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Abb. 109: Übereinander gestapelte "in sich gesicherte Ladeeinheiten" auf Fahrzeug ohne Bordwände, Ladung durch Niederzurren "gesichert". Kommentar überflüssig!

Obwohl sich nach diesen Ausführungen mit Blick auf Abb. 110 jede weitere Kommentierung erübrigen dürfte, sei dennoch darauf hingewiesen, dass die über die Bordwandhöhe hinausragenden, lose übereinander liegenden, einzelnen Säcke in jedem Fall zusätzlich zu sichern sind.

Abb. 110

Weitere Ausführungen zu diesem Thema siehe Abschnitt 3.5 VDI 2700 ("Sammelpackungen und Ladeeinheiten").

14 Güter in Rollenform

Schon der Ausdruck "Rollenform" lässt darauf schließen, dass beim Transport dieser Güter die größte Gefahr vom Verrollen und nicht, wie bei den meisten anderen Ladegütern, vom Verrutschen ausgeht. Oben stehende Zeitungsberichte sowie das einschlägige Unfallgeschehen zeigen, dass die Sicherung derartiger Güter zu oft "auf die leichte Schulter" genommen wird oder das entsprechende Fachwissen fehlt, wie die Ladungssicherung korrekt durchzuführen ist.

Da Güter in Rollenform (Bandstahlringe/Coils, Kabeltrommeln, Betonrohre mit großem Durchmesser und sonstige zylindrische Ladegüter) im allgemeinen so verladen werden, dass deren Rollrichtung quer zur Fahrtrichtung liegt, besteht die größte Gefahr des Verrollens bei Kurvenfahrt. Die VDI 2700 gibt unter dem Abschnitt "Güter in Rollenform" präzise Werte vor, wie derartige Güter zu sichern sind. Das gilt sowohl bei Verladung von Gütern mit Rollrichtung quer zur Fahrtrichtung (Abb. 111) als auch mit Rollrichtung in Fahrtrichtung (Abb. 112).

Abb. 111: Ladegut mit Rollrichtung quer zur Fahrtrichtung

Abb. 112: Ladegut mit Rollrichtung in Fahrtrichtung

Wenn die in Abb. 111 bzw. Abb. 112 angegebenen Maße eingehalten werden, die sich überwiegend aus dem Durchmesser der zu sichernden Rolle ergeben, genügt das entsprechend VDI 2700 bei Coils als alleinige formschlüssige Sicherung.

Beim Durchfahren einer Linkskurve rollte eine ungesichert zwischen Hölzern gelagerte Grobblechrolle (Coil) vom Fahrzeug. Die 15 t schwere Rolle rutschte auf der asphaltierten Fahrbahn in Fahrtrichtung so lange weiter, bis sie sich "festfraß", überschlug und auf einem Pkw landete (Abb. 113). Dies ist kein Einzelfall. Darum: Coils sollten möglichst nur mit Fahrzeugen transportiert werden, die mit einer entsprechenden Coilmulde ausgestattet sind. Es gibt Coil-Beladestellen, an denen Fahrzeuge abgewiesen werden, die nicht mit einem derartigem Spezialaufbau ausgerüstet sind.

Abb. 113

Zusätzlich sollte die Ladung, um ganz auf "Nummer sicher" zu gehen, mit dem Aufbau durch geeignete Zurrmittel verspannt werden (Abb. 114).

Abb. 114

Unterschreitet bei schmalen Rollen das Verhältnis Breite: Durchmesser einen bestimmten Wert, besteht Kippgefahr. Zur Aufrechterhaltung der Standsicherheit muss der Wert B: D bei Rollrichtung quer zur Fahrtrichtung mindestens 0,7 (Abb. 115), bei Rollrichtung in Fahrtrichtung mindestens 0,55 (Abb. 116) betragen.

Abb. 115

Abb. 116

Wird dieser Mindestwert unterschritten, sind mehrere Rollen zu einer Einheit zusammenzufassen oder sonstige Maßnahmen zu ergreifen, z.B. Abstützung, um ein Kippen auszuschließen. In Abb. 117 sind mehrere schmale Coils (Spaltbänder) zu einer Einheit zusammengefasst. Ein besonderes verstellbares Ladegestell verhindert bei diesem Fahrzeugaufbau jegliche Bewegung des Coils in Fahrzeuglängsrichtung, ähnlich wie die in die Coilmulden einsteckbaren Rungen (Abb. 118), die sowohl als Sicherung gegen Kippen als auch gegen Verrutschen in Muldenlängsrichtung wirken.

Abb. 117

Abb. 118

Beim Überholen eines Radfahrers in einer leichten Linkskurve rollten sechs Kabeltrommeln mit 2 m Durchmesser von einem Fahrzeug, weil sie gegen seitliches Wegrollen lediglich durch 80 x 80 mm starke Kanthölzer "gesichert" waren (Abb. 119). Eine der Trommeln erschlug den Radfahrer. Nach einer Tabelle in VDI 2700 hätten für diese Kabeltrommeln die Holzunterlagen eine Mindesthöhe von 201 mm haben müssen, wobei die Einhaltung der Bodenfreiheit der Trommel von ca. 20 mm berücksichtigt ist. (Beim Verladen mit Rollrichtung in Fahrtrichtung wäre für eine Trommel von 2 m Durchmesser eine Mindesthöhe der Hölzer von 239 mm erforderlich).

Abb. 119

Die genannte Tabelle gibt Maße an, die zur Sicherung von Rollen mit einem Durchmesser von 600 bis 3100 mm (in 100 mm-Abstufung) erforderlich sind, und zwar sowohl mit Rollrichtung in Fahrzeugquer- als auch -längsrichtung. Diese Tabelle gilt nicht nur für Kabeltrommeln, sondern für alle ähnlichen Güter in Rollenform. Die Sicherung der geladenen Kabeltrommel in Abb. 120 entspricht den Forderungen der VDI 2700.

Abb. 120

Beim Durchfahren einer Rechtskurve gerieten die in Sattellage stehenden schmalen Papierrollen samt einer auf der Ladefläche stehenden Lage ins Kippen (Abb. 121). Dank eines verstärkten Planenaufbaues konnte ein Herabfallen der Rollen verhindert werden. Bei der Beladung wäre zumindest eine Bündelung der schmalen Rollen zu einer Einheit je Lage erforderlich gewesen.

