Gesetzesantrag des Landes Niedersachsen
Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Absprachen im Strafverfahren

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

E. Sonstige Kosten

Gesetzesantrag des Landes Niedersachsen
Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Absprachen im Strafverfahren

Der Niedersächsische Ministerpräsident Hannover, den 29. März 2006

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Peter Harry Carstensen

Sehr geehrter Herr Präsident,
die Niedersächsische Landesregierung hat in ihrer Sitzung am 28. März 2006 beschlossen dem Bundesrat den anliegenden

mit dem Antrag zuzuleiten, seine Einbringung beim Deutschen Bundestag gemäß Art. 76 Abs. 1 Grundgesetz zu beschließen.

Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 821. Sitzung am 7. April 2006 zu setzen.

Der Gesetzentwurf soll anschließend den Ausschüssen zugewiesen werden.


Mit freundlichen Grüßen
Christian Wulff

Anlage
Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Absprachen im Strafverfahren

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung der Strafprozeßordnung

Die Strafprozeßordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zuletzt geändert durch , wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeines

I. Zielsetzung des Entwurfs

Das Wesen des Strafprozesses ist geprägt durch die Verpflichtung von Staatsanwaltschaft und Gericht, von Amts wegen in einem fairen, rechtsstaatlichen Verfahren die materielle Wahrheit zu erforschen, um ein gerechtes, objektives sowie tat- und schuldangemessenes Urteil herbeizuführen. Das Urteil fällt das Gericht entsprechend dem Ergebnis der Beweisaufnahme aufgrund seiner freien, aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpften Überzeugung.

Damit nicht ohne weiteres vereinbar ist die seit Jahren in zunehmendem Maße zu beobachtende Praxis, insbesondere komplexe sowie in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht aufwändige Strafverfahren durch Herbeiführung einer einverständlichen Urteilsabsprache zu verkürzen.

Zwar tragen derartige Absprachen dazu bei, die mitunter knappen Ressourcen der Justiz zu schonen und fördern damit auch, deren Funktionstüchtigkeit zu erhalten. Diese verfahrensbeendenden Vereinbarungen sind jedoch nicht unproblematisch. Sie stehen im Spannungsfeld zwischen funktionstüchtiger Strafrechtspflege und rechtsstaatlich geordnetem, dem verfassungsrechtlichen Gebot bestmöglicher Sachaufklärung verpflichtetem und die Rechte des Angeklagten sowie die Belange des Opfers wahrendem Strafverfahren. Urteilsabsprachen sind daher nur so lange nicht zu beanstanden, wie sie diesen Grundsätzen und Interessen insgesamt und ausgewogen Rechnung tragen. Der staatliche Strafanspruch muss durchgesetzt werden; es muss in jedem Falle sichergestellt sein dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden. Dies hindert jedoch grundsätzlich nicht, auch verfahrensökonomische Gesichtspunkte zu berücksichtigen, wie die Regelungen in § 154 Abs. 1 und § 154a Abs. 1 StPO belegen. Insbesondere kann es auch der notwendige Schutz von Zeugen und Opfern gebieten, im Einzelfall von einer weitergehenden Sachaufklärung und Bestrafung abzusehen.

Nähere Feststellungen, insbesondere zu den Grenzen rechtsstaatlich unbedenklicher Urteilsabsprachen, erweisen sich in der Strafrechtspraxis jedoch als schwierig. Die Strafprozeßordnung kennt kein konsensuales Urteilsverfahren. Maßstäbe für die Ausgestaltung eines solchen Verfahrens können ihr deshalb nicht entnommen werden.

Gleichwohl sind zahlreiche Fragen und Voraussetzungen zwischenzeitlich durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt, wobei zuletzt insbesondere die richtungweisende Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs vom 3. März 2005 - GSSt 1/04 - eindeutige Maßstäbe gesetzt hat und dabei zugleich die vorausgehende Grundsatzentscheidung des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 28. August 1997 - 4 StR 240/97 - (BGHSt 43, 195 ff.) bestätigt und in Teilen fortentwickelt hat. Der Große Senat hat jedoch in seinem Beschluss zu Recht nachdrücklich darauf hingewiesen die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung seien nunmehr erreicht. Er hat daher ein Tätigwerden des Gesetzgebers angemahnt.

Zu schaffen ist eine gesetzliche Regelung für Urteilsabsprachen im Strafverfahren, um mit der notwendigen demokratischen Legitimation zentrale Fragen der konsensualen Strafverfahrensbeendigung zu entscheiden und eine gleichmäßige Verfahrenspraxis zu gewährleisten. Inhalt, Ausgestaltung und Folgen zulässiger Abspracheverfahren müssen unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben und Grenzen definiert werden.

Insbesondere sind ein faires, rechtsstaatliches Verfahren, das Schuldprinzip und damit einhergehend das Gebot bestmöglicher Aufklärung zur Ermittlung des wahren Sachverhalts als notwendige Grundlage eines gerechten Urteils zu gewährleisten.

Diesem Anliegen trägt der Entwurf durch Einführung eines institutionalisierten Abspracheverfahrens in die Strafprozeßordnung Rechnung.

