Der Bundesrat hat in seiner 854. Sitzung am 13. Februar 2009 beschlossen, zu der Stellungnahme der Bundesregierung zum Siebzehnten Hauptgutachten der Monopolkommission 2006 /2007 gemäß § 44 Absatz 3 GWB wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Abschnitt II. Buchstabe C.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im Hinblick auf den Telekommunikationssektor ihre Haltung in der Frage des Übergangs von der sektorspezifischen Regulierung in das allgemeine Wettbewerbsrecht zu überdenken. Er hält es weiterhin für angezeigt, im Telekommunikationsgesetz (TKG) eine Regelung vorzusehen, die sicherstellt, dass die Vorschriften zur nachträglichen Regulierung von Entgelten nach § 38 TKG und zu den Missbrauchsverfahren nach § 42 TKG auch ohne den Abschluss eines förmlichen Marktanalyse- und Marktdefinitionsverfahrens greifen.
Der Bundesrat hält weiterhin eine effiziente Regulierung im Telekommunikationsbereich für notwendig, da sie für die Wettbewerbssituation auf diesem volkswirtschaftlich wichtigen Markt von hoher Bedeutung ist. Der Bundesrat hält daher das im TKG gewählte dreistufige Regulierungssystem für zweckmäßig:
- a) Ex-Ante-Regulierung durch die Bundesnetzagentur,
- b) sektorspezifische Ex-Post-Missbrauchsaufsicht durch die Bundesnetzagentur sowie
- c) die allgemeine kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht durch das Bundeskartellamt.
Der Bundesrat bekräftigt seine bereits mehrfach geäußerte Auffassung, dass die derzeitige Rechtslage zu Problemen in der Anwendung der sektorspezifischen Missbrauchsaufsicht durch die Bundesnetzagentur geführt hat. Gerade bei der erkennbaren und grundsätzlich zu begrüßenden schrittweisen Deregulierung, das heißt des Übergangs von der Ex-Ante-Regulierung zur Ex-Post-Missbrauchsaufsicht, ist dafür Sorge zu tragen, dass eine Missbrauchsaufsicht sehr markt- und zeitnah und damit effizient erfolgt.
Der Bundesrat sieht in Anbetracht der derzeitigen Rechtslage Handlungsbedarf und verweist auf seine früheren Stellungnahmen in dieser Angelegenheit. Vor dem Hintergrund, dass die Telekommunikationswirtschaft immer noch in hohem Maße von Vorleistungen im Bereich der Netze und Dienste abhängig ist, hält es der Bundesrat für verspätet, wenn die Bundesregierung dieses Thema erst im Rahmen der Umsetzung des neuen Telekommunikationsrahmens evaluieren und dann Änderungsoptionen überprüfen will.
2. Zu Abschnitt II. Buchstabe E.
Der Bundesrat unterstützt die Forderung der Monopolkommission, die für ihre Behörde im Telekommunikationsbereich vorgesehene Akteneinsicht bei der Bundesnetzagentur auch auf die anderen von der Bundesnetzagentur regulierten Wirtschaftsbereiche auszudehnen, um damit die Arbeit der Monopolkommission zu stärken und noch effizienter zu gestalten.
Der Bundesrat begrüßt daher die grundsätzliche Bereitschaft der Bundesregierung, sich für diese Forderung einzusetzen und erwartet eine schnellstmögliche Vorlage der entsprechenden Gesetzesänderungen.
3. Zu Abschnitt IV. Buchstabe B.
Der Bundesrat bedauert, dass die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zu Kapitel IV Abschnitt 2.2.4 des Siebzehnten Hauptgutachtens der Monopolkommission keine Stellung zur Rechtsauffassung der Monopolkommission zu § 37 GWB bezieht, obwohl die Innenminister und -senatoren der Länder bereits im November 2008 entsprechend einer Empfehlung des Innenausschusses des Bundesrates vom September 2008 der Auffassung des Bundeskartellamts zur Rechtsauslegung des § 37 GWB entgegengetreten sind und den Bundesminister des Inneren gebeten haben, innerhalb der Bundesregierung auf eine ggf. notwendige Änderung der entsprechenden gesetzlichen Grundlagen hinzuwirken.
