Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.
Hinweis: vgl.
Drucksache 431/10 (PDF) = AE-Nr. 100543,
Drucksache 500/15 (PDF) = AE-Nr. 150712,
Drucksache 387/17 (PDF) = AE-Nr. 170455
Europäische Kommission
Brüssel, den 13.9.2017 COM (2017) 493 final
Empfehlung für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Übereinkommen zur Errichtung eines multilateralen Gerichtshofs für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten
{SWD(2017) 302 final}
{SWD(2017) 303 final}
Begründung
1. Kontext des Vorschlags
- Gründe und Ziele des Vorschlags
Die Aufnahme der Investor-Staat-Streitbeilegung (Investor-State Dispute Settlement - ISDS) in Handels- und Investitionsübereinkünfte wurde in den letzten Jahren zunehmend in der Öffentlichkeit debattiert und hinterfragt. Im Zusammenhang mit der ISDS, die auf den Grundsätzen der Schiedsgerichtsbarkeit beruht, wurde eine Reihe von Problemen benannt, unter anderem mangelnde bzw. begrenzte Legitimität, Kohärenz und Transparenz der ISDS, sowie die fehlende Möglichkeit einer Überprüfung von Entscheidungen.
Um hier Abhilfe zu schaffen, verfolgt die Union seit 2015 einen Ansatz, der darin besteht, das System für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten im Rahmen von EU-Handels- und Investitionsübereinkünften durch die Aufnahme von Bestimmungen zur Investitionsgerichtsbarkeit - auch Investitionsgerichtssystem (Investment Court System - ICS) genannt - in die betreffenden Übereinkünfte zu institutionalisieren. Aufgrund seines bilateralen Charakters können mit dem ICS jedoch nicht alle genannten Probleme vollumfänglich behoben werden. Zudem bringt die Aufnahme von ICS in Übereinkünfte der Union Kosten aufgrund der komplexen Verwaltung mit sich und wirkt sich auf den Haushalt aus.
Die Initiative zur Errichtung eines multilateralen Investitionsgerichtshofs stellt darauf ab, einen Rahmen für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten auf internationaler Ebene1 in Form einer dauerhaften, unabhängigen und legitimierten Einrichtung zu schaffen, die folgende Merkmale aufweist: eine Rechtsprechung, die sich durch Berechenbarkeit und Kohärenz auszeichnet; Möglichkeit der Einlegung von Rechtsbehelfen gegen gerichtliche Entscheidungen; kostengünstige, transparente und effiziente Verfahren sowie Möglichkeit einer Intervention Dritter (zu denen beispielsweise interessierte Umweltverbände oder Arbeitsorganisationen gehören). Die Unabhängigkeit des Gerichtshofs sollte durch strenge Anforderungen an ethisches Verhalten und Unparteilichkeit, die Ernennung der Richter für eine nichtverlängerbarer Amtszeit, eine die Vollzeittätigkeit der Richter sowie unabhängige Mechanismen für ihre Ernennung gewährleistet werden.
Diese Initiative wird sich nur mit verfahrenstechnischen Belangen befassen. Fragen wie das anwendbare Recht oder Auslegungsstandards, einschließlich der Gewährleistung der Kohärenz mit anderen internationalen Verpflichtungen (beispielsweise im Zusammenhang mit der Internationalen Arbeitsorganisation oder den UN-Übereinkommen) werden im Rahmen der zugrunde liegenden Investitionsübereinkünfte behandelt, die vom multilateralen Investitionsgerichtshof angewendet werden sollen.
Mit dieser Initiative soll der bei der Beilegung von Investitionsstreitigkeiten von der Union verfolgte Ansatz in Einklang mit dem Ansatz der Union gebracht werden, den sie in anderen Bereichen der internationalen Governance und der Streitbeilegung auf internationaler Ebene verfolgt und der auf multilaterale Lösungen setzt. Diese Initiative ist nicht Teil des Programms der Kommission zur Gewährleistung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung (REFIT).
