umwelt-online: Archivdatei 2007 - Bauplanungsrechtliche Beurteilung von großflächigen Einzelhandelsvorhaben - Einzelhandelserlass - Brandenburg - (3)

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6.11.2 Beteiligung der Behörden und sonstiger Träger öffentlicher Belange ( § 4 BauGB)

Den Industrie- und Handelskammern sowie den Handwerkskammern kommt aufgrund ihrer Verpflichtung, das Gesamtinteresse der zugehörigen Gewerbetreibenden zu vertreten, im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange besondere Bedeutung zu.

Den Kammern obliegt es, auch die absatzwirtschaftlichen Aspekte vorzutragen und bei der Klärung von Zweifelsfragen mitzuwirken. Sie sind möglichst frühzeitig in das Planverfahren einzuschalten.

Bei Planungen im Zusammenhang mit Einzelhandelsnutzungen kann es fachlich geboten sein, außerhalb der förmlichen Beteiligung zusätzlich den Handelsverband um Stellungnahme zu bitten.

6.11.3 Umweltprüfung ( § 2 Abs. 4 BauGB)

Eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltprüfung ergibt sich aus § 2 Abs. 4 BauGB für alle Bauleitpläne mit Ausnahme der Bebauungspläne, die gemäß § 13 BauGB im vereinfachten Verfahren aufgestellt werden, und somit auch für Bebauungspläne mit Festsetzungen gemäß § 9 Abs. 2a BauGB. Auch für Bebauungspläne der Innenentwicklung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist keine Umweltprüfung durchzuführen. Für Bebauungspläne der Innenentwicklung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 BauGB (zulässige Grundfläche von 20.000 bis < 70.000 m2) ist eine Vorprüfung des Einzelfalls erforderlich.

Für die Bebauungspläne, die von § 2 Abs. 4 Satz 1 BauGB erfasst werden, wird für die Belange des Umweltschutzes nach § 1 Abs. 6 Nr. 7 und § 1a BauGB eine Umweltprüfung durchgeführt, in der die voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen ermittelt werden und in einem Umweltbericht beschrieben und bewertet werden. Das Ergebnis der Umweltprüfung ist gemäß § 2 Abs. 4 Satz 4 BauGB in der Abwägung zu berücksichtigen. Unter Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange ( § 4 Abs. 1 Satz 1 BauGB) legt die Gemeinde für jeden Bauleitplan fest, in welchem Umfang und Detaillierungsgrad die Ermittlung der Belange für die Abwägung erforderlich ist ( § 2 Abs. 4 Satz 2 BauGB). Die Umweltprüfung bezieht sich dabei auf das, was nach gegenwärtigem Wissensstand und allgemein anerkannter Prüfmethoden sowie nach Inhalt und Detaillierungsgrad des Bauleitplans angemessenerweise verlangt werden kann.

Der notwendige Inhalt des Umweltberichts, der gemäß § 2a Satz 3 BauGB einen gesonderten Teil der Begründung bildet, ergibt sich aus der Anlage 1 des Baugesetzbuchs (zu § 2 Abs. 4 und §§ 2a und 4c BauGB). Demnach besteht der Umweltbericht aus einer Einleitung, einer Beschreibung und Bewertung der Umweltauswirkungen, die in der Umweltprüfung ermittelt wurden, und verschiedenen zusätzlichen Angaben.

Gemäß § 4c BauGB haben die Gemeinden die erheblichen Umweltauswirkungen, die aufgrund der Durchführung der Bauleitpläne eintreten, zu überwachen, um insbesondere unvorhergesehene nachteilige Auswirkungen frühzeitig zu ermitteln und in der Lage zu sein, gegebenenfalls geeignete Maßnahmen zur Abhilfe zu ergreifen. Im Fokus dieses Verfahrens, das als sogenanntes Monitoring bezeichnet wird, sind insbesondere solche nachteiligen Umweltauswirkungen festzustellen, die bei Aufstellung des Bauleitplanes gerade nicht im Blickfeld waren. Stellen sich solche unvorhergesehenen negativen Auswirkungen eines Bauleitplanes heraus, so kann die Gemeinde hierauf durch eine Ergänzung, Änderung oder Aufhebung reagieren. Den Fachbehörden wird eine Verpflichtung auferlegt, die Kommunen darauf hinzuweisen, wenn sie Erkenntnisse insbesondere über unvorhergesehene Umweltauswirkungen haben ( § 4 Abs. 3 BauGB). Den Fachbehörden obliegt insofern eine "Bringschuld"/Unterrichtungspflicht gegenüber den Gemeinden.

Zur Durchführung einer vorhabenbezogenen Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) siehe Nummer 9.

6.11.4 Baurecht auf Zeit

Bedeutung für den Einzelhandel kann weiterhin die durch die BauGB-Novelle 2004 eingeführte Möglichkeit eines Baurechts auf Zeit erlangen. Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 BauGB kann im Bebauungsplan in besonderen Fällen festgesetzt werden, dass bestimmte der in ihm festgesetzten baulichen und sonstigen Nutzungen und Anlagen nur für einen bestimmten Zeitraum zulässig oder bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig sind. Die Folgenutzung soll festgesetzt werden ( § 9 Abs. 2 Satz 2 BauGB).

