Europäische Kommission Brüssel, den 25. Juni 2010
Vizepräsident
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Bürgermeister Jens Böhrnsen
Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen
Sehr geehrter Herr Präsident,
haben Sie vielen Dank für den Beitrag des Deutschen Bundesrates vom 26. März 2010 zum Dokument KOM (2009) 504 - Bericht der Kommission über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit (16. Bericht "Bessere Rechtsetzung" 2008).*
Da die Kommission großen Wert darauf legt, die Meinung der nationalen Parlamente zu ihren Vorschlägen zu erfahren, um den Prozess der Politikgestaltung zu verbessern begrüßen wir diese Gelegenheit, auf Ihre Stellungnahme zu reagieren. Als Anlage übersende ich Ihnen die Antwort der Kommission, die, wie ich hoffe, einen wertvollen Beitrag zu Ihren eigenen Beratungen darstellt.
Ich freue mich darauf, unseren politischen Dialog in Zukunft noch vertiefen zu können.
Mit freundlichen Grüssen
Maro efèoviè
* siehe Drucksache 745/09(B)
Europäische Kommission
Bemerkungen der Europäischen Kommission zu Einer Stellungnahme des Deutschen Bundesrates KOM (2009) 504 - Bericht Der Kommission über die Anwendung
Der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismässigkeit (16. Bericht "Bessere Rechtsetzung" 2008).
Die Stellungnahme des Bundesrates vom 26. März 2010 zum Bericht der Kommission über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit (16. Bericht "Bessere Rechtsetzung" 2008) stellt für die Kommission eine wertvolle Rückmeldung dar.
Die Kommission hat die Bitte des Bundesrates zur Kenntnis genommen, den Bericht in quantitativer und qualitativer Hinsicht zu verbessern und darzulegen, weswegen sie einen Subsidiaritätseinwand für beachtlich bzw. unbeachtlich gehalten hat. Sie erachtet das von ihr gewählte Vorgehen gleichwohl für angemessen. Insbesondere hält sie es für angemessen im Bericht schwerpunktmäßig jene Themen zu behandeln, die Anlass zu den meisten Diskussionen gegeben haben, und sachlich und neutral die Positionen der verschiedenen Akteure (EU-Organe, Mitgliedstaaten, nationale Parlamente) darzustellen.
So zieht sie denn in dem Bericht unter anderem den Schluss, dass die Ansichten nicht nur unter den Organen, sondern auch innerhalb des Rates weiterhin auseinandergehen.
Die beiden Fälle, auf die der Bundesrat besonders Bezug genommen hat (die Bodenschutzrichtlinie1 und das Grünbuch zur Mobilität in der Stadt2) verdeutlichen die Vielschichtigkeit der Materien; eben weil sie zu Meinungsunterschieden geführt haben, hielt es der Kommission für wichtig, sie in ihrem Bericht zu dem Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip anzuführen.
- - Im Fall der Bodenschutzrichtlinie hatte das Europäische Parlament den ursprünglichen Vorschlag mitgetragen, der jedoch von sechs Mitgliedstaaten mit der Begründung abgelehnt wurde, dass beim Boden anders als bei Luft und Wasser kein Austausch über die Grenzen hinweg stattfindet, und diese Materie daher nicht im EU-Recht geregelt werden sollte. Andere Mitgliedstaaten widersprachen dieser Ansicht, unter anderem weil der Boden den Klimawandel und die biologische Vielfalt beeinflusst, die beide grenzüberschreitende Wirkungen haben. Für den spanischen Ratsvorsitz, der berichtete, dass die meisten Delegationen generell eine Rahmenrichtlinie zum Bodenschutz unterstützen, war dieses Thema von vorrangiger Bedeutung. Die Delegationen halten einen solchen Rechtsakt für erforderlich um eine Lücke im EU-Umweltrecht zu schließen und einen ganzheitlicheren Ansatz zum Bodenschutz zu ermöglichen3. Die Kommission schließt sich der Ansicht der Mehrheit der Mitgliedstaaten an. Ein Konsens ist noch nicht gefunden.