Der Entwurf stellt klar, dass Absprachen über die in einem Urteil auszusprechenden Rechtsfolgen zulässig sind. Urteilsabsprachen kommen jedoch erst dann in Betracht, wenn das Gericht die Anklageschrift geprüft und dem Angeschuldigten, ggfs. seinem Verteidiger zugestellt hat.

Die Staatsanwaltschaft ist berechtigt, in geeignet erscheinenden Fällen bereits mit der Anklageschrift unter Angabe des von ihr als angemessen erachteten Strafrahmens eine Verständigung anzuregen.

In diesem frühen Stadium des Strafverfahrens kann das Gericht den Angeschuldigten auffordern zum Antrag der Staatsanwaltschaft Stellung zu nehmen. Darüber hinaus soll auch dem Gericht die Möglichkeit eröffnet werden, im Interesse einer zielgerichteten weiteren Vorbereitung des Hauptverfahrens mit Blick auf den voraussichtlichen Umfang der Beweisaufnahme auch aus eigener Initiative anzuregen, die Aussichten für eine Urteilsabsprache gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft, dem Angeklagten und seinem Verteidiger zu erörtern.

Soweit außerhalb der Hauptverhandlungen Erörterungen mit dem Ziel einer Urteilsabsprache stattfinden müssen daran alle Hauptbeteiligten des Verfahrens zur Wahrung ihrer prozessualen Aufgaben und Rechte mitwirken. Diese Gespräche sind ihrem wesentlichen Inhalt und Ergebnis nach vom Vorsitzenden des Gerichts in den Akten zu dokumentieren und in der Hauptverhandlung bekannt zu geben. Auf diese Weise wird die für das Strafverfahren unverzichtbare Transparenz im Rahmen derartiger Absprachen geschaffen die es auch wegen des elementaren Verfahrensgrundsatzes der Öffentlichkeit der (späteren) Hauptverhandlung strikt zu beachten und zu wahren gilt.

An den einvernehmlich abgesprochenen, den konkreten Umständen nach tat- und schuldangemessenen Strafrahmen ist nur das Gericht gebunden, das an der Absprache beteiligt war. Die Bindung steht ferner unter dem Vorbehalt eines qualifizierten Geständnisses, das einer Überprüfung zugänglich ist und nach Überzeugung des Gerichts den wahren Sachverhalt darstellt. Die Bindung entfällt, wenn zu einem späteren Zeitpunkt tatsächliche und/oder rechtliche Gesichtspunkte bekannt werden, die für die Strafzumessung erheblich sind. Vor einem möglichen Geständnis ist der Angeklagte umfassend über die mit der Absprache verbundenen Folgen zu belehren. Die darauf folgende Einlassung des Angeklagten, d.h. das mit Blick auf die Absprache abgelegte Geständnis, bleibt grundsätzlich verwertbar, auch wenn die Bindung entfallen sollte.

Beruht das Urteil auf der Absprache, entfällt die Notwendigkeit einer umfassenden Überprüfung, insbesondere in tatsächlicher Hinsicht. Die Berufung ist deshalb unzulässig.

Die Revision kann nur auf Verfahrensfehler im Zusammenhang mit der Absprache und im Übrigen auf die absoluten Revisionsgründe des § 338 StPO gestützt werden.

Ein nach Urteilserlass erklärter Rechtsmittelverzicht ist möglich. Er ist jedoch nur wirksam, wenn der Angeklagte zuvor qualifiziert dahingehend belehrt wurde, dass die Absprache und die in diesem Zusammenhang angestellten Überlegungen nicht an der Einlegung eines Rechtsmittels hindern.

Die Verfahren vor dem Strafrichter und dem Jugendrichter, vor denen Straftaten von "minderer Bedeutung" geahndet werden, die naturgemäß weniger schwere Sanktionen nach sich ziehen, bleiben von den Regelungen, welche die Vorbereitung und Durchführung einer Urteilsabsprache formalisieren, ausgenommen. Es entspricht einem praktischen Bedürfnis, die Verfahrensbeteiligten in den Verfahren zur Ahndung geringen Unrechts, die den weitaus größten Bereich der staatsanwaltlichen und gerichtlichen Praxis einnehmen, keiner zu strikten Regulierung zu unterwerfen. Der Gesetzgeber hat bereits an verschiedenen Stellen Regelungen in den jeweiligen Verfahrensvorschriften vorgesehen die einer Vereinfachung und Beschleunigung der Abläufe in Verfahren vor dem Straf - und Jugendrichter dienen sollen. Dazu zählen die Vorschriften über den Strafbefehl und das sog. Beschleunigte Verfahren in der Strafprozeßordnung ebenso wie das Vereinfachte Jugendverfahren im Jugendgerichtsgesetz. Es ist mithin konsequent, diejenigen Vorschriften über die Urteilsabsprache, die auf eine genaue Beachtung formeller Regularien ausgerichtet sind, für die Verfahren vor dem Straf- und Jugendrichter auszuschließen.

II. Gesetzgebungskompetenz; Vereinbarkeit mit EU-Recht

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Artikel 72 des Grundgesetzes.

Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar.

