umwelt-online: BGV B5 Explosivstoffe (8)
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Beispielsammlung zu den Gefahrgruppen 1.1 bis 1.4  Anhang 2
(zu Anlage 2)

Nachstehende Beispiele sollen Zeigen, welche Explosivstoffe zu den einzelnen Gefahrgruppen gehören können. Die Festlegung der Gefahrgruppen allein aufgrund des Vergleiches eines Explosivstoffes mit den nachfolgenden Beispielen ist allerdings nicht zulässig. Für die Zuordnung zu den Gefahrgruppen ist Abschnitt 1 der Anlage 2 verbindlich.

Vorbemerkung

Einige Explosivstoffe sind unter mehreren Gefahrgruppen aufgeführt, weil sie trotz gleicher Bezeichnung unterschiedliche Wirkungen haben. Auch einige der übrigen aufgeführten Explosivstoffe können aus gleichem Grunde auch noch zu anderen Gefahrgruppen gehören. Die Bezeichnung ist für das Zuordnen zu einer Gefahrgruppe nicht entscheidend. Das ist besonders dann der Fall, wenn Gattungsbezeichnungen verwendet werden.

Der Einschluß eines sich im Herstellungs- oder Verarbeitungsprozeß befindlichen oder verpackten Explosivstoffes kann entscheidenden Einfluß auf seine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gefahrgruppe haben.

Beispielsammlung pyrotechnischer Sätze und Gegenstände

Zusammenstellung von repräsentativen Beispielen und beispielhafte Beschreibungen der Änderung der Gefahrgruppen während der Herstellung

Während der Herstellung pyrotechnischer Sätze und Gegenstände ändert sich häufig die Gefahrgruppe ein und desselben Satzes oder Gegenstandes in Abhängigkeit seines jeweiligen Zustandes. Sie wird durch Parameter, Z.B. Mischphase, loser Satz, feuchter Satz, Trocknen, Menge, Verdichten, offene Anzündstelle und Konfektionierungsgrad beschrieben. Bei der Herstellung von Satz oder Baugruppe spielt außerdem der jeweilige Einschluß des Satzes eine entscheidende Rolle. Diese Gefahrgruppenbetrachtung ist streng arbeitsplatzbezogen und benutzt die Gefahrgruppen 1.1 bis 1.4 zur besseren Beschreibung der Gefahr, ohne sie im Sinne der UN-Gefahrguttransportvorschriften oder als Lagergruppen anzusehen.

Die Herstellung von Feuerwerkssternen auf der Basis von Chlorat oder Perchlorat als Hauptoxidationsmittel zusammen mit Naturharzen und farbgebenden Komponenten oder im Falle von Perchlorat auch unter Beimischung von Leichtmetallpulver kann für den vorstehend genannten Zusammenhang als Beispiel dienen. Während der Satzherstellung im trockenen Zustand hat man es je nach Zusammensetzung mit der Gefahrgruppe 1.1 oder 1.3 zu tun. Beim Dragieren mit Wasser oder organischen Lösemitteln liegt 1.3 bis 1.4 vor. Angefeuert und getrocknet sind die Sterne dann in kleiner Menge oder in flacher Schicht 1.3 und können beim Abstellen in z.B. 10-kg-Trommeln wieder als 1.1 angesehen werden.

Die Herstellung eines Lichtsignalsatzes auf der Basis von Alkalinitrat/Magnesiumpulver/Binder ist ein weiteres typisches Beispiel. Während der Mischphase ist die Gefahrgruppe in Abhängigkeit von der Zusammensetzung, der Menge und des Einschlusses bei 1.1 bis 1.3 zu suchen. Beim Verarbeiten und Vereinzeln des Satzes in Sternhülsen ist sicher 1.3 die zutreffende Gefahrgruppe. Beim Verdichten unter der Presse (unter Sicherheit) ist kurzfristig 1.1 mit Splitterbildung die Hauptgefahr, nach dem Verdichten 1.3 und nach dem Verschließen (Laborieren zur fertigen Patrone) bis zum Kal. 26.5 mm von 1.4 als wahrscheinlichster Gefahrgruppe auszugehen.