- - Auch beim Grünbuch zur Mobilität in der Stadt entspricht die Kommission nach Ansicht des Bundesrates, der einzelstaatliche Maßnahmen für ausreichend hält, nicht den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit. Die Kommission erinnert jedoch daran, dass der deutsche Ratsvorsitz 2007 die Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt und die Territoriale Agenda der Europäischen Union vorgelegt hat. Zwar sollte danach "eine Stadtentwicklungspolitik auf nationaler Ebene verankert" sein, doch heißt es in den Schlussfolgerungen: "Daneben ist eine europäische Plattform wichtig, um den Erfahrungsaustausch hinsichtlich guter Beispiele, Statistiken, Benchmark-Studien, Evaluierungen, Expertengutachten und sonstiger städtischer Forschungen stärker zu bündeln und somit die an der Stadtentwicklung beteiligten Akteure auf allen Ebenen und in allen Bereichen zu unterstützen."4
Die Kommission nimmt auch davon Kenntnis, dass der Bundesrat detailliertere Kriterien und einen gemeinsamen Bewertungsansatz für die Einhaltung des Subsidiaritäts- und
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes fordert. Die Kommission hat mehrere Maßnahmen eingeleitet um sicherzustellen, dass ihre Vorschläge stets auf die Einhaltung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit geprüft werden, und dies auf transparente Art und Weise geschieht:
- - Konsultationen der Interessenvertreter zu geplanten Initiativen, damit diese bereits in einem frühen Stadium zur Relevanz einer EU-Maßnahme Stellung nehmen können
- - Folgenabschätzungen, die eine Analyse und Bewertung der die Subsidiarität und die Verhältnismäßigkeit betreffenden Aspekte beinhalten. Gemäß den Leitlinien für die Folgenabschätzung sollten die Interessenvertreter Gelegenheit erhalten, zu der subsidiaritätsbezogenen Analyse Stellung zu nehmen;
- - offizielle Begründungen (explanatory memoranda), die eine Rechtfertigung in Bezug auf die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit bei allen Legislativvorschlägen im Bereich der geteilten Zuständigkeit liefern.
Diese Instrumente stehen allen anderen Organen und den Mitgliedstaaten bei ihrer Prüfung der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit zur Verfügung. Die Kommission hat keine Kenntnis von Forderungen der anderen Organe bezüglich der Entwicklung eines gemeinsamen Ansatzes oder Formates hierfür, wäre aber zu Gesprächen bereit, wenn dies ausdrücklich gefordert würde.
Was die Beziehungen insbesondere zu den nationalen Parlamenten anbelangt, ist die Kommission entschlossen, diese Beziehungen weiter zu stärken. So hat sie kürzlich in ihrem Jahresbericht 2009 über die Beziehungen zwischen der Europäischen Kommission und den nationalen Parlamenten5 skizziert, wie sich diese Beziehungen in den nächsten Jahren weiterentwickeln könnten. Der Subsidiaritätskontrollmechanismus, der parallel zum politischen Dialog Anwendung finden wird, spielt dabei eine wesentliche Rolle. Da der Mechanismus erst vor einigen Monaten eingeführt wurde, hält die Kommission die Festlegung von konkreten, verbindlichen Leitlinien zum gegenwärtigen Zeitpunkt für verfrüht. Dies könnte in einer solch wichtigen Phase unserer Beziehungen zu Lasten der notwendigen Flexibilität gehen. Gleichwohl ist die Kommission bereit und offen, die Umsetzung des politischen Dialogs und des Subsidiaritätskontrollmechanismus in enger Zusammenarbeit mit den nationalen Parlamenten regelmäßig zu evaluieren.
- 1 KOM (2006) 232 endgültig.
- 2 KOM (2007) 551 endgültig.
- 3 http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/10/st10/st10439.de08.pdf 4 Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt und Territoriale Agenda der Europäischen Union (Für ein wettbewerbsfähigeres nachhaltiges Europa der vielfältigen Regionen).
- 5 KOM (2010) 291.