III. Auswirkungen

Auswirkungen auf den Bundeshaushalt oder die Länderhaushalte sind nicht zu erwarten.

Die vorgesehenen Gesetzesänderungen belasten die Wirtschaft nicht mit zusätzlichen Kosten. Auswirkungen auf Einzelpreise, das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, oder die Umwelt sind nicht zu erwarten.

Der Entwurf unterscheidet rechtlich nicht zwischen Frauen und Männern. Auch in seiner praktischen Anwendung sind keine unterschiedlichen Auswirkungen zu erwarten.

B. Zu den einzelnen Vorschriften

Zu Artikel 1 (Änderung der Strafprozeßordnung)

Zu Nummer 1 (§ 35a Satz 3)

Eine Urteilsabsprache lässt das Recht, Rechtsmittel einzulegen, unberührt. § 35a Satz 3 trägt dem Umstand Rechnung, dass im Rahmen von Urteilsabsprachen zur "definitiven

Verkürzung" des Verfahrens nicht selten auch ein Rechtsmittelverzicht erörtert und in Aussicht gestellt wird. Darüber hinaus mag sich der Angeklagte allein aufgrund der vorher getroffenen Absprache zum Rechtsmittelverzicht verpflichtet fühlen, zumal das Urteilsergebnis schließlich der Absprache entspricht.

Daher ist dem Angeklagten in jedem Falle einer Urteilsabsprache, d.h. auch dann, wenn die Frage des Rechtsmittelverzichts zu keinem Zeitpunkt erörtert worden ist, eine qualifizierte Rechtmittelbelehrung zu erteilen. Der Angeklagte ist vom Gericht ausdrücklich darüber zu belehren, dass er ungeachtet der Absprache und der damit einhergehenden Erörterungen - einschließlich der von anderen Verfahrensbeteiligten etwaig geäußerten Erwartungen und Empfehlungen - frei ist, Rechtsmittel einzulegen.

Diese qualifizierte Belehrung über die fortbestehende Rechtsmittelbefugnis ist als wesentliche Förmlichkeit zu protokollieren ( § 273 Abs. 1 StPO) und nimmt an der Beweiskraft des Protokolls nach § 274 StPO teil. Unterbleibt die qualifizierte Belehrung, gelangt § 44 Satz 2 StPO zur Anwendung.

Zu Nummer 2

Zu Buchstabe a (§ 199 Abs. 2 Satz 2)

§ 199 Abs. 2 Satz 2 berechtigt die Staatsanwaltschaft in ihr geeignet erscheinenden Fällen bereits mit Anklageerhebung eine Urteilsabsprache anzuregen. Dies kann zu einer erheblichen Verkürzung des Verfahrens beitragen. Der Antrag ist mit der Angabe einer nach freier Würdigung aller nach Aktenlage bekannten Umstände des Falles und in Erwartung eines qualifizierten Geständnisses tat- und schuldangemessen erscheinenden Strafunter- und Strafobergrenze zu versehen. Schon mit Zustellung der Anklageschrift vermag sich dann der Angeschuldigte auf die Strafvorstellungen der Staatsanwaltschaft einzustellen und sein weiteres Verhalten danach auszurichten.

Zu Buchstabe b (§ 199 Abs. 2 Satz 3)

Es handelt sich um eine redaktionelle Änderung infolge der Einfügung des neuen Satzes 2.

Zu Nummer 3 (§ 201 Abs. 1 Satz 2)

Die Änderung knüpft an die der Staatsanwaltschaft eingeräumte Antragsmöglichkeit nach § 199 Abs. 2 Satz 2 an. Beantragt sodann auch der Angeschuldigte die Erörterung einer Urteilsabsprache, kann das Gericht sogleich einen Hauptverhandlungstermin (jedenfalls zum Zwecke der Erörterung) bestimmen oder einen Erörterungstermin außerhalb der Hauptverhandlung anberaumen, sofern es den konkreten Fall selbst dafür geeignet hält.

Zu Nummer 4 (§ 212)

§ 212 Abs. 1 stellt klar, dass das Gericht Erörterungen über eine Urteilsabsprache auf Antrag der Verfahrensbeteiligten oder aus eigener Initiative erst nach der Zustellung der Anklageschrift, dann aber auch außerhalb der Hauptverhandlung unter Mitwirkung und Beteiligung von Staatsanwaltschaft, Angeklagtem und Verteidiger führen kann.

Das Gericht ist gehalten, auf eine Einbindung der genannten Verfahrensbeteiligten Bedacht zu nehmen und hat dabei jede einseitige Kontaktaufnahme, die dazu führt, einen der Beteiligten an der Wahrnehmung seiner Rechte zu hindern, zu vermeiden. Bei entsprechenden Anträgen und geeignet erscheinenden Fällen ist daher zu gewährleisten, dass eine gemeinsame Besprechung von Gericht, Staatsanwaltschaft, Angeklagtem und Verteidiger, in den Fällen des § 395 StPO auch der Nebenklage durchgeführt wird. Die gemeinsame Erörterung soll "bilaterale Gespräche" zwischen Gericht und einzelnen Verfahrensbeteiligten vermeiden. Das vorgesehene Verfahren soll größtmögliche Transparenz für alle Beteiligten garantieren und folgerichtig eine Mitwirkung am Prozess des Zustandekommens einer Urteilsabsprache ermöglichen. Nur so kann vermieden werden dass einzelnen Beteiligten ein kaum mehr beeinflussbares Ergebnis präsentiert wird ohne zuvor die eigene Auffassung zur Sach- und Rechtslage und den Voraussetzungen für eine vereinfachte bzw. abgekürzte Erledigung mitteilen zu können.