Explosivstoffe Kann je nach Herstellungs- oder Verarbeitungsprozeß oder Verpackung folgender Gefahrgruppe zugeordnet sein.
1.1 1.2 1.3
Tab. 1 Tab. 2 Tab. 3 Tab. 4 Tab. 5 Tab. 6
Anfeuerungssätze x       x x
Anzünder für Pulverschnüre           x
Anzünder für Treibladung         x x
Anzündhütchen           x
Anzündlitze         x x
Blitzsätze (z.B. Kaliumperchlorat/Aluminium) x          
Bomben mit Sprengladung   x   x    
Brandmunition ohne Zerlegeladung         x  
Detonatoren für Munition x         x
Feuerwerk der Klasse I und II der 1. SprengV           x
Feuerwerk der Klasse III und IV der 1. SprengV x   x   x  
Gefechtsköpfe mit Sprengladung x x        
Geschosse mit Sprengladung, für Geschütze mit einem Kaliber von höchstens 60 mm x   x      
Geschosse mit Sprengladung, für Geschütze mit einem Kaliber von mehr als 60 mm   x   x    
Hagelabwehrraketen x   x      
Hohlladungen x   x      
Kabelschneidvorrichtungen mit Explosivstoff x   x     x
Leinenwurfraketen       x   x
Leuchtsätze (Z.B. Alkali oder Erdalkalinitrat/ Magnesium) x       x  
Leucht- und Signalmunition         x x
Lichtspurpreßkörper         x  
Manöverkartuschen         x x
Minen mit Sprengladung   x   x    
Nebelmunition     x x x x
Nebelsätze         x x
Patronen für Handfeuerwaffen (Z.B. mit Brandgeschoß, Leuchtgeschoß, Vollgeschoß)         x x
Explosivstoffe Kann je nach Herstellungs- oder Verarbeitungsprozeß oder Verpackung folgender Gefahrgruppe zugeordnet sein.
1.1 1.2 1.3
Tab. 1 Tab. 2 Tab. 3 Tab. 4 Tab. 5 Tab. 6
Patronen mit Sprenggeschoß, für Geschütze mit einem Kaliber von mehr als 60 mm x   x      
Patronen mit Sprenggeschoß, für Geschütze mit einem Kaliber von mehr als 60 mm   x   x    
Pulverzündschnüre           x
Pyrotechnische Darstellungsmunition x       x x
Pyrotechnische Übungsmunition     x   x x
Glühsätze x         x
Raketenmotoren, nicht schubfähig x       x  
Trennvorrichtungen mit Explosivstoff           x
Rauchkörper         x x
Rauchsätze (z.B. Farbstoff/ Kaliumchlorat/ Milchzucker)         x x
Schneidladungen x x       x
Schwarzpulver x x     x x
Splitterhandgranaten x x x x    
Sprengbomben   x   x    
Sprenggeschosse x x x x    
Sprengkapseln x         x
Sprengniete mit höchstens 375 mg Satz je Niet           x
Sprengöle x x     x  
Sprengschnüre x         x
Sprengstoffe (gewerbliche und militärische) x x        
Sprengzünder (elektrische Sprengkapseln) x         x
Sternsätze x       x x
Stoppinen x       x  
Treibkartuschen für technische Anwendungen, z.B. für Schußapparate für gewerbliche Zwecke         x x
Treibladungen für Geschütze x       x  
Treibladungspulver x x     x  
Treibsätze für Raketen x x     x  
Übungsraketen       x x  
Verzögerungssätze (z.B. Mennige/ Silicium/ Bleichromat/ Antimon/ Kaliumchlorat)         x x

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Bemerkungen, rechnerische Grundlagen und Literaturhinweise zu Anlage 1
der UVV "Explosivstoffe - Allgemeine Vorschrift -" (BGV C5) 
Anhang 3

Ausgearbeitet von Dr. Pförtner, Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie, 76327 Pfinztal/Berghausen

1 Einleitung

Explosivstoffe sind Stoffe, die allein oder in Gemischen als Sprengstoff, Treibstoffe (Schießstoffe), Zünd- und Anzündstoffe sowie als pyrotechnische Sätze verwendet werden. Sie können sich je nach der Zusammensetzung und den Randbedingungen auf verschiedene Weise chemisch umsetzen, was sich sowohl in der Umsetzungsgeschwindigkeit als auch in der Wirkung auf die Umgebung äußert.