Damit wird die Möglichkeit eröffnet, den unterschiedlichen städtebaulichen Situationen und Erfordernissen auch in der zeitlichen Perspektive flexibel Rechnung tragen zu können. Bei manchen Nutzungsarten gibt es immer kürzer werdende Nutzungszyklen einer Immobilie.

Insbesondere für Spezialimmobilien, die für eine Umnutzung nicht oder nur schwer geeignet sind und bei denen absehbar ist, dass die Nutzung nach einer bestimmten Dauer aufgegeben wird (zum Beispiel Music-Halls oder Multiplex-Kinos), ist festzustellen, dass der Lebenszyklus der Immobilie von vornherein begrenzt ist. Bei diesen kann ein Anwendungsfall des § 9 Abs. 2 Satz 1 BauGB gegeben sein. Gleiches gilt für bestimmte Zweckbauten, etwa großflächige Einzelhandelseinrichtungen. Das Baurecht auf Zeit bietet der planenden Gemeinde die Möglichkeit, für den Fall der Nutzungsaufgabe zu regeln, dass die Gemeinde umplanen kann, ohne Entschädigungsansprüche nach § 42 BauGB befürchten zu müssen. Weiterhin kann die Pflicht des Vorhabenträgers zum Rückbau und zur Rekultivierung begründet werden (vgl. Bericht der Unabhängigen Expertenkommission zur Novellierung des Baugesetzbuchs, Rn. 183 ff. 1).

Entscheidet sich die Gemeinde, für ein großflächiges Einzelhandelsvorhaben vom Baurecht auf Zeit Gebrauch zu machen, so hat sie zu beachten, dass die jeweilige Bedingung oder Befristung im Bebauungsplan zu bestimmen und festzusetzen sind. Weiterhin ist darauf zu achten, dass die zeitliche Beschränkung auch in die Baugenehmigung aufgenommen wird. Dies kann durch eine Befristung oder Bedingung erreicht werden. Ein Einzelhandelsvorhaben, das auf Grundlage des Baurechts auf Zeit im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 BauGB errichtet wurde, genießt nur bis zum Ablauf des Baurechts auf Zeit passiven Bestandsschutz: Das Baurecht auf Zeit führt demnach auch zu einem Bestandsschutz auf Zeit.

6.11.5 Entschädigung bei Änderung oder Aufhebung einer zulässigen Nutzung

Die Änderung von Bebauungsplänen kann zu Entschädigungsansprüchen nach § 42 ff. BauGB führen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die durch die Änderung ausgeschlossene Nutzung bisher zulässig war und durch die Aufhebung der zulässigen Nutzung eine nicht nur unwesentliche Wertminderung des Grundstücks eintritt. Der Bebauungsplan muss formell und materiell rechtsgültig sein; nach § 30 BauGB muss die Erschließung rechtlich und tatsächlich gesichert sein. Entschädigungsansprüche gegen die Gemeinde könnten sich danach nur ergeben, wenn vor der Änderung des Bebauungsplans und damit dem Ausschluss von Einkaufszentren, großflächigen Einzelhandelsbetrieben und sonstigen großflächigen Handelsbetrieben im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO eine den Erfordernissen des Zu- und Abgangsverkehrs dieser Einrichtungen entsprechende Erschließung gesichert war.

Von einer nicht nur unwesentlichen Wertminderung von Grundstücken ist nur dann auszugehen, wenn in dem Gebiet oder für bestimmte Flächen im Hinblick auf die Zulässigkeit dieser Anlagen bei vorhandener Erschließung bereits ein Verkehrswert entstanden ist, der erheblich über dem Verkehrswert vergleichbarer Gewerbegebiete und Industriegebiete liegt, in denen die Ansiedlung eines Einkaufszentrums, großflächigen Einzelhandelsbetriebes oder sonstigen großflächigen Handelsbetriebes im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO nicht möglich ist. Auf die Gewinnerwartung des einzelnen Grundstückseigentümers und auf seine persönlichen Nutzungsvorstellungen kommt es nicht an.

Nach Ablauf der in § 42 Abs. 2 BauGB bezeichneten Frist von sieben Jahren ab Zulässigkeit kann ein Entschädigungsanspruch infolge Planänderung nach § 42 Abs. 3 BauGB nur noch für Eingriffe in die tatsächlich ausgeübte Nutzung des Grundstücks geltend gemacht werden.

7 Baurechtliche Zulässigkeit im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes im Sinne von § 30 Abs. 1 oder Abs. 2 BauGB

7.1 Zulässigkeit im Kerngebiet ( § 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO)

In Kerngebieten sind gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO Einzelhandelsbetriebe allgemein zulässig. Dabei werden durch die Festsetzung eines Kerngebietes auch die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen für die Ansiedlung von Einkaufszentren und großflächigen Einzelhandels- und Handelsbetrieben im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 BauNVO geschaffen.

7.2 Zulässigkeit im allgemeinen und reinen Wohngebiet ( § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO)

Durch die Festsetzung eines allgemeinen Wohngebietes in einem Bebauungsplan werden gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO solche Läden allgemein zugelassen, die der Versorgung des Gebiets dienen. Der Verordnungsgeber geht - typisierend - davon aus, dass Nichtwohnnutzungen, für die üblicherweise ein Bedarf in Wohnungsnähe besteht, in Gebieten, die vorwiegend dem Wohnen dienen, das Wohnen nicht unzumutbar stören, und lässt sie deshalb dort allgemein zu (BVerwG, Urteil vom 29.10.1998 - 4 C 9/97 -, NVwZ 1999, 417).

