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4.13 Kombination mit Brillen oder anderen persönlichen Schutzausrüstungen

Als Kombinationen zum Gehörschutz werden insbesondere Schutzbrillen, Schutzhelme sowie Atem- und Gesichtsschutz verwendet. Müssen außer Gehörschützern solche zusätzlichen Schutzausrüstungen bzw. Ausrüstungen am Kopf getragen werden, ist darauf zu achten, dass

In den meisten Fällen sind daher Gehörschutzstöpsel zu bevorzugen.

Brillenbügel sollen möglichst flach sein. Kapselgehörschützer mit breiten und weichen Kissen sind zu bevorzugen.

5 Anatomie und Physiologie des Außenohres in Bezug auf die Gehörschützer-Anwendung

Das äußere Ohr umfasst die Ohrmuschel und den Gehörgang. Die Ohrmuschel besteht aus einem von Haut bedeckten, elastischen Knorpelgerüst und weist ein charakteristisches Relief auf, das am freien Rand von der Helix beginnend und nach ventral gerichtet von Antehelix, Antitragus, Cavitas conchalis und Tragus gebildet wird. Das kaudal angrenzende Ohrläppchen ist knorpelfrei und beinhaltet nur Fett- und Bindegewebe.

Der ca. 2,5 cm lange, gekrümmte Gehörgang setzt sich aus einem äußeren, knorpeligen Teil und einem kürzeren, inneren und knöchernen Anteil zusammen. Der äußere, knorpelige Gehörgang verjüngt sich trichterförmig nach innen und hat am Übergang zum knöchernen Anteil seine engste Stelle (Isthmusbereich). Die Weite des Gehörganges ist individuell sehr unterschiedlich, liegt jedoch im Mittelwert im Eingangsbereich um 9 bis 11 mm und im Isthmusbereich um 5 bis 7 mm Durchmesser.

Die bedeckende, sehr dünne Haut des knöchernen Gehörganges ist mit dem Periost verwachsen und weist keine Anhangsgebilde auf. Das Gehörgangsepithel des knorpeligen Abschnittes enthält ekkrine Talgdrüsen, apokrine Zeruminaldrüsen und Haarbälge. Zerumen (Ohrenschmalz) ist ein Gemisch aus dem Sekret der Drüsen, Detritus, abgeschilferter Epithelien mit Pigmentkörnchen, abgestoßener Haare und exogener Verunreinigungen. Dieses Konglomerat kann zu einem schalldichten Gehörgangsverschluss (Zeruminalpfropf) führen. Der Fett- und Säureschutzfilm des Gehörganges ist ebenso wie die Zerumenbildung Teil eines funktionierenden Abwehr- und Selbstreinigungsmechanismus der Gehörgangshaut. Die Lymphgefäßversorgung der Ohrmuschel und des knorpeligen Gehörgangsabschnittes ist sehr ausgeprägt, ebenso wie das angrenzend regionäre Lymphknotennetz. Lokale Infektionen können daher in diesem Bereich zu ausgeprägten, dolenten Schwellungen führen.

Die Querschnittsform des äußeren Gehörganges ist selten rund, viel häufiger ellipsenförmig. Unter Berücksichtigung der zusätzlichen Gehörgangskrümmung, wird offensichtlich, dass bei Einsetzen von runden und "starren" Gehörschutzstöpseln die Entstehung von schmerzhaften Druckstellen möglich wird. Daher kann die Verwendung von individuell angepassten oder weichen Gehörschutzstöpseln bzw. von Kapselgehörschützern angezeigt sein.

Gehörschutzstöpsel, die den Gehörgang nahezu luftdicht abschließen und damit jede Ventilation unterbinden, schaffen außerdem eine sogenannte "feuchte Kammer" im hinteren Gehörgangsabschnitt, die eine sekundäre Besiedlung mit z.B. Pilzen begünstigt.

Schalldichte, aber nicht luftdichte Stöpsel sollten daher optimalerweise verwandt werden (siehe Abschnitt 3.1.2). Kapselgehörschützer können nur dann eine optimale Schalldämmung entfalten, wenn sie der Haut in der Umgebung der Ohrmuschel dicht anliegen. Reduzierte Schalldämmung ist bei mangelnder Auflage infolge großer Ohrmuscheln, von Haaren zwischen Dichtungskissen und Haut und kantiger Gesichtskontur im Kiefergelenksbereich zu erwarten.