1.1 Detonation

Eine Detonation ist eine im Explosivstoff mit Überschallgeschwindigkeit ablaufende chemische Reaktion, bei der in sehr kurzer Zeit beträchtliche Energiemengen frei werden. In einer eng begrenzten Zone entstehen Gas- und Wärmemengen, die nicht schnell genug abgeführt werden können, so daß Drücke von mehr als 200 kbar und Temperaturen von einigen Tausend K auftreten. Infolge des sehr steilen Druckanstiegs in dieser Zone werden selbständig sich fortpflanzende Druckstöße ausgebildet, die als Stoßwellen bezeichnet werden und die eng mit der chemischen Reaktion gekoppelt sind.

Die Wirkung einer Detonation auf die Umgebung ist vor allem auf die durch die Druckstöße in der Luft induzierten Luftstoßwellen zurückzuführen. Der Druck der expandierenden heißen Gase ist demgegenüber gering.

1.1.1 Sympathetische Detonation

Eine sympathetische Detonation ist die primäre, gleichzeitig erfolgende Übertragung einer Detonation auf eine benachbarte Explosivstoffmenge. Die Übertragung erfolgt durch Stoßwellen, Schwaden und Wurfstücke. Der Übertragungsabstand hängt neben der Empfindlichkeit vor allem von der Umhüllung und der Menge des gefährdeten Explosivstoffes sowie möglichen Schutzmaßnahmen ab.

Im allgemeinen ist in Gebäuden nur innerhalb des Kraters mit einer sympathetischen Detonation zu rechnen. Je nach Untergrund liegt der Kraterradius bei Gebäuden zwischen 0,3-0,6 × M1/3 (M = Explosivstoffmenge in kg). Im allgemeinen kann bei armiertem Beton mit einem Wert von etwa 0,5 × M1/3 gerechnet werden.

1.2 Deflagration

Unter der Deflagration eines Explosivstoffes versteht man eine mit großer Geschwindigkeit, jedoch im Unterschallbereich ablaufende chemische Reaktion, die unter bestimmten Bedingungen (Einschluß, kritische Masse) auch in eine Detonation übergehen kann. Im Gegensatz zur Detonation ist daher die Deflagration kein mit konstanter Geschwindigkeit ablaufender Vorgang. Durch die Bildung von Zündnestern (Z.B. in Haufwerk) kann die Umsetzungsgeschwindigkeit auch hier beträchtliche Werte annehmen (bis ca. 103 m/s). Die Wirkung einer Deflagration ist im allgemeinen auf den Druck der expandierenden Gase und die zum Teil beträchtliche Flammenbildung zurückzuführen. Stoßwellen können nur dann auftreten, wenn der sich unter Einschluß aufbauende Druck plötzlich entlastet wird. Die Drücke erreichen dabei aber nicht die Werte einer detonativen Stoßwelle.

1.3 Abbrand

Ein Abbrand ist die ähnlich einer normalen Verbrennung relativ langsam ablaufende Reaktion eines Systems, in dem der zur Umsetzung benötigte Sauerstoff ganz oder teilweise bereits enthalten ist.

Hinsichtlich der Wirkung eines Abbrandes ist nur die Flammenausbreitung zu berücksichtigen. Unter bestimmten Bedingungen kann aber auch ein Abbrand in eine Deflagration und weiter in eine Detonation übergehen.