Abb. 121

In jüngster Zeit werden wegen eines günstigeren Materialflusses an Be- oder Entladestellen große Papierrollen vermehrt stehend befördert und bei Kontrollen wegen fehlender oder mangelnder Ladungssicherung beanstandet. Papierrollen, egal ob sie stehend, liegend mit Rollrichtung in Fahrzeuglängs- oder -querrichtung, in Sattellage übereinander oder kombiniert geladen, lassen sich hervorragend sichern (Abb. 121a), vorausgesetzt, ein geeigneter Fahrzeugaufbau mit entsprechenden Hilfsmitteln steht zur Verfügung.

Abb. 121a

Weitere Ausführungen zur Sicherung von Papierrollen siehe VDI 2700, Abschnitt 3.3 "Güter in Rollenform", insbesondere Abschnitt 3.3.2 "Papierrollen".

15 Ausrüstungsgegenstände zum Fahrzeug

Der Alptraum eines jeden Fahrzeugführers dürfte sein, bei schneller Fahrt, besonders bei Dunkelheit, plötzlich Gegenstände auf der Fahrbahn zu sehen. In der Regel versucht dann jeder auszuweichen oder in die Bremse zu steigen, auch wenn es sich nur um einen zusammengeknüllten leeren Plastikbeutel handelt. Wer weiß denn schon vorher, ob der Gegenstand gefahrlos überfahren werden kann oder nicht? Derartige Situationen haben nicht selten schwere Unfälle zur Folge.

Darum: Mitgeführte Ausrüstungsgegenstände, die nicht zur eigentlichen Ladung gehören, sind selbstverständlich ebenfalls gegen Verlieren zu sichern. Hier wurde laut Zeitungsbericht ein verloren gegangenes Reserverad einem Lkw-Fahrer zum Verhängnis. Es ließen sich weitere solcher Beispiele anführen. Spitzenreiter der verlorenen Gegenstände als Unfallverursacher sind z.B. Unterlegkeile, Leitern, leere Eimer, Hilfsmittel zur Ladungssicherung (Klötze, Keile, Balken) und neuerdings auch Teile vom seitlichen Lkw-Anfahrschutz.

Abb. 122

Ob diese Leiter (Abb. 122), mit einem Gummiband "verzurrt", als unverlierbar bezeichnet werden kann? Wenn auch die Leiter so aussieht, als sei sie bereits einmal überfahren worden und sich damit der Verlust der eigentlich ausmusterungsreifen Leiter leicht verschmerzen ließe, sollte in erster Linie immer daran gedacht werden, zu welcher Gefahrenquelle ein verlorengegangener Gegenstand für andere Verkehrsteilnehmer werden kann. Davon abgesehen, dass es zu einigen der oben erwähnten Ausrüstungsteile Vorschriften gibt (z.B. zum Reserverad), welche die "unverlierbare Unterbringung" am Fahrzeug ausdrücklich fordern, sollte es selbstverständlich sein, vor Fahrtantritt eine Fahrzeugkontrolle durchzuführen. Dabei sind alle lose mitgeführten Ausrüstungsgegenstände, Hilfsmittel zur Ladungssicherung und evtl. auch lösbare oder bewegliche Aufbauteile auf ihren festen Sitz bzw. ihre sichere Unterbringung zu prüfen. Auch das gehört zum Thema "Ladungssicherung".

16 Einrichtungen und Hilfsmittel zur Ladungssicherung

16.1 Formschlüssige, kraftschlüssige und kombinierte Sicherungsmethoden

So unterschiedlich und vielfältig die zu transportierenden Ladegüter sein können, so vielgestaltig sind auch die Einrichtungen und Hilfsmittel, mit denen diese Ladegüter gesichert werden können. Grundsätzlich unterscheidet der Fachmann zwischen zwei Sicherungsmethoden, und zwar der formschlüssigen und der kraftschlüssigen Ladungssicherung. Beide können auch kombiniert angewandt werden.

Unter formschlüssiger Sicherung versteht man, wenn (z.B. palettierte) Ladung allseitig an den Laderaumbegrenzungen (Stirnwand und Bordwänden) anliegt. Sie wird allein durch die Form des Fahrzeugaufbaus gehalten. Wenn Freiräume zwischen einzelnen Ladungsteilen oder zwischen Laderaumbegrenzungen und Ladung bestehen oder das Fahrzeug keine Laderaumbegrenzungen (Bordwände, Rungen) besitzt, sind andere formschlüssige Sicherungsarten erforderlich. Die Freiräume sind durch Füllmittel (Luftsäcke, Schaumstoffpolster, Leerpaletten) zu schließen. Auch Abstützungen und Keile sind als Sicherung zu verwenden.

Unter kraftschlüssiger Sicherung versteht man, wenn frei auf der Ladefläche stehende Ladung allein durch eine Kraft, hier durch Erhöhung der Reibungskraft, zwischen Ladefläche und Ladung bzw. zwischen den einzelnen Ladungsteilen gesichert werden soll. Die bekannteste Möglichkeit hierzu ist das Niederzurren der Ladung mittels Zurrmittel (Kette, Gurt, Seil) auf die Ladefläche (siehe Abschnitt "Berechnungsbeispiele für gebräuchliche Zurrmethoden").

Unter kombinierter Sicherung versteht man eine bündig an die Stirnwand herangelegte Ladung ( Formschluss) bei gleichzeitigem Niederzurren gegen Bewegung zu den Seiten und nach hinten ( Kraftschluss).

Im Folgenden sollen die wesentlichsten Einrichtungen und Hilfsmittel, wie in den Durchführungsanweisungen zu § 22 (1) UVV "Fahrzeuge" aufgeführt, näher beschrieben werden.

16.2 Ladeflächenbegrenzungen

Für viele übliche Fahrzeugaufbauten gibt es zur Zeit noch keine Regeln, in denen Mindestanforderungen festgelegt sind, welchen Kräften die Ladeflächen- oder Laderaumbegrenzungen standhalten müssen.