In der Fragestellung zur Überlagerung des Wettbewerbsrechts durch konkurrierende Normen (Kapitel IV Abschnitt 2.2.4 des Gutachtens) macht sich die Monopolkommission die Rechtsauffassung des Bundeskartellamts zu eigen, nach der auch ein gesetzlich angeordneter Zusammenschluss, zum Beispiel bei einer Gebietsreform, § 37 GWB unterliegt (Tz. 533 - Zusammenschlussverfahren Region Hannover / Klinikum Region Hannover). Es bestehe kein Vorrang öffentlichen Organisationsrechts, da hier nicht die kommunalrechtliche Neuordnung, sondern lediglich der bei den öffentlichen Beteiligungen eingetretene Trägerwechsel für die Zusammenschlusskontrolle von Bedeutung sei.
Hier handelt es sich nach Auffassung des Bundeskartellamts und der Monopolkommission um eine unternehmerische Strukturmaßnahme, die gemäß § 130 Absatz 1 GWB der Fusionskontrolle unterliege. Auch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie gemäß Artikel 28 Absatz 2 Satz 2 GG schränkt den Anwendungsbereich des GWB nach dieser Rechtsauffassung nicht ein, da die Vorschriften zur Fusionskontrolle wie bei allen allgemeinen Gesetzen allein den Rahmen vorgeben, in dem das Recht der Selbstverwaltung ausgeübt werden könne.
Gravierende verfassungsrechtliche Gründe sprechen hingegen gegen diese Auffassung. Sie hätte zur Konsequenz, dass die von Verfassungsorganen der Länder, regelmäßig durch den Landesgesetzgeber, beabsichtigten Fusionen von Gemeinden und Landkreisen, die mit einer gewollten Zusammenlegung der von diesen getragenen kommunalwirtschaftlichen Einrichtungen einhergehen, von dem Ergebnis einer vorgängigen Fusionskontrolle durch das Bundeskartellamt abhängig gemacht werden. Gesetzliche Regelungen der für das Kommunalrecht und den Zuschnitt der Kommunen zuständigen Länder unterliegen ausschließlich deren eigener Entscheidungsgewalt und dürfen auf der Exekutivebene keinesfalls einer fremden Überprüfung unterworfen werden.
Würde der Rechtsaufassung des Bundeskartellamts und der Monopolkommission gefolgt (Tz. 533), würde die gesetzliche Regelungskompetenz der Länder in einem ihrer Kernbereiche ausgehebelt. Es kann keinesfalls angenommen werden, dass derartige Regelungsvorhaben der Länder von der missbräuchlichen Nutzung wirtschaftlicher Machtstellungen intendiert wären (Artikel 74 Absatz 1 Nummer 16 GG).
Hinzu kommt, dass die im GWB für den Fall einer Untersagung des Zusammenschlusses vorgesehenen Rechtsfolgen (Vollzugsverbot, Entflechtung) den Kommunen nicht umgesetzt werden könnten, insbesondere wenn man den weiten Unternehmensbegriff des BMWi zu Grunde legt, wonach die Kommune insgesamt als Unternehmen zu betrachten ist. Das Fusionskontrollverfahren wäre von vornherein gegenstandslos.
Der Bundesrat weist daher die Auffassung der Monopolkommission zurück, die sich mit der Rechtsauslegung des § 37 GWB bei der Zusammenlegung öffentlicher Einrichtungen auf Grund von Gebietsreformen der Länder beschäftigt.
Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung zu prüfen, wie den hier dargestellten verfassungsrechtlichen Bedenken durch eine Gesetzesänderung Rechnung getragen werden kann.