Daher kann ein Laden nur dann als der Versorgung des Gebiets dienend qualifiziert werden, wenn er sich dem Gebiet funktional zuordnen lässt. Hieran fehlt es jedenfalls dann, wenn der Laden nicht auch in einem ins Gewicht fallenden Umfang von den Bewohnern der Umgebung aufgesucht wird [BVerwG, Beschluss vom 18.01.1993 - 4 B 230/92 -, NVwZ-RR 1993, 455 (456)]. Maßgeblich sind dabei objektive Kriterien, wie die Größe und sonstige Beschaffenheit der Anlage, die sich daraus ergebenden Erfordernisse einer wirtschaftlich tragfähigen Ausnutzung, die örtlichen Gegebenheiten und die typischen Verhaltensweisen in der Bevölkerung. Danach ist zu beurteilen, ob die Anlage absehbar nur oder zumindest in einem erheblichen Umfang von den Bewohnern des umliegenden Gebiets besucht wird oder ob ein darüber hinausgehender Besucherkreis zu erwarten ist, der zum Verlust des Gebietsbezugs führt [BVerwG, Urteil vom 29.10.1998 - 4 C 9/97 -, NVwZ 1999, 417 (418)].

Zu betonen ist in diesem Zusammenhang, dass es sich bei der Prüfung der Voraussetzungen von § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO nicht etwa um eine Bedürfnisprüfung handelt. Die Zulässigkeit des Ladens hängt mithin nicht von dessen Erforderlichkeit für die Gebietsversorgung ab; es genügt vielmehr, wenn er zur Versorgung des Gebiets geeignet ist (BVerwG, Beschluss vom 31.05.1968 - 4 B 16/67 -, BRS 20, Nr. 22).

Entsprechend der Zweckbestimmung reiner Wohngebiete sind in diesen nach § 3 Abs. 2 BauNVO nur Wohngebäude allgemein zulässig. Ausnahmsweise können gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO Läden zugelassen werden, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebietes dienen. Im Vergleich zum allgemeinen Wohngebiet ist die Versorgungsfunktion hier also zusätzlich verengt.

7.3 Zulässigkeit im Dorf- und Mischgebiet ( § 6 Abs. 1 BauNVO)

Mischgebiete dienen nach der Zweckbestimmung des § 6 Abs. 1 BauNVO unter anderem der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben. Daher sind hier selbst großflächige Einzelhandelsbetriebe zulässig, es sei denn, sie werden wegen ihrer besonderen städtebaulichen oder raumordnerischen Auswirkungen durch § 11 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO Kern- beziehungsweise Sondergebieten zugewiesen. Überschreitet die Geschossfläche 1.200 m2, so kommt es darauf an, ob die Regelvermutung von § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO widerlegt werden kann.

In Dorfgebieten erklärt § 5 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO Einzelhandelsbetriebe für allgemein zulässig. Grenzen setzt jedoch (allgemein) der Gebietscharakter des Dorfgebiets. Danach sind im Dorfgebiet zwar Einzelhandelsbetriebe bis hin zum Supermarkt oder Kaufhaus zulässig. Große (kerngebietstypische) Waren- und Kaufhäuser sind gleichwohl regelmäßig unzulässig. Generell unzulässig sind auch im Dorfgebiet Einkaufszentren, Einzelhandels- und Handelsbetriebe im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO.

7.4 Zulässigkeit im Gewerbe- und Industriegebiet ( § 8 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO)

In Gewerbe- und Industriegebieten sind gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO und § 9 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO Gewerbebetriebe aller Art zulässig. Der Begriff des Gewerbebetriebes ist dabei umfassend zu verstehen und schließt auch Einzelhandelsbetriebe und Läden ein. Ungeachtet der Frage der Eignung von Gewerbegebieten als nicht dem Wohnen zugeordnete Baugebiete als Standorte für die allgemeine Versorgung der Bevölkerung sind in Gewerbe- und Industriegebieten auch großflächige Einzelhandelsbetriebe zulässig, wenn sie mangels städtebaulicher oder raumordnerischer Auswirkungen nicht von § 11 Abs. 3 BauNVO erfasst werden (VGH Mannheim, Urteil vom 09.12.1981 - 5 S 1290/81 -, BauR 1982, 149).

7.5 Zulässigkeitsbeschränkung durch § 15 BauNVO

§ 15 BauNVO ist in der im Baugenehmigungsverfahren gültigen Fassung der Baunutzungsverordnung anzuwenden.

Vorhaben im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO sind demnach im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

Die durch § 15 BauNVO geschützte maßgebliche Umgebung auch außerhalb des Baugebiets reicht nur so weit, wie unmittelbare Wirkungen eines Vorhabens die Nutzung anderer Grundstücke in bebauungsrechtlicher Hinsicht beeinträchtigen können. Eine Verschlechterung der Wirtschaftlichkeit der in der maßgeblichen Umgebung oder in einzelnen Stadtteilzentren ausgeübten Einzelhandelsnutzungen kann durch die Anwendung des § 15 BauNVO nicht verhindert werden. "Fernwirkungen" finden im Rahmen des § 15 BauNVO keine Berücksichtigung.