Bei Fahrzeugen mit Pritschenaufbauten zählen zu diesen Aufbauteilen z.B. Stirn- und Bordwände, Einstecklatten, Einzelrungen oder seitliche Schiebeplanen (Curtainsider), bei Kofferaufbauten alle Laderaumwände und -türen. Für die Bemessung dieser Aufbauteile werden von der Fahrzeugindustrie im allgemeinen als Richtwerte die Anforderungen der Norm für die Prüfung von Wechselbehältern - DIN EN 283, Ausgabe August 1991 - berücksichtigt. Sie beinhaltet indirekt Sicherheitsanforderungen für Ladungen, die den gesamten Laderaum voll ausfüllen, also allseitig an den Laderaumbegrenzungen anliegen.

In der Norm ist z.B. festgeschrieben, welche Kräfte auf Stirn- und Rückwände sowie auf die Seitenwände einschließlich ihrer Rungen einwirken dürfen, ohne dass bleibende Verformungen auftreten. Danach muss bei einer statischen Prüfung eine Stirnwand dem 0,4fachen, eine seitliche Abgrenzung dem 0,3fachen der Gewichtskraft des Ladegewichtes (der zulässigen Nutzlast) unter bestimmten Prüfbedingungen standhalten. Das bedeutet z.B. für ein offenes Fahrzeug mit Pritschenaufbau und Bordwänden, welches eine Nutzlast von 16 t hat, folgendes:

Besteht der Pritschenaufbau an einer Längsseite aus zwei Bordwänden, müsste die Einzelbordwand also mit einer Kraft von 4800 daN : 2 = 2400 daN (kg) belastbar sein.

Bei einer Pritsche mit Bordwänden und Planenaufbau (Hamburger Verdeck) wird nach DIN EN 283 für die Seitenwände ebenfalls eine Gesamtprüfkraft von 0,3 x Nutzlast zugrunde gelegt. Diese Prüfkraft teilt sich jedoch auf in 0,24 x Nutzlast für die Bordwände und 0,06 x Nutzlast für den übrigen Bereich, d.h. für den Bereich der darüber befindlichen Einstecklatten.

Derzeit wird an einer europäischen Norm "Ladungssicherung auf Straßenfahrzeugen; Aufbauten an Nutzfahrzeugen; Mindestanforderungen" gearbeitet. Diese Norm liegt seit April 1997 im Entwurf (prEN 12642) vor und wird von den meisten Fahrzeugaufbauherstellern bereits berücksichtigt. Grundlage dieses Normentwurfes ist die genannte DIN EN 283. Die Forderungen dieser Norm hinsichtlich Mindestanforderungen und Prüfungen wurden vollständig in den Entwurf prEN 12642 übernommen. Einzige Abweichung, die sich aus dem Bestreben der Hersteller ergibt, eine möglichst hohe Nutzlast für die Fahrzeuge zu gewährleisten, ist, dass die Stirnwandfestigkeit begrenzt sind.

So gilt für die vordere Stirnwand 0,4 x Nutzlast, jedoch maximal 5000 daN (kg) und für die hintere Stirnwand (Rückwand) ebenfalls 0,4 x Nutzlast, jedoch maximal 3100 daN (kg). Zu beachten ist, dass sich auch hier die statische Prüfung auf vollflächig ausgefüllte Stirnwände bezieht.

Beispiel:

Stirn-, Bordwände und Einsteckbretter eines Sattelanhängers mit einer Nutzlast von 28 t müssten demnach für folgende Belastungswerte ausgelegt sein:

Stirnwand

0,4 x 28000 daN (kg) = 11200 daN (kg)

Begrenzung bei Fahrzeugen nach pr EN 12642:

Bordwände

0,24 x 28000 daN (kg) = 6720 daN (kg).

Bei vier Bordwänden je Seite wären das je Bordwand

6720 daN : 4 = 1680 daN (kg).

Gesamter Einstecklattenbereich (je Seite):

0,06 x 28000 = 1680 daN (kg).

Bei 4 übereinanderliegenden Einstecklatten wären bei ebenfalls vier Bordwandeinteilungen auf einer Seite insgesamt 16 Einstecklatten vorhanden. Danach müsste eine Latte einer Kraft von 1680 daN : 16 = 105 daN (kg) widerstehen. Diese (niedrigen) Werte sollten unbedingt bedacht werden, wenn allein die Laderaumbegrenzungen einschließlich der Einstecklatten die Ladungssicherung übernehmen sollen. Bereits vor Bestellung eines Fahrzeuges sollten Überlegungen angestellt werden, ob nicht z.B. verstärkte Bordwandscharniere und -verschlüsse sowie Einstecklatten aus Leichtmetall statt aus Holz mit zusätzlicher senkrecht verlaufender Unterstützung für die geplanten Transportaufgaben sicherer wären.

Abb. 123

Seitliche Schiebeplanen (Abb. 123) statt Bordwände sind an Fahrzeugen mit Pritschenaufbau vermehrt im Einsatz. Diese Aufbauart ist einerseits aus Sicht der Unfallverhütung zu begrüßen. Die vielen Arbeitsunfälle, die sich beim Auf- und Abplanen von Fahrzeugen ereignen (Leiterunfälle), werden sich verringern. Andererseits ist dieser Aufbau für die Ladungssicherung nicht unproblematisch. Die Planen selbst sind zwar durch eingearbeitete Verstärkungen relativ hoch belastbar. Doch in den meisten Fällen werden die Planen als alleinige Sicherung nicht ausreichen, sondern zusätzliche Sicherungsmaßnahmen müssen angewandt werden (Abb. 123a). Als weiterer Faktor kommt hinzu, dass diese Planen durch Ladungsdruck nach außen ausgebeult werden, was zur Vergrößerung der Fahrzeugbreite und damit zu Unfällen führen kann.

Abb. 123a

Die DIN EN 283 legt daher fest, dass bei einer seitlichen Belastung der gesamten Planenfläche mit 0,3 x Nutzlast an keiner Stelle die Plane mehr als 300 mm ausbeulen darf, fügt aber in einer Anmerkung hinzu, dass diese 300 mm Ausbeulung nur als Prüfkriterium zu verstehen ist und nicht als zulässiger Wert für ein Verformungsmaß durch Ladungsdruck während des Fahrbetriebes. Das bedeutet, dass die Ladungssicherungsmaßnahmen bei Aufbauten mit seitlichen Schiebeplanen in vielen Fällen so durchzuführen sind, als würde auf Pritschenfahrzeugen ohne seitliche Laderaumbegrenzungen verladen werden.