In dem Konzeptpapier der Kommission vom Mai 2015 zum Thema "Investitionen in der TTIP und darüber hinaus: der Reformkurs. Stärkung des Rechts auf Regulierung und Übergang von den derzeitigen Adhoc-Schiedsverfahren zu einem Investitionsgericht"2 wird ein zweistufiger Ansatz für die Reform des traditionellen ISDS-Systems vorgeschlagen. In einem ersten Schritt sollte ein institutionalisiertes Gerichtssystem für die Lösung von Investitionsstreitigkeiten in die künftigen Handels- und Investitionsübereinkünfte der Union aufgenommen werden (also das ICS). In einem zweiten Schritt sollte die Union auf die Einrichtung eines multilateralen Investitionsgerichtshofs hinarbeiten. Mit diesem multilateralen Gerichtshof sollten alle bilateralen in den einzelnen Handels- und Investitionsübereinkünften der Union enthaltenen ICS ersetzt werden. Außerdem hieß es, die Union, ihre Mitgliedstaaten und die Partnerländer könnten die ISDS-Bestimmungen in ihren bestehenden Investitionsübereinkünften durch den Zugang zum multilateralen Investitionsgerichtshof ersetzen.
- Kohärenz mit der Politik der Union in anderen Bereichen
Diese Empfehlung steht im Einklang mit den Zielen der Kommissionsmitteilung "Handel für alle"3 vom Oktober 2015, in der dargelegt wurde, dass sich die Kommission parallel zu ihren bilateralen Anstrengungen "gemeinsam mit ihren Partnern um einen Konsens über einen eigenständigen ständigen internationalen Investitionsgerichtshof bemühen" wird.
Die Kommission stellte in ihrer Pressemitteilung vom 12. November 2015 zum Entwurf des Textes zum Investitionsschutz und zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten im Rahmen der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) fest, dass sie "gemeinsam mit anderen Ländern die Arbeit an der Einrichtung eines ständigen internationalen Investitionsgerichtshofs aufnehmen" wird. "[...] Dies würde dazu führen, dass der "alte ISDS-Mechanismus" voll und ganz durch ein modernes, wirksames, transparentes und unparteiisches System zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten auf internationaler Ebene ersetzt würde."4
Die Empfehlung steht auch im Einklang mit dem Reflexionspapier der Kommission "Die Globalisierung meistern"5 vom Mai 2017. Darin wird an der folgenden Stelle explizit auf die Initiative Bezug genommen:
"[Internationale Investitionsstreitigkeiten] sollten nicht länger durch ein Schiedsgericht im Rahmen der sogenannten "Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investor und Staat" (Investor to State Dispute Settlement - ISDS) entschieden werden. Daher hat die Kommission ein multilaterales Investitionsgericht vorgeschlagen, womit ein faires und transparentes Verfahren geschaffen würde."
Ferner hat der Rat anlässlich der Annahme des Beschlusses zur Genehmigung der Unterzeichnung des CETA folgendes festgestellt:
"Der Rat unterstützt im Übrigen die Europäische Kommission in ihren Bestrebungen, darauf hinzuwirken, dass ein multilateraler Investitionsgerichtshof errichtet wird, der, sobald er errichtet ist, gemäß dem im CETA vorgesehenen Verfahren an die Stelle des mit dem CETA eingeführten bilateralen Systems treten wird."6
2. Rechtsgrundlage, Subsidiarität und Verhältnismässigkeit
- Rechtsgrundlage
Nach Artikel 218 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) unterbreitet die Kommission dem Rat Empfehlungen; der Rat seinerseits erlässt einen Beschluss über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen und benennt den Verhandlungsführer der Union.
Nach Artikel 218 Absatz 4 AEUV darf der Rat dem Verhandlungsführer Richtlinien erteilen.
