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Regelwerk, BGI/GUV-I / DGUV-I

BGI 823 / DGUV Information 212-823 - Ärztliche Beratung zum Gehörschutz
Berufsgenossenschaftliche Informationen für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (BGI)
(bisher ZH 1/565.4)

(Ausgabe 04/2002; 05/2008aufgehoben)



Archiv,neu: BGI 823 / DGUV-I 212-823 (05/2015)

Vorbemerkung

Die Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung ( LärmVibrArbSchV) betont die Priorität der technischen und organisatorischen Maßnahmen im Lärmschutz. Wirkt dennoch gehörschädigender Lärm auf die Versicherten ein, müssen persönliche Schallschutzmittel (Gehörschützer) zum Einsatz kommen und die Versicherten müssen nach der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung arbeitsmedizinisch überwacht werden.

Der Berufsgenossenschaftliche Grundsatz für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen G 20 "Lärm" sieht als ärztliche Leistung bei allen Gehörvorsorge-Untersuchungen nach der LärmVibrArbSchV u.a. eine intensive Beratung zum Gehörschutz vor. Ziel der ärztlichen Beratung ist es, sowohl die Bereitschaft zur regelmäßigen Benutzung der Gehörschützer zu erhöhen als auch die Beschaffenheit bereits benutzter Gehörschützer zu prüfen.

Diese BG-Information wendet sich an alle, die Gehörvorsorgeuntersuchungen nach dem vorstehend genannten BG-Grundsatz G 20 durchführen, also insbesondere an die dazu ermächtigten Ärzte und deren Fachpersonal. Es stellt die verschiedenen Arten der Gehörschützer vor und gibt grundsätzlich Hinweise zu deren Auswahl unter besonderer Berücksichtigung der Hygiene und spezieller Krankheitsbilder.

Die Auswahl der Gehörschützer auf Grund der Arbeitsplatzverhältnisse erfolgt im Allgemeinen durch den Betrieb, z.B. durch die Fachkräfte für Arbeitssicherheit. Für den Einzelfall, in dem eine individuelle Auswahl aus medizinischer Sicht erforderlich ist, wird zusätzlich auf die ausführlichen Informationen in der BG-Regel "Einsatz von Gehörschützern" (BGR 194) einschließlich einer Marktübersicht geprüfter Gehörschützer hingewiesen.

1 Anwendungsbereich

Der Unternehmer muss bei Tages-Lärmexpositionspegeln größer 80 dB(A) oder Spitzenschalldruckpegeln größer 135 dB(C) Gehörschutz zur Verfügung stellen.

Die Betroffenen haben die Gehörschützer bei Tages-Lärmexpositionspegeln ab 85 dB(A) oder Spitzenschalldruckpegeln ab 137 dB(C) zu benutzen. Bereiche, in denen diese Pegel auftreten, sind als Lärmbereiche zu kennzeichnen.

Die Beratung zum Gehörschutz ist Bestandteil der speziellen Vorsorgeuntersuchung nach dem BG-Grundsatz G 20; vermag der ermächtigte Arzt im Rahmen der arbeitsmedizinischen Beurteilung keine eindeutige Empfehlung für einen geeigneten Gehörschützer zu geben, kann auch hierzu nötigenfalls ein HNO-ärztliches Konsilium eingeholt werden. Notwendige therapeutische Maßnahmen (z.B. auf den Gebieten HNO-Heilkunde oder Dermatologie) sind nicht Bestandteil der arbeitsmedizinischen Gehörvorsorge. Dem Patienten ist in diesen Fällen anzuraten, zu therapeutischen Maßnahmen einen entsprechenden Facharzt seiner Wahl zu konsultieren.

Nach dem BG-Grundsatz G 20 soll der Untersuchte seinen Gehörschützer zur Vorsorgeuntersuchung mitbringen, damit dessen Zustand insbesondere in Hinblick auf Hygiene und Wirksamkeit kritisch betrachtet werden kann. Die Antworten "Keine Angabe" zu den Fragen nach den Gehörschützern auf den Untersuchungsbogen "Lärm I" und "Lärm II" sollten nicht toleriert werden. Hierbei ist zu beachten, dass immer noch ein Teil der Lärmexponierten Gehörschutz nicht benutzen.

2 Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser BG-Information werden folgende Begriffe bestimmt:

1. Der Tages-Lärmexpositionspegel (LEX,8h) ist der über die Zeit gemittelte Lärmexpositionspegel bezogen auf eine Achtstundenschicht. Er umfasst alle am Arbeitsplatz auftretenden Schallereignisse.

2. Der Spitzenschalldruckpegel (LpC,peak) ist der Höchstwert des momentanen Schalldruckpegels.

3. Maximal zulässige Expositionswerte sind Schalldruckpegel, die unter Berücksichtigung von Gehörschutz nicht überschritten werden dürfen.

4. Lärmbereiche sind zu kennzeichnende Bereiche, in denen einer der oberen Auslösewerte für Lärm (LEX,8h = 85 dB(A), LpC,peak= 137 dB(C)) erreicht oder überschritten wird.

5. Gehörschützer sind vom Arbeitgeber bereitzustellende persönliche Schutzausrüstungen (PSA), die die Einwirkung des Lärms auf das Gehör verringern, so dass eine Lärmschwerhörigkeit nicht entsteht oder sich nicht verschlimmert.

3 Kurzbeschreibung der Gehörschützer

3.1 Gehörschutzstöpsel

3.1.1 Allgemeines

Alle Gehörschützer, die im Gehörgang getragen werden, sind Gehörschutzstöpsel. Diese können auch in die Ohrmulde hineinreichen. Es sind folgende Arten zu unterscheiden:

Einige typen werden wahlweise mit und ohne Verbindungsschnur sowie in verschiedenen Größen angeboten.

Bild 1: Fertig geformte Gehörschutzstöpsel aus thermoplastischem Elastomer (TPE) (Quelle: Sperian Protection)

Bild 2: Vor Gebrauch zu formende Gehörschutzstöpsel aus polymerem Schaumstoff (PVC) (Quelle: Aearo)

Bild 3: Otoplastik (Quelle: Jernum)

Bild 4: Bügelstöpsel (Quelle: Sperian Protection)

3.1.2 Fertig geformte Gehörschutzstöpsel

Fertig geformte Gehörschutzstöpsel sind in der Regel für den mehrmaligen Gebrauch bestimmt. Sie sind meist mit geringem Aufwand hygienisch reinzuhalten und in verschiedenen Nenngrößen erhältlich. Konische Lamellenstöpsel sind für verschiedene Gehörgangsweiten geeignet. Vorhandene Bohrungen sorgen für einen Druckausgleich. Treten beim Tragen unangenehme Druckempfindungen auf, sollten andere Gehörschützer ausgewählt werden.

Fertig geformte Gehörschutzstöpsel haben folgende Vorteile:

Wegen der großen Individualität der Gehörgangsformen und -querschnitte und der daraus resultierenden unbefriedigenden Passform können fertig geformte Gehörschutzstöpsel beim Tragen unangenehme Druckempfindungen verursachen.

3.1.3 Otoplastiken

Gehörschutzotoplastiken werden individuell nach dem Ohr des Trägers geformt.

Gehörschutzotoplastiken haben folgende Vorteile:

Werden die Otoplastiken bei der Auslieferung und danach regelmäßig auf mögliche Leckagen kontrolliert, besitzen sie eine definierte Schalldämmung und bieten eine sehr sichere Schutzwirkung. Siehe auch Kapitel 4.3. Durch starke Kopfbewegungen können Leckagen und insbesondere bei harten Otoplastiken Druckerscheinungen auftreten.

3.1.4 Vor Gebrauch zu formende Gehörschutzstöpsel

Vor Gebrauch zu formende Gehörschutzstöpsel sind Stöpsel aus polymerem Schaumstoff. Sie sind zum mehrmaligen oder einmaligen Gebrauch bestimmt und werden vor dem Einsetzen zu einer dünnen Rolle zusammengedrückt.

Vor Gebrauch zu formende Gehörschutzstöpsel haben folgenden Vorteil:

Nachteilig sind das erschwerte Einsetzen der Gehörschutzstöpsel und die Gefahr der stark reduzierten Schalldämmung bei ungenügend langer Fixierung nach dem Einsetzen.

3.1.5 Gehörschutz mit Verbindungsschnur

Gehörschutzstöpsel mit Verbindungsschnur sind fertig geformte oder vor Gebrauch zu formende Stöpsel mit Trageschnur.