Unzumutbare Belästigungen oder Störungen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO können jedoch beispielsweise darin bestehen, dass ein hohes Verkehrsaufkommen die öffentlichen Straßen in der maßgeblichen Umgebung ungewöhnlich belastet, so dass der Zu- und Auslieferungsverkehr anderer Grundstücke erheblich behindert wird oder Wohngrundstücke durch Immissionen stark beeinträchtigt werden.

Die Eigenart eines Baugebiets ( § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO) lässt sich unmittelbar anhand der Festsetzungen des Bebauungsplans sowie aus der bereits vorhandenen und zugelassenen Bebauung feststellen. So kann sich zum Beispiel in den Festsetzungen von Verkehrsflächen, insbesondere der Dimensionierung der örtlichen Verkehrsflächen zur Erschließung des Baugebiets, eine besondere Prägung niederschlagen.

Kleinere Betriebe, die im Einzelnen zwar keine, in der Ansammlung mit anderen kleineren Betrieben aber Auswirkungen im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO hervorrufen, können im Einzelfall nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO unzulässig sein, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen, zum Beispiel wenn sich in einem Mischgebiet ein Einkaufszentrum oder ein Gebiet für Einzelhandelsgroßbetriebe entwickelt. In einem Mischgebiet allgemein zulässige Einzelhandelsbetriebe können im Einzelfall nach Anzahl und Umfang der Eigenart des Baugebiets widersprechen, weil im selben Gebiet bereits Einzelhandelsbetriebe zugelassen worden sind und das gebotene quantitative Mischungsverhältnis von Wohnen und nicht wesentlich störendem Gewerbe durch die Zulassung eines weiteren Betriebes gestört würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 04.05.1988 - 4 C 34.86 -, BauR 1988, 440).

Die Eigenart eines Gewerbegebietes kann zum Beispiel beeinträchtigt sein, wenn ein oder mehrere Handelsbetriebe - also auch solche ohne Auswirkungen im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO - ein deutliches Übergewicht in Bezug auf die übrigen Gewerbebetriebe einnehmen.

8 Baurechtliche Zulässigkeit von Vorhaben im Innen- und Außenbereich

8.1 Innerhalb in Zusammenhang bebauter Ortsteile ( § 34 BauGB)

Im unbeplanten Innenbereich steht mit § 34 BauGB ein sogenannter Planersatz - nicht jedoch ein Ersatzplan - zur Verfügung [BVerwG, Urteil vom 17.09.2003 - 4 C 14/01 -, NVwZ 2004, 220 (221)]. Befindet sich der Standort eines künftigen Einzelhandelsgroßprojektes innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, für den kein qualifizierter Bebauungsplan Geltung beansprucht, so ist das Vorhaben gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Zusätzlich müssen gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt bleiben und darf das Ortsbild nicht beeinträchtigt werden.

8.1.1 Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung

Ein Einzelhandelsvorhaben fügt sich in der Regel in die Eigenart der näheren Umgebung ein, wenn es sich - in jeder Hinsicht - innerhalb des Rahmens der vorhandenen Umgebungsbebauung hält. Die nähere Umgebung erstreckt sich dabei nicht nur auf die unmittelbaren Nachbargrundstücke; berücksichtigt werden muss vielmehr die Umgebung insoweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt beziehungsweise doch beeinflusst (BVerwG, Urteil vom 26.05.1978 - 4 C 9/77 -, NJW 1978, 2564). Zu berücksichtigen ist dabei, dass auch das Rücksichtnahmegebot in dem Begriff des Einfügens aufgeht, das heißt, ein Vorhaben fügt sich - trotz Einhaltung des Rahmens - dann nicht ein, wenn das Vorhaben es an der gebotenen Rücksichtnahme auf die sonstige, vor allem auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung fehlen lässt [BVerwG, Urteil vom 23.05.1986 - 4 C 34/85 -, NVwZ 1987, 128 (129)].

Ein solcher Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann einen Abwehranspruch eines konkret und in unzumutbarer Weise betroffenen Nachbarn begründen. So kann etwa eine Nachbarklage gegen einen gemäß § 34 BauGB planungsrechtlich unzulässigen Getränkemarkt wegen der von dem Vorhaben verursachten Lärmbelästigungen, zu denen auch durch den Betrieb ausgelöste zusätzliche Verkehrsgeräusche gehören, begründet sein (BVerwG, Beschluss vom 20.01.1989 - 4 B 116/88 -, NVwZ 1989, 666). Eine Sonderregelung trifft § 34 Abs. 2 BauGB bezüglich des Merkmals der Art der baulichen Nutzung. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung, so beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Baunutzungsverordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre.