- Subsidiarität (bei nicht ausschließlicher Zuständigkeit)
Nach Artikel 5 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) findet das Subsidiaritätsprinzip keine Anwendung in Bereichen, die in die ausschließliche Zuständigkeit der Union fallen.
In Bezug auf den Investitionsschutz hat die Union zum Teil ausschließliche und zum Teil geteilte Zuständigkeiten.
Nach Artikel 3 AEUV hat die Union ausschließliche Zuständigkeit für die gemeinsame Handelspolitik.
Nach Artikel 207 AEUV fallen ausländische Direktinvestitionen, einschließlich der Möglichkeit, internationale Übereinkünfte, die ausländische Direktinvestitionen umfassen, auszuhandeln und abzuschließen, unter die gemeinsame Handelspolitik der Union.
Der Gerichtshof hat in seinem Gutachten 2/15 zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und Singapur bestätigt, dass die materiellrechtlichen Schutzstandards, die üblicherweise Teil eines Investitionsabkommens sind, nach Artikel 207 AEUV in die ausschließliche Zuständigkeit der Union fallen, soweit sie ausländische Direktinvestitionen betreffen.7 In diesem Gutachten hat der Gerichtshof aber auch festgestellt, dass die Zuständigkeit hinsichtlich dieser materiellrechtlichen Schutzstandards im Falle anderer Investitionen als Direktinvestitionen zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten geteilt ist.
Ferner stellte der Gerichtshof in seinem Gutachten 2/15 klar, dass die Zuständigkeit betreffend die ISDS (sowohl in Bezug auf ausländische Direktinvestitionen als auch in Bezug auf andere Investitionen als Direktinvestitionen) zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten geteilt ist, soweit die Mitgliedstaaten in bestimmten Streitigkeiten als Beklagte auftreten müssen.
Die Union ist gemeinsam mit den Mitgliedstaaten eine Vertragspartei von Übereinkünften, in denen eine traditionelle ISDS (Vertrag über die Energiecharta) oder ein ICS (umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada - CETA) vorgesehen ist, und muss möglicherweise an Streitigkeiten im Rahmen dieser Abkommen als Beklagte teilzunehmen. Zudem verhandelt die Kommission über mehrere andere Freihandelsabkommen und eigenständige Investitionsabkommen, die ein ICS umfassen. Voraussichtlich dürfte die Union zumindest an einigen der möglichen Streitigkeiten im Rahmen dieser Abkommen als Beklagte beteiligt sein.
Somit ist die Teilnahme der Union an dem vorgesehenen Übereinkommen erforderlich, damit die Streitigkeiten im Rahmen der genannten Übereinkünfte, bei denen die Union die Beklagte sein wird, in dessen Anwendungsbereich fallen.
Die bestehenden Übereinkünfte, die eine ISDS oder ein ICS umfassen und bei denen die Union eine Vertragspartei ist (Energiecharta und CETA) sehen vor, dass die Mitgliedstaaten in einigen Fällen die Beklagten sein können. In den geplanten Übereinkünften, die ein ICS umfassen, könnte gleichermaßen vorgesehen sein, dass die Mitgliedstaaten an bestimmten Streitigkeiten als Beklagte beteiligt sind. Außerdem hat die Union die Mitgliedstaaten mit der Verordnung Nr. 1219/20128 ermächtigt, nahezu 1400 bilaterale Investitionsabkommen aufrechtzuerhalten oder abzuschließen, die eine traditionelle ISDS umfassen. Deshalb muss mit dieser geplanten Initiative die multilaterale Reform der Beilegung von Investitionsstreitigkeiten außer von der Union auch von den Mitgliedstaaten gebilligt werden.
- Verhältnismäßigkeit
Die vorliegende Empfehlung für einen Beschluss der Rates über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Übereinkommen zur Errichtung eines multilateralen Gerichtshofs für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten geht nicht über das zur Erreichung ihres Ziels erforderliche Maß hinaus.
