A. Zielsetzung
- Das Reichsvermögen-Gesetz vom 16. Mai 1961, mit dem der Bund gemäß Art. 134 Abs. 4 GG die in Art. 134 Abs. 3 GG angeordnete Aufteilung ehemaligen Reichsvermögens zwischen Bund, Ländern und Gemeinden teilgeregelt hatte, gilt - anders als in allen anderen Ländern - aufgrund einer Sondervorschrift bis heute für Berlin nicht in vollem Umfang. Diese Sondervorschrift ist so zu ändern, dass auch dem Land Berlin die Durchsetzung seines Anspruchs gegen den Bund auf Herausgabe des vom Bund für eigene Zwecke nicht benötigten Teils der sog. Rückfallvermögens (vormals unentgeltlich dem Deutschen Reich überlassene Vermögensrechte) ermöglicht wird. Dem Land Berlin ist - auch angesichts seiner extrem belasteten Haushaltslage - nicht zuzumuten, abweichend von der Rechtslage in allen anderen Ländern auf Vermögensrechte verzichten zu müssen.
B. Lösung
- Änderung der ausschließlich Berlin betreffenden Sondervorschrift des § 19 Reichsvermögen-Gesetz.
C. Alternativen
- Keine.
- Aufgrund der Sondervorschrift des § 19 Abs. 1 Satz 1 Reichsvermögen-Gesetz gelten die Bestimmungen über das sog. Rückfallvermögen ( § 5 RVG) nicht in Berlin. Eine besondere Regelung für Berlin, die sich der Bundesgesetzgeber seinerzeit in Verbindung mit dem vorgenannten Geltungsausschluss vorbehalten hatte (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Reichsvermögen-Gesetz), gibt es bis heute nicht. Entweder müsste eine solche Sondervorschrift geschaffen oder der Geltungsausschluss für Berlin aufgehoben werden. Letzteres ist im Hinblick auf die Rechtsvereinheitlichung, die Praktikabilität und die Belange des Bundes in der Bundeshauptstadt vorzuziehen. Denn damit würde automatisch auch die Bestimmung in Kraft gesetzt, nach der Grundstücke, die der Bund überwiegend und nicht nur vorübergehend für eigene Verwaltungsaufgaben benötigt, dem Bund zustehen.
D. Finanzielle Auswirkungen
- Mangels einer die Anordnung des Art. 134 Abs. 3 GG konkretisierenden Rechtsgrundlage kann das Land Berlin seine Ansprüche derzeit nicht durchsetzen. Es geht um Vermögenswerte im Volumen von ca. 7 Mio. m2 Liegenschaften und die Auskehr der vom Bund zwischenzeitlich erzielten Erlöse von rd. 43 Mio. €. Das Land Berlin ist aufgrund seiner Haushaltslage auf die Realisierung seiner Vermögensansprüche zwingend angewiesen.
Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Reichsvermögen-Gesetzes
Der Bundesrat hat in seiner 792. Sitzung am 17. Oktober 2003 beschlossen, den beigefügten Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.
Anlage
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Reichsvermögen-Gesetzes
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Reichsvermögen-Gesetzes
§ 19 des Reichsvermögen-Gesetzes vom 16. Mai 1961 (BGBl. I S. 597) wird wie folgt gefasst:
" § 19 Sondervorschriften für Berlin
In dem Teil des Landes Berlin, in dem das Grundgesetz bereits vor dem Wirksamwerden des Beitritts der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland galt, gilt § 5 mit der Maßgabe, dass an die Stelle des in § 5 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 genannten Zeitpunkts des Inkrafttretens dieses Gesetzes der einsetzen: Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes tritt."
Artikel 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt ... in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
I. Ausgangslage
- 1. Artikel 134 Abs. 3 Grundgesetz trifft folgende Regelung: "Vermögen, das dem Reich von den Ländern und Gemeinden (Gemeindeverbänden) unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde, wird wiederum Vermögen der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände), soweit es nicht der Bund für eigene Verwaltungsaufgaben benötigt." Gemäß Artikel 134 Abs. 4 Grundgesetz regelt das Nähere ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Aufgrund dieses Regelungsauftrages hat der Bundesgesetzgeber das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens und der preußischen Beteiligungen (Reichsvermögen-Gesetz, RVG) vom 16. Mai 1961 (BGBl. I, S. 597) erlassen. § 5 des Gesetzes, der sich mit dem sog. Rückfallvermögen befasst, bestimmt in seinem Absatz 1 u.a., dass Vermögensrechte des Deutschen Reiches, die ein Land oder eine Gemeinde (Gemeindeverband) unmittelbar oder durch einen Dritten dem Deutschen Reich aufgrund eines Gesetzes, Verwaltungsaktes oder Rechtsgeschäftes unentgeltlich zur Verfügung gestellt hat, dem Rechtsträger (Land, Gemeinde, Gemeindeverband) zustehen von dem oder für dessen Rechnung sie zur Verfügung gestellt worden sind. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 RVG kann der Anspruch auf Übertragung des Vermögensrechts als Rückfallvermögen nur innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Gesetzes (vom Saarland abgesehen: 1. August 1961) geltend gemacht werden. Bei späterer Kenntniserlangung von dem Rückfallrecht beginnt die Frist mit diesem Zeitpunkt (§ 5 Abs. 1 Satz 3 RVG).