Nach diesen Darlegungen bleibt anzuraten, beim Kauf eines Fahrzeugs sich vom Hersteller schriftlich bestätigen zu lassen, nach welchen Grundsätzen die seitlichen Laderaumbegrenzungen bemessen sind bzw. welche Kräfte sie aufzunehmen vermögen. Das gilt auch für Sonderausführungen, so z.B. für die Verstärkung einer Stirnwand für ein Langmaterialfahrzeug, an die weitaus höhere Anforderungen zu stellen sind, als an eine herkömmliche Stirnwand. Ebenfalls sollte die Belastbarkeit von Einzelrungen (Abb. 124) bekannt sein, wobei hier auf die verschiedensten Rungenarten nicht weiter eingegangen werden soll. Die DIN EN 283, die nur für die Prüfung von Wechselbehältern gedacht ist, sagt verständlicherweise zu Prüfkriterien von Einzelrungen, die allein als seitliche Laderaumbegrenzung dienen sollen, nichts aus.

Abb. 124

Heutzutage werden wegen Verwendung besonderer Stähle die Rungen kaum noch mit Ösen am Rungenkopf für den Einsatz von Rungenspannketten angeboten. Wenn diese Ketten fehlen, die üblicherweise zwischen sich gegenüberliegenden Rungenpaaren gespannt werden, um sich gegenseitig zu unterstützen und gegen Abknicken zu sichern, ist besonders auf die zulässige Belastbarkeit der freistehenden Einzelrungen zu achten. Der Fahrzeugkäufer sollte sich nicht mit einer allgemeinen Belastungsangabe des Herstellers zufrieden geben, sondern ein Lastdiagramm fordern, aus dem die Belastbarkeit der Rungen in Abhängigkeit ihrer Höhe hervorgeht.

16.3 Zurrpunkte

Wer kauft sich schon eine neue Lederhose ohne Knöpfe, wenn er sie beim Tragen mit seinen Hosenträgern gegen Herunterrutschen sichern will? Sicher keiner!!! Die Frage anders formuliert könnte lauten: Wer kauft sich schon ein neues Fahrzeug ohne Zurrpunkte, wenn geeignete Zurrmittel zur Ladungssicherung im Betrieb zur Verfügung stehen? Wirklich keiner???

Jahrelange Bemühungen, die Nutzfahrzeugindustrie dazu zu bewegen, von sich aus serienmäßig Ladeflächen von Fahrzeugen mit Pritschenaufbau mit Zurrpunkten auszurüsten, blieben weitgehend erfolglos. Mit der Erarbeitung der DIN 75410 Teil 1 (Deckblatt siehe Anhang 16) gab es hierzu eine Regel der Technik, die jedoch bei der Fahrzeugindustrie auch nicht zum Durchbruch auf breiter Basis führte, denn der Kunde bekam Zurrpunkte nur auf Sonderwunsch.

Diesen Sonderwunsch konnten die meisten Hersteller schon seit vielen Jahren erfüllen. Technische Probleme zur Ausrüstung von Fahrzeugen mit Zurrpunkten sprachen also nicht dagegen.

Um die serienmäßige Zurrpunkt-Ausrüstung von Fahrzeugen mit Pritschenaufbauten endlich durchzusetzen, wurde im Jahr 1990 eine einschlägige Forderung in den § 22 Abs. 1 UVV "Fahrzeuge" (BGV D29) aufgenommen. Nach Ablauf der zugehörigen Übergangsfrist - und zwar seit dem 1. Oktober 1993 - müssen nun alle gewerblich genutzten Pritschenfahrzeuge mit Zurrpunkten ausgerüstet sein. Anzahl, Anordnung und Dimensionierung der Zurrpunkte richten sich nach DIN 75410 Teil 1 und DIN EN 12640 (Deckblatt siehe Anhang 15).

Abb. 125: Zurrpunkte (eingekreist) nach DIN EN 12 640 in äußeren Längsträgern versenkt

Hier nur die wesentlichsten Anforderungen der Normen:

Abb. 126 Kennzeichnung nach DIN 75 410 Teil 1

Abb. 126a Kennzeichnung nach DIN EN 12 640

Bei Einhaltung dieser Norm gehört es hoffentlich bald der Vergangenheit an, dass für Haken von Zurrmitteln (un-) geeignete Befestigungspunkte unter Fahrzeugaufbauten gesucht werden (Abb. 127 - 129), wobei die Haken nicht selten derart auf Biegung beansprucht werden, dass es zum Bruch kommt. Diverse weitere Nachteile dieser improvisierten Verzurrmethoden ließen sich aufzählen.

Abb. 127

Abb. 128

Abb. 129

Um möglichen technischen Weiterentwicklungen nicht im Wege zu stehen, legen die Zurrpunkt-Normen nicht ausdrücklich fest, dass sich die Zurrpunkte in der Ladeflächenebene befinden und der zeichnerischen Darstellung entsprechen müssen. So hat z.B. ein namhafter Fahrzeugaufbautenhersteller ein System entwickelt, welches den Anforderungen der Norm in allen Belangen entspricht.

Die verwendeten Außenrahmen-Längsträger der Ladefläche haben ein Profil, in welches spezielle Zurrgurtendbeschläge eingehakt werden können, sowohl bei geöffneter als auch bei geschlossener Bordwand. Der Zurrhaken lässt sich aus senkrechter Stellung zur Ladefläche hin beliebig schwenken, die im Haken eingearbeitete Drehscheibe mit Schlitz zur Gurtaufnahme lässt sich in Fahrzeuglängsrichtung in jede gewünschte Stellung ausrichten (Abb. 130). Der Haken wird im Trägerprofil durch eingeschweißte Anschläge gegen Verrutschen in Längsrichtung formschlüssig gesichert (Abb. 131). Gegenüber den üblichen Zurrpunkten dürfte der größte Vorteil dieses Systems sein, dass die gesamte Ladeflächenbreite zur Nutzung erhalten bleibt. Bei Fahrzeugen ohne Bordwände (z.B. Curtainsider) wird ein Anschlagprofil an den Fahrgestellrahmen angeschraubt. Dieses Profil übernimmt die Funktion des Widerlagers gegen unbeabsichtigtes Aushaken der Zurrgurtendbeschläge.