Im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wurden alle gangbaren Politikoptionen geprüft, um die voraussichtliche Wirksamkeit der jeweiligen politischen Maßnahmen zu beurteilen. Eine ausführliche Darstellung der verschiedenen Optionen findet sich in der Folgenabschätzung.
- Wahl des Instruments
Eine Empfehlung der Kommission für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen steht im Einklang mit Artikel 218 Absatz 3 AEUV; danach unterbreitet die Kommission dem Rat Empfehlungen, der seinerseits einen Beschluss über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen erlässt.
3. Ergebnisse der EX-POST-BEWERTUNG, der Konsultation der Interessenträger und der Folgenabschätzung
- Expost-Bewertung/Eignungsprüfungen bestehender Rechtsvorschriften
Im Kontext des Vertrags über die Energiecharta (Energy Charter Treaty - ECT) wird in regelmäßigen Abständen eine Überprüfung der ISDS vorgenommen, an der die Union und ihre Mitgliedstaaten als Vertragsparteien aktiv mitwirken. Bei der ECT-Überprüfung ist die Modernisierung des Investitionsschutzes, einschließlich Streitbeilegung, zwar nach wie vor eine Priorität der Union, gleichwohl ist das favorisierte Reformkonzept im Bereich der Beilegung von Investitionsstreitigkeiten ein multilateraler Ansatz, wie er der jetzigen Initiative zugrunde liegt.
Das ICS wurde erst vor Kurzem eingeführt und daher auch noch keiner Evaluierung unterzogen.
- Konsultation der Interessenträger
Die Kommission ist aktiv auf die Interessenträger zugegangen und hat während des gesamten Folgenabschätzungsverfahrens eine umfassende Konsultation durchgeführt.
Vom 21. Dezember 2016 bis zum 15. März 2017 fand eine öffentliche Online-Konsultation statt. Sie wurde auf der Website der Generaldirektion Handel bekannt gegeben. Der entsprechende Fragebogen wurde über "EU Survey" (das Online-Portal der Kommission für öffentliche Konsultationen) bereitgestellt. Interessierte Kreise wurden zur Beantwortung von Fragen, insbesondere zu Problemen, möglichen Politikoptionen, technischen Aspekten solcher Optionen und potenziellen Auswirkungen, aufgefordert. Die Konsultation ergab, dass eine multilaterale Reform der Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, wie sie mit dieser Initiative geplant ist, allgemein breite Unterstützung findet, wenngleich noch eine Reihe von Fragen, vor allem hinsichtlich der technischen Aspekte, zu klären bleibt.
Die im Rahmen der öffentlichen Konsultation eingegangenen Einzelantworten wurden auf der Konsultationswebsite veröffentlicht. Ein zusammenfassender Bericht über die öffentliche Online-Konsultation sowie über alle sonstigen Aktivitäten, die die Kommission im Zuge der Konsultation der Interessenträger unternommen hat, ist dem Folgenabschätzungsbericht beigefügt.
- Folgenabschätzung
Zur multilateralen Reform der Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, einschließlich der möglichen Errichtung eines multilateralen Investitionsgerichtshofs, wurde eine Folgenabschätzung vorgenommen. Der Folgenabschätzungsbericht, die Zusammenfassung der Folgenabschätzung und die positive Stellungnahme des Ausschusses für Regulierungskontrolle sind dieser Empfehlung beigefügt.
Da es bei der Initiative zur Errichtung eines multilateralen Investitionsgerichtshofs ausschließlich um Verfahrensvorschriften (nämlich um die Streitbeilegung) geht und nicht um materiellrechtliche Vorschriften (die in den zugrunde liegenden Investitionsabkommen festgelegt sind), sind keine nennenswerten ökologischen oder sozialen Auswirkungen zu erwarten.