Der wesentliche Inhalt und das Ergebnis der Vorgespräche sind durch den Vorsitzenden des Gerichts in den Akten zu dokumentieren.

§ 212 Abs. 2 macht deutlich, dass stets auch das Gericht von der Eignung des Falles für eine Urteilsabsprache überzeugt sein muss. Anträge anderer Verfahrensbeteiligter, insbesondere auch der Staatsanwaltschaft nach § 199 Abs. 2 Satz 2, enthalten letztlich nur eine Anregung, die nach freiem richterlichem Ermessen durch unanfechtbaren Beschluss zurückgewiesen werden kann, der keiner näheren Begründung bedarf.

Zu Nummer 5

Zu Buchstabe a (§ 243 Abs. 4)

Mit Blick auf das Unmittelbarkeits- und Öffentlichkeitsprinzips müssen die das Strafverfahren maßgeblich betreffenden Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung die Ausnahme bleiben. Ungeachtet dessen muss das Geschehen außerhalb der Hauptverhandlung in der Hauptverhandlung transparent gemacht werden. Denn die Erörterungen von Urteilsabsprachen außerhalb der Hauptverhandlung dürfen nicht ein eigenständiges, informelles und unkontrollierbares Verfahren neben der eigentlichen Hauptverhandlung hervorbringen.

Erörterungen über eine Urteilsabsprache, die außerhalb der Hauptverhandlung geführt wurden sind deshalb ihrem wesentlichem Inhalt und Ergebnis nach in die Hauptverhandlung einzuführen und in das Hauptverhandlungsprotokoll aufzunehmen. Die mit dem Ziel einer Urteilsabsprache durchgeführten Erörterungen sind in jedem Falle derart wesentlich dass sie in der Hauptverhandlung zur Sprache gebracht werden müssen.

Dies gilt insbesondere dann, wenn etwa der Angeklagte außerhalb der Hauptverhandlung nur durch seinen Verteidiger vertreten war.

Zudem muss der wesentliche Inhalt der Erörterungen - wie die Urteilsabsprache selbst - für das Revisionsgericht überprüfbar sein.

Der in § 243 Abs. 4 Satz 3 enthaltene Hinweis auf § 243a Abs. 4 bis 6 soll verdeutlichen, dass die eigentliche Urteilsabsprache nicht außerhalb, sondern in der Hauptverhandlung erfolgt und der Angeklagte vor seiner Vernehmung zur Sache insbesondere im Sinne von § 243a Abs. 6 zu belehren ist.

Zu Buchstabe b (§ 243 Abs. 5)

Es handelt sich um eine redaktionelle Änderung infolge der Einfügung eines neuen Absatzes 4.

Zu Artikel 1 Nr. 6 (§§ 243a und 243b)

§ 243a § 243a erklärt Urteilsabsprachen für zulässig. Die wesentlichen Punkte des möglichen Inhalts, des Zustandekommens und der Reichweite von Urteilsabsprachen werden geregelt.

§ 243a Abs. 1 stellt klar, dass das Gericht in der Hauptverhandlung kraft der Prozessleitungsbefugnis des Vorsitzenden ( § 238 StPO) zu jedem ihm geeignet erscheinenden Zeitpunkt, auch ohne entsprechende Anträge von Staatsanwaltschaft, Angeklagtem und Verteidiger, eine verfahrensbeendende Absprache erörtern kann. Dem Gericht kommt damit ein eigenes Initiativrecht hinsichtlich einer Urteilsabsprache zu.

Darüber hinaus wird der Staatsanwaltschaft, dem Angeklagten und seinem Verteidiger, anknüpfend an § 212 Abs. 1 StPO die ausdrückliche Befugnis eingeräumt, auch während der Hauptverhandlung, jederzeit eine Erörterung, mit dem Ziel eine Urteilsabsprache herbeizuführen zu beantragen.

§ 243a Abs. 2 regelt den zulässigen Inhalt einer Urteilsabsprache. Es können Vereinbarungen hinsichtlich der im Zusammenhang mit der angeklagten Tat auszusprechenden Rechtsfolgen getroffen werden, wobei es sich nicht notwendig um die im Urteilstenor auszusprechenden Rechtsfolgen handeln muss. Zulässig sind z.B. auch Vereinbarungen über die der Entscheidungsgewalt des erkennenden Gerichts unterliegenden Bewährungsauflagen im Rahmen des mit dem Urteil zu verkündenden Bewährungsbeschlusses ( § 268a Abs. 1 StPO).

