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Regelwerk; Arbeits- & Sozialrecht

(VHMPVwV) - Verwaltungsvorschrift der Landesregierung zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/958
- Thüringen -

Vom 21. Juli 2020
(ThürStanz. Nr. 32 vom 10.08.2020 S. 963)



Erster Abschnitt
Prüfraster für die Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen

1 Prüfung der Verhältnismäßigkeit

1.1 Vor der Einführung neuer oder der Änderung bestehender Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die den Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung beschränken, ist eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit nach den folgenden Bestimmungen durchzuführen. Der Umfang der Prüfung steht im Verhältnis zu der Art, dem Inhalt und den Auswirkungen der Rechts- und Verwaltungsvorschrift.

1.2 Dabei ist die jeweilige Rechts- oder Verwaltungsvorschrift mit einer Begründung zu versehen, die ausführlich genug ist, um eine Bewertung der Übereinstimmung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu erlauben.

1.3 Die Gründe, aus denen hervorgeht, dass eine Rechts- oder Verwaltungsvorschrift gerechtfertigt und verhältnismäßig ist, sind durch qualitative und, soweit möglich und relevant, quantitative Elemente zu substantiieren.

1.4 Rechts- und Verwaltungsvorschriften im Sinne von Nummer 1 dürfen weder eine direkte noch eine indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes darstellen.

1.5 Rechts- und Verwaltungsvorschriften im Sinne von Nummer 1 müssen durch Ziele des Allgemeininteresses im Sinne des Artikels 6 der Richtlinie (EU) 2018/958 gerechtfertigt sein. Sie müssen für die Verwirklichung des angestrebten Ziels geeignet sein und dürfen nicht über das zur Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinausgehen.

2 Durchführung der Verhältnismäßigkeitsprüfung

2.1 Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit sind die folgenden Punkte zu berücksichtigen:

  1. die Eigenart der mit den angestrebten Zielen des Allgemeininteresses verbundenen Risiken, insbesondere der Risiken für Dienstleistungsempfänger, einschließlich Verbraucher, Berufsangehörige und Dritte;
  2. die Frage, ob bestehende Regelungen spezifischer oder allgemeiner Art, etwa die Regelungen in Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Produktsicherheit oder des Verbraucherschutzes, nicht ausreichen, um das angestrebte Ziel zu erreichen;
  3. die Eignung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften hinsichtlich ihrer Angemessenheit zur Erreichung des angestrebten Ziels, und ob sie diesem Ziel tatsächlich in zusammenhängender und systematischer Weise gerecht werden und somit den Risiken entgegenwirken, die bei vergleichbaren Tätigkeiten in ähnlicher Weise identifiziert wurden;
  4. die Auswirkungen auf den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr innerhalb der Europäischen Union, die Wahlmöglichkeiten für die Verbraucher und die Qualität der bereitgestellten Dienstleistungen;
  5. die Möglichkeit des Rückgriffs auf mildere Mittel zur Erreichung des im Allgemeininteresse liegenden Ziels. Wenn die Vorschriften nur durch den Verbraucherschutz gerechtfertigt sind und sich die identifizierten Risiken auf das Verhältnis zwischen dem Berufsangehörigen und dem Verbraucher beschränken und sich deshalb nicht negativ auf Dritte auswirken, ist insbesondere zu prüfen, ob das Ziel durch Maßnahmen erreicht werden kann, die milder sind, als die Tätigkeiten zu reglementieren.

2.2 Darüber hinaus sind bei der Prüfung die folgenden Elemente zu berücksichtigen, wenn sie für die Art und den Inhalt der neu eingeführten oder geänderten Rechts- und Verwaltungsvorschrift relevant sind:

  1. der Zusammenhang zwischen dem Umfang der von einem Beruf erfassten oder einem Beruf vorbehaltenen Tätigkeiten und der erforderlichen Berufsqualifikation;
  2. der Zusammenhang zwischen der Vielfalt der betreffenden Aufgaben und der Notwendigkeit, dass diejenigen, die sie wahrnehmen, im Besitz einer bestimmten Berufsqualifikation sind, insbesondere in Bezug auf Niveau, Eigenart und Dauer der erforderlichen Ausbildung oder Erfahrung;
  3. die Möglichkeit, die berufliche Qualifikation auf alternativen Wegen zu erlangen;
  4. die Frage, ob und warum die bestimmten Berufen vorbehaltenen Tätigkeiten mit anderen Berufen geteilt oder nicht geteilt werden können;
  5. der Grad an Autonomie bei der Ausübung eines reglementierten Berufs und die Auswirkungen von Organisations- und Überwachungsmodalitäten auf die Erreichung des angestrebten Ziels, insbesondere wenn die mit einem reglementierten Beruf zusammenhängenden Tätigkeiten unter der Kontrolle und Verantwortung einer ordnungsgemäß qualifizierten Fachkraft stehen;
  6. die wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen, die die Informationsasymmetrie zwischen Berufsangehörigen und Verbrauchern tatsächlich abbauen oder verstärken können.

2.3 Wird die neue oder geänderte Rechts- und Verwaltungsvorschrift mit einer oder mehreren der folgenden Anforderungen kombiniert, so ist die Auswirkung der neuen oder geänderten Rechts- und Verwaltungsvorschrift zu prüfen, insbesondere, wie die neue oder geänderte Rechts- und Verwaltungsvorschrift kombiniert mit anderen Anforderungen zum Erreichen desselben legitimen Zwecks beiträgt und ob sie hierfür notwendig ist:

  1. Tätigkeitsvorbehalte, geschützte Berufsbezeichnung oder jede sonstige Form der Reglementierung im Sinne von Artikel 3 Abs. 1 Buchstabe a der Richtlinie 2005/36/EG ;
  2. Verpflichtungen zur kontinuierlichen beruflichen Weiterbildung;

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(Stand: 26.08.2020)

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