- Effizienz der Rechtsetzung und Vereinfachung
Die Errichtung eines multilateralen Investitionsgerichtshofs wird zu einer Verringerung des Verwaltungsaufwands im Zusammenhang mit Investitionsstreitigkeiten beitragen, indem alle Streitigkeiten zentral im Rahmen eines einheitlichen Verfahrensregelwerks verhandelt werden. Mit der Initiative soll der Zugang von Investoren - unabhängig von Größe und/oder Umsatz des Unternehmens - zu einem legitimierten, unabhängigen und wirksamen System zur Beilegung internationaler Investitionsstreitigkeiten gewährleistet werden. Für KMU kann eine zusätzliche Unterstützung ins Auge gefasst werden, die ihrem geringeren Umsatz Rechnung trägt. Die Verfahren vor dem Gerichtshof dürften kürzer und damit für Investoren weniger kostspielig sein als die Verfahren nach dem herkömmlichen, nicht reformierten System. Im Übrigen wird die größere Berechenbarkeit und Kohärenz bei der Auslegung materiellrechtlicher Investitionsbestimmungen zu einem Rückgang der Zahl der Streitigkeiten beitragen.
- Grundrechte
Im Einklang mit Artikel 21 Absatz 1 EUV lässt sich die Union bei dieser Initiative von den Grundsätzen der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Grundfreiheiten und insbesondere von Artikel 47 der Grundrechtecharta leiten.
Durch Maßnahmen der Union auf multilateraler Ebene darf nicht das Niveau des Schutzes der Grundrechte in der Union infrage gestellt werden. Mit dem multilateralen Investitionsgerichtshof soll ein zusätzliches völkerrechtliches Instrument zur Durchsetzung der den Staaten durch internationale Übereinkünfte auferlegten Verpflichtungen geschaffen werden. Die bestehenden Rechte ausländischer Investoren nach dem Unionsrecht und dem Recht der Mitgliedstaaten ebenso wie die Mittel zur Durchsetzung solcher Rechte bleiben somit unberührt.
4. Auswirkungen auf den Haushalt
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es unmöglich, die finanziellen Auswirkungen dieser Initiative genau zu beziffern, da wesentliche Elemente des multilateralen Investitionsgerichtshofs erst noch auf multilateraler Ebene verhandelt werden müssen. Es ist davon auszugehen, dass die Option der Errichtung des Gerichtshofs weniger kostspielig ist als die alternative Option einer Aufrechterhaltung der in bereits ausgehandelten oder noch auszuhandelnden Übereinkünften vereinbarten ICS und des bestehenden Systems. Ausgehend von verschiedenen Annahmen wurde eine Reihe von Berechnungen angestellt, die im Folgenabschätzungsbericht enthalten sind.
5. Weitere Angaben
- Durchführungspläne sowie Monitoring-, Bewertungs- und Berichterstattungsmodalitäten
Die Kommission wird ein regelmäßiges Monitoring vornehmen, sobald der multilaterale Gerichtshof seine Tätigkeit aufgenommen hat. Sie wird ferner regelmäßig die Finanzbeiträge der Union zur Deckung der Kosten des Gerichtshofs prüfen. Eine Bewertung der Funktionsweise des multilateralen Investitionsgerichtshofs soll vorgenommen werden, wenn das Übereinkommen lange genug in Kraft ist und aussagekräftige Daten vorliegen. Der beigefügte Folgenabschätzungsbericht enthält nähere Angaben zu den vorgesehenen Monitoring- und Bewertungstätigkeiten.
- Verfahrenstechnische Aspekte
Die Kommission begrüßt, dass die Mitglieder des Rates der Europäischen Union im Einklang mit ihren jeweiligen institutionellen Gepflogenheiten immer häufiger frühzeitig mit ihren nationalen Parlamenten in einen Dialog über Investitionsverhandlungen eintreten. Sie fordert die Mitglieder des Rates der Europäischen Union auf, dies auch bei der vorliegenden Empfehlung für einen Ratsbeschluss zu tun - unter gebührender Berücksichtigung des Beschlusses 2013/488/EU des Rates über die Sicherheitsvorschriften für den Schutz von EU-Verschlusssachen9.