Unzulässig sind dagegen insbesondere Vereinbarungen über den konkreten Schuldspruch; die strafrechtliche Bewertung eines Sachverhalts ist einer Verständigung nicht zugänglich. Ebenso kann ein Rechtsmittelverzicht nicht Gegenstand einer Urteilsabsprache sein; Gespräche darüber sind zu unterlassen. Das Gericht darf zu keinem Zeitpunkt an der Erörterung eines Rechtsmittelverzichts mitwirken oder gar auf einen solchen Verzicht hinwirken. Eine wie auch immer geartete Verknüpfung von Urteilsabsprache und Rechtsmittelverzicht kann zumindest den Anschein erwecken, "dass das Gericht es in der Erwartung, seine Entscheidung werde nicht mehr überprüft, bei der Urteilsfindung an der auch in diesem Verfahren notwendigen Sorgfalt bei der prozessordnungsgemäßen Ermittlung des Sachverhalts, bei der Subsumtion unter das materielle Strafrecht und bei der Bestimmung der schuldangemessenen Strafe fehlen lassen werde" (GrS BGH, Beschl. vom 3. März 2005, S. 25). Ein (im Zusammenhang mit der Urteilsabsprache) vor Urteilsverkündung erklärter Rechtsmittelverzicht ist folglich unwirksam. Nur ein nach Urteilsverkündung und nach qualifizierter Belehrung (§ 35a Satz 3) erklärter Rechtmittelverzicht ist wirksam und unwiderruflich.

Ferner haben Absprachen über Umstände zu unterbleiben, die ausschließlich das Vollstreckungsverfahren betreffen. Dazu zählen beispielsweise Zusagen hinsichtlich einer vorzeitigen Aussetzung des Strafrestes nach Teilverbüßung ( § 57 StGB) oder die Erklärung der Staatsanwaltschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt nach § 456a StPO von der weiteren Vollstreckung abzusehen. Da bei derartigen Entscheidungen Umstände zu berücksichtigen sind, die im Erkenntnisverfahren nicht beurteilt oder vorweggenommen werden können, muss jede Vereinbarung, die darauf abzielt, spätere Maßnahmen des Vollstreckungsverfahrens zu beeinflussen, strikt unterbleiben.

In Satz 3 wird klargestellt, dass im Rahmen der Verfahrensabsprache die Anwendung der §§ 154, 154a StPO nicht ausgeschlossen werden soll. Unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie kann es sich nicht selten anbieten, durch eine Verschlankung des Prozessstoffs die Verhandlung auf die wesentlichen Taten zu konzentrieren. Dass dabei im Falle einer Urteilsabsprache gleichwohl das Augenmerk auf eine an der Gesamtheit der Tatvorwürfe und dem darin liegenden Unrechtsgehalt orientierte, tat- und schuldangemessene Strafe zu richten ist, versteht sich von selbst.

§ 243a Abs. 3 legt fest, dass das Gericht in Erwartung eines qualifizierten Geständnisses einen für den konkreten Fall in Betracht kommenden Strafrahmen mitteilen kann. Es ist nicht nur eine Strafobergrenze, sondern auch eine Strafuntergrenze anzugeben. Das Gericht hat aus dem Inbegriff der Verhandlung in der abschließenden Urteilsberatung über die Strafhöhe anhand der maßgeblichen Strafzumessungskriterien entsprechend der Schuld des Täters zu entscheiden und ist daher gehindert, im Rahmen der Absprache eine verbindliche Zusage zur exakten Höhe der zu verhängenden Strafe zu machen.

Durch Festlegung auf einen im konkreten Fall in Betracht kommenden Strafrahmen wird die richterliche Entscheidungsfindung jedoch nicht vorweggenommen. Die Bindung an einen näher umrissenen Strafrahmen unter Zugrundelegung der Aktenlage bzw. der bisherigen als erwiesen angenommenen Erkenntnisse vor Abschluss der Hauptverhandlung ist mit den materiellrechtlichen Prinzipien der Strafzumessung vereinbar.

Soweit eine verfahrensverkürzende Urteilsabsprache und eine dafür notwendige geständige Einlassung in Rede stehen, müssen die Verfahrensbeteiligten, insbesondere der Angeklagte, gegebenenfalls sein Verteidiger und die Staatsanwaltschaft, wissen, welche Strafe aus Sicht des Gerichts zu erwarten ist. Die Strafe muss schuldangemessen sein. Urteilsabsprachen vermögen das verfassungsrechtlich gewährleistete und in § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB Ausdruck findende Prinzip der Schuldangemessenheit nicht abzuändern. Die Strafe darf sich weder nach oben noch nach unten von ihrer Bestimmung als gerechter Schuldausgleich lösen. Sie muss auch unter Berücksichtigung eines verfahrensverkürzenden Geständnisses in einem angemessenen Verhältnis zum Maß der persönlichen Schuld, zum Unrechtsgehalt und zur Gefährlichkeit der Tat stehen und muss sich auch im Rahmen des für vergleichbare Fälle Üblichen halten.