2 Widerstandsfähigkeit von explosivstoffgefährdeten Gebäuden

Neben der Bauweise bzw. dem statischen Auslegungsdruck eines Gebäudes hängt dessen Widerstandsfähigkeit davon ab, ob das Bauwerk von innen oder von außen beansprucht wird, und welche der unter Abschnitt 1 genannten Vorgänge für die Beanspruchung maßgeblich sind, d.h. welche Druck/Zeit-Charakteristik die sich unter Umständen ausbildenden Drücke besitzen. Liegt ein hoher Druck für eine sehr kurze Zeit am Gebäude an, so spricht man von Impulsbelastung, bei der die Dauer der positiven Druckphase kleiner als die Eigenschwingdauer des beanspruchten Systems ist. Demgegenüber liegt eine quasistatische Beanspruchung vor, wenn ein niedriger Druck über eine relativ lange Zeit einwirkt, so daß die positive Druckphase größer als die Eigenschwingdauer wird. Insbesondere die Impulsbelastung wird auch als dynamische Beanspruchung bezeichnet, bei der die Druckresistenz eines Bauwerks ein Vielfaches seiner statischen Belastbarkeit betragen kann.

2.1 Widerstandsfähigkeit von Bauwerken bei innerer Beanspruchung

Die im Falle der Umsetzung einer Explosivstoffmenge auf ein umgebendes Bauwerk eintretende Wirkung wird entscheidend durch deren Massendurchsatz m (kg/s) bestimmt, der durch die lineare Umsetzungsgeschwindigkeit r(m/s), die Dichte ρ (kg/m3) und die reagierende Oberfläche a (m2) des Explosivstoffes gegeben ist:

Da die reagierende Fläche nicht von vornherein festgelegt werden kann - (a kann um Größenordnungen schwanken) -, ist es zweckmäßig, den flächenbezogenen Massendurchsatz als charakteristische Größe einzuführen, wobei die Dichte im allgemeinen zwischen 1 und 2 . 10~ liegt. Damit ergeben sich für die verschiedenen Vorgänge größenordnungsmäßig die in der folgenden Tabelle zusammengestellten Werte (Fußnote 6):

Vorgang Lineare Umsetzungsgeschwindigkeit
(m/s)
flächenbezogener Massendurchsatz m/a (kg/s × m2)
I. Abbrand und langsame
Deflagration
< 10-1 < 102
10-1- 10 102 - 104
II. schnelle Deflagration 10 - 102 104 - 106
III. Detonation 10-103 > 106

Der Vorgang 1. führt vorwiegend nur zu einer Temperaturbelastung des Bauwerkes. Der Gasdruck kann durch Entlastungsöffnungen, wie Fenster, Türen oder Ausblasewände, abgebaut werden. Eine widerstandsfähige Bauweise ist somit grundsätzlich gegeben.

Bei einem Vorgang II. kann die Druckentlastung bereits Schwierigkeiten bereiten. Die Druckbelastung nimmt zunehmend dynamischen Charakter an. Jedoch ist auch hier bei entsprechender Auslegung (Auslegungsdruck, Entlastungsöffnungen) selbst für größere Explosivstoffmengen eine widerstandsfähige Bauweise grundsätzlich möglich. Eine Druckentlastung ist hier von besonderer Bedeutung, um den möglichen Übergang der Deflagration in eine Detonation zu verhindern.

Der Vorgang III. unterscheidet sich prinzipiell von den Vorgängen 1. und II., da die eintretende Wirkung nur von der Druck/Zeit-Charakteristik der sich bildenden Stoßwellen abhängt.

Eine Entlastung des Bauwerks durch Ausblaseöffnungen ist für den Primärvorgang nicht möglich. Das Bauwerk oder einzelne Elemente sind der Stoßwelle zwar nur kurzzeitig aber voll ausgesetzt. Zur Reduzierung der im Innern des Bauwerks auftretende Mehrfachreflexionen, die eine noch stärkere Beanspruchung zur Folge hätten, sind bei kleinen Mengen aber auch hier Ausblaseflächen durchaus sinnvoll.