8.1.2 Keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche ( § 34 Abs. 3 BauGB)

Gemäß § 34 Abs. 3 BauGB dürfen von Vorhaben nach § 34 Abs. 1 oder 2 BauGB keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein. § 34 Abs. 3 BauGB wurde durch die BauGB-Novelle 2004 eingefügt. Diese Regelung bezweckt, städtebaulich nachhaltige Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche zu vermeiden, und zwar sowohl in der Gemeinde, in der das Vorhaben verwirklicht wird, als auch in den Nachbargemeinden. Das war aufgrund der alten Rechtslage nicht möglich. Sogenannte Fernwirkungen sind nunmehr im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB zu berücksichtigen. Erfasst werden insbesondere Vorhaben des großflächigen Einzelhandels, deren städtebauliche Auswirkungen über die nähere Umgebung hinausgehen. Zentrale Versorgungsbereiche ergeben sich insbesondere aus planerischen Festlegungen, namentlich aus Darstellungen und Festsetzungen in den Bauleitplänen oder aus Festlegungen in den Raumordnungsplänen; sie können sich aber auch aus sonstigen planungsrechtlich nicht verbindlichen raumordnerischen und städtebaulichen Konzeptionen ergeben, nicht zuletzt auch aus nachvollziehbar eindeutigen tatsächlichen Verhältnissen (Begründung des Regierungsentwurfs zum Europarechtsanpassungsgesetz Bau - EAG Bau - vom 17.12.2003, BT-Drs. 15/2250, S. 54). Zu berücksichtigen sind insbesondere auch gemeindliche Einzelhandelskonzepte ( § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB).

Schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB sind stets anzunehmen, wenn es sich um ein Vorhaben im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO handelt. Handelt es sich um Einkaufszentren oder großflächige Einzelhandelsbetriebe im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO, ist davon auszugehen, dass Auswirkungen im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB gegeben sind. Dies ergibt sich aus der gesetzlichen Wertung des § 11 Abs. 3 BauNVO. Handelt es sich dagegen nicht um Vorhaben, die von § 11 Abs. 3 BauNVO erfasst sind, so ist zu prüfen, ob schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche von diesen Vorhaben zu erwarten sind. Zu beachten ist aber, dass die nach § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO - widerlegliche - Vermutung des Satzes 3 nicht gilt, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Auswirkungen bereits bei weniger als 1.200 m2 Geschossfläche vorliegen oder bei mehr als 1.200 m2 Geschossfläche nicht vorliegen.

Handelt es sich um ein Vorhaben, das nicht unter § 11 Abs. 3 BauNVO fällt, ist im Rahmen von § 34 Abs. 3 BauGB von der Genehmigungsbehörde zu prüfen, inwieweit Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche zu erwarten sind. Die Darlegungslast trifft insoweit die Genehmigungsbehörde. Der Antragsteller hat aber auch dann mit den Bauantragsunterlagen eigene Untersuchungen des Vorhabens vorzulegen. Schädliche Auswirkungen im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB sind bei Vorhaben anzunehmen, die nicht unter § 11 Abs. 3 BauNVO fallen, wenn das vorhandene oder geplante Zentrensystem der Gemeinde oder anderer Gemeinden so beeinträchtigt wird, dass es durch Kaufkraftabfluss zu Leerständen von Geschäften und somit zu einem Absinken des Versorgungsniveaus und der Vielfalt der Einzelhandelsgeschäfte in den Zentren kommt. Schädliche Auswirkungen sind darüber hinaus gegeben, wenn die öffentlich geförderte Aufwertung innerstädtischer Zentren nicht fortgeführt werden kann beziehungsweise der mit bereits vollzogenen Maßnahmen verfolgte Zweck nicht erreicht werden kann und deshalb der Bestand beziehungsweise die geplante Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben zur verbrauchernahen Versorgung gefährdet ist.

8.1.3 Keine Anwendung von § 34 Abs. 3a BauGB auf bestimmte Einzelhandelsbetriebe

Nach § 34 Abs. 3a BauGB kann im Einzelfall vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB abgewichen werden, wenn die Abweichung

dient. Die Abweichung muss städtebaulich vertretbar und auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein.

Das den § 34 Abs. 3 BauGB prägende gesetzgeberische Motiv findet jedoch auch hier einen Niederschlag. Die Erleichterung des Absatzes 3a ist nicht anwendbar auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale gemeindliche Versorgungsbereiche haben können.

8.1.4 Zulässigkeit im Geltungsbereich eines einfachen Bebauungsplans mit Festsetzungen zum Schutz zentraler Versorgungsbereiche ( § 9 Abs. 2a BauGB)

Die Zulässigkeit von Einzelhandelsbetrieben kann durch die Festsetzungen eines einfachen Bebauungsplans nach § 9 Abs. 2a BauGB eingeschränkt beziehungsweise ausgeschlossen sein. § 9 Abs. 2a BauGB soll den Gemeinden außerdem - flankierend zu § 34 Abs. 3 BauGB - die Möglichkeit eröffnen, Ansiedlungsvorhaben im unbeplanten Innenbereich zu steuern, die schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche befürchten lassen (ausführlich dazu siehe Nummer 6.10.5).

