Der Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz Mainz, den 14. Juli 2010
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Bürgermeister Jens Böhrnsen
Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierung von Rheinland-Pfalz hat beschlossen, beim Bundesrat den in der Anlage mit Begründung beigefügten Antrag für eine
- Entschließung des Bundesrates "Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Kostenfallen im Internet"
einzubringen.
Ich bitte Sie, den Entschließungsantrag gemäß § 36 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
In Vertretung Karl Peter Bruch
Entschließung des Bundesrates "Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Kostenfallen im Internet"
Der Bundesrat möge beschließen:
- 1. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass das Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen (BGBl. I 2009, 2413) nicht ausreicht, Verbraucherinnen und Verbraucher wirksam vor den vielen unseriösen Geschäftspraktiken im Internet zu schützen, die darauf ausgerichtet sind, die Kunden in Kostenfallen zu führen.
- 2. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches vorzulegen, der eine sogenannte "Bestätigungslösung" für im Internet geschlossene Verträge beinhaltet.
Ein auf eine entgeltliche Gegenleistung gerichteter Vertrag im elektronischen Rechtsverkehr soll nur dann wirksam sein, wenn der Verbraucher vom Unternehmer einen Hinweis auf die Entgeltlichkeit und die mit dem Vertrag verbundenen Gesamtkosten in deutlicher, gestaltungstechnisch hervorgehobener Form erhalten hat und diese Kostenmitteilung in einer von der Bestellung gesonderten Erklärung bestätigt.
Der Bundesrat bekräftigt seinen Beschluss vom 19. September 2008 zur gesetzlichen Verankerung der Bestätigungslösung im Bürgerlichen Gesetzbuch (Ziffer 1 der BR-Drs. 553/08(B) .
Begründung
- 1. Das Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen (BGBl. I 2009, 2413) ist seit dem 4. August 2009 in Kraft. Durch dieses Gesetz wurden insbesondere die Widerrufsrechte ausgeweitet, so dass nunmehr verbesserte Möglichkeiten für Verbraucherinnen und Verbraucher bestehen, solche Verträge zu widerrufen, die sie am Telefon oder im Internet geschlossen haben. Das Widerrufsrecht gilt auch dann, wenn der Unternehmer mit der Ausführung der Dienstleistung mit ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers bereits begonnen oder der Verbraucher die Ausführung selbst veranlasst hat.
Ein umfassender Schutz vor den unlauteren Geschäftspraktiken vieler unseriöser Online-Anbieter konnte durch das Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen jedoch nicht erreicht werden. Die Verbraucherzentralen gehen nach wie vor von einem jährlichen Schaden in Millionenhöhe aus. Trotz der erweiterten Widerrufsmöglichkeit und vielen erfolgreichen Abmahnverfahren nehmen die Fälle, in denen Verbraucherinnen und Verbraucher aufgrund intransparenter und dubioser Geschäftspraktiken im Internet in Kostenfallen gelockt werden, weiter zu.
Mit vermeintlichen Gratisangeboten verschleiern unseriöse Unternehmen im Internet die Entgeltlichkeit ihrer Angebote. Durch unklare oder irreführende Gestaltungsweisen auf der Internetseite werden Verbraucherinnen und Verbraucher neugierig gemacht, so dass sie nicht merken, dass sie beispielsweise mit einem Klick auf ein "einmaliges Gratisangebot" unbewusst kostenpflichtige Leistungen oder gar Abonnements bestellen. Diese Überrumpelung wird möglich, weil sich nur im Kleingedruckten oder "versteckt" in separaten allgemeinen Geschäftsbedingungen die Hinweise auf die gleichzeitige Bestellung einer kostenpflichtigen Leistung befinden.
Auch wenn in vielen Fällen ein wirksamer entgeltpflichtiger Vertrag gar nicht zustande kommt, müssen sich Verbraucherinnen und Verbraucher auch in solchen Fällen gegen unseriöse Anbieter, die das Bestehen einer Zahlungsverpflichtung behaupten und diese zum Teil mit aggressiven Methoden durchsetzen wollen, zur Wehr setzen.
- 2. Zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher ist eine gesetzliche Lösung notwendig, die eine Kostentransparenz im Internet gewährleistet und es unseriösen Anbietern erschwert, ihre Kunden durch unklare Preisangaben im Internet in Kostenfallen zu locken.
Im Koalitionsvertrag haben sich die die Bundesregierung tragenden Parteien eindeutig für ein "verpflichtendes Bestätigungsfeld für alle Vertragsabschlüsse im Internet" ausgesprochen, um "mit dem verpflichtenden Preisangabefenster (...) Internetabzocke" zu minimieren.
Der Bundesrat fordert daher die Bundesregierung auf, eine Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches auf den Weg zu bringen, die ein solches verpflichtendes Bestätigungsfeld beinhaltet und dazu beiträgt, unseriöse Geschäftspraktiken im Internet zu unterbinden.
