels sind grundsätzlich nur in Oberzentren zulässig.
Z Die Verkaufsfläche der Einzelhandelsgroßprojekte soll so bemessen sein, dass deren Einzugsbereich den zentralörtlichen Verflechtungsbereich nicht wesentlich überschreitet. Die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich und die Funktionsfähigkeit anderer Zentraler Orte dürfen nicht wesentlich beeinträchtigt werden.
Z Einzelhandelsgroßprojekte dürfen weder durch ihre Lage und Größe noch durch ihre Folgewirkungen die Funktionsfähigkeit der Stadt- und Ortskerne der Standortgemeinde wesentlich beeinträchtigen. Einzelhandelsgroßprojekte sollen vorrangig an städtebaulich integrierten Standorten ausgewiesen, errichtet oder erweitert werden. Für nicht innenstadtrelevante Warensortimente kommen auch städtebauliche Randlagen in Frage.
G Neue Einzelhandelsgroßprojekte sollen nur an Standorten realisiert werden, wo sie an den öffentlichen Personennahverkehr angeschlossen werden können.
G Regionalbedeutsame Standorte für Einzelhandelsgroßprojekte können in den Regionalplänen vor allem auf Grund eines regionalen Entwicklungskonzepts festgelegt werden. Auf der Grundlage von regional abgestimmten Einzelhandelskonzepten als Teil einer integrierten städtebaulichen Gesamtplanung soll eine ausgewogene Einzelhandelsstruktur erhalten oder angestrebt werden.

Die mit Z gekennzeichneten Plansätze stellen in Aufstellung befindliche Ziele der Raumordnung und somit sonstige Erfordernisse der Raumordnung (§ 3 Nr. 4 Raumordnungsgesetz - ROG) dar. Dies wurde bei der Ausgestaltung nachstehender raumordnungsrechtlicher Regelungen soweit als möglich berücksichtigt.

Für Einzelhandelsgroßprojekte bestehen somit folgende raumordnerische Mindestanforderungen:

3.2.1 Kongruenzgebot

3.2.1.1 Bedeutung

Das Kongruenzgebot bedeutet zunächst, dass Einzelhandelsgroßprojekte in der Regel nur in Ober-, Mittel- und Unterzentren ausgewiesen, errichtet oder erweitert werden dürfen. Dabei muss das Vorhaben nach Umfang und Zweckbestimmung der räumlichfunktionell zugeordneten Versorgungsaufgabe der jeweiligen Zentralitätsstufe entsprechen. Diese Begrenzung soll sicherstellen, dass der Zentrale Ort die ihm zugewiesene Aufgabe erfüllt. Gleichzeitig wird dadurch verhindert, dass ein Zentraler Ort durch die Aufgabenwahrnehmung außerhalb des ihm zugewiesenen räumlichfunktionellen Aufgabenbereichs die räumlichstrukturell bedeutsame Aufgabenwahrnehmung durch die anderen Zentralen Orte beeinträchtigt.

Die Ober- und Mittelzentren sind im LEP, die Unter- und Kleinzentren in den Regionalplänen verbindlich festgelegt.

3.2.1.2 Ausnahmen

Abweichend von der Regel kommen auch Standorte in Kleinzentren und Gemeinden ohne zentralörtliche Funktion insbesondere in Betracht, wenn dies nach den raumstrukturellen Gegebenheiten zur Sicherung der Grundversorgung geboten ist.

3.2.1.3 Hersteller-Direktverkaufszentren

Hersteller-Direktverkaufszentren als besondere Form von Einzelhandelsgroßprojekten sind grundsätzlich nur in Oberzentren zulässig. Insbesondere bei einer Geschossfläche von weniger als 5.000 m2 können auch Standorte in Mittelzentren in Betracht kommen.

3.2.1.4 Verletzung des Kongruenzgebots

Eine Verletzung des Kongruenzgebots liegt vor, wenn der betriebswirtschaftlich angestrebte Einzugsbereich des Vorhabens den zentralörtlichen Verflechtungsbereich der Standortgemeinde wesentlich überschreitet. Eine wesentliche Überschreitung ist in der Regel gegeben, wenn mehr als 30 % des Umsatzes aus Räumen außerhalb des Verflechtungsbereichs erzielt werden soll.

3.2.2 Beeinträchtigungsverbot

3.2.2.1 Bedeutung

Das Vorhaben darf

3.2.2.2 Beeinträchtigung des städtebaulichen Gefüges

Das Vorhaben darf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung der Standortgemeinde nicht beeinträchtigen. Zur Beurteilung dieses städtebaulichen Kriteriums ist § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO entsprechend anzuwenden (vgl. Nr. 2.3.1).

3.2.2.3 Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des zentralörtlichen Versorgungskerns und der verbrauchernahen Versorgung

Wird ein Einzelhandelsgroßprojekt im zentralörtlichen Versorgungskern (Stadt- und Ortskern) errichtet oder erweitert oder diesem in unmittelbarer Nähe zugeordnet, ist in der Regel keine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit dieses Versorgungskerns der Standortgemeinde gegeben. Solche Standorte haben deshalb Vorrang vor städtebaulichen Randlagen.

Städtebauliche Randlagen kommen am ehesten für Vorhaben mit nicht zentrenrelevanten und nicht nahversorgungsrelevanten Waren als Kernsortiment (zum Beispiel Möbel-Einrichtungshäuser, Bau- und Gartenmärkte) in Betracht, wenn die zentren- und nahversorgungsrelevanten Randsortimente nach Umfang und Zweckbestimmung so begrenzt werden, dass sie weder die verbrauchernahe Versorgung noch die Funktionsfähigkeit des zentralörtlichen Versorgungskerns (Stadt- und Ortskern) wesentlich beeinträchtigen und dort keine geeigneten Flächen zur Ansiedlung entsprechender Vorhaben zur Verfügung stehen.

Die Funktionsfähigkeit des zentralörtlichen Versorgungskerns (Stadt- und Ortskern) der Standortgemeinde oder die Funktionsfähigkeit anderer Zentraler Orte sowie die verbrauchernahe Versorgung im Einzugsbereich sind in der Regel wesentlich beeinträchtigt, wenn dort aufgrund des Vorhabens und des zu erwartenden Kaufkraftabflusses Geschäftsaufgaben drohen. Anhaltswert für eine derartige Annahme ist ein Umsatzverlust bei zentren- oder nahversorgungsrelevanten Sortimenten von ca. 10 % und bei nicht zentrenrelevanten und nicht nahversorgungsrelevanten Sortimenten von ca. 20 % im vorhabenspezifischen Sortiment.

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