Das dem äußeren Ohr angrenzende Mittelohr besteht unter anderem aus Trommelfell, Paukenhöhle und Gehörknöchelchenkette (Hammer, Amboss, Steigbügel). Die "Belüftung" des Tympanons erfolgt via Ohrtrompete (Tuba auditiva eustachii). Damit ist der Ausgleich der Druckverhältnisse zwischen Paukenhöhle und atmosphärischem Luftdruck gewährleistet.

Binaurikuläres Hören gewährleistet einen räumlichen Höreindruck. Von einer Schallquelle ausgehende Schallwellen führen bei Auftreffen auf beide Ohren zu einem "Laufzeitunterschied", aus dem im Rahmen zentraler Schallverarbeitung die Richtung in der horizontalen Ebene erkannt werden kann. Außerdem wird der Schall durch Abschattung am Kopf auf der der Quelle abgewandten Seite mit geringerer Intensität wahrgenommen. Dies ermöglicht die Rechtslinks-Ortung der Schallquelle. Durch Beugung der Schallwellen an der Ohrmuschel und Klanganalyse wird eine Oben- unten- Ortung erreicht.

Dieser räumliche Höreindruck wird durch die Abdeckung der Ohrmuschel z.B. durch Kapselgehörschützer deutlich eingeschränkt bzw. sogar aufgehoben.

6 Hygiene

Bei Benutzung jeglicher Art von Gehörschützern können an diesen Verunreinigungen, z.B. durch Stäube, Schmutz oder Flüssigkeiten, auftreten und Hautreizungen (Irritationsdermatose) provozieren.

Wiederverwendbare Gehörschutzstöpsel erfordern daher eine regelmäßige Reinigung entsprechend der Angaben des Herstellers. Bei Kapselgehörschützern sind insbesondere die Dichtungskissen regelmäßig zu reinigen und gegebenenfalls auszutauschen. Idealerweise sollten zwischen Haut und Dichtungskissen schweißabsorbierende "Einweg-Zwischenlagen" zur Anwendung kommen, die allerdings die Schalldämmung reduzieren können.

Irritationsdermatosen können Wegbereiter ausgedehnter, ekzematöser Veränderungen sein, die eine ärztliche Konsultation unumgänglich machen.

7 Tragen von Hörgeräten und Gehörschützern in Lärmbereichen

Eingeschaltete Hörgeräte, egal welcher Bauart, verstärken nicht nur den "informationshaltigen Schall", sondern auch den Lärm am Arbeitsplatz. Die Qualität und Intensität der Schallübertragung steigt u. a. auch mit der bautechnischen Qualität der verwandten Hörgeräte (digitales Hörgerät, Richtmikrofon).

Grundsätzlich gilt daher die Regel, Hörgeräte während der lärmexponierenden Tätigkeit möglichst nicht zu verwenden. Sofern diese für den Arbeitnehmer im Einzelfall zur Kommunikation mit Kollegen bzw. zur Wahrnehmung von Warnsignalen notwendig sind, sollte ein HNO-Arzt hinzugezogen werden. Es steigt das Risiko einer Hörverschlechterung, falls nicht gleichzeitig die Benutzung von Gehörschutz möglich ist. Kapselgehörschützer können bei eingeschalteten Hörgeräten zu Rückkopplungseffekten führen.

Gleichzeitig soll auch geprüft werden, ob die akustischen Filter der Hörgeräte zum Lärmschutz verwendbar sind, wenn eine Verbesserung der Sprachverständlichkeit im Lärm deutlich erzielbar ist.

8 Sichtprüfung der verwendeten Gehörschützer

Die Beschäftigten sollten den von ihnen verwendeten Gehörschützer zur Vorsorgeuntersuchung mitbringen. Dieser wird bei der Beratung auf seinen Sitz und den einwandfreien Zustand geprüft.

Gehörschützer müssen vom Benutzer vor jedem Gebrauch auf ihren einwandfreien Zustand geprüft werden. Es ist insbesondere zu prüfen

9 Hautreaktionen beim Tragen von Gehörschützern

Alle kunststofftragenden Gehörschützerteile mit Hautkontakt können grundsätzlich zu allergischen Hautreaktionen führen. Restmonomere, Weichmacher, Farbstoffe oder andere Zusatzstoffe führen insbesondere bei individueller Disposition zu Kontaktallergien mit gegebenenfalls nachfolgender bakterieller Superinfektion, die dann als ausgedehntes Hautekzem an Ohrmuschel oder Gehörgang imponieren können.

Eine HNO-ärztliche oder dermatologische Behandlung ist in diesen Fällen dringend geboten. Ein vollständiges Abklingen der Hautreaktion muss abgewartet werden. Da in diesem Zeitraum ein Tragen von Gehörschützern nicht möglich ist, kann eine Tätigkeit im Lärmbereich nicht ausgeübt werden.

Nach Abheilung sind andere Gehörschützer zu erproben. Bei chronischer Unverträglichkeit ist eine dermatologische Allergiediagnostik einzuleiten.

10 Gehörgangsreinigung

Der Gehörgang unterliegt einem physiologischen Selbstreinigungsprozess. Auch die Zerumenbildung ist dabei ein zugehöriger, normaler Vorgang. Bei der Verwendung von Gehörschutzstöpseln kann jedoch durch Zerumenretention eine verstärkte Neigung zur Bildung von Zeruminalpfropfen bestehen.

Die Entfernung von Ohrschmalzpfröpfen ist eine ärztliche Aufgabe, da eine Verlegung des Gehörganges nur durch eine otoskopische oder ohrmikroskopische Untersuchung festgestellt werden kann und das Ergebnis einer Gehörgangssäuberung hinterher ebenfalls otoskopisch kontrolliert werden muss. Die Druckspülung des Gehörganges mit Leitungswasser wird heute nicht mehr durchgeführt, da es zu unkontrollierbaren Schäden des Trommelfells kommen kann, insbesondere wenn eine atrophische Trommelfellnarbe vorliegt oder wenn hinter dem Ohrschmalzpfropf ein Trommelfelldefekt besteht. Dann kann eine Infektion des Mittelohres mit nachfolgender Eiterung auftreten.

Der Arzt entfernt einen Gehörgangspfropf, indem er diesen mit speziellen feinen Instrumenten (Häkchen, Öse, Zängelchen usw.) unter otoskopischer Sicht bzw. unter einem Ohrmikroskop fasst und herauszieht. Bei weichem Ohrschmalzpfröpfen benutzt der Arzt einen feinkalibrigen Metall-Ohrabsauger, mit dem er den Pfropf heraussaugen kann. Wenn die Gehörgangshaut bei derartigen Manipulationen verletzt wird, dann verwendet der Arzt antibiotikahaltige Ohrentropfen oder Salben, um eine Gehörgangsentzündung zu verhindern.

11 Ausgewählte Krankheitsbilder

11.1 Erkrankungen des äußeren Ohres

Am äußeren Ohr können Irritationsdermatosen oder Hautläsionen als Eintrittspforte mit nachfolgender bakterieller oder mykotischer Superinfektion zu einer klinischen Befundkonstellation führen, die eine weitere Verwendung von Gehörschützern vorübergehend unmöglich macht (siehe auch Kapitel 6). Eine grundsätzliche Arbeitsunfähigkeit besteht in der Regel nicht, jedoch ist die Tätigkeit unter Lärmexposition bis zum Abklingen zeitweise auszusetzen. Die gleiche Einschränkung gilt bei vorbestehenden Hauterkrankungen, z.B. Akne, Psoriasis oder verschiedenste Formen von Ekzemen.

Eine Otitis externa diffusa ist typischerweise durch eine entzündliche, dolente Schwellung der Gehörgangshaut mit gegebenenfalls Sekretion von putridem Detritus gekennzeichnet, die zu charakteristischer Otalgie (Ohrmuschelzug- oder Tragusdruckschmerz) und Hörminderung infolge der Gehörgangsverengung bzw. - okklusion führen kann. Häufigste Erreger sind Pseudomonas aeroginosa, Staphylokokken und Proteus mirabilis. Nur in ca. 3 % sind Pilzbesiedlungen (Aspergillus, Mucor) die Ursache einer " Gehörgangsmykose".

