Antrag des Freistaates Bayern
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs, des Jugendgerichtsgesetzes, der Strafprozessordnung und weiterer Gesetze

Punkt 53 der 953. Sitzung des Bundesrates am 10. Februar 2017

Der Bundesrat möge zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung nehmen:

Zu Artikel 2 Nummer 3 - neu - ( § 102 Satz 1 JGG), Nummer 4 - neu - (§ 103 Absatz 2 Satz 2 und 3 JGG), Artikel 7

Begründung:

Zu Buchstabe a:

Zu Artikel 2 Nummer 3 -neu-:

Jugendliche und Heranwachsende können zwar bereits heute wegen Staatsschutzdelikten vor dem Oberlandesgericht angeklagt werden. Dies gilt aber nur, soweit die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts gegeben ist, also z.B. für Straftaten nach § 129a StGB (Bildung terroristischer Vereinigungen) und § 129b StGB (kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland). Soweit dagegen nur sonstige Staatsschutzdelikte, insbesondere solche nach § 89a StGB (Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat), § 89b StGB (Aufnahme von Beziehungen zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat), § 89c StGB (Terrorismusfinanzierung) und § 91 StGB (Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat), Gegenstand des Strafverfahrens sind, sind die Jugendgerichte nach allgemeinen Vorschriften zuständig, soweit der Generalbundesanwalt nicht ausnahmsweise die besondere Bedeutung des Falles bejaht und nach § 142a Absatz 2 GVG die Verfolgung übernimmt (§ 120 Absatz 2 Nummer 1, § 74a Absatz 2 GVG), wodurch wiederum die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts begründet wird.

Bei den §§ 89a ff. StGB handelt es sich um eine absolute Spezialmaterie, mit welcher der örtliche Jugendrichter in aller Regel nicht vertraut ist. Die Anwendung dieser Normen setzt regelmäßig besondere Erfahrungen mit den Besonderheiten der jeweiligen extremistischen Szene voraus, ferner vielfach auch Erfahrung im Umgang mit Beweismitteln aus dem Bereich der Nachrichtendienste. Solche Erfahrungen sind für eine erfolgreiche Durchführung von Strafverfahren wegen § 89a ff StGB von überragender Bedeutung. Vor diesem Hintergrund erscheint es angezeigt, die schon vorhandene Expertise der Staatschutzkammern an den Landgerichten auch in Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende zu nutzen.

Bereits heute wird der Staatsschutzkammer zugetraut, auch gegen jugendliche und heranwachsende Angeklagte (in verbundenen Strafsachen gemäß § 103 Absatz 2 Satz 2 JGG) zu verhandeln.

Die Jugendrichter und Jugendschöffenrichter - besonders auf dem Land - würden von potentiell umfangreichen, sicherheitssensiblen, konfliktbeladenen und öffentlichkeitswirksamen Prozessen entlastet. Ein weiterer, praxisrelevanter Vorteil der Zuständigkeit der Staatsschutzkammer wäre es, dass im Ermittlungsverfahren nicht mehr der Jugendermittlungsrichter, sondern der allgemeine Ermittlungsrichter bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk die Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat ( § 162 StPO), zuständig wäre. Dieser kann - anders als der Jugendermittlungsrichter ( § 34 Absatz 1 JGG) - ausschließlich zum Ermittlungsrichter bestellt werden und somit mangels Belastung mit Sitzungen effizienter über Anträge der Staatsanwaltschaft auf eilige Ermittlungsmaßnahmen entscheiden.

Zu Artikel 2 Nummer 4 -neu-:

Sind die Staatsschutzkammern der Landgerichte generell für Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende zuständig, bedarf es im Hinblick auf diese der Regelungen zu verbundenen Strafsachen in § 103 Absatz 2 Satz 2

Zu Buchstabe b:

Die Übergangsvorschrift in Artikel 7a Absatz 1 des Gesetzentwurfes ordnet an, dass die durch dieses Gesetz geänderten Zuständigkeitsvorschriften nur auf solche Fälle anzuwenden sind, in denen das Hauptverfahren im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes noch nicht eröffnet ist. Damit werden zeitraubende und unökonomische Verweisungen vermieden, die andernfalls erforderlich wären.

Artikel 7a Absatz 2 entzieht solche Zuständigkeitsmängel der Revision - und im Umfang des § 328 Absatz 2 StPO auch der Berufung -, die zwar unter Berücksichtigung des bis zum Inkrafttreten geltenden Gesetzes begründet waren, nach den geänderten Zuständigkeitsvorschriften aber nicht mehr vorliegen oder der Rechtsmittelüberprüfung nicht mehr unterliegen würden. Ohne diese Bestimmung müsste das Rechtsmittelgericht das angefochtene Urteil zwar aufheben, hätte aber nach § 355 StPO die Sache an den gleichen Spruchkörper als den nunmehr zuständigen zurückzuverweisen. Das würde einen sinnlosen Formalismus darstellen.