8.1.5 Gesicherte Erschließung

Zur gesicherten Erschließung gehören bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben insbesondere der verkehrsgerechte Anschluss an eine leistungsfähige Verkehrsstraße mit einwandfreien Grundstücksein- und -ausfahrten sowie gegebenenfalls zusätzliche Fahrstreifen innerhalb der öffentlichen Verkehrsfläche. Bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben mit sehr hohem Verkehrsaufkommen ist zu beachten, dass aufgrund der Verkehrsintensität die nur grundstücksbezogene als auch die nur gebietsbezogene Beurteilung der Erschließung nicht ausreichend sein kann. Ob die Erschließung gesichert ist, kann auch davon abhängig sein, inwieweit ein solches Vorhaben verkehrliche Ausbaumaßnahmen innerhalb oder außerhalb des Bebauungsplans oder im nicht beplanten Innenbereich außerhalb der maßgebenden näheren Umgebung erforderlich macht.

Die Erschließung kann beispielsweise dann nicht als gesichert angesehen werden, wenn das Grundstück zwar an einer öffentlichen, für das zu erwartende Verkehrsaufkommen ausreichend dimensionierten Straße liegt, die weitere Anbindung - zum Beispiel an eine 500 m entfernte Einmündung der Erschließungsstraße in das übrige Verkehrsnetz - für das Verkehrsaufkommen jedoch nicht ausreicht (BVerwG, Urteil vom 03.02.1984 - 4 C 8.80 -, BauR, 1984, 377).

Die Erschließung sollte mit den zuständigen Straßenbaubehörden abgestimmt werden.

8.2 Im Außenbereich

Liegt der vorgesehene Standort eines Einzelhandelsgroßvorhabens weder im Geltungsbereich eines (qualifizierten) Bebauungsplans noch innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, so handelt es sich um ein sogenanntes Außenbereichsvorhaben, welches gemäß § 35 Abs. 2 BauGB nur dann zulässig sein kann, wenn öffentliche Belange nicht beeinträchtigt werden. Einen solchen - ungeschriebenen - öffentlichen Belang bildet nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch das Erfordernis einer förmlichen

Planung (BVerwG, Urteil vom 01.08.2002 - 4 C 5/01 -, NVwZ 2003, 86). Das im Außenbereich zu verwirklichende Vorhaben kann - so das Bundesverwaltungsgericht - eine Konfliktlage mit so hoher Intensität für die berührten öffentlichen und privaten Belange auslösen, dass dies die in § 35 BauGB vorausgesetzte Entscheidungsfähigkeit der Baugenehmigungsbehörde übersteigt. Ein derartiges "Koordinierungsbedürfnis" wird vielfach dann zu bejahen sein, wenn die durch das Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einen planerischen Ausgleich erfordern (Abwägung).

Ein solches Planungserfordernis kann sich insbesondere aus dem Eingreifen des § 2 Abs. 2 BauGB (interkommunales Abstimmungsgebot) ergeben (BVerwG, Urteil vom 01.08.2002 - 4 C 5/01 -, NVwZ 2003, 86). Besteht im Verhältnis benachbarter Gemeinden ein qualifizierter Abstimmungsbedarf im Sinne des § 2 Abs. 2 BauGB, so ist dies ein starkes Anzeichen dafür, dass die in § 35 Abs. 3 BauGB aufgeführten Zulassungsschranken nicht ausreichen, um ohne Abwägung im Rahmen einer förmlichen Planung eine Entscheidung über die Zulässigkeit des beabsichtigten Vorhabens treffen zu können. Auch hier gilt, dass der Abstimmungsbedarf im Sinne von § 2 Abs. 2 BauGB sich unmittelbar aus § 11 Abs. 3 BauNVO ergibt. § 11 Abs. 3 BauNVO ist zu entnehmen, dass eine Abstimmung nach § 2 Abs. 2 BauGB unumgänglich ist. Deshalb ist nicht das Ausmaß der tatsächlichen Auswirkungen auf die Nachbargemeinde zu ermitteln. Diese ist durch die Ansiedlung eines Einzelhandelsgroßprojekts im Außenbereich nicht erst in ihren Rechten betroffen, wenn ihre Belange im Rahmen der interkommunalen Abstimmung unverhältnismäßig zurückgedrängt wurden, sondern bereits dann, wenn sie sich im Einzugsbereich eines Vorhabens im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO befindet.

8.3 Nutzungsänderungen und Erweiterungen

Nutzungsänderungen und Erweiterungen sind genehmigungsbedürftig. Eine Nutzungsänderung liegt auch dann vor, wenn ein Großhandelsbetrieb ganz oder teilweise auf Einzelhandel umstellt. Der Bestandsschutz des Großhandels deckt nicht die Fortführung des Betriebs als (Teil-)Einzelhandel. Das Gleiche gilt, wenn ein in der Baugenehmigung festgeschriebenes Sortiment umgestellt beziehungsweise geändert wird oder wenn ein neues Sortiment hinzukommt.

Eine Erweiterung liegt bei einer Vergrößerung der Geschossfläche oder der Verkaufsfläche vor. Bei Erweiterungen sind für die Beurteilung der Zulässigkeit die Auswirkungen der gesamten Anlage zugrunde zu legen (BVerwG, Beschluss vom 15.02.1995 - 4 B 84/94 -, Juris). Ein selbstständiger Bauantrag zwingt nicht zu einer isolierten planungsrechtlichen Beurteilung des späteren Abschnitts.