Unter einer Otitis externa circumscripta versteht man eine lokale Haarfollikelinfektion im Gehörgang, die durch Staphylokokken verursacht wird.

Als Erysipel bezeichnet man eine Infektion des kutanen Lymphgefäßsystemes durch β-hämolysierende Streptokokken (Gruppe A), deren Eintrittspforte meist kleine, "unscheinbare" Hautläsionen sind. Klinisch imponiert eine scharf begrenzte Rötung und diffuse Schwellung der Haut der gesamten Ohrmuschel und angrenzender Areale.

Differentialdiagnostisch abgrenzbar besteht im Gegensatz dazu bei einer Perichondritis eine diffuse Schwellung und umschriebene Rötung der Haut über dem Knorpelareal unter Aussparung des Lobulus und angrenzender Haut. Die Besiedlung des Perichondriums erfolgt meist durch Pseudomonaden (90%) im Rahmen von Verletzungen des Knorpelgerüstes (Einrisse, Quetschungen, OP, Piercing).

Als einen Zoster oticus bezeichnet man eine nach stattgehabter Windpockeninfektion reaktivierte Virusinfektion mit Varicella zoster. Nach Befall der Nervenganglien erfolgt eine kutane Ausbreitung im zugehörigen Dermatom mit sichtbaren, schmerzhaften Bläschen und Krusten. Begleitende Affektionen des N. facialis oder N. vestibulocochlearis mit resultierender Parese, Hörminderung, Tinnitus oder Schwindel sind möglich.

11.2 Mittelohrentzündungen

Grundsätzlich ist zwischen akuter und chronischer Mittelohrentzündung (MOE) zu unterscheiden.

Akute Mittelohrentzündungen sind durch heftige Otalgie, gegebenenfalls Otorrhoe und Schallleitungsschwerhörigkeit bei erheblicher Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes geprägt. Otoskopisch zeigen sich typische Trommelfellveränderungen wie Rötung, Vorwölbung, verstärkte Gefäßinjektion und gegebenenfalls eine Perforation mit pulsierender Sekretion.

In den meisten Fällen besteht temporäre Arbeitsunfähigkeit. Bis zum vollständigen Abklingen der Symptomatik ist auf das Tragen von Gehörschützern zu verzichten und der Aufenthalt in Lärmbereichen nicht möglich.

Chronische Mittelohrentzündungen treten als sogenannte "chronische Schleimhaut- und Knocheneiterung" auf. Infolge der nur geringen Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes besteht zunächst meist keine Arbeitsunfähigkeit.

Die chronisch epitympanale MOE ("Knocheneiterung") ist mit einer chronischen Mastoiditis vergesellschaftet und durch fötide Otorrhoe bei randständiger Trommelfellperforation, Schallleitungsschwerhörigkeit (gegebenenfalls auch kombinierter Schwerhörigkeit) und meist fehlender Schmerzsymptomatik gekennzeichnet. Eine knochensanierende Operation mit Perforationsverschluss und Gehörknöchelchenkettenaufbau (Mastoidektomie mit Tympanoplastik) ist das therapeutische Mittel der Wahl.

Die chronisch mesotympanale MOE ("Schleimhauteiterung") kann bei ebenfalls fehlender Schmerzsymptomatik, eine unterschiedlich ausgeprägte Schallleitungsschwerhörigkeit mit und ohne Otorrhoe aufweisen. Differential-diagnostisch besteht zur epitympanalen MOE eine zentrale Trommelfellperforation; eine entzündliche Beteiligung des Mastoides ist nicht obligat. Eine operative Intervention im Sinne des Perforationsverschlusses mit gegebenenfalls Gehörknöchelchenkettenaufbau ist auch hier das therapeutische Mittel der Wahl.

Erst nach Abschluss des Heilungsprozesses, in der Regel nach 3 bis 6 Wochen post operationem, bei "trockenem", nicht sezernierendem Lokalbefund ist das Tragen von Gehörschützern wieder möglich. Letztlich sollte die medizinische Entscheidung, ab wann Gehörschützer wieder verwandt werden dürfen, der behandelnde HNO-Facharzt treffen.

