A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU),
der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik (AS),
der Ausschuss für Frauen und Jugend (FJ) und
der Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung (Wo)
empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Der dynamische Wandel der beschäftigungs- und sozialpolitischen Rahmenbedingungen in der EU erfordert eine Fortschreibung und Modernisierung des europäischen Sozialmodells entsprechend dem Ziel einer wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft.
2. Der Bundesrat betont die Aussage der Kommission in ihren strategischen Zielen 2005 bis 2009, dass auch die soziale Solidarität ein zentrales europäisches Ziel bleibt. Vor diesem Hintergrund begrüßt der Bundesrat, dass sich die Kommission mit der sozialpolitischen Agenda in vollem Umfang für die Modernisierung und Entwicklung des europäischen Sozialmodells sowie für die Förderung des sozialen Zusammenhalts einschließlich der Bekämpfung sozialer Ausgrenzung als Bestandteil der Lissabonner Strategie engagiert und der Agenda eine Schlüsselrolle bei der Förderung der sozialen Dimension des Wirtschaftswachstums zuweist, und regt an, die Fortschritte auf diesem Gebiet in geeigneter Weise darzustellen. Der Bundesrat begrüßt ferner, dass die Kommission auch dem Aspekt der "Kosten einer nicht vorhandenen Sozialpolitik" Rechnung trägt.
3. Der Bundesrat bemängelt jedoch, dass sich die neue Sozialagenda in einer Aufzählung von mehr oder weniger konkret umrissenen Einzelvorhaben erschöpft, ohne eine zentrale Botschaft zu vermitteln oder zumindest Schwerpunkte hinreichend deutlich zu machen. Ein zielgerichteter Ansatz zur Umsetzung der (reformierten) Strategie von Lissabon ist nicht erkennbar, so dass die Sozialagenda hinter ihrem selbst gesteckten Ziel, das europäische Sozialmodell zu modernisieren, zurückbleibt.
4. Hinsichtlich der im Einzelnen angekündigten Vorschläge der Kommission sieht der Bundesrat Klärungsbedarf in folgenden Bereichen:
- - Hinsichtlich der angekündigten europäischen Jugendinitiative verweist der Bundesrat zunächst neben der Europäischen Beschäftigungsstrategie auf die im Gefolge des Weißbuchs bereits eingeleitete offene Koordinierung in der Jugendpolitik. Demgegenüber sind Inhalt und Ziel der Jugendinitiative in der Sozialagenda nicht hinreichend klar umrissen, so dass sich der Bundesrat vorbehalten muss, zu späteren konkreteren Vorhaben gesondert Stellung zu nehmen.
- - Bei der Modernisierung der europäischen Sozialpolitik kommt dem Bereich des Arbeitsrechts mit Blick auf die (reformierten) Ziele von Lissabon eine Schlüsselrolle zu. Insoweit ist die Vorlage eines Grünbuchs zum Arbeitsrecht zu begrüßen. Der Bundesrat weist aber bereits jetzt darauf hin, dass Regulierungsvorschläge zum europäischen Arbeitsrecht die aktuellen Deregulierungsbestrebungen auf EU-Ebene beachten müssen.
- - Der Bundesrat begrüßt, dass im Rahmen der Sozialpolitischen Agenda auch Fragen der Beschäftigungspolitik berücksichtigt werden. Besondere Bedeutung kommt dabei der Europäischen Beschäftigungsstrategie zu, die auch zukünftig zusammen mit den Ländern umgesetzt werden muss. Es bedarf jedoch der Erläuterung, wie die geplanten Prioritäten und Strategien zur Vollbeschäftigung umgesetzt werden sollen.
- - Der Bundesrat ist mit der Kommission der Ansicht, dass die Gleichstellung von Männern und Frauen weiterer Anstrengungen bedarf. Der Bundesrat sieht zum Beispiel das nach wie vor europaweit bestehende Einkommensgefälle zwischen Männern und Frauen mit großer Sorge. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Gründung von Unternehmen durch Frauen sollte weiterhin verbessert werden. Der Mehrwert eines strategischen Konzepts zur weiteren Diskriminierungsbekämpfung über den Bereich der Geschlechtergleichbehandlung hinaus ist angesichts der bereits ergriffenen EU-Maßnahmen (Antidiskriminierungsrichtlinien, Aktionsprogramm) zurückhaltend zu beurteilen. Jedenfalls sind erst einmal die Auswirkungen der Richtlinienumsetzungen in den Mitgliedstaaten abzuwarten, bevor neue Initiativen ergriffen werden.
5. Bei der Debatte über nationale Mindesteinkommensregelungen sind die nationalen Besonderheiten zu berücksichtigen, die auf historischen und sozialpolitischen Entwicklungen beruhen. Keinesfalls dürfen die Mitgliedstaaten zur Einführung eines Mindestlohns verpflichtet werden.
6. Die angekündigte "Mitteilung der Kommission betreffend Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse" greift in Bezug auf die soziale Wohnraumförderung in unzulässiger und unnötiger Weise in die Befugnisse der Länder ein, soweit sie über eine bloße Bestandsaufnahme und Beschreibung der Organisation und Funktionsweise dieser Dienstleistungen hinausgeht (z.B. durch einen "Beitrag zur Modernisierung der Dienstleistung", wie hier angekündigt). Die Ausgestaltung der sozialen Wohnraumförderung im Einzelnen obliegt den Ländern. Im Hinblick darauf, dass die Wohnungsmärkte in Deutschland regional sehr differenziert sind und auch die Länderförderungen lediglich regional wirken, ist dies keine Aufgabe, die durch Gemeinschaftsrecht zu regeln wäre.
7. Der Bundesrat erwartet von der Bundesregierung, dass im Zusammenhang mit der Einrichtung einer Hochrangigen Gruppe zu den Auswirkungen der EU-Erweiterungen auf die Mobilität und insbesondere den Übergangsregelungen die Länder rechtzeitig und umfassend beteiligt werden.
B
8. Der Gesundheitsausschuss und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.