Das Gleiche gilt, wenn anstelle eines größeren Handelsbetriebs mehrere kleine Handelsbetriebe von jeweils nicht wesentlich unter 1.200 m2 Geschossfläche inräumlicher Nähe und zeitlichem Zusammenhang beantragt werden. Besonderes Augenmerk ist auf eine etwaige Zusammenlegung derartiger Betriebe zu legen, weil dies gegebenenfalls eine Nutzungsänderung oder Erweiterung darstellt.

8.4 Behandlung von Bauanträgen

8.4.1 Antragsunterlagen

Antragsunterlagen für Einzelhandelsbetriebe und sonstige Handelsbetriebe müssen die Art des Betriebs (Einzelhandel, Großhandel), die Geschossfläche, die Verkaufsfläche und die vorgesehenen Sortimente, gegliedert nach der Größe der Verkaufsfläche, klar und eindeutig erkennen lassen. Liegen hierzu keine klaren Angaben vor, kann eine Baugenehmigung wegen Unmöglichkeit der Prüfung nach § 11 Abs. 3 BauNVO nicht erteilt werden. Bei Anträgen für Großhandelsbetriebe ist darzulegen, inwieweit durch geeignete organisatorische Maßnahmen sichergestellt wird, dass der Handel mit dem letzten Verbraucher weitestgehend unterbunden wird.

8.4.2 Festschreibung in der Baugenehmigung

In der Baugenehmigung sind die Betriebsarten (Einzel-, Großhandel), die Größe der Verkaufsfläche sowie Art und Umfang beziehungsweise die absolute Größe des Sortiments (nach Quadratmetern oder Anteil) festzuschreiben, wenn es sich aus entsprechenden Festsetzungen des Bebauungsplans oder in Anwendung von § 11 Abs. 3 BauNVO ergibt.

8.4.3 Prüfungsumfang

Bei einem Einzelhandelsvorhaben im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO hat die Genehmigungsbehörde stets zu prüfen, ob diesem Vorhaben ein wirksamer Bebauungsplan zugrunde liegt. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, inwieweit es sich um einen abgestimmten Bebauungsplan im Sinne von § 2 Abs. 2 BauGB handelt, da die in § 2 Abs. 2 BauGB geschützten Gemeinden nicht nur das Recht haben, die Wirksamkeit des Bebauungsplans zu überprüfen, sondern darüber hinaus befugt sind, gegen die Baugenehmigung selbst vorzugehen. Zur Funktion von § 2 Abs. 2 BauGB siehe Nummer 6.11.1.

9 Vorhabenbezogene Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)

Vorhaben im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 BauNVO sind gemäß Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) ab einer bestimmten Größe UVP-pflichtig. In Anlage 1 unter dem Gliederungspunkt 18.6 ist bestimmt, dass Vorhaben im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO ab einer Größe von 5.000 m2 stets einer vorhabenbezogenen Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden müssen. Bei einer Größe von 1.200 m2 bis weniger als 5.000 m2 ist gemäß § 3c Abs. 1 Satz 1 UVPG eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn dies die zuständige Behörde feststellt. Dazu hat die Genehmigungsbehörde bei Vorhaben zwischen 1.200 m2 und 5.000 m2 Geschossfläche zunächst gemäß § 3c UVPG zu prüfen, ob das Vorhaben aufgrund überschlägiger Prüfung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann. Heranzuziehen sind dazu die Kriterien, die in Anlage 2 UVPG genannt sind. Für Einzelhandelsvorhaben ist besonders darauf zu achten, dass die Kriterien des Standorts des Vorhabens herangezogen werden. Das Ergebnis der Vorprüfung ist gemäß § 3a UVPG von der zuständigen Behörde festzustellen.

Ergibt sich eine Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung entweder unmittelbar aufgrund der Größe des Vorhabens von mehr als 5.000 m2 oder aufgrund einer gesonderten Feststellung, so hat die Behörde das in den §§ 5 bis 14 UVPG vorgeschriebene Verfahren durchzuführen. Das Ergebnis dieses Verfahrens stellt die zusammenfassende Darstellung der Umweltauswirkungen dar ( § 11 UVPG).

Überschneidungen zur Umweltprüfung im Rahmen der Bauleitplanung gemäß § 2 Abs. 4 BauGB sind zu vermeiden. § 17 Abs. 3 UVPG bestimmt dazu, dass die Prüfung im Rahmen des § 2 Abs. 4 BauGB grundsätzlich vorrangig ist. Wenn eine Umweltverträglichkeitsprüfung bereits in einem Aufstellungsverfahren für einen Bebauungsplan durchgeführt wurde, ist im nachfolgenden Zulassungsverfahren die Umweltverträglichkeitsprüfung auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen des Vorhabens zu beschränken ( § 17 Abs. 3 UVPG). Eine vorhabenbezogene Umweltverträglichkeitsprüfung hat deshalb auch nach Durchführung einer Umweltprüfung im Rahmen des Bauleitplanverfahrens eine eigenständige Bedeutung, wenn zwischen Umweltprüfungen im Rahmen von § 2 Abs. 4 BauGB und der Erteilung der Baugenehmigung ein längerer Zeitraum liegt. Eine eigenständige Bedeutung hat die vorhabenbezogene Umweltverträglichkeitsprüfung darüber hinaus, wenn das Vorhaben im Rahmen der Bauleitplanung nur in den Grundzügen geprüft wurde. In diesem Fall kann aufgrund der exakteren Angaben im Rahmen der Baugenehmigung genauer beurteilt werden, welche Auswirkungen mit dem Vorhaben verbunden sind.