Abb. 130

Abb. 131

Zur Weiternutzung herkömmlicher Zurrgurtsysteme gibt es Adapterhaken oder kurze Adaptergurtstücke mit eingenähtem Drehscheibenhaken an einem und einer Triangelöse am anderen Ende.

Dieses System wurde zwischenzeitlich weiterentwickelt.

Auf Grund der Vorteile, die Außenrahmen-Zurrpunkt-Systeme mit sich bringen, haben andere Fahrzeugaufbautenhersteller nachgezogen und bieten ähnliche Zurrschienen an (Abb. 131a und 131b).

Abb. 131a

Abb. 131b

Im Gegensatz zum beschriebenen System, bei dem die Haken innerhalb der Ladeflächenabmessung in das Profil des Längsträgers eingehakt werden können, ist die Nutzung des äußeren Rahmenprofils, in das z.B. ein dem Profil angepasster Haken um die Profilunterkante eingehakt wird, aus folgenden Gründen abzulehnen:

Für Fahrzeuge mit Pritschenaufbauten ohne Zurrpunkte, die vor dem 1. Oktober 1993 hergestellt wurden, kann nur die Empfehlung ausgesprochen werden, bei häufigem Einsatz von Zurrmitteln zur Ladungssicherung diese Fahrzeuge nach den Kriterien der bestehenden Normen mit Zurrpunkten nachzurüsten. Zurrpunkte zum nachträglichen Einbau (Abb. 132) werden in verschiedener Form, Größe und zulässiger Belastbarkeit durch den Fachhandel angeboten.

Abb. 132

16.4 Zurrmittel

Wie in Abb. 133 dargestellt, ist Zurrmittel (A) der Sammelbegriff für Zurrgurte, Zurrketten und Zurrdrahtseile. Ein Zurrmittel setzt sich üblicherweise zusammen aus dem Spannmittel (B) (Gurt, Rundstahlkette oder Drahtseil), einem Spannelement (C) und zwei Verbindungselementen (D).

Abb. 133

Ausführungsformen (Beispiele):
Zurrmittel A Zurrgurte Zurrketten Zurrdrahtseile
Spannmittel B Gurt Rundstahlkette Drahtseil
Spannelement C
  • Klemmschloss
  • Spannschloss
  • Winde
  • Hebelspannschloss
  • Spindelspanner
  • Mehrzweck- Kettenzug
  • Ratsche
  • Mehrzweck- Kettenzug
  • Winde
Verbindungselement D
  • Haken (Klauen- und Flachhaken)
  • Haken
  • Endglied
  • Endglied
  • Schäkel
  • Haken
  • Endglied
  • Schäkel
  • Verkürzungselement
  • Kombinationsglieder


Eingesetzte Zurrmittel zur Ladungssicherung auf Fahrzeugen für den gewerblichen Transport sind nach dem Gerätesicherheitsgesetz "technische Arbeitsmittel" und müssen damit den allgemein anerkannten Regeln der Technik sowie den Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften entsprechen. Geltende Regeln der Technik für die Herstellung und den Gebrauch von Zurrmitteln sind

Es würde hier zu weit führen, detaillierte Anforderungen und Beschreibungen der einzelnen Zurrmittelarten abzugeben, die ohnehin nur für die Zurrmittel-Hersteller von Interesse sein dürften. Auch auf die allgemeinen Hinweise bezüglich Handhabung, Anwendung, Überwachung, Prüfung, Ablegereife, Instandhaltung und Instandsetzung muss hier verzichtet werden, bis auf einige Punkte, die für den Anwender von wesentlicher Bedeutung sein können. Hier zunächst Bemerkungen und Anforderungen, die für alle drei Zurrmittelarten (Gurt, Kette, Seil) Gültigkeit haben.

16.4.1 Gemeinsame Anforderungen an alle Zurrmittel

Alle Zurrmittel müssen mit einem Kennzeichnungsetikett versehen sein, aus dem u.a. hervorgehen:

Die Angabe der zulässigen Zugkraft erfolgt in daN (deka-Newton), da 1 daN etwa 1 kg entspricht (nähere Erläuterung hierzu siehe unter Abschnitt "Physikalische Grundlagen zur Ladungssicherung - Begriffe"). Im Zuge der europäischen Normung wurde die Abkürzung Fzul durch LC (Lashing Capacity) ersetzt.

Zur Angabe der zulässigen Zugkraft ein wichtiger Hinweis: Nach wie vor ist der Irrglaube weit verbreitet, dass z.B. eine frei auf einem Tieflader stehende 10 000 kg schwere Baumaschine nach Berücksichtigung der Reibkraft durch Diagonalverzurrung mit vier Zurrmitteln mit je 2500 daN zulässige Zugkraft gesichert werden kann. Um die Maschine gegen Verrutschen in Fahrtrichtung durch zwei Zurrmittel zu sichern, wären bei angenommenem Reibungsfaktor von µ = 0,2 Sicherungskr´fte von 6000 daN erforderlich. Danach müsste bereits bei theoretischer Betrachtungsweise je Zurrmittel eine zulässige Zugkraft von 3000 daN erbracht werden, wobei diese Zurrmittel von ihren Zurrpunkten aus horizontal und parallel zueinander zu den Befestigungspunkten an der Baumaschine verlaufen müssten. Die räumlichen Verzurrwinkel, die in der Praxis, wie hier bei der Diagonalverspannung, auftreten und damit die tatsächliche Sicherungskraft erheblich herabsetzen, werden bei dieser Betrachtungsweise nicht berücksichtigt. Wenn z.B. bei der Diagonalverzurrung Horizontal- und Vertikalwinkel je 45° betragen würden, wäre je Zurrmittel eine zulässige Zugkraft von mindestens 4650 daN erforderlich (siehe Diagramm 3 in Abb. 25).

Würden dieselben Zurrmittel mit einer zulässigen Zugkraft von je 2500 daN in geradem Zug doppelt gelegt oder einteilige Zurrgurte mit einer zul. Zugkraft von 5000 daN in der Umreifung eingesetzt, wären damit die erforderlichen Sicherungskräfte erbracht, vorausgesetzt, die dafür auf das Gurtband aufgefädelten Verbindungselemente sind auch für eine zulässige Zugkraft von 5000 daN ausgelegt.