Gehörschutzstöpsel mit Verbindungsschnur haben folgenden Vorteil:

Gehörschutzstöpsel mit Verbindungsschnur dürfen nicht getragen werden, wenn in der Nähe bewegter Maschinenteile gearbeitet wird, z.B. an Drehmaschinen, Bohrmaschinen, Holzbearbeitungsmaschinen. Es besteht sonst die Gefahr, dass die Verbindungsschnur erfasst wird und so Verletzungen durch Herausreißen der Stöpsel aus dem Gehörgang möglich sind.

3.1.6 Bügelstöpsel

Bügelstöpsel sind an Bügeln befestigte fertig geformte Stöpsel.

Sie können im Nacken, über dem Kopf oder unter dem Kinn getragen werden. Bügelstöpsel haben folgenden Vorteil:

Bügelstöpsel haben den Nachteil, dass beim Anstoßen des Bügels an andere am Kopf getragene Ausrüstungen störende Geräusche verursacht werden. Sie sollten nicht getragen werden, wenn Schalldruckspitzen durch Anstoßen der Bügel entstehen können, z.B. am Schweißerschutzschirm.

3.2 Kapselgehörschützer

Man unterscheidet heute folgende Arten:

3.2.1 Konventionelle Kapselgehörschützer

Konventionelle Kapselgehörschützer werden mit unterschiedlichen Bügelkonstruktionen - Kopfbügel, Nackenbügel, Universalbügel - als Verbindungselemente der Kapseln geliefert. Kapselgehörschützer mit Universalbügel werden gegen Verrutschen zusätzlich mit einem Kopfband ausgerüstet.

3.2.2 Kapselgehörschützer mit pegelabhängiger Schalldämmung

Kapselgehörschützer mit pegelabhängiger Schalldämmung besitzen eine elektroakustische Ausrüstung, mit der schwache Signale am Ohr verstärkt werden. Mit zunehmender Stärke der Signale und Geräusche nimmt die Verstärkung ab. Der durch die Elektronik erzeugte Schallanteil wird dabei auf 85 dB(A) begrenzt. Der Kriteriumspegel gibt dabei an, bis zu welchem äußeren Schalldruckpegel (Tages-Lärmexpositionspegel) der Gehörschützer eingesetzt werden darf, ohne den maximal zulässigen Expositionswert zu überschreiten.

Vorteile: Die Wahrnehmung von Sprache, von informationshaltigen Arbeitsgeräuschen und akustischen Signalen ist insbesondere bei Arbeitsabschnitten mit niedrigen Schalldruckpegeln bis etwa 82 dB(A) besser als beim Tragen anderer Gehörschutzarten.

Die Qualität der Übertragung hat entscheidenden Einfluss auf die Verständlichkeit der Sprache. Bei hohen Schalldruckpegeln können in Abhängigkeit von der passiven Dämmwirkung des Kapselgehörschützers Schalldruckpegel von über 85 dB(A) am Ohr wirksam werden.

3.2.3 Kapselgehörschützer mit Kommunikationseinrichtung

Kaselgehörschützer mit Kommunikationseinrichtung übertragen Information per Kabel oder Funk. Die Kommunikation ist entweder in eine oder beide Richtungen möglich.

3.2.4 Kapselgehörschützer mit aktiver Geräuschkompensation

Kapselgehörschützer mit aktiver Geräuschkompensation führen zur Auslöschung der tieffrequenten Schallwellen durch Gegenschallwellen.

3.2.5 Kapselgehörschützer mit eingebautem Radio

In Kapselgehörschützern mit eingebautem Radio wird der durch das eingebaute UKW-Radio erzeugte Schalldruckpegel auf unter 82 dB(A) begrenzt.

3.3 Kapselgehörschützer in Kombination mit anderen persönlichen Schutzausrüstungen

Kapselgehörschützer können mit entsprechenden Verbindungselementen an dafür vorgesehenen Industrieschutzhelmen befestigt werden. Es gibt Kapselgehörschützer auch in Kombination mit weiteren persönlichen Schutzausrüstungen, z.B. Schutzbrillen.

4 Hinweise zur Auswahl und Benutzung geeigneter Gehörschützer

4.1 Allgemeines

Der zu verwendende Gehörschutz muss dem Stand der Technik entsprechen.

Von Bedeutung sind z.B.:

Insbesondere wenn im Rahmen von arbeitsmedizinischen Gehörvorsorge-Untersuchungen die Beurteilung "Keine gesundheitlichen Bedenken unter bestimmten Voraussetzungen" abgegeben werden soll, ist eine sorgfältige Auswahl des Gehörschützers im Einzelfall erforderlich.

4.2 Gehörschutzstöpsel oder Kapselgehörschützer?

Gehörschutzstöpsel (insbesondere ohne Verbindungselement) sind zu empfehlen

Kapselgehörschützer sind zu empfehlen, wenn

4.3 Otoplastiken

Gehörschutzotoplastiken sind besonders bequem zu tragen und daher zu empfehlen, wenn

Otoplastiken können außerdem nur empfohlen werden, wenn

4.4 Vorhandene Hörverluste

Damit sich ein geschädigtes Gehör nicht zusätzlich verschlechtert, darf es nicht weiter durch Lärm belastet werden. Daher muss für diesen Personenkreis die Auswahl eines Gehörschützers besonders sorgfältig erfolgen. Zur Auswahl sollte vorzugsweise die Oktavband-Methode oder - falls dies nicht möglich , die HML-Methode aber mindestens der HML-Check verwendet werden (nach der BG-Regel "Einsatz von Gehörschützern" [BGR 194]). Besonders wichtig ist, dass

Siehe auch BG-Regel "Einsatz von Gehörschützern" (BGR 194) und BG-Information: "Gehörschutz-Informationen" (BGI 5024).

4.5 Verringerte Schalldämmung in der Praxis

Nach durchgeführten Untersuchungen ist die Schalldämmung aufgrund der Tragegewohnheiten der Benutzer in der Praxis häufig geringer als unter Laborbedingungen bei der Baumusterprüfung ermittelt wurde und in der Benutzerinformation mitgeliefert wird. Um bei sachkundiger (aber ungeübter) Benutzung dasselbe Schutzniveau wie bei qualifizierter Benutzung (regelmäßige Unterweisungen mit Übungen, siehe BGR 194) zu erreichen, ist der Wert der angenommenen Schutzwirkung (APV - Mittelwert der Schalldämmung minus Standardabweichung aus der Baumusterprüfung) bei vor Gebrauch zu formenden Gehörschutzstöpseln um 9 dB und bei mehrfach zu verwenden Stöpseln, Bügelstöpseln sowie Gehörschutzkapseln um 5 dB zu verringern. Für Otoplastiken mit Funktionskontrolle ist ein Abschlag von 3 dB zu berücksichtigen, für Produkte ohne Funktionskontrolle von 6 dB. Das bedeutet besonders für Gehörschutzstöpsel, dass nur sorgfältig angepasste und eingesetzte Stöpsel die vom Hersteller angegebene Schutzwirkung erreichen.

Bild 5: Einsetzen von Gehörschutzstöpseln (Quelle: Howard Leight)

4.6 Überprotektion

Wird die Schalldämmung eines Gehörschützers wesentlich höher ausgewählt als zur Vermeidung eines Gehörschädigungsrisikos notwendig, werden die Sprachverständigung und das Erkennen von informationshaltigen Arbeitsgeräuschen sowie die Wahrnehmbarkeit von Warnsignalen unnötig erschwert. Die Folge kann Ablehnung des Gehörschützers sein, d.h. er wird nicht oder unsachgemäß getragen, um die Schalldämmung bewusst zu verringern. Das wiederum kann zu einer Unterprotektion führen mit einem am Ohr wirksamen Tages-Lärmexpositionspegel von 85 dB(A) oder mehr, was eine Überschreitung der maximal zulässigen Expositionswerte bedeutet.

Eine sehr hohe Schalldämmung muss nicht in jedem Fall zu Überprotektion führen. In speziellen Fällen kann das erwünscht sein und ist erlaubt, wenn sicherheits- und produktionstechnische Aspekte nicht dagegen sprechen.


Am Ohr wirksamer Restschallpegel
in dB(A)
Am Ohr wirksamer
Restspitzenschallpegel in dB(Cpeak)
Beurteilung der
Schutzwirkung
> 85 > 137 nicht zulässig
> 80 > 135 nicht empfehlenswert
< 80 < 135 empfehlenswert
< 70 - *

* Verständigung und Isolationsgefühl prüfen

4.7 Auswahl nach der Schalldämmung

Eine Auswahl nach der Schalldämmung sollte grundsätzlich so erfolgen, dass sowohl eine zu geringe Dämmung (Unterprotektion) als auch eine Überprotektion vermieden werden.

Bild 6: Stark vereinfachte Beziehung zwischen der Gehörschutzauswahl nach der Schalldämmung, der Geräuschsituation, dem Tragekomfort und der Benutzung von Gehörschutzmitteln an Lärmarbeitsplätzen


Für die Entscheidung "Gehörschutzstöpsel oder Kapselgehörschützer" spielt die Schalldämmung keine Rolle. Falsch ist die alte Faustregel "Kapselgehörschützer = hohe Schalldämmung, Gehörschutzstöpsel = niedrige Schalldämmung". Die Auswahl des Gehörschützers nach der Schalldämmung kann nur unter Berücksichtigung des Lärms am Arbeitsplatz erfolgen. Dazu gehört neben der Höhe des Beurteilungspegels auch die Geräuschklasse, d.h., ob es sich um deutlich tieffrequente (nur etwa 15 % der Geräusche in Lärmbereichen) oder um mittel- bis hochfrequente Geräusche (ca. 85 % der Geräusche) handelt. Es wird gerade in diesem Punkt empfohlen, die Auswahl des Gehörschützers in Zusammenarbeit mit der Fachkraft für Arbeitssicherheit des Betriebes vorzunehmen. Die Angaben zu Beurteilungspegel und Geräuschklasse sollten auf den Untersuchungsbögen Lärm I bzw. Lärm II vom Betrieb gemacht werden. Detaillierte Auswahlhinweise hinsichtlich der Schalldämmung gibt die BG-Regel "Einsatz von Gehörschützern" (BGR 194). Eine geeignete Methode zur Beurteilung der Schalldämmung und zur Auswahl von Gehörschützern ist der dort beschriebene HML-Check.

4.8 Hörbarkeit von Sprache und Warnsignalen

Die Sprachverständlichkeit kann durch die Verwendung eines Gehörschutzes mit möglichst frequenzunabhängiger Schalldämmung verbessert werden.

Bei Personen mit Hörminderung leidet die Sprachverständigung bei der Benutzung von Gehörschutz. Die Sprachverständlichkeit sinkt mit steigender Schalldämmung des Gehörschützers und mit steigender Hörminderung des Benutzers ab.

Es muss sichergestellt werden, dass akustische Gefahrensignale in Lärmbereichen von den Benutzern der Gehörschützer eindeutig wahrgenommen werden können.

Die Signalerkennung kann durch die Verwendung von Gehörschützern mit näherungsweise frequenzunabhängiger Dämmwirkung verbessert werden. Führt auch das zu negativen Ergebnissen bei Hörproben, dürfen keine Gehörschützer verwendet werden.

4.9 Einfluss der Tragedauer auf die effektive Schalldämmung

Gehörschützer müssen bei gehörgefährdenden Lärmpegeln während der gesamten Aufenthaltsdauer getragen werden, damit eine optimale Schutzwirkung erreicht wird. Auch wenn sie nur für kurze Zeit nicht getragen werden, wird die Schutzwirkung, wie Bild 7 zeigt, drastisch verringert.

Bild 7: Effektive Dämmung eines Gehörschützers in Abhängigkeit von der Expositionszeit ohne Gehörschützer

4.10 Einsatz bei sehr hohen Schallpegeln

Reicht an Arbeitsplätzen mit extrem hoher Lärmbelastung die Schalldämmung von Gehörschutzstöpseln oder Kapselgehörschützern allein nicht aus, kann deren Kombination erforderlich sein. Hierbei ist zu beachten, dass sich bei der Anwendung beider Gehörschützerarten die Schalldämmungen nicht einfach addieren. Geeignete Kombinationen und deren Einsatzbereiche sind der BGIA-Liste geprüfter Gehörschützer zu entnehmen.

4.11 Tragekomfort

Gehörschutzstöpseln und -kapseln können bei Beschwerden der Mitarbeiter, z.B. bei Druckerscheinungen, gegeneinander ausgetauscht werden, da bezüglich der Schalldämmung immer gleichwertige Produkte zur Verfügung stehen.

Sowohl Gehörschutzstöpseln als auch -kapseln werden in unterschiedlichen Größen angeboten.

Gehörschutzstöpsel dürfen keinen schmerzhaften Druck verursachen. Der Benutzer sollte unter verschiedenen Produkten den Stöpsel auswählen können, der ihm bei ausreichender Schutzwirkung am angenehmsten erscheint.

Bei Kapselgehörschützern bestimmen möglichst geringes Gewicht, Andrückkraft und Weichheit der Dichtungskissen den Tragekomfort.

Der Tragekomfort des Gehörschützers muss so hoch sein, dass er während des gesamten Aufenthaltes im Lärmbereich getragen wird.

4.12 Arbeitsumgebung

Bei der Auswahl der Gehörschützerarten ist die jeweilige Arbeitsumgebung zu berücksichtigen, und zwar

Für die Akzeptanz ist die richtige Auswahl nach den Einflussfaktoren der Arbeitsumgebung von entscheidender Bedeutung.

Bild 8: Einfluss von Expositionspegel und -dauer auf die Wahrscheinlichkeit für einen Hörschaden

Bild 8 zeigt den Einfluss von Tages-Lärmexpositionspegel und Expositionsdauer auf die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung eines Hörschadens (mehr als 40 dB Hörverlust bei 3 kHz) nach ISO 1999. Parameter ist die Kombination Lebensalter/Expositionsjahre. Die Darstellung ermöglicht eine Abschätzung der Wirksamkeit von Gehörschützern: Ist der Tages-Lärmexpositionspegel an einem Arbeitsplatz 109 dB(A) und hat der verwendete Gehörschutz bei 100 %iger Tragedauer im Lärm eine effektive Schalldämmung von 25 dB, so ist der für das Ohr wirksame Pegel 84 dB(A). Handelt es sich um einen Hitzearbeitsplatz und wurden irrtümlich Kapselgehörschützer ausgewählt, so wäre damit zu rechnen, dass der dort Beschäftigte zum Temperaturausgleich den Kapselgehörschützer regelmäßig absetzt. Wird zum Beispiel der Gehörschutz je 30 min Einsatzzeit eine Minute abgesetzt, ergibt das eine Tragedauer von 97 %, aber eine effektive Schalldämmung von nur 15 dB.

Der für das Ohr wirksame Pegel wäre dann 94 dB(A) und das Risiko, einen Hörschaden zu erleiden, stiege von unter 5 % (Modellgrenze der ISO) bei einem Tages-Lärmexpositionspegel von 84 dB(A) auf ca. 27 % (für 50-jährige Männer mit 30-jähriger Expositionsdauer).

Auswahlkriterien für Gehörschutz

Tabelle 2: Eignung der Gehörschützer für bestimmte Einsatzfälle

Gehörschutz-Typ Kapselgehörschützer Stöpsel zum mehrmaligen Gebrauch Stöpsel zum einmaligen Gebrauch Bügelstöpsel Schnurstöpsel Otoplastiken
Arbeitsbedingungen
a) Hohe Temperatur u. Feuchtigkeit - (1) + + + + +
b) Staub
+/- (3) - + - - +/-
c) Wiederholte kurzzeitige Lärmexpostion + - - + - -
d) Informationshaltige Arbeitsgeräusche +/- +/- +/- +/- +/- +/-
e) Warnsignale, Sprachkommunikation +/- +/- +/- +/- +/- +/-
f) Ortung von Schallquellen
- + + + + +
g) Vibration und schnelle Kopfbewegungen +/- + + +/- +/- +
h) Arbeitsstoffe, Schmutz (auch Keime) und Metallspäne an den Händen + +/- (2) + (2) +/- +/- (2) +/- (2)
i) Bewegte Maschinenteile
+ + + +/- - +
(1) geeignet mit schweißabsorbierender Zwischenlage
(2) Stöpsel ohne Griff (insbesondere vor Gebrauch zu formende Stöpsel) nur nach vorheriger Händereinigung einsetzen
(3) Staub kann sich am Gehörschutz anlagern und je nach Art der Staubbelastung die Haut reizen. (Typische Tätigkeiten mit starker Staubbelastung sind: Schleifarbeiten in Behältern, Gussputzen)
- grundsätzlich nicht geeignet
+ grundsätzlich geeignet
*/- im Einzelfall geeignet/ ungeeignet
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(Stand: 16.06.2018)

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