Punkt 10 der 869. Sitzung des Bundesrates am 7. Mai 2010
Der Bundesrat möge anstelle der Ziffer 1 der Empfehlungs-Drucksache 98/1/10 beschließen, den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes nach Maßgabe folgender Änderungen beim Deutschen Bundestag einzubringen:
Zu Artikel 1 (§ 224 Absatz 2, 3- neu - StGB)
Artikel 1 ist wie folgt zu fassen:
"Artikel 1
Änderung des Strafgesetzbuches
§ 224 des Strafgesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
- 1. Nach Absatz 1 wird folgender Absatz 2 eingefügt:
"(2) Ebenso wird bestraft, wer die Körperverletzung gegen eine Person begeht, während diese sich in Erfüllung der ihr obliegenden öffentlichrechtlichen Aufgaben im Einsatz befindet zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, zur Verfolgung und Ahndung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten oder sonst zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen."
- 2. Der bisherige Absatz 2 wird Absatz 3.
Folgeänderungen:
- 1. Das Vorblatt ist wie folgt zu ändern:
- a) Abschnitt "A. Problem" ist wie folgt zu ändern:
- aa) In Absatz 1 sind die Wörter "des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte ( § 113 StGB)" durch die Wörter "der Gefährlichen Körperverletzung ( § 224 StGB)" zu ersetzen.
- bb) Die Absätze 3 und 4 sind durch folgenden Absatz zu ersetzen: "Betroffen sind Polizeibeamte jedoch nicht nur bei der Vornahme von Vollstreckungshandlungen sondern im Dienstalltag schlechthin. Zu verzeichnen ist ferner eine Zunahme von gewalttätigen Übergriffen auf im Einsatz befindliche Kräfte der Feuerwehr und andere Rettungskräfte. Nicht zuletzt sehen sich auch öffentliche Bedienstete wachsender Gewaltbereitschaft gegenüber, etwa bei der Beitreibung fiskalischer Forderungen."
- b) Abschnitt "B. Lösung" ist wie folgt zu fassen:
"B. Lösung
Gewalttätige Angriffe auf Personen bei der Wahrnahme ihnen obliegender öffentlichrechtlicher Aufgaben präventiver und repressiver Natur, unterfallen künftig dem Qualifikationstatbestand der Gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 StGB."