Noch verhängnisvoller kann es enden, wenn bei der Auswahl von Zurrmitteln für das Niederzurren ähnlich gedacht wird wie im zuvor dargestellten Beispiel einer Diagonalverzurrung. Wer glaubt, eine 10000 kg schwere Ladung, z.B. übereinander geschichtete Betonplatten, mit nur zwei Zurrmitteln je 5000 daN zulässiger Zugkraft in der Umreifung sichern zu können, liegt völlig daneben! Hier ist nicht die angegebene zulässige Zugkraft des Zurrmittels, sondern die Vorspannkraft von entscheidender Bedeutung, die mit dem Spannelement im Zurrmittel aufgebaut werden soll, um die Ladung nieder zu pressen (siehe hierzu Abschnitt "Berechnungsbeispiele für gebräuchliche Zurrmethoden - Niederzurren"). Dabei ist es unerheblich, welche Spannelemente hier zum Einsatz kommen. In jedem Fall müsste die Ladung beim günstigsten Vertikalwinkel von 90° und bei einer angenommenen Reibungszahl von 0,3 mit einer Gesamtvorspannung von ca. 16600 daN nieder gezurrt werden, um den festgeschriebenen Anforderungen aus den Regeln der Technik (VDI 2700 und VDI 2702) zu genügen. Diese Gesamtvorspannkraft von ca. 16600 daN würde nach der Tabelle in Abb. 20 einer erforderlichen Mindestvorspannkraft Z von ca. 8300 daN entsprechen (Summe der auf der Zurrmittelspannseite abgelesenen Vorspannwerte), zu deren Aufbringung ca. 21 Gurte mit Ratschen erforderlich wären. Die tatsächlich auf ein Zurrmittel aufgebrachte Vorspannung abzuschätzen, ist äußerst schwierig. Dazu nützt kein Rütteln am Zurrmittel und kein Zupfen am Gurtband, um je nach Klang die Vorspannung festzustellen. Diese "Messmethode" ist genauso unsinnig, wie das Prüfen des Reifenfülldruckes durch Fußtritt.

Darum sollte es möglichst bald zum Stand der Technik gehören, ablesbare Vorspannanzeigen, wie sie bereits auf dem Markt erhältlich sind (Abb. 134 - 135), in die Zurrmittel zu integrieren oder aufzustecken ( 135a - 135b).

Abb. 134: Zurrkette mit Vorspannanzeige

Abb. 135: Zurrgurt mit Vorspannanzeige

Abb. 135a: Aufsteckbares Vorspannmessgerät mit digitaler Anzeige

Abb. 135b: Aufsteckbares Vorspannmessgerät

Der Hinweis "Nicht heben, nur zurren!" dürfte einleuchten. Zurrmittel dürfen nicht zum Heben von Lasten eingesetzt werden, da sie bei weitem nicht den Sicherheitsfaktor haben, wie er im Hebezeugeinsatz verlangt wird. Zurrmittel haben nur den Sicherheitsfaktor (Gebrauchszahl) von 2. Das bedeutet, dass Zurrmittel eine Mindestbruchkraft von der doppelten angegebenen zulässigen Zugkraft Fzul erbringen müssen. Wird z.B. für Zurrgurte

mit einem Sicherheitsfaktor von 3 geworben, ist das eine Irreführung. Das unvernähte Gurtmaterial allein geprüft muss zwar den 3fachen Wert der vorgesehenen zulässigen Zugkraft erbringen, aber nach dem Konfektionieren ist diese 3fache Sicherheit durch das Vernähen (Nahtverlust) nahezu wieder auf die zweifache Sicherheit zusammengeschrumpft.

Alle Spannelemente von Zurrmitteln müssen rückschlagfrei arbeiten. Das bedeutet, dass Hebel oder Kurbeln beim Spannen in jeder Stellung losgelassen werden können, ohne dass sie mehr als 15 cm - gemessen an ihren äußeren Dreh- oder Schwenkradien - zurückschlagen können. Der in Abb. 136 dargestellte Lastenspanner erfüllt diese Anforderung nicht und ist damit als Spannelement unzulässig, Jeder, der mit solchen Geräten bereits gearbeitet hat, weiß warum. In jedem Fall bleibt die schmerzhafte Erinnerung demjenigen, der schon einmal von einem unter Spannung herumschlagenden Spannhebel getroffen wurde, ob nun beim Lösen oder Spannen eines Zurrmittels.

Abb. 136

An Spannelementen dürfen zum Erreichen einer höheren Vorspannkraft keine zusätzlichen Verlängerungen oder Vorrichtungen an die herstellerseitig gelieferten Spannhebel angebracht werden, wenn dies nicht ausdrücklich durch entsprechende Betriebsanleitung erlaubt ist. Der eingekerbte Ratschengriff (Abb. 137) deutet darauf hin, dass hier zum Spannen unerlaubte Hilfsmittel benutzt wurden.

Abb. 137

Alle Spannmittel müssen, wenn sie um scharfe Kanten geführt werden, durch entsprechenden Einsatz von Kantenschützern (Abb. 138 - 139) geschont werden. Diese Kantenschützer verhindern die Beschädigung der Ladung und können außerdem beim Niederzurren von Vorteil sein, da durch ihre glatten Oberflächen und größeren Biegeradien die Vorspannkräfte der Spannelemente von der Spannseite auf die gegenüberliegende Seite besser übertragen werden (geringere Reibverluste).

Abb. 138: Gurt-Kantenschutz

Abb. 139: Ketten-Kantenschutz

Wird dann noch (wie in Abb. 140) auf beiden Seiten der Niederzurrung ein Spannelement eingesetzt, dazu noch je eine Vorspannanzeige, wäre das die Idealvorstellung eines Niederzurrsystems!

Abb. 140

Apropos Kanten:

Alle starren Metallteile in Zurrmitteln dürfen beim Spannen niemals auf Kanten aufliegen, um nicht auf Biegung beansprucht zu werden. Das gilt auch für Pressklemmen von Drahtseilendverbindungen. Haken sollten immer nur im Hakengrund belastet und auf Zug beansprucht werden. Auf Biegung beanspruchte Verbindungselemente können leicht brechen!

Eine Kombination der drei Zurrmittelsysteme untereinander ist möglich, in einigen Bereichen sogar von Vorteil (Kette - Gurt). Voraussetzung ist ein den Regeln der Technik entsprechendes Verbindungselement zwischen den Systemen. Die "Kombination" nach Abb. 141 genügt den Anforderungen nicht.

Abb. 141

Zurrmittel sind entsprechend ihren Einsatzbedingungen - falls erforderlich täglich - durch den Anwender zu überprüfen. Mindestens jedoch einmal jährlich sind sie einer Sachkundigenprüfung zu unterziehen.

Achtung:

Rödeldraht, in welcher Ausführung auch immer, ist als Zurrmittel ungeeignet. Kaum jemand ist in der Lage, mit Sicherheit anzugeben, welche zusätzlichen Belastungen ein vorgespannter gerädelter Draht noch aufzunehmen vermag. Bei einer Anwendung als Zurrmittel verliert der gerädelte Draht schon nach kurzer Fahrstrecke wegen der Art der Verdrallung oder auch wegen bleibender Verformung seine Vorspannung, was bis zum Durchhängen des Drahtes führen kann. Gerät die Ladung dann in Bewegung, wird der Draht ruckartig belastet und zerreißt. Außerdem führen vielfach die vorstehenden Drahtenden zu Verletzungen. Dies ist ein weiterer Grund, den Rödeldraht allgemein als Ladungssicherungsmittel abzulehnen.

Nach dieser gemeinsamen Betrachtung aller Zurrmittel noch zu einigen Besonderheiten der einzelnen Zurrmittelarten:

16.4.2 Zurrgurte

Die Spannmittel von Zurrgurten sind gewebte Gurtbänder aus Chemiefasern. Die gebräuchlichsten Zurrgurtsysteme werden einteilig oder zweiteilig angeboten. Ein einteiliger Zurrgurt besteht nur aus Spannelement (Ratsche) und Gurtband (Abb. 142).

Abb. 142

Damit kann er in der Praxis zum Bündeln oder Umreifen von Ladungen eingesetzt werden. Weiterhin besteht die Möglichkeit, durch zwei auf das Gurtband aufgezogene Verbindungselemente (Haken) den Gurt zum direkten Verzurren einzusetzen, z.B. beim Diagonalverzurren; der einteilige Zurrgurt ist also doppelt gelegt (Abb. 143).

Abb. 143

Diese Anwendungsart kann sehr nützlich sein, da sie im Verhältnis zum zweiteiligen Zurrgurt bei gleicher Materialstärke die doppelte zulässige Zugkraft erbringt. Natürlich müssen dann die lose aufgezogenen Haken für die zulässige Zugkraft einsetzbar sein, für die der Zurrgurt laut Kennzeichnungsetikett ausgezeichnet ist.

Ein einteiliger Zurrgurt kann damit nur in der Umreifung eingesetzt werden, was auf dem Kennzeichnungsetikett durch ein entsprechendes Symbol dargestellt wird (Abb. 144).

Abb. 144

Ein zweiteiliger Zurrgurt (Abb. 145) besteht aus Fest- und Losende.

Abb. 145

Festende = Spannelement (Ratsche) - Gurtband - Verbindungselement

Losende = Verbindungselement - Gurtband

Ein zweiteiliger Zurrgurt kann sowohl im geraden Zug (beim Direktzurren) als auch in der Umreifung (beim Niederzurren) eingesetzt werden. Die zulässige Zugkraft LC auf dem Etikett ist für den geringsten Belastungsfall, also für den geraden Zug, anzugeben (Abb. 146). Die Kennzeichnung der zulässigen Zugkraft erfolgt seit dem Erscheinen der europäischen Norm für Zurrgurte (DIN EN 12 195-2) mit dem Formelzeichen LC (Lashing Capacity). Das betrifft alle Zurrgurte die nach 2/2001 hergestellt wurden. Los- und Festende müssen jeweils mit einem Kennzeichnungsetikett versehen sein.

Abb. 146

Achtung:

Es werden z.T. Zurrgurte mit einer Festigkeitsangabe wie "höchste Belastbarkeit" oder ähnlich angeboten. Hierbei handelt es sich in den meisten Fällen um die Bruchkraft. Diese Werbung ist genauso unzulässig, wie zweiteilige Zurrgurte nur mit dem Wert der zulässigen Zugkraft in der Umreifung anzubieten.

Nach DIN En 12195-2 hergestellte Zurrgurte tragen diese Normbezeichnung auf ihrem Etikett. Weiterhin ist dort das Werkstoffkurzzeichen für das Gurtband anzugeben. In den meisten Fällen besteht es aus Polyester (PES). Die Farbe des Etiketts ist ebenfalls diesem Werkstoff zugeordnet. Für PES ist eine blaue Grundfarbe des Etiketts vorgeschrieben.

Eine weitere wichtige Angabe muss dem Etikett zu entnehmen sein, und zwar die Dehnung in Prozent. Sie darf maximal 7 % betragen.

Was bedeutet das?

Diese Forderung leuchtet sehr schnell ein, wenn man bedenkt, dass sich 1 m Gurtband bis zum Erreichen der zulässigen Zugkraft LC um nicht mehr als 7 cm strecken (dehnen) darf. Die Vorstellung, dass z.B. Längen von 6 m Gurtband und mehr erforderlich sind, um auf einem A-Bock stehende Betonplatten niederzuzurren, macht diese Forderung verständlich. Sollten die Gurte während des Transportes bis zur zulässigen Zugkraft beansprucht werden, würde bei 6 m Gurtlänge eine Dehnung bis zu 42 cm (7 % von 6 m) in einem Zurrgurt auftreten. Sollten hier nicht doch besser Zurrketten zum Einsatz kommen?

Noch extremer kann es bei unseriösen Billigangeboten aussehen. Es wurden Dehnwerte bis zu 15 % (!) gemessen!

Neu ist, dass Zurrgurte, die zum Niederzurren geeignet sind und seit Februar 2001 hergestellt wurden, auf dem Kennzeichnungsetikett folgende zusätzliche Angaben haben müssen:

SHF - "Normale Handkraft"

STF - "Normale Spannkraft"

Die "Normale Handkraft" ist eine in der Norm DIN EN 12195-2 festgelegte Handzugkraft, mit der die Vorspannfähigkeit von Ratschen und anderen Spannelementen mit drehbaren Achsen, geprüft wird. Sie beträgt 50 daN.