Zur Berechnung der Auslegung detonativ beanspruchter Räume wurden in der Vergangenheit zahlreiche Lösungen vorgeschlagen (Fußnoten 1 bis 4). Ein Vorschlag (Fußnoten 1 und 2) geht dabei zurück auf die Energiezustandsgleichung für Gase

E = (p× V)/(γ -1)

unter der Annahme, daß die bei der Expansion der Gase freiwerdende Energie E (kJ) gleichmäßig das Raumvolumen V (m3) ausfüllt. So wird mit der Verhältniszahl γ der spezifischen Wärmen cp/cv für Luft mit γ = 1,4 und E = M × Q

M/V = p/(0,4× Q) × 102

mit M der Explosivstoffmasse in kg, dem Auslegungsdruck p in Bar und der Explosionswärme Q in kJ/kg. Diese Beziehung gilt jedoch streng nur für geschlossene Räume, in denen sich dieser statische Druck einstellen kann.

Eine weitere Beziehung (Fußnote 3) wird mit

p = K1 × (M/V)a

angegeben, die für teilweise entlastete Räume gelten soll, wobei p einen mittleren Druck darstellt. K1 und a sind Konstanten, die die Werte 22,5 bzw. 0,72 besitzen, wenn M in kg, V in m3und p in Bar eingesetzt werden. Eine Analyse zeigt, daß die sich so ergebende Belegungsmenge bei bedingter Wiederverwendbarkeit des Gebäudes mit dem Faktor 3,5 multipliziert werden kann, wenn für p der Auslegungsdruck zugrundegelegt wird.

Zur Berechnung eines Vergleichsdruckes bzw. der maximalen Belegungsmenge kann auch die Beziehung

P = (K2 × M) / V

verwendet werden (Fußnote 4), wobei K2 für geschlossene Räume und TNT einen Wert von etwa 86 und für Ammongelite von etwa 30 annimmt, wenn M in kg, V in m3 und p in Bar eingesetzt werden. Hier scheint bei TNT-ähnlichen Stoffen p mit dem Druck der einfallenden Stoßwelle übereinzustimmen, der sich unter Verwendung von Bild 1 berechnen läßt.

Weiter kann auch die im folgenden Abschnitt aufgezeigte Methode unter Berücksichtigung des Wandwiderstandes R zur Berechnung der Widerstandsfähigkeit eines Gebäudes bei Innenbelastung herangezogen werden. Der daraus resultierende quasistatische Berstdruck als Funktion des massennormierten Abstandes R/M113 ist ebenfalls in Bild 1 eingezeichnet.

Als Beispiel sei ein Raum mit einem Auslegungsdruck von 1 bar und den Abmessungen 4 m x 4 m x 3 m = 48 m3 betrachtet:

1. M = (1,0 × 48) / (0,4 × 4700) = 2,55 kg

2. M = (1,0/22,55)1/0,72 × 48 × 2,22 kg

3. Betrachtet man TNT, so ist K2 = 86. Für pst = 1,0 bar ergibt sich aus Bild 1 der Druck der einfallenden Stoßwelle pe = 4,3 bar

M = (4,3 × 48) / 86 = 2,40 kg

4. Der pr = 17,2 bar zugeordnete massennormierte Abstand (Bild 1) ist R/M1/3 = 1,45 m/kg1/3. Bei einem Wandabstand von R = 2m (Raummitte) wird in guter Übereinstimmung mit vorstehenden Beispielen M = 2,62 kg.

Bei konventioneller Bauweise (Z.B. Wohngebäude) mit einem Auslegungsdruck von 0,3 bar ergeben sich mit den genannten Formeln maximale Belegungsmengen von etwa 0,01 kg Sprengstoff pro m3 umbauten Raumes. Entsprechend könnten Gebäude mit einem Auslegungsdruck von 2 bar bei einer Belegungsmenge von etwa 0,1 kg/m3 noch widerstandsfähig gebaut werden. Bei ausreichender Entlastung der Gebäude können diese Mengen bis zur Zerstörung noch um den Faktor 2 erhöht werden. Eine widerstandsfähige Bauweise für noch höhere Belegungsmengen (ca. 2 kg/m3) ist nur mit Spezialbauwerken (Z.B. Spannbetonrohren) möglich. In allen Fällen sollte der Abstand zwischen der Explosivstoffmenge und den Wänden mindestens 1 m betragen.

Eine umfassende Übersicht über verschiedene Bauweisen, maximale Belegungsmengen, Wandabstände und die damit verknüpfte Wirtschaftlichkeit eines widerstandsfähigen Bauwerkes gibt "Structures to Resist the Effects of Accidental Explosions", in dem auch die verschiedenen Beanspruchungsparameter eingehend diskutiert werden (Fußnote 7).

Eine Übersicht über Bauweisen, Belegungsmengen und Abstände bei Explosivstoffen der Gefahrgruppe 1.2 und 1.3 findet man bei (Fußnote 8).

2.2 Widerstandsfähigkeit von Bauwerken bei äußerer Beanspruchung

Alle bei innerer Beanspruchung widerstandsfähigen Gebäude können auch bei vergleichbarer äußerer Beanspruchung als widerstandsfähig betrachtet werden, wenn eine Bewehrung vorliegt, die sowohl die innen als auch die außen wirkenden Beanspruchungen berücksichtigt. Speziell bei detonativ dynamischer Belastung von außen hängt die Widerstandsfähigkeit eines Bauwerkes ab von dessen statischem Auslegungsdruck sowie von dem reflektierten Druck bzw. dem Impuls der senkrecht auftreffenden Stoßwelle. Unter Berücksichtigung einer gewissen plasto-elastischen Verformung des Bauwerkes ergeben vergleichende Untersuchungen bei quasistatischer und detonativ dynamischer Beanspruchung den empirischen Zusammenhang zwischen dem statischen Auslegungsdruck pst und dem senkrecht-reflektierten Stoßdruck pr

pst = 0,15 pr2/3,

so daß bei Kenntnis des Auslegungsdruckes die Widerstandsfähigkeit des Bauwerkes bei detonativ dynamischer Belastung von außen abgeschätzt werden kann. Die folgende Tabelle gibt einen Zumindest qualitativen Überblick über die Widerstandsfähigkeit verschiedener Bauarten bei statischer und detonativ dynamischer Beanspruchung:

Gebäudeart Widerstands-
fähigkeit bei quasistatischer Beanspruchung
(bar)
senkrecht-
reflektierter Stoßdruck
(bar)
Gebäude in leichter Bauart
Zelte 0,01 0,01
Gebäude aus Holz und leichten Bauelementen (Strohpreßplatten, Gipsplatten, Gasbeton usw.) 0,1 0,5
Gebäude in schützender Bauart
Gebäude in Skelettbauweise Skelett: 0,5-1,0 6-15
Ausfachung:
Leichtbauplatten 0,1 0,5
Normalbeton, Ziegelwand 0,25 2,0
Gebäude in Stahlbetonbauweise 1-2 15-50
Gebäude in erdüberdeckter Stahlbetonbauweise 2-3 50-100
Gebäude aus Wellstahlgewölbe in erdüberdeckter Bauweise 6 250
Gebäude in widerstandsfähiger Bauart
Gebäude in spezialarmiertem Stahlbeton als raumstabiles Bauwerk bei statischem Nachweis 2-5 50-200
Gebäude aus Stahl entsprechend dem statischen Nachweis

Weiterhin ist der senkrecht-reflektierte Stoßdruck mit dem Abstand R und der Explosivstoffmenge M über die Druckausbreitungsfunktion verknüpft, die durch

R = k' × M1/3/ prn

näherungsweise beschrieben werden kann (Fußnoten 5 und 6). Je nach Druckbereich können für die Parameter k' und n in guter Näherung die in der folgenden Tabelle zusammengestellten Werte eingesetzt werden:

Druckbereich des senkrechtreflektierten
Stoßdrucks (Bar) k' n
0,01 -0,3 3,05 0,82
0,3-1,0 3,80 0,63
1,0-100 3,80 0,33
100-1000 9,00 0,51

Damit ist aber der Schutzabstand zwischen einem detonierenden, explosionsgefährlichen (Donator-) und einem explosionsgefährdeten (Akzeptor-) Gebäude prinzipiell gegeben, wenn k = k'/prn in die Abstandsformel R = k × M1/3 eingesetzt wird.

Bei besonderen Schutzmaßnahmen kann die obige Gleichung modifiziert werden:

R = [1 - (C1 + C2)]n k'× M1/3/prn

wobei C1 den Dämpfungsfaktor des Donator- und C2 den des Akzeptor-Systems darstellen.

Gleichermaßen kann diese Formel auch verwendet werden, wenn die Wirkung in Ausblaserichtung abgeschätzt werden soll; hier ist dann C1 negativ einzusetzen, da in Ausblaserichtung mit einer höheren Wirkung zu rechnen ist.

Experimentelle Untersuchungen zeigen, daß für ausreichend erdüberdeckte Bauwerke die Dämpfungsfaktoren mit etwa C = 0,3 angesetzt werden können. Eine Umwallung stellt hinsichtlich der Stoßwellenausbreitung nur bedingt eine Schutzmaßnahme dar. Bedeutung besitzt sie im wesentlichen nur zum Schutz vor Wurfstücken.

Weiter Zeigen die Untersuchungen, daß in Ausblaserichtung mit Vorwall die Wirkung unter einem Öffnungswinkel von ca. 60° etwa 30 % höher liegt, so daß in der obigen Gleichung C1 = 0,3 einzusetzen wäre.

Als Beispiel sei ein erdüberdecktes Gebäude mit einem Auslegungsdruck von 2 bar betrachtet, welches sich in Nachbarschaft zu einem ebenfalls erdüberdeckten Donatorgebäude befindet. Für pst = 2 bar ergibt Bild 1 pr = 50 bar. Mit k' = 3,80, n = 0,33 sowie C1 und C2 = 0,3 wird

R = 0,77M1/3,

was mit dem vorgeschlagenen Lager-Lager-Abstand von R = 0,8 M1/3 ausreichend übereinstimmt.

In den bei gegebenem Auslegungsdruck resultierenden Abständen kann ein explosionsgefährdetes Gebäude zwar noch beschädigt, nicht aber zerstört werden. Insbesondere wird eine sympathetische Detonation verhindert, wenn sich in dem benachbarten Gebäude ebenfalls detonationsfähige Stoffe befinden.

Die vorstehenden Überlegungen sind sinngemäß auch auf einzelne Bauelemente zu übertragen, die jedoch aufgrund der geringeren Versteifung einen kleineren "Auslegungsdruck" und somit eine geringere Widerstandsfähigkeit gegenüber kubischen Bauwerken besitzen.

Bild 1: Berstdruck sowie Druck von einfallender und senkrechtreflektierter Stoßwellen in Abhängigkeit vom masseeskalierten Abstand

Auf Angaben über Druck- und Flammenausbreitungen bei Gebäuden mit bestimmten pyrotechnischen Sätzen wird verwiesen (Fußnoten 9 und 10).

3 Bauarten im gefährlichen Betriebsteil

Für die Errichtung von Gebäuden im gefährlichen Betriebsteil ergeben sich verschiedene Bauweisen, wobei im gefährlichen Betriebsteil allerdings berücksichtigt werden muß, daß ein gefährliches Gebäude im allgemeiner auch gefährdet sein kann.

Die leichte Bauart ist daher nur für Gebäude mit Explosionsgefahr, nicht aber für explosionsgefährdete Gebäude geeignet, da sie gegenüber äußerer Einwirkungen nicht widerstandsfähig ausgelegt sind, wenn nicht durch ausreichend große Abstände ein Schutz gewährleistet ist. Als Gebäude mit Explosionsgefahr besitzt diese Bauart jedoch den Vorteil, daß im Ereignisfall keine großen und schweren Wurfstücke gebildet werden.

Ähnliches gilt auch für Gebäude in Ausblasebauart mit leichter Dachausführung.

Bei Gebäuden in Ausblasebauart mit schwerer Dachausführung ist durch die Widerstandswände und das Widerstandsdach bereits ein gewisser Schutz gegen Einwirkung von außen gegeben. Dies gilt auch für die Skelettbauweise mit schwerer Dachausführung. Solche Gebäude eignen sich besonders zur Druckentlastung bei Deflagrationen.

Bei Gebäuden in Reihenbauweise in Form aneinandergereihter Einzelgebäude müssen die Zwischenwände als Widerstandswände ausgebildet oder durch dazwischen liegende ungefährliche Räume ausreichende Abstände gegeben sein, da sonst eine Übertragung zum Nachbarraum erfolgen könnte.

Diese Bauart kann jedoch auch für größere, insbesondere detonationsfähige Explosivstoffmengen dahingehend modifiziert werden, daß die Wände zum Nachbarraum in sogenannter Sandwich-Bauweise errichtet werden, bei der zwischen zwei Wänden eine entsprechend dimensionierte Sandfüllung liegt. Für detonationsfähige Stoffe sollte der Abstand zwischen den Wänden zur Verhinderung einer sympathetischen Detonation den Wert R = 0,6 - M1/3 nicht unterschreiten. Zur Beurteilung des Schutzes von Personen vor Explosionen und Bränden in Nachbarboxen sind zusätzlich besondere Betrachtungen erforderlich.

Für gefährdete Gebäude haben sich besonders Gebäude in Ausblasebauart mit schwerer Dachausführung und die erdüberdeckte Bauart bewährt, da nur sie einen ausreichenden Schutz gegen eine äußere Beanspruchung bieten, wenn nicht große Sicherheitsabstände in Kauf genommen werden sollen. Nachteilig wirken sich diese Bauarten bei Verwendung als Gebäude mit Explosionsgefahr durch die Bildung großer und schwerer Wurfstücke aus, die eine zusätzliche Gefährdung der Umgebung darstellen. Die in explosivstoffgefährdeten Betrieben zwischen benachbarten Gebäuden oder Räumen einzuhaltenden Abstände hängen demnach nicht nur von der Menge und der Art des Explosivstoffes bzw. dessen Umsetzungsgeschwindigkeit, sondern auch von der Bauweise und der Anordnung der Gebäude untereinander ab. Bei den in Anlage 2 tabellierten Sicherheitsabständen sind diese Einflußgrößen entsprechend berücksichtigt.

4 Literaturauswahl

1) Petes, J. Annals of the New York Acad. of Sci., 152, Art. IV (1968) 283-316.
2) Filler, W.S. 6. Sympos. (Int.) on Comb. (1957) 648-657.
3) Weibull, H.R.W. Annals of the New York Acad. of Sci., 152, Art. I (1968) 357-361.
4) Loving, F.A. Ind. Engng. Chem., 49, (1957) 1744-1746.
5) Pförtner, H. Vortrag ICT-Jahrestagung 1970, 243-263.
6) Diepold,
W. Pförtner, H.
Hommel, H.
Explosivstoffe 2, (1970) 25-38 sowie ICT-Bericht 1/70 mit Ergänzung.
7) Dobbs, N.
Caltagirone, JP.
Structures to Resist the Effects of Accidental Explosions Special Publication ARLCD-SP-84001 AD a 187 052 Dec. 1987.
8) N.N. "Handbuch der NATO-Sicherheitsgrundsätze für die Lagerung von Munition und Explosivstoffen" AC/258-D/258.
9) Treumann, H.
Andre, H.
Blossfeld, E.
Pfeil, N.
Zindler, M.-M.
Brand- und Explosionsgefahren explosionsgefährlicher Stoffe bei Herstellung und Lagerung -Modellversuche mit pyrotechnischen Sätzen und Gegenständen
BAM Forschungsbericht 118, Oktober 1985, 1-175
10) Wild, R. J. of Hazardous Materials, 7, (1982) 75-79.

ENDE

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