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Sortimentsliste Anlage 1

Die nachfolgenden Listen enthalten eine Aufstellung von zentrenrelevanten beziehungsweise nichtzentrenrelevanten Sortimenten. Die Listen folgen der Klassifizierung der Wirtschaftszweige (WZ) in der jeweils geltenden Fassung.

Hinweis:

Diese Klassifizierung ist für statistische Zwecke geschaffen worden. Sie bietet jedoch den besten Bezugspunkt für die Einteilung von bestehenden Sortimenten. Allerdings sind einzelne Warengruppen dieser statistischen Einteilung in die Systematik relevanter Sortimente nicht einzuordnen. Deshalb sind die jeweils betroffenen Warengruppen als ausdrücklich zentrenrelevant oder nichtzentrenrelevant gesondert benannt worden.

1 Zentrenrelevante Sortimente *
1.1 Zentrenrelevante Sortimente für die Nahversorgung
52.11/52.2 Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren
52.3 Apotheken, medizinische, orthopädische und kosmetische Artikel
52.47 Bücher, Zeitschriften, Zeitungen, Schreibwaren und Bürobedarf
1.2 Übrige zentrenrelevante Sortimente
50.40.3 Krafträder, Kraftradteile und -zubehör
52.41 Textilien
52.42 Bekleidung
52.43 Schuhe und Lederwaren
52.44.2 Beleuchtungsartikel
52.44.3 Haushaltsgegenstände
52.44.4 Keramische Erzeugnisse und Glaswaren
52.44.6 Holz-, Kork-, Flecht- und Korbwaren
52.44.7 Heimtextilien
52.45 Elektrische Haushaltsgeräte, Geräte der Unterhaltungselektronik und Musikinstrumente
52.48.2 Kunstgegenstände, Bilder, kunstgewerbliche Erzeugnisse, Briefmarken, Münzen und Geschenkartikel
52.48.5 Uhren, Edelmetallwaren und Schmuck
52.48.6 Spielwaren
52.49.1 Blumen, Pflanzen und Saatgut, ausgenommen Beetpflanzen, Wurzelstöcke und Blumenerde
52.49.2 Zoologischer Bedarf und lebende Tiere
52.49.4 Foto- und optische Erzeugnisse (ohne Augenoptiker)
52.49.5 Computer, Computerteile, periphere Einheiten und Software
52.49.6 Telekommunikationsendgeräte und Mobiltelefone
52.49.7 Fahrräder, Fahrradteile und -zubehör
52.49.8 Sport- und Campingartikel (ohne Campingmöbel), ausgenommen Sport- und Freizeitboote und Zubehör
52.49.9 Sonstiger Facheinzelhandel, ausgenommen Büromöbel und Brennstoffe
52.5 Antiquitäten und Gebrauchtwaren
2 Nichtzentrenrelevante Sortimente
50.10.3 Kraftwagen
50.30.3 Kraftwagenteile und Zubehör
51.15.4 Aus dieser Unterklasse: Garagen, Gewächshäuser, Gerätehäuschen und Baubuden
51.53.7 Aus dieser Unterklasse: Sanitärkeramik
52.44.1 Wohnmöbel
52.46.1 Eisen-, Metall- und Kunststoffwaren
52.46.2 Anstrichmittel
52.46.3 Bau- und Heimwerkerbedarf
52.48.1 Tapeten- und Bodenbeläge
52.49.1 Aus der Unterklasse Blumen, Pflanzen und Saatgut:
Beetpflanzen, Wurzelstöcke und Blumenerde
52.49.8 Aus der Unterklasse Sport- und Campingartikel:
Sport- und Freizeitboote und Zubehör
52.49.9 Aus der Unterklasse Sonstiger Facheinzelhandel:
Büromöbel und Brennstoffe
51.51.3 Mineralölerzeugnisse
*) Gruppen/Klassen gemäß "Klassifikation der Wirtschaftszweige", Statistisches Bundesamt, 2003

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Arbeitshilfe/Checkliste für Gutachten betreffend großflächige Einzelhandelsvorhaben Anlage 2

I. Projektbeschreibung

II. Derzeitige Kaufkraftdaten für Standort, Einzugsbereich und zentralörtlichen Verflechtungsbereich

III. Versorgungsgrad/Versorgungssituation der Bevölkerung im Einzugsbereich und im zentralörtlichen Verflechtungsbereich

IV. Angebotslücken nach Sortimenten und nach Standorten im zentralörtlichen Verflechtungsbereich

V. Kennziffern der geplanten Projekte nach Sortimenten

VI. Auswirkungen im Einzugsbereich beziehungsweise zentralörtlichen Verflechtungsbereich und in konkurrierenden Standorten

  1. Ökonomische Auswirkungen
  2. Raumordnungspolitische Auswirkungen
  3. Städtebauliche Auswirkungen
  4. Verkehrliche Auswirkungen
  5. Auswirkungen auf Umwelt, Naturhaushalt, Orts- und Landschaftsbild

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1) http://www.bmvbs.de/Anlage/original_12334/Bericht-der-Expertenkommission.pdf

ENDE

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