Der Große Senat des BGH hat in seinem Beschluss vom 3. März 2005 (S. 16) ausgeführt: "Die Differenz zwischen der absprachegemäßen und der bei einem ,streitigen Verfahren" zu erwartenden Sanktion darf nicht so groß sein (,Sanktionsschere"), dass sie strafzumessungsrechtlich unvertretbar und mit einer angemessenen Strafmilderung wegen eines Geständnisses nicht mehr erklärbar ist. Dies gilt sowohl für den Fall, dass die ohne Absprache in Aussicht gestellte Sanktion das vertretbare Maß überschreitet, so dass der Angeklagte inakzeptablem Druck ausgesetzt wird (vgl. BGH StV 2004, 470) als auch für den Fall, dass das Ergebnis des Strafnachlasses unterhalb der Grenze dessen liegt was noch als schuldangemessene Sanktion hingenommen werden kann."

Der vom Gericht mitgeteilte Strafrahmen steht unter dem Vorbehalt der tatsächlichen Abgabe des erwarteten qualifizierten Geständnisses. Die Ermittlung des wahren Sachverhalts ist und bleibt auch im Falle einer Urteilsabsprache das wesentliche Ziel des Strafverfahrens. Das Gebot bestmöglicher Sachaufklärung wird durch Urteilsabsprachen nicht aufgegeben. Auch das abgesprochene Urteil muss ein gerechtes sein und daher notwendig einen wahren Sachverhalt zur Grundlage haben. Das im Rahmen der Urteilsabsprache abgelegte Geständnis muss mithin derart konkret sein, dass eine Überprüfung möglich ist und eine Übereinstimmung mit der Aktenlage festgestellt werden kann. Ein Formalgeständnis reicht nicht aus. Nach der geständigen Einlassung dürfen keine Zweifel an deren Richtigkeit bestehen, so dass von einer weiteren Sachaufklärung abgesehen werden kann. Das Gericht muss nachvollziehbar von der Wahrhaftigkeit der gemachten Angaben überzeugt sein.

§ 243a Abs. 4 begründet eine Dokumentationspflicht der wesentlichen Erwägungen des Gerichts. Insbesondere ist der mitgeteilte Strafrahmen im Hauptverhandlungsprotokoll zu protokollieren. Der Staatsanwaltschaft, dem Angeklagten, gegebenenfalls seinem Verteidiger und in den Fällen des § 395 StPO auch der Nebenklage ist anschließend Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Urteilsabsprache ist erst dann zustande gekommen wenn daraufhin die Staatsanwaltschaft, der Angeklagte und gegebenenfalls sein Verteidiger den mitgeteilten Strafrahmen als angemessene Sanktion mittragen, sodann entsprechende ausdrückliche Zustimmungserklärungen abgegeben und in das Hauptverhandlungsprotokoll aufgenommen wurden. Zur Wahrung der Rechte des Opfers und seiner legitimen Interessen ist der Nebenklage überdies die Befugnis eingeräumt, sich zu dem mitgeteilten und von den übrigen Verfahrensbeteiligten gebilligten Strafrahmen zu äußern und etwaige Bedenken dagegen vorzubringen. Um den Vorbehalten der Nebenklage die gebührende Beachtung zu widmen, ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet zu den vorgebrachten Einwänden begründet Stellung zu nehmen und dabei insbesondere auf die Belange aus Sicht des Opfers einzugehen. Um das Gewicht der Beteiligung der Nebenklage zu dokumentieren, ist auch dieser Vorgang in das Hauptverhandlungsprotokoll aufzunehmen.

Das Zustandekommen der Urteilsabsprache wird jedoch aus grundsätzlichen systematischen Erwägungen nicht an die Zustimmung des Nebenklägers geknüpft. Zum einen ist auch bei anderen, auf die Verfahrenserledigung gerichteten Vorschriften (§§ 153, 153a StPO) keine Mitwirkung der Nebenklage vorgesehen. Zum anderen entspricht es dem erklärten Willen des Gesetzgebers auch im Falle einer Verurteilung, der Nebenklage keinen unmittelbaren Einfluss auf die Rechtsfolgenentscheidung zu gewähren. So ist der Nebenklage die Urteilsanfechtung, mit dem Ziel, das eine andere Rechtsfolge verhängt wird ausdrücklich und uneingeschränkt verwehrt (§ 400 Abs. 1 StPO).

Der Nebenklage über die vorgesehenen Mitwirkungsrechte an der Urteilsabsprache hinaus weitere Befugnisse einzuräumen, ist daher aus grundsätzlichen Überlegungen nicht sachgerecht.

Mit § 243a Abs. 5 wird verdeutlicht, dass im Falle der fehlenden Zustimmung von Staatsanwaltschaft, oder Angeklagter bzw. Verteidigung zu dem vom Gericht in Aussicht genommenen Strafrahmen, das Gericht nicht an seine bisherige Bewertung gebunden ist.

Dies gilt auch, wenn der Widerspruch nicht begründet wird oder nach Überzeugung des Gerichts sachlich nicht gerechtfertigt ist.