Bei unbehandelter, chronischer MOE ohne Otorrhoe ist grundsätzlich das Tragen aller Arten von Gehörschutz möglich. Jedoch sollte bei der Auswahl beachtet werden, das ein Eindringen von Faserresten (Gehörschutzwatte) oder von Schmutzpartikeln (manuelle Kompression nicht vorgeformter Gehörschutzstöpsel) in das Tympanon zu einer Reizung der Mittelohrschleimhaut mit nachfolgender Exazerbation der bislang "ruhenden" MOE und begleitender Otorrhoe führen kann. Bei Kapselgehörschützern ist diese Gefahr insgesamt als geringer einzuschätzen. Generell sollte jedoch bedacht werden, das jeder länger getragene Gehörschutz auch ohne Eindringen von Fremdpartikeln in das Tympanon durch Unterbrechung der "pathologischen Belüftung" via der Trommelfellperforation zu einer Exazerbation der chronischen MOE mit Wiederauftreten der Sekretion führt.

Bei dauernder oder intermittierender Otorrhoe ist das Tragen von Gehörschützern ohnehin nicht zu empfehlen.

Eine kausale, HNO-fachärztlich durchgeführte Therapie ist daher bei jeder Form der chronischen MOE immer dringend anzuraten.

11.3 Schallleitungsschwerhörigkeiten

Jede reine Schallleitungsschwerhörigkeit führt infolge der Übertragungsstörung des gesamten Schallfrequenzspektrums zu einem Verlust von "informationshaltigem Schall", aber auch von "Lärmschall" und stellt damit auch einen Lärmschutz dar.

Besteht jedoch zusätzlich zur Schallleitungskomponente eine Innenohrschädigung (kombinierte Schwerhörigkeit), schränkt sich dieser zusätzliche, protektive Effekt wieder ein. Die Anwendung von Gehörschützern ist bei den verschiedenen Formen der Mittelohrentzündung bzw. Cholesteatomen nur bedingt möglich; siehe Abschnitt 11.2.

Nach hörverbessernden Mittelohr- bzw. Stapesoperationen mit konsekutiver Aufhebung des Stapediusreflexes ist trotz gegebenenfalls noch bestehender Schallleitungskomponente eine erhöhte Innenohrvulnerabilität gegenüber Lärm gegeben. Die Verwendung von suffizienten Gehörschützern ist in diesen Fällen dringend angeraten.

Wenn solche Patienten überhaupt weiter in Lärmbereichen beschäftigt werden, ist auf eine ausreichende effektive Schalldämmung (Gehörschützerauswahl entsprechend der BG-Regel "Einsatz von Gehörschützern" (BGR 194) besonders zu achten.

11.4 Schallempfindungsschwerhörigkeit

Bei vorbestehender oder bereits lärminduzierter Innenohrschwerhörigkeit ist der weitere Einsatz unter anhaltender beruflicher Lärmexposition kritisch zu prüfen. Sofern möglich, sollte die Lärmexposition reduziert oder vermieden werden, jedoch ist eine obligate Arbeitsplatzumsetzung zur Vermeidung jeglicher Lärmeinwirkung nicht zwingend erforderlich. Die häufig diskutierte Auffassung einer "erhöhten Vulnerabilität" (Empfindlichkeit) vorgeschädigter Innenohren gegen Lärmeinwirkung konnte durch Swoboda und Welleschick (1991, Zur Entwicklung endogener Innenohrschwerhörigkeiten unter beruflicher Lärmexposition, Laryngorhinotol. 70:463-469) überzeugend widerlegt werden. D.h. eine Fortsetzung der Lärmarbeit ist unter Anwendung von geeignetem und persönlichem Gehörschutz und regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen prinzipiell möglich. Abzuraten ist jedoch von der Fortsetzung der "Lärmarbeit", wenn bereits eine einseitige Ertaubung oder eine mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit beiderseits vorliegt, um nicht die soziale Kommunikationsfähigkeit zu gefährden.

In jedem Fall ist bei vorbestehender Innenohrschwerhörigkeit bei Tätigkeit im Lärm auf das Tragen von Hörgeräten jeglicher Bauart zu verzichten ( siehe Abschnitt 7).

11.5 Tinnitus

Bei bestehendem, akuten Tinnitus ist von der Fortsetzung der "Lärmarbeit" dringend abzuraten. Gleiches gilt auch für chronischen, dekompensierten Tinnitus. Bei kompensiertem Tinnitus ist die Fortsetzung der Tätigkeit im Lärm möglich. Der Tinnitus sollte durch einen "Masker" verdeckt oder suprimiert werden.

12 Information und Motivation

Die Beratung zum Gehörschutz soll den Untersuchten informieren und zum Gehörschützertragen motivieren. Um hier zeitsparend vorgehen zu können, sind im Anhang 2 zu diesem Merkblatt Vordrucke zu unterschiedlichen Befunden und Untersuchungsarten vorgeschlagen:

"Gut geschützt im Lärm" ist für unkritische Fälle in der Erstuntersuchung gedacht.

"Weiter so!" wird für Fälle mit unauffälliger Verlaufskontrolle und geringen Hörminderungen vorgeschlagen.

"Tun Sie endlich etwas!" ist für Fälle mit auffälliger Verlaufskontrolle (Zunahme der Summe der Hörschwellenverschiebung über 2,3 und 4 kHz > 30 dB in drei Jahren) gedacht, in denen auf "Keine gesundheitlichen Bedenken unter bestimmten Voraussetzungen" erkannt werden soll.

"Es ist 5 Minuten vor 12!" ist für Untersuchte gedacht, die mehrmals bei der Verlaufskontrolle auffällig geworden sind oder die sich einer Untersuchung nach Lärm III unterziehen müssen.


.

Beispiele von Informations- und Motivationsschreiben zum Tragen von Gehörschützern, Vordrucke für den ermächtigten Arzt Anhang 1


hier: Unauffällige Erstuntersuchung

Ärztliche Beratung zum Gehörschutz
Sehr geehrte(r) ... ... ... Datum ... ... ...
Gut geschützt im Lärm
Ihre Gehörvorsorge-Untersuchung hat ein erfreuliches Ergebnis. Sie hören noch gut, Lärm kann aber Ihr Gehör zerstören! Geben Sie dem Lärm deshalb keine Chance - schützen Sie sich!

Hier ein paar ärztliche Tipps, wie Sie Ihr Gehör schützen können:

  • Nicht jeder Lärm muss sein - helfen Sie mit, unnötigen Lärm am Arbeitsplatz und zu Hause und in der Umwelt zu vermeiden!
  • Wo dieses Sicherheitszeichen einen Lärmbereich ausweist, müssen Sie Gehörschützer tragen!


  • An Gehörschützer müssen Sie sich erst gewöhnen. Bleiben Probleme, helfen Ihnen Ihr Vorgesetzter, die Sicherheitsfachkraft, der Sicherheitsbeauftragte, die Technische Aufsichtsperson Ihrer Berufsgenossenschaft oder Ihr Arzt/Betriebsarzt.
    Auch für Sie gibt es einen passenden Gehörschützer!
  • Tragen Sie Ihren Gehörschützer immer im Lärm. Wenige Minuten Lärm pro Tag können schon zuviel sein!
  • Gönnen Sie Ihrem Gehör täglich eine ausreichende Erholungszeit - meiden Sie den Lärm deshalb auch in der Freizeit!

Gehörschützer machen den Lärm erträglicher und schützen das Gehör. Mit Gehörschützern hören Sie weniger! Aber noch schlechter werden Sie in einigen Lärmjahren auch in der Freizeit hören, wenn Sie Ihr Gehör nicht schützen!

Die Lärmschwerhörigkeit entwickelt sich meist langsam, wird zu Anfang kaum bemerkt, die Lärmschwerhörigkeit ist nicht heilbar!

Ihre nächste Gehörvorsorge-Untersuchung ist spätestens in einem Jahr erforderlich, schon dann kann sich zeigen, ob Sie Ihr Gehör ausreichend geschützt haben.