Ein auf eine entgeltliche Gegenleistung gerichteter Vertrag im elektronischen Rechtsverkehr soll nur dann wirksam sein, wenn der Verbraucher vom Unternehmer einen Hinweis auf die Entgeltlichkeit und die mit dem Vertrag verbundenen Gesamtkosten in deutlicher, gestaltungstechnisch hervorgehobener Form erhalten hat und diese in einer von der Bestellung gesonderten Erklärung bestätigt. Um die Verbraucher vor einem voreiligen Vertragsschluss wirksam zu schützen, hat sich der deutliche Hinweis auf die Gesamtkosten des Vertragsschlusses zu erstrecken. Bei den Gesamtkosten handelt es sich in der Regel um die aus Verbrauchersicht wichtigste Information, die vor einer vertraglichen Bindung dem Verbraucher bewusst gemacht werden sollte.
Der Internetseite ist durch den Unternehmer in der Weise zu gestalten, dass der Verbraucher vor Abgabe seiner Willenserklärung die Kenntnisnahme des Hinweises auf die Entgeltlichkeit und die Gesamtkosten gesondert zu bestätigen hat. Die gesonderte Bestätigung muss sich damit sowohl inhaltlich als auch zeitlich von der späteren Bestellung unterscheiden. Zum Schutz der Verbraucher vor übereilten Entschlüssen ist es notwendig, dass die Kostenbestätigungs- und Vertragserklärung nicht durch einen gemeinsamen "Klick" an den Unternehmer übermittelt werden. Denn nur bei Einhaltung dieses gestuften Verfahrens erhalten Verbraucher ausreichend Gelegenheit, sich in bewusster Kenntnis der Kostenpflichtigkeit einer angebotenen Leistung für oder gegen einen Vertragsschluss zu entscheiden.
Diese gesetzliche Regelung schafft Rechtssicherheit, in dem sie klarstellt, dass ein wirksamer Vertragsschluss bei einem Verstoß gegen diese Kostenhinweispflicht im elektronischen Geschäftsverkehr in jedem Fall ausgeschlossen ist. Sie ist vor dem Hintergrund der Erfahrungen im elektronischen Rechtsverkehr aus Gründen eines effektiven Verbraucherschutzes gerechtfertigt. Gleichzeitig bietet diese "Bestätigungslösung" auch den Unternehmen einen Anreiz, ihre Angebote den gesetzlichen Anforderungen entsprechend aufzubauen. Dies fördert letztendlich die Transparenz des elektronischen Geschäftsverkehrs insgesamt und stärkt das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher in diese zeitgemäße Vermarktungsform.
Eine gesetzliche Verankerung dieser "Bestätigungslösung" im Bürgerlichen Gesetzbuch hatte der Bundesrat bereits in Ziffer 1 seines Beschlusses zu dem Gesetzentwurf gegen unerlaubte Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen gefordert. (Ziffer 1 BR Drucksache. 553/08(B) ).
Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung zu diesem Bundesratsbeschluss die Bestätigungslösung unter Hinweis auf den europäischen Kontext abgelehnt (BT Drucksache. 16/10734 S. 23). Aufgrund des besonderen Binnenmarktbezuges wurden diese Vorschläge zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei Kostenfallen im Internet in den Beratungen über einen Entwurf für eine Richtlinie über Rechte der Verbraucher [KOM (2208) 614 endgültig] eingebracht und erörtert. Zur Bekämpfung der Internetkostenfallen wurde die "Bestätigungslösung" von der deutschen Delegation in Artikel 11 Abs. 1a des Richtlinienentwurfs vorgeschlagen. Der Entwurf einer legislativen Entschließung des Europäischen Parlaments vom 20. Mai 2010 enthält diese Regelung allerdings nicht.
Auch wenn eine europäische Lösung dieser Problematik sinnvoll und weiterzuverfolgen ist, erscheint eine (wenigstens für einen Übergangszeitraum geltende) nationale Regelung, wie sie beispielsweise in Frankreich seit einigen Jahren existiert, sinnvoll. Es ist zu erwarten, dass sich die Verhandlungen über den Entwurf der Richtlinie insbesondere vor dem Hintergrund der Diskussionen über den ursprünglichen Vorschlag für eine Vollharmonisierung des Verbraucherrechts weiterhin erheblich verzögern.
Selbst wenn über den Richtlinienentwurf Ende 2010 im Europäischen Parlament abgestimmt werden sollte, ist mit einer Umsetzungsfrist von etwa drei Jahren nach Inkrafttreten zu rechnen. Vor diesem zeitlichen Hintergrund ist eine nationale Lösung im Vorfeld dieser möglichen europäischen Lösung ein notwendiger Zwischenschritt, um die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland zwischenzeitlich vor "Internetabzocke" zu schützen. Eine etwaige Notifizierungspflicht gegenüber der Europäischen Kommission ist vor dem Hintergrund der absehbaren Verzögerungen einer europäischen Lösung durch die Richtlinie über Verbraucherrechte gerechtfertigt.
Eine nationale Regelung zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher sollte jedenfalls solange gelten bis eine europäische Regelung zur Lösung dieser erheblichen Probleme in Kraft getreten ist oder europäische Vorgaben nationale Regelungen ausschließen.