Die Kommission veröffentlicht diese Empfehlung und die zugehörige Anlage unmittelbar nach ihrer Annahme.
Die Kommission empfiehlt, die Verhandlungsrichtlinien unmittelbar nach ihrer Annahme zu veröffentlichen.
Empfehlung für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Übereinkommen zur Errichtung eines multilateralen Gerichtshofs für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten
DER Rat der Europäischen Union - gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 218 Absätze 3 und 4, auf Empfehlung der Europäischen Kommission, in der ERWÄGUNG, dass Verhandlungen im Hinblick auf den Abschluss eines Übereinkommens zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten sowie anderen interessierten Ländern zur Errichtung eines multilateralen Gerichtshofs für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten aufgenommen werden sollten - hat folgenden Beschluss Erlassen:
Artikel 1
Die Kommission wird ermächtigt, im Namen der Union Verhandlungen über ein Übereinkommen zur Errichtung eines multilateralen Gerichtshofs für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten aufzunehmen.
Artikel 2
Die Verhandlungen werden auf der Grundlage der Verhandlungsrichtlinien geführt, die diesem Beschluss als Anhang beigefügt sind.
Artikel 3
Dieser Beschluss und seine Anlage werden unmittelbar nach ihrem Erlass veröffentlicht.
Artikel 4
Dieser Beschluss ist an die Kommission gerichtet.
Geschehen zu Brüssel am
Im Namen des Rates
Der Präsident
Europäische Kommission
Brüssel, den 13.9.2017 - COM (2017) 493 final
- 1. Streitigkeiten im Rahmen von bilateralen Investitionsabkommen zwischen Mitgliedstaaten (also Intra-EU-BIT) sowie Streitigkeiten zwischen einem Investor eines Mitgliedstaats und einem anderen Mitgliedstaat im Rahmen des Vertrags über die Energiecharta fallen jedoch nicht unter diese Initiative. Nach Auffassung der Kommission ist diese Art von Verträgen unionsrechtswidrig.
- 2. Abrufbar unter http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2015/may/tradoc_153455.pdf .
- 3. Abrufbar unter http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2015/october/tradoc_153846.pdf .
- 4. Siehe http://europa.eu/rapid/press-release_IP-15-6059_de.htm .
- 5. Abrufbar unter https://ec.europa.eu/commission/sites/beta-political/files/reflection-paper-globalisation_de.pdf .
- 6. Erklärung 36 der Erklärungen, die bei der Annahme des Beschlusses über die Unterzeichnung des CETA durch den Rat in das Ratsprotokoll aufgenommen wurden. Brüssel, den 27. Oktober 2016.
- 7. Gutachten des Gerichtshofs vom 16. Mai 2017, C-2/ 15,EU:C:2017:376, nach Artikel 218 Absatz 11 AEUV betreffend die Zuständigkeit der Europäischen Union für den Abschluss des Freihandelsabkommens mit der Republik Singapur.
- 8. Verordnung (EU) Nr. 1219/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 zur Einführung einer Übergangsregelung für bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen den Mitgliedstaaten und Drittländern (ABl. L 351 vom 20.12.2012, S. 40).
- 9. http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32013D0488
- Kohärenz mit den bestehenden Vorschriften in diesem Bereich
ANNEX 1
Anhang zur Empfehlung für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Übereinkommen zur Errichtung eines multilateralen Gerichtshofs für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten
{SWD(2017) 302 final}
{SWD(2017) 303 final}
ANLAGE
Zum Ablauf der Verhandlungen:
- 1. Die Union bemüht sich sicherzustellen, dass der Prozess der Aushandlung des Übereinkommens es allen interessierten Ländern und internationalen Organisationen erlaubt, sich effektiv an den Verhandlungen und der Konsensbildung zu beteiligen.