Stempel und Unterschrift des Arztes


hier: Unauffällige Nachuntersuchung

Ärztliche Beratung zum Gehörschutz
Sehr geehrte(r) ... ... ... Datum ... ... ...
Weiter so!
Herzlichen Glückwunsch! Ihre Gehörvorsorge-Untersuchung hat ein positives Ergebnis. Ihre Hörfähigkeit hat sich
nicht/kaum
verschlechtert. Sie haben Ihr Gehör ausreichend geschützt oder Sie haben noch ein widerstandsfähiges Gehör. Tragen Sie auf jeden Fall in Zukunft Gehörschützer, Sie wissen ja:

Wer seinen Gehörschutz nicht trägt,

  • riskiert, lärmschwerhörig zu werden,
  • steht unter unnötigem Stress,
  • ermüdet schneller und leistet weniger,
  • verstößt gegen die Unfallverhütungsvorschrift "Lärm",
  • kann seinen Arbeitsplatz verlieren,
  • gibt ein schlechtes Beispiel,
  • geht "vertäubt" in den Feierabend,
  • wird Jahre später erst erkennen, dass Lärmschwerhörigkeit auch einsam macht.

Ihre nächste Gehörvorsorge-Untersuchung ist in 3 / 5 Jahren, dann wird sich zeigen, ob der Lärm Ihnen auch weiterhin nichts anhaben konnte.

Stempel und Unterschrift des Arztes


hier: Auffällige Verlaufskontrolle in der Nachuntersuchung

Ärztliche Beratung zum Gehörschutz
Sehr geehrte(r) ... ... ... Datum ... ... ...
Tun Sie endlich etwas!
Dies ist eine gelbe Karte! Ihre Gehörvorsorge-Untersuchung hat gezeigt, dass Ihre Hörfähigkeit
deutlich nachgelassen
hat. Dies kann eine Reihe von Ursachen haben, aber die wichtigste Ursache ist der Lärm. Sie wissen ja seit langem, dass Sie sich gegen den Lärm schützen müssen.

Bitte beantworten Sie für sich folgende Fragen:

1. Tragen Sie im Lärm jeden Tag Gehörschützer?
 O ja O
nein
2. Setzen Sie den Gehörschützer im Lärm am Tag insgesamt länger als 3 Minuten ab?
O ja O
nein
3. Drücken Sie Ihre Gehörschutzstöpsel nach Gebrauchsanleitung ausreichend tief in den Gehörgang?
O ja O
nein
4. Tragen Sie Brille oder Schutzbrille und Kapselgehörschützer gleichzeitig (Sie wissen, dabei entstehen akustische Undichtigkeiten)?
O ja O
nein
5. Ist der Bügel Ihres Gehörschützers überdehnt worden?
O ja O
nein
6. Sind die Dichtungskissen des Kapselgehörschützers älter als 6 Monate, also nicht mehr schön weich?
O ja O
nein
7. Kann sich Ihr Gehör in der Freizeit wenigstens 10 Stunden täglich lärmfrei erholen?
O ja O
nein
8. Hören Sie Musik (Disco, HiFi-Anlage oder Walkman) häufig sehr laut?
O ja O
nein
9. Tragen Sie beim Heimwerken Gehörschützer?
O ja O
nein
10. Ist Ihr Gehörschützer sehr unbequem, möchten Sie ein anderes Modell ausprobieren?
O ja O
nein
Wenn Sie keine der fett gedruckten Antworten angekreuzt haben, sagen Sie dies Ihrem Arzt. Er kann dann anderen Ursachen für Ihre Gehörverschlechterung nachgehen.

Wenn Sie eine oder mehrere der fett gedruckten Antworten angekreuzt haben, wissen Sie, was Sie ändern müssen, damit Sie nicht lärmschwerhörig werden.

Ihre nächste Gehörvorsorge-Untersuchung ist in etwa

... ... ... Jahr(en)

erforderlich. Tun Sie alles, damit Ihr Gehör nicht schlechter wird.

Stempel und Unterschrift des Arztes


hier: Mehrfach auffällige Verlaufskontrolle

Ärztliche Beratung zum Gehörschutz
Sehr geehrte(r) ... ... ... Datum ... ... ...
Es ist 5 Minuten vor 12!
Das Ergebnis Ihrer Gehörvorsorge-Untersuchung zeigt, dass Ihre Hörfähigkeit
sehr kritisch
ist. Wenn Ihr Gehör sich weiter verschlechtert, müssen Ihrem Arbeitgeber gegenüber "Dauernde gesundheitliche Bedenken" gegen eine Weiterbeschäftigung im Lärm ausgesprochen werden.

Um Ihre verbliebene Hörfähigkeit zu bewahren, müssen Sie nun endlich konsequent geeignete Gehörschützer benutzen. Ich empfehle Ihnen folgenden Typ:

Bitte erproben Sie diesen Gehörschützer und kommen Sie sofort zu mir, wenn Sie nicht damit zurechtkommen.

Setzen Sie den Gehörschützer nicht im Lärm ab, auch wenn Sie manchmal sehr wenig verstehen. Ihr Gehör verträgt keinen Lärm mehr!

Vermeiden Sie jeden lauten Schall, auch in der Freizeit!

Bei der nächsten Gehörvorsorge-Untersuchung in spätestens einem Jahr wird sich hoffentlich keine weitere Hörverschlechterung zeigen.

Stempel und Unterschrift des Arztes


.

Vorschriften und Regeln Anhang 2


1. Staatliche Vorschriften

Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch Lärm und Vibrationen (Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung - LärmVibrationsArbSchV)

2. Berufsgenossenschaftliche Grundsätze für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen
Bezugsquelle: Gentner Verlag Stuttgart, Abt. Buchdienst, Forststraße 131, 70193 Stuttgart

BG-Grundsatz G 20 "Lärm".

3. Berufsgenossenschaftliche Vorschriften, Regeln und Informationen für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit

BG-Regeln

BG-Regel "Einsatz von Gehörschützern" (BGR 194),

BG-Informationen

Gehörschutz-Informationen (BGI 5024),

Gehörschutz-Kurzinformation für Personen mit Hörverlust (BGI 686),

Empfehlungen zur Benutzung von Gehörschützern durch Fahrzeugführer bei der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr (BGI 673),

Auswahlkriterien für die spezielle arbeitsmedizinische Vorsorge nach den Berufsgenossenschaftlichen Grundsätzen für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen (BGI 504),

4. Sonstige Schriften
(Bezugsquelle: Beuth Verlag,
Burggrafenstraße 6, 10787 Berlin)

DIN EN 458: "Gehörschützer - Empfehlungen für Auswahl, Einsatz, Pflege und Instandhaltung - Leitfaden Dokument", Ausgabe 2005

Strutz J., Mann, W.: "Praxis der HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirugie", 1. Auflage, 2001, Georg Thieme Verlag, Stuttgart - New York.

Dieroff, H.G.: "Lärmschwerhörigkeit", 3. Auflage, 1994 Gustav Fischer Verlag, Jena - Stuttgart.

Feldmann, H.: "Das Gutachten des Hals-Nasen-Ohrenarztes", 4. Auflage, 1997, Georg Thieme Verlag, Stuttgart - New York.

Feldmann, H.: "Tinnitus", 2. Auflage, 1998, Georg Thieme Verlag, Stuttgart - New York.

Swoboda, Welleschick: "Zur Entwicklung endogener Innenohrschwerhörigkeiten unter beruflicher Lärmexposition", 1991, Laryngorhinootologie, 70: 463-469.

Sickert, P.: "Otoplastiken - Allheilmittel oder Fehlentwicklung", in: Handbuch PSa von K.-H. Noetel, Kapitel 7, Ecomed Verlag, Landsberg/Lech 2000.

Hecker, Christ, Liedtke, Ponto; Sickert: Lärm- und Vibrationsarbeitsschutzverordnung, 1. Auflage 2007, Erich Schmidt Verlag

5. Sonstige Auswahlhilfen

Weitergehende Informationen sind in der BG-Regel "Benutzung von Gehörschutz" (BGR 194) und der BG-Information "Gehörschutz-Informationen" (BGI 5024) enthalten;

Außerdem kann man in der BG-Information "Gehörschutz-Kurzinformation für Personen mit Hörverlust" (BGI 686) und der BG-Information "Tragen von Gehörschutz im öffentlichen Straßenverkehr" (BGI 673) nachlesen oder das PC-Programm zur Auswahl von Gehörschutz unter www.dguv.de/d/bia/pra/softwa/psasw/index.html verwenden.

ENDE

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