- 2. § 19 RVG enthält aber Sondervorschriften für Berlin. Abs. 1 der Regelung lautet:
- " § 5 gilt nicht im Land Berlin. Eine besondere Regelung bleibt insoweit vorbehalten." In der Begründung der Bundesregierung (BT-Drs. 3/2357 vom 28. Dezember 1960, S. 19) wird hierzu ausgeführt:
- Der Bedarf des Bundes in Berlin ist zur Zeit noch nicht zu übersehen. Dieser Tatsache trägt § 19 Rechnung. Hiernach tritt § 5, in dem der Bundesbedarf eine ausschlaggebende Rolle spielt, in Berlin nicht in Kraft. Insoweit wird für Berlin eine besondere Regelung vorbehalten.
Eine solche Regelung gibt es bis heute nicht. In der Kommentarliteratur wird hierzu ausgeführt: "Für den Westteil (Berlins) hingegen folgt aus ... (der Sondervorschrift für Berlin in § 19 Abs. 1 Reichsvermögen-Gesetz) unabweisbar dass die Konkretisierung des Artikels 134 Abs. 3 GG und das Verfahrensrecht der Vermögensrestitution nach wie vor ausstehen. ...
Artikel 134 Abs. 4 GG nimmt den Gesetzgeber in die Pflicht, den Regelungsvorbehalt auszufüllen und entweder § 5 RVG oder eine andere, den Anforderungen des Artikels 134 Abs. 3 GG entsprechende Durchführungsbestimmung zur Anwendung zu bringen." (Mußgnug/Hufeld in: Bonner Kommentar, Artikel 134 GG Rdnr. 100).
- 3. Das Reichsvermögen-Gesetz ist seinerzeit nicht nach Berlin übernommen worden weil die Alliierte Kommandatura Berlin hiergegen Einspruch erhoben hatte (BK/L (61)15 vom 28. Juli 1961). Geltung erlangt hat das Gesetz erst aufgrund der Regelung des § 1 des Sechsten Überleitungsgesetzes vom 25. September 1990 (BGBl. I, S. 2106), wonach Bundesrecht, das in Berlin (West) "aufgrund alliierter Vorbehaltsrechte bisher nicht oder nicht in vollem Umfang" galt, von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen vom Inkrafttreten dieses Gesetzes an (3. Oktober 1990, BGBl. I, S. 2153) in Geltung gesetzt worden ist. Hiernach gilt das RVG seit dem 3. Oktober 1990 zwar auch in Berlin, aber eben mit der damit zugleich in Kraft getretenen Maßgabe seines § 19 Abs. 1 Satz 1, dass § 5 RVG im Land Berlin nicht gilt und insoweit eine besondere Regelung vorbehalten bleibt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 RVG).
An diesem (deutschrechtlichen) Geltungsausschluss hat die Aufhebung der alliierten Vorbehalte nichts geändert, insbesondere wurde dadurch keine inhaltliche Regelung getroffen.
Die Sonderregelung für Berlin wurde seinerzeit (1961) getroffen, weil zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Reichsvermögen-Gesetzes der Bundesbedarf an ehemaligem Reichsvermögen in Berlin nicht absehbar war. Dies ist im Zusammenhang mit § 5 Abs. 2 des Reichsvermögen-Gesetzes zu sehen wonach der Bundesbedarf innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Jahr ab Geltendmachung des Rückfallrechtes, spätestens drei Jahre nach Inkrafttreten des Reichsvermögen-Gesetzes hätte geltend gemacht werden müssen. Damaliges Motiv und Absicht des Bundesgesetzgebers war, wegen der nicht absehbaren Realisierung des Ziels der Wiedervereinigung mit Berlin als deutscher Hauptstadt zu vermeiden, dass Flächenverluste angesichts des damals nicht konkretisierbaren potentiellen Bedarfes des Bundes in Berlin eintreten. Deshalb wurde die Geltung des § 5
Reichsvermögen-Gesetz für Berlin ausgeschlossen und einer besonderen Regelung vorbehalten.
II. Lösung
Nach der Herstellung der Deutschen Einheit, der Entscheidung des Deutschen Bundestages zur Verlegung von Parlaments- und Regierungssitz nach Berlin vom 20. Juni 1991 und dem erfolgten Regierungsumzug ist der Bedarf des Bundes in Berlin klar definierbar, sodass ein weiteres Hinauszögern der Umsetzung der grundgesetzlichen Vorgabe (Art. 134 Abs. 3 GG) nicht länger akzeptabel ist. Die Umsetzung dieses Gesetzesvorbehalts (Art. 134 Abs. 4 GG) ist eine Aufgabe des Bundesgesetzgebers.
III. Kosten und Preise
a) Kosten für die öffentlichen Haushalte:
Das Land Berlin erhält die Möglichkeit, gegen den Bund Ansprüche auf Rückfallvermögen nach § 5 Reichsvermögen-Gesetz durchzusetzen.
b) Sonstige Kosten:
Keine
c) Preise:
Auswirkungen auf das Preisniveau sind nicht zu erwarten.
B. Besonderer Teil
Artikel 1
Die Neufassung von § 19 Reichsvermögen-Gesetz stellt klar, dass § 5
Reichsvermögen-Gesetz nun auch für Berlin gilt, und zwar ausschließlich für das Gebiet des früheren Westteils der Stadt. Für den ehemaligen Ostteil Berlins ist die Problematik durch den Einigungsvertrag geregelt. Zugleich wird klarstellt dass die in den Absätzen 1, 2 und 4 des § 5 Reichsvermögen-Gesetz genannten Fristen mit Inkrafttreten dieses Änderungsgesetzes zu laufen beginnen. Für das Land Berlin gilt damit keine Sonderregelung, sondern nur die Vorschrift, die auch für die Alt-Bundesländer bereits zur Anwendung gekommen ist.
Der bisherige Absatz 2 des § 19 Reichsvermögen-Gesetz ist obsolet geworden und kann daher entfallen.
Artikel 2
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.