- 2. Die Union wird während der gesamten Verhandlungen von der Kommission vertreten. Im Einklang mit den in den Verträgen verankerten Grundsätzen der loyalen Zusammenarbeit und der geschlossenen völkerrechtlichen Vertretung der Union stimmen sich die Union und die an den Verhandlungen teilnehmenden Mitgliedstaaten der Union während der gesamten Verhandlungen umfassend miteinander ab und handeln entsprechend.
- 3. Die Verhandlungen werden unter der Federführung der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (United Nations Commission on International Trade Law - UNCITRAL) geführt. Bei Abstimmungen üben die Mitgliedstaaten, die Mitglieder der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht sind, ihr Stimmrecht im Einklang mit diesen Richtlinien und mit im Voraus vereinbarten Standpunkten der EU aus.
- 4. Die Union bemüht sich sicherzustellen, dass die Verhandlungen auf transparente Weise geführt werden, soweit möglich auch mithilfe von Audio- und/oder Web-Streaming, und dass Vertretern zivilgesellschaftlicher Organisationen Gelegenheit gegeben wird, als akkreditierte Beobachter an den Diskussionen teilzunehmen.
Zum Inhalt der Verhandlungen:
- 5. Das Übereinkommen sollte es der Union ermöglichen, Streitigkeiten, die sich aus Übereinkünften ergeben, bei denen die Union Vertragspartei ist oder sein wird, der Gerichtsbarkeit des multilateralen Gerichtshofs zu unterwerfen. Daher sollte die Union Vertragspartei des Übereinkommens werden können, und die Bestimmungen des Übereinkommens sollten so formuliert werden, dass sie von der Europäischen Union wirksam angewandt werden können.
- 6. Das Übereinkommen sollte es darüber hinaus den Mitgliedstaaten der Union wie auch Drittländern ermöglichen, Streitigkeiten, die sich aus Übereinkünften ergeben, bei denen sie Vertragsparteien sind oder sein werden, der Gerichtsbarkeit des multilateralen Gerichtshofs zu unterwerfen.1
- 7. Der wesentliche Mechanismus des Übereinkommens sollte darin bestehen, dass sich die Zuständigkeit des multilateralen Gerichtshofs immer dann auf ein bilaterales Abkommen erstreckt, wenn beide Vertragsparteien des Abkommens vereinbart haben, sich aus dem Abkommen ergebende Streitigkeiten der Gerichtsbarkeit des multilateralen Gerichtshofs zu unterwerfen. Bei multilateralen Übereinkünften sollte das Übereinkommen die Möglichkeit vorsehen, dass zwei oder mehr Vertragsparteien der betreffenden Übereinkunft vereinbaren, sich aus der multilateralen Übereinkunft ergebende Streitigkeiten der Gerichtsbarkeit des multilateralen Gerichtshofs zu unterwerfen.
- 8. Der multilaterale Gerichtshof sollte aus einem Gericht erster Instanz und einer Rechtsbehelfsinstanz bestehen. Die Rechtsbehelfsinstanz sollte für die Überprüfung von Entscheidungen des Gerichts erster Instanz zuständig sein, sofern der Grund für die Überprüfung in Rechtsfehlern oder offensichtlichen Fehlern bei der Würdigung des Sachverhalts liegt. Die Rechtsbehelfsinstanz sollte die Befugnis haben, Rechtssachen an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen, damit dieses das Verfahren im Lichte der Feststellungen der Rechtsbehelfsinstanz abschließt (Zurückverweisung).