Die getroffene Regelung zum Zustandekommen der Urteilsabsprache verdeutlicht zugleich dass letztlich allein die Erörterungen in der Hauptverhandlung entscheidend sind. Verständigungsgespräche außerhalb der Hauptverhandlung sind im Ergebnis rechtlich belanglos; Vorgespräche binden nicht. Dies gilt insbesondere dann, wenn gegen die für Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung geltenden Verfahrensvorschriften verstoßen wird. Waren Staatsanwaltschaft oder Angeklagter/Verteidigung nicht an derartigen "bilateralen" Erörterungen beteiligt, sind und bleiben gerichtliche Zusagen unverbindlich. Nur diese Folge vermag die Wahrung der Rechte der Verfahrensbeteiligten sicher zu stellen. Entsprechende Verfahrensmängel sind jedoch unschädlich, wenn (nachträglich) alle Hauptbeteiligten an der Urteilsabsprache im Sinne der Absätze 1 bis 4 mitwirken und zustimmen.

Soweit das Gericht infolge ablehnender Stellungnahmen zu einer neuen Bewertung gelangt und einen anderen Strafrahmen mitteilt, ist wiederum in der beschriebenen Weise zu verfahren.

Selbstverständlich ist, dass der zuvor vom Gericht mitgeteilte Strafrahmen unter der Bedingung im Wesentlichen unveränderter Strafzumessungsgesichtspunkte steht. Werden dem Gericht erst nach Mitteilung des von ihm als angemessen angesehenen Strafrahmens erhebliche neue Umstände bekannt, die sich strafmildernd oder strafschärfend auswirken müssen diese mit Blick auf den umfassend geltenden Aufklärungsgrundsatz berücksichtigt werden. Daraus kann sich gegebenenfalls eine Bewertungsänderung ergeben. Unerheblich ist, ob dem Gericht die relevanten tatsächlichen und/oder rechtlichen Aspekte bei der Urteilsabsprache hätten bekannt sein können, diese also nur übersehen wurden. Damit korrespondiert naturgemäß, dass dem Gericht vor Mitteilung des Strafrahmens die Verpflichtung obliegt, die für die Strafzumessung wesentlichen Gesichtspunkte herauszuarbeiten und die notwendig erscheinenden Maßnahmen unternimmt eine für alle Beteiligten verlässliche Beurteilungsgrundlage zu schaffen.

Unterliegt das Gericht bei Mitteilung des Strafrahmens jedoch gleichwohl einem Irrtum, kann es daran später nicht gebunden bleiben.

Den durch die Urteilsabsprache geschaffenen Vertrauenstatbestand hat das Gericht allerdings mit Rücksicht auf die Wahrung des "fair trial" unverzüglich nach Bekanntwerden der "neuen Umstände" durch einen entsprechenden rechtlichen Hinweis zu beseitigen (vgl. nachstehend zu § 243a Abs. 6).

§ 243a Abs. 6 sieht eine umfassende Belehrung des Angeklagten über alle maßgeblichen Umstände und Folgen der Urteilsabsprache - auch der gescheiterten Absprache - vor.

Der Angeklagte muss insbesondere vor einer weiteren Befragung vollständig über seine prozessuale Situation im Bilde sein. Nur so kann er über sein weiteres Verhalten verantwortlich entscheiden. Entschließt er sich in Kenntnis aller maßgeblichen Umstände (dennoch), ein (unvollständiges, wahrheitswidriges) Geständnis abzulegen, bleibt das Geständnis weiterhin, d.h. unabhängig vom Schicksal der Urteilsabsprache nach den allgemeinen Regeln der Strafprozeßordnung verwertbar.

§ 243a Abs. 7 enthält die für ein faires rechtsstaatliches Verfahren selbstverständliche Verpflichtung des Gerichts, die an der Urteilsabsprache Beteiligten auf die veränderte Bewertung des Gerichts hinzuweisen. Die rechtzeitige Mitteilung der Bewertungsänderung und damit des Abrückens von der getroffenen Absprache ist insbesondere für den Angeklagten von großer Bedeutung, damit er sich auf die veränderte Sachlage einstellen und sein weiteres Handeln danach ausrichten kann.

§ 243a Abs. 7 macht deutlich, dass das Gericht bei seiner Urteilsfindung an den abgesprochenen Strafrahmen gebunden ist. Die Bindungswirkung der Urteilsabsprache erstreckt sich allerdings nur auf das Gericht, das an der Verständigung beteiligt war. Weder das Revisionsgericht noch das Gericht, an das die Sache im Fall einer erfolgreichen Revision zurückverwiesen wird, sind an die Zusage gebunden.

§ 243b Die Verfahren vor dem Strafrichter und dem Jugendrichter, vor denen in der Regel Straftaten von "minderer Bedeutung" verhandelt und geahndet werden, die naturgemäß weniger schwere Sanktionen nach sich ziehen, bleiben von den Regelungen, welche die Vorbereitung und Durchführung einer Urteilsabsprache formalisieren, ausgenommen. Es entspricht einem praktischen Bedürfnis, die Verfahrensbeteiligten in den Verfahren zur Ahndung geringen Unrechts, die den weitaus größten Bereich der staatsanwaltlichen und gerichtlichen Praxis einnehmen, bei der möglichen Herbeiführung einer Urteilsabsprache keiner zu strikten Regulierung zu unterwerfen. Die Folge könnte eine unerwünschte Mehrarbeit und zudem das Ausweichen der Verfahrensbeteiligten auf informelle Wege sein was durch diesen Gesetzentwurf gerade vermieden werden soll. Der Gesetzgeber hat bereits an verschiedenen Stellen Regelungen in den jeweiligen Verfahrensvorschriften vorgesehen, die einer Vereinfachung und Beschleunigung der Abläufe in Verfahren vor dem Straf - und Jugendrichter dienen sollen. Dazu zählen die Vorschriften über den Strafbefehl (§§ 407 ff. StPO) und das sog. Beschleunigte Verfahren (§§ 417 ff. StPO) in der Strafprozeßordnung ebenso wie das Vereinfachte Jugendverfahren im Jugendgerichtsgesetz (§ 76 ff. JGG). Es ist daher konsequent, diejenigen Vorschriften über die Urteilsabsprache, die auf eine genaue Beachtung formeller Regularien ausgerichtet sind, von den Verfahren vor dem Straf- und Jugendrichter auszunehmen.

Kommt es jedoch außerhalb der mit diesem Gesetz geschaffenen "institutionalisierten Absprache" zu einer Verständigung über eine verfahrensverkürzende Erledigung vor dem Straf- oder Jugendrichter, müssen auch dort die in § 243a Abs. 2 geregelten Grundsätze dafür gelten, welche Umstände einer Absprache zugänglich sind.

Zu Nummer 7

Zu Buchstabe a (§ 267 Abs. 3 Satz 5)

Die Besonderheiten einer Urteilsabsprache, insbesondere die damit verbundenen anknüpfenden Folgen spezieller und eingeschränkter Überprüfung, erfordern, dass die Erörterungen einer Urteilsabsprache nicht nur dem Hauptverhandlungsprotokoll, sondern auch den Urteilsgründen zu entnehmen sind. Insbesondere ist anzugeben, ob tatsächlich eine Urteilsabsprache zustande gekommen ist und ob das Urteil auf dieser Absprache beruht.

Zu Buchstabe b (§ 267 Abs. 4 Satz 2)

Die für das Urteil gemäß § 267 Abs. 3 Satz 5 vorgesehene Verpflichtung zur Dokumentation muss auch in einem abgekürzten Urteil gelten. Die Umstände des Zustandekommens des Urteils und sein Beruhen auf einer wirksamen Absprache können auch Bedeutung im Vollstreckungsverfahren, beispielsweise für die Entscheidung über eine Aussetzung des Strafrestes ( § 57 StGB) haben.

Zu Nummer 8 (§ 312 Satz 2)

Ist das Urteil aufgrund einer Urteilsabsprache ergangen, ist ein anerkennenswertes Bedürfnis für die Durchführung eines Berufungsverfahrens nicht gegeben. Einer vollständigen Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bedarf es nicht, wenn dem Urteil ein glaubhaftes qualifiziertes Geständnis zugrunde liegt und das Gericht an einen den Verfahrensbeteiligten zuvor bekannten und einvernehmlich akzeptierten Strafrahmen gebunden war. Mit dem Sinn und Zweck einer Urteilsabsprache ist eine umfassende Neuverhandlung im Rahmen einer weiteren Tatsacheninstanz nicht zu vereinbaren. Die Berufung ist daher auszuschließen.

Zu Nummer 9 (§ 333 Satz 2)

Auch die auf einer Urteilsabsprache beruhenden Urteile müssen einer Überprüfung zugänglich sein. Dies stellt § 333 Satz 2 Halbsatz 1 sicher, indem die Revision gegen Urteile des Schöffengerichts trotz ausgeschlossener Berufung zugelassen wird. § 333 Satz 2 Halbsatz 2 verweist ausdrücklich nur auf die Zuständigkeitsregelung in § 335 Abs. 2. Die Anordnung einer entsprechenden Geltung des § 335 Abs. 3 unterbleibt bewusst. Die Berufung gegen ein Urteil, das auf einer Absprache beruht, soll auch dann ausgeschlossen bleiben, wenn ein anderer Verfahrensbeteiligter, d.h. der der Absprache nicht unterliegende Mitangeklagte, das Rechtsmittel der Berufung gegen das Urteil des Schöffengerichts wählt. In derartigen, voraussichtlich seltenen Konstellationen ist in Kauf zu nehmen, dass eine Sache vor verschiedene Rechtsmittelgerichte kommt. Dies erscheint vor allem mit Blick auf die auch nur eingeschränkte Überprüfung des auf einer Absprache beruhenden Urteils im Rahmen der Revision (vgl. nachfolgend zu Nummer 10) vertretbar.

Zu Nummer 10 (§ 337 Abs. 3)

Beruht das Urteil auf einer Absprache, ist nicht nur eine völlige Neuverhandlung entbehrlich.

Auch die revisionsrechtliche Überprüfung kann sich auf die Kontrolle der bei der Absprache zu beachtenden Verfahrensvorschriften und die in § 338 genannten absoluten Revisionsgründe beschränken. Ein weitergehendes legitimes Rechtsschutzbedürfnis der Verfahrensbeteiligten ist nicht anzuerkennen.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.