Die "Normale Spannkraft" ist die Vorspannkraft, die mit 50 daN Handkraft beim Niederzurren über das Spannelement in den Zurrgurt eingebracht werden kann.

Diese Vorspannkraft muss zwischen 10 % und 50 % der zulässigen Zugkraft (LC) liegen. Erst dann ist der Zurrgurt zum Niederzurren geeignet. Durch die Angabe dieser Vorspannkraft auf den Kennzeichnungsetiketten der Zurrgurte soll der Anwender in der Praxis erkennen können, wie viel Vorspannkraft er "normalerweise" in den Zurrgurt einbringen kann. Natürlich ist es bei den handelsüblichen Spannelementen (z.B. Ratschen mit verlängertem Handhebel) auch möglich, durch größeren Krafteinsatz beim Spannen, höhere Vorspannkräfte aufzubringen. Diese Vorspannkräfte sind dann gegebenenfalls (z.B. bei einer Polizeikontrolle) mit Hilfe von Vorspannanzeigen nachzuweisen.

Außer dem Kennzeichnungsetikett am Zurrgurt sind vom Zurrgurt lösbare Spann- und Verbindungselemente sowie Gurtbandklemmen und Vorspannanzeigen mit einer zulässigen Zugkraft LC> 500 daN mit dem Namen oder Kurzzeichen des Herstellers sowie mit der Angabe der zulässigen Zugkraft LC dauerhaft zu kennzeichnen, z.B. durch Einprägung.

Wer kennt nicht die Kiste im Betrieb, in der gebrauchte Ratschen und Verbindungselemente, wie z.B. ein offener Klauenhaken, der sich aus der vernähten Öse am Gurtende herauswinden lässt, gesammelt werden. Da in den meisten Fällen bei ablegereifen Zurrgurten lediglich das Gurtband eingeschnitten oder verschlissen ist, werden diese Beschlagteile als "Ersatzteile" gesammelt. Da aber Zurrgurtsysteme, z.B. mit 50 mm breitem Gurtband, mit unterschiedlicher zul. Zugkraft angeboten werden, z.B. gestaffelt von LC = 1000 daN bis 2500 daN, kann bei späterer Verwendung der ungekennzeichneten Teile nicht mehr festgestellt werden, welcher LC sie zuzuordnen sind.

Wer jetzt meint, aus abgelegten Zurrgurten herausgeschnittene "unlösbare" Haken könnten nicht weiter verwendet werden, ist auf dem Holzweg (siehe hierzu Ausführungen auf Seite 181 und Seite 189 zu einteiligen Zurrgurten mit aufgezogenen Haken).

So dürften z.B. die Verbindungselemente aus einem zweiteiligen Zurrgurt mit einer zulässigen Zugkraft von 2500 daN im geraden Zug ( = 2500 daN) nicht auf einen einteiligen Zurrgurt mit einer zulässigen Zugkraft von 5000 daN in der Umreifung ( = 5000 daN) aufgezogen werden. Hier wären Verbindungselemente mit einer zulässigen Zugkraft von mindestens 5000 daN im geraden Zug erforderlich.

Beim Einsatz von Ratschen als Spannelement sollten sich am Ende des Spannvorganges mindestens 1,5 Windungen auf der Ratschenwelle befinden, um den gewünschten Klemmeffekt zu erzielen und damit ein unbeabsichtigtes Lösen des Gurtes aus der Ratsche zu verhindern. Es dürfen jedoch höchstens 3 Windungen gespanntes Gurtband auf die Ratschenwelle aufgebracht werden. Warum? Erstens besteht bei mehr Windungen die Gefahr, dass durch das zu hoch aufgetürmte Gurtband der Sperrschieber aus seiner Haltestellung angehoben wird, zweitens verringert sich beim Niederzurren die von Hand über den Ratschenhebel auf das Gurtband aufgebrachte Vorspannkraft, denn je mehr Windungen sich auf der Ratschenwelle befinden, desto ungünstiger wird das Verhältnis der über den Ratschenhebel eingebrachten Krafteinleitung.

Bei der Begrenzung auf höchstens 3 Windungen ist berücksichtigt, dass außer vom zu spannenden Gurtmaterial auch das durch den Schlitz der Wickelwelle gezogene freie Losende mit aufgewickelt wird, bei 3 Umdrehungen (= Windungen) sich also fast 6 Gurtstärken (genau 5,5 Windungen) auf der Wickelwelle aufbauen.

Zurrgurte vieler Hersteller tragen auf dem Etikett zusätzlich ein GS-Zeichen mit zugehöriger Prüfnummer. Überwiegend werden diese Gurte durch die Prüf- und Zertifizierungsstelle des Fachausschusses "Verkehr" im BG-Prüfzert geprüft, dessen Federführung bei der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen liegt.

Es dürfte verständlich sein, dass solche technischen Arbeitsmittel, die auf die Erfüllung aller Anforderungen hin von einer neutralen Prüfstelle geprüft wurden, bei der Anschaffung etwas teurer sind, als Billigangebote unseriöser Hersteller. Kontrollprüfungen derartiger Billigware haben erschreckende Ergebnisse zutage gebracht, vereinzelt wurde sogar mit dem GS-Zeichen geworben, obwohl eine Prüfung nie durchgeführt wurde. Im Zweifelsfall sollte beim Kauf von Zurrmitteln Einsichtnahme in die zum GS-Zeichen gehörende Bescheinigung verlangt werden.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Natürlich können auch Zurrgurte, die nicht mit den GS-Zeichen gekennzeichnet sind, den Anforderungen nach DIN EN 12195-2 genügen und von bester Qualität sein.

16.4.3 Gefahrenhinweis zum Spannelement Ratsche

Achtung:

Vorsicht beim Lösen der Verzurrung von kippgefährdeten Gütern, wenn Ratschen als Spannelemente von Zurrgurten benutzt werden! Genauere Hinweise siehe unter Kapitel "Vorsicht beim Be- und Entladen von Gütern mit schmaler Standbasis und/oder außermittigem Schwerpunkt"


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