- 9. Die Unabhängigkeit des Gerichtshofs sollte sichergestellt sein. Die Mitglieder des Gerichtshofs (sowohl des Gerichts erster Instanz als auch der Rechtsbehelfsinstanz) sollten strengen Anforderungen hinsichtlich ihrer Qualifikation und ihrer Unparteilichkeit unterliegen. In dem Übereinkommen sollten Ethikregeln sowie Ablehnungsmechanismen vorgesehen sein. Die Mitglieder des Gerichtshofs sollten eine dauerhafte Vergütung erhalten. Sie sollten für einen längeren, befristeten und nicht verlängerbaren Zeitraum ernannt werden und über eine gesicherte Amtszeit sowie die erforderlichen Garantien in Bezug auf ihre Unabhängigkeit verfügen. Die Mitglieder sollten im Wege eines objektiven und transparenten Verfahrens ernannt werden.
- 10. In dem Übereinkommen sollte die erforderliche Flexibilität für Anpassungen an eine sich verändernde Mitgliederschaft vorgesehen sein sowie für Anpassungen an potenzielle Entwicklungen in Bezug auf die Art der Übereinkünfte, die der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterworfen werden könnten. Das Übereinkommen sollte nicht die Möglichkeit ausschließen, dass der Gerichtshof auf die Unterstützung des Sekretariats einer bestehenden internationalen Organisation zurückgreift oder er zu einem späteren Zeitpunkt in die Struktur einer solchen Organisation eingebunden wird.
- 11. Verfahren vor dem multilateralen Gerichtshof sollten auf transparente Weise nach dem Vorbild oder unter Anwendung der Regeln und Normen geführt werden, die in den UNCITRAL-Regeln zur Transparenz in Investor-Staat-Schiedsverfahren auf der Grundlage von Verträgen vorgesehen sind, und auch die Möglichkeit der Einreichung von Stellungnahmen Dritter zulassen.
- 12. Für Entscheidungen des multilateralen Gerichtshofs sollte es eine wirksame internationale Durchsetzungsregelung geben.
- 13. Ein Ziel der Verhandlungen sollte darin bestehen, dass der multilaterale Gerichtshof kostenwirksam arbeitet, wobei dafür Sorge getragen werden sollte, dass er auch für kleine und mittlere Unternehmen sowie für natürliche Personen zugänglich ist. Die Fixkosten des Gerichtshofs einschließlich der Kosten für die Vergütung seiner Mitglieder und der Kosten für Verwaltung und Sekretariatsgeschäfte sollten grundsätzlich von den Vertragsparteien des Übereinkommens zur Errichtung des multilateralen Gerichtshofs getragen werden. Über die Verteilung der betreffenden Kosten unter den Vertragsparteien sollte nach Billigkeit entschieden werden, wobei Faktoren wie der Stand der wirtschaftlichen Entwicklung der Vertragsparteien, die Zahl der auf die einzelnen Vertragsparteien entfallenden Abkommen und das jeweilige Volumen der internationalen Investitionsströme oder -bestände der Vertragsparteien berücksichtigt werden können.
- 14. Die Union sollte die Möglichkeit einer Unterstützung für Entwicklungsländer und die am wenigsten entwickelten Länder anstreben, damit auch sie an dem System zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten effektiv teilnehmen können. Eine solche Initiative kann Teil des Prozesses der Errichtung eines multilateralen Investitionsgerichtshofs sein oder separat durchgeführt werden.
- 15. Das Übereinkommen zur Errichtung des multilateralen Gerichtshofs sollte allen interessierten Ländern und Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration, die Vertragspartei einer Investitionsübereinkunft sind, zur Unterzeichnung und zum Beitritt offenstehen. Es sollte ein frühzeitiges Inkrafttreten ermöglichen, sobald eine Mindestanzahl von Ratifikationsurkunden hinterlegt wurde.
- 1. Streitigkeiten, die sich aus zwischen den Mitgliedstaaten geschlossenen bilateralen Investitionsabkommen (also Intra-EU-BITs) ergeben, sowie Streitigkeiten, zu denen es zwischen einem Investor eines Mitgliedstaats und einem anderen Mitgliedstaat im Rahmen des Vertrags über die Energiecharta kommt, fallen nicht in den Geltungsbereich dieses Beschlusses.