Punkt 42 der 957. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2017
Der Bundesrat möge beschließen, den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes nach Maßgabe folgender Änderung beim Deutschen Bundestag einzubringen:
Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 353e Absatz 1 Satz 1 StGB)
In Artikel 1 Nummer 2 ist in § 353e Absatz 1 Satz 1 das Wort "Wissen" durch das Wort "Erlaubnis" zu ersetzen.
Folgeänderungen:
- a) Das Vorblatt ist wie folgt zu ändern:
- aa) In Teil A Absatz 4 Satz 2 ist das Wort "heimlicher" durch das Wort "unerlaubter" zu ersetzen.
- bb) In Teil B Absatz 1 Satz 2 ist das Wort "Wissen" durch das Wort "Erlaubnis" zu ersetzen.
- b) Die Begründung ist wie folgt zu ändern:
- aa) Teil A ist wie folgt zu ändern:
- aaa) Abschnitt I ist wie folgt zu ändern:
- aaaa) Nach dem vierten Absatz ist folgender Absatz einzufügen:
- 'Aber nicht nur heimliche Aufnahmen verletzen schützenswerte Belange der Rechtspflege. Gleiches gilt für die offene Herstellung von Bild- oder Tonaufnahmen in einer Gerichtsverhandlung, die mangels Erlaubnis ein Einschreiten des Vorsitzenden herausfordert. Insbesondere das Auftreten sogenannter "Reichsbürger", die nicht selten solche Auseinandersetzungen mit der von ihnen abgelehnten "Staatsgewalt" suchen, erfordert es, wirksam auch gegen das offene Aufnehmen in Gerichtsverhandlungen vorgehen zu können.'
- bbbb) Nummer 2 ist wie folgt zu ändern:
aaaaa) In Satz 1 ist das Wort "heimliche" durch das Wort "unerlaubte" zu ersetzen.
bbbbb) Dem Buchstaben b ist folgender Absatz anzufügen:
- 'Das Ansehen der Justiz und damit auch die Autorität des Staates wird nicht nur durch heimliches Aufnehmen von Teilen der Gerichtsverhandlung untergraben. Vielmehr ist dies auch der Fall, wenn offen mit Bild- oder Tonaufnahmen begonnen wird. Bereits dadurch werden Interessen der aufgenommenen Personen verletzt, auch wenn die Offenkundigkeit des Vorgehens das Ergreifen von Abwehrmaßnahmen ermöglicht. Die genannten Schutzinteressen werden aber insbesondere dann verletzt, wenn dem Vorsitzenden eine Auseinandersetzung über die Beendigung der Aufnahme aufgezwungen wird. Wegen der gegebenenfalls erforderlichen Hinzuziehung von Justizbediensteten oder Polizeikräften zur tatsächlichen Durchsetzung sitzungspolizeilicher Maßnahmen kann sich diese Auseinandersetzung über eine gewisse Dauer erstrecken. Nicht selten suchen Personen aus der sogenannten "Reichsbürger"-Szene solche Auseinandersetzungen mit der "Staatsgewalt", um sich und ihren Umkreis in ihrer Ablehnung des Staates zu bestätigen. Deshalb muss auch dem offenen Aufnehmen mit strafrechtlichen Mitteln begegnet und durch eine eindeutige Rechtsgrundlage zur Sicherstellung und Einziehung von Aufnahmen bzw. Datenträgern Vorsorge vor einer Verbreitung entsprechender Aufnahmen getroffen werden können.'
ccccc) Buchstabe c ist wie folgt zu ändern:
aaaaaa) In Absatz 1 Satz 1 ist das Wort "Wissen" durch das Wort "Erlaubnis" zu ersetzen.
bbbbbb) In Absatz 2 Satz 2 ist das Wort "unbefugte" durch das Wort "unerlaubte" und das Wort "heimlichen" durch das Wort "unerlaubten" zu ersetzen.
- aaaa) Nach dem vierten Absatz ist folgender Absatz einzufügen:
- bbb) In Abschnitt II Absatz 1 Satz 2 ist das Wort "Wissen" durch das Wort "Erlaubnis" zu ersetzen.
- aaa) Abschnitt I ist wie folgt zu ändern:
- bb) Teil B "Zu Artikel 1 Zu Nummer 2 Zu Absatz 1" ist wie folgt zu ändern:
- aaa) In der Begründung 'Zu dem Merkmal "Verhandlungen vor dem erkennenden Gericht" ' Absatz 3 Satz 2 ist das Wort "Heimliche" durch das Wort "Unerlaubte" zu ersetzen.
- bbb) Die Begründung 'Zu dem Merkmal "Bild- oder Tonaufnahme von einer daran beteiligten anderen Person" ' ist wie folgt zu ändern.
- aaaa) In Absatz 6 Satz 2 ist das Wort "heimliche" durch das Wort "unerlaubte" zu ersetzen.
- bbbb) In Absatz 8 Satz 2 sind die Wörter "sein Wissen" durch die Wörter "seine Erlaubnis" zu ersetzen.
- ccc) Die Begründung 'Zum Merkmal "ohne Wissen des Vorsitzenden" ' ist durch folgende Begründung zu ersetzen:
'Zu dem Merkmal "Ohne Erlaubnis des Vorsitzenden"
Tatbestandsmäßig sind nur Bild- und Tonaufnahmen oder -übertragungen, die ohne Erlaubnis des Vorsitzenden angefertigt werden. Bereits aus diesem Grund scheiden Aufnahmen aus, die zu Verfahrenszwecken (vgl. LR-Wickern, StPO, Bd. 10 - GVG, EGGVG, 26. Aufl. 2010, § 169 GVG Rn.46) auf Veranlassung oder mit Zustimmung des Vorsitzenden angefertigt worden sind. Die Beschränkung des Wortlauts auf die maskuline Form ("des Vorsitzenden") dient lediglich der sprachlichen Vereinfachung.
Strafwürdig ist insbesondere die - aus Sicht des Vorsitzenden - heimliche Aufzeichnung oder Übertragung von Bild oder Ton. Dadurch wird dem Vorsitzenden die Möglichkeit genommen, von seinen sitzungspolizeilichen Befugnissen nach § 176 GVG Gebrauch zu machen, um die oben beschriebenen Schutzinteressen wahrzunehmen. Im Falle des offenen Vorgehens kann der Vorsitzende sitzungspolizeiliche Maßnahmen ergreifen, die insbesondere in einer Aktualisierung des Verbots und dessen tatsächlicher Durchsetzung durch die Sicherstellung des Aufnahmegeräts bestehen. Diese reichen aber nicht aus, um die oben dargestellten Schutzinteressen zu wahren.
Bereits durch das begonnene Aufnehmen werden schutzwürdige Belange von Verfahrensbeteiligten verletzt. Insbesondere aber wird die Stellung des Vorsitzenden als Leiter der Gerichtsverhandlung und mittelbar die Autorität des Staates angegriffen, wenn dem Vorsitzenden eine Auseinandersetzung über die Unzulässigkeit einer Aufnahme und die tatsächliche Durchsetzung des Verbots aufgezwungen wird. Dieser Angriff würde im Falle der Straflosigkeit der offenen Aufnahme in einer Gerichtsverhandlung perpetuiert, weil dem Aufnehmenden unter Umständen nach der Verhandlung nicht nur das Aufnahmegerät, sondern möglicherweise auch die straflos gefertigten Aufnahmen überlassen werden müssten. Das wäre mit der Gefahr verbunden, dass diese Aufnahmen später verbreitet werden. Eine dann gegebenenfalls mögliche strafrechtliche Reaktion käme zu spät.
Deshalb ist nicht nur das heimliche, ohne Wissen des Vorsitzenden erfolgende Aufnehmen oder Übertragen zu erfassen. Vielmehr ist die Strafbarkeit für jede ohne Erlaubnis des Vorsitzenden vorgenommene Aufnahme oder Übertragung zu begründen. Der Begriff der Erlaubnis wird anstelle des Begriffs der Zustimmung gewählt, um zu verdeutlichen, dass es einer vor Beginn der Aufnahme liegenden positiven Entscheidung des Vorsitzenden bedarf.
Das Abstellen auf eine Erlaubnis des Vorsitzenden anstatt auf dessen Nichtwissen hat auch den Vorteil, dass tatsächliche Unsicherheiten darüber, ob der Vorsitzende eine Aufnahme bemerkt und deshalb von ihr gewusst hat, ebenso vermieden werden wie Unsicherheiten an dem auf dieses Merkmal bezogenen Vorsatz des Aufnehmenden.'
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Es ist vorzugswürdig, die Strafbarkeit bei unbefugten Aufnahmen in Gerichtsverhandlungen nicht an fehlendes Wissen des Vorsitzenden, sondern an das Fehlen einer Erlaubnis zu knüpfen. Ansonsten könnte straflos mit einer offenen Aufnahme begonnen und diese bis zu deren tatsächlichen Verhinderung fortgesetzt werden. Bereits dadurch werden schutzwürdige Interessen von Verfahrensbeteiligten und der Rechtspflege verletzt. Insbesondere aber durch das Aufnehmen einer durch solches Verhalten provozierten Auseinandersetzung mit dem Vorsitzenden über das Verbot von Aufnahmen und die tatsächliche Durchsetzung des Verbots, wie es durch sogenannte "Reichsbürger" nicht fern liegt, werden diese Interessen verletzt. Durch die Einbeziehung offener unerlaubter Aufnahme in die Strafbarkeit wird auch eine eindeutige Rechtsgrundlage für die Sicherstellung und Einziehung von Aufnahmen oder Datenträgern geschaffen und so verhindert, dass solche Aufnahmen, die möglicherweise dem Aufnehmenden nach der Gerichtsverhandlung überlassen werden müssten, veröffentlicht werden.
- aa) Teil A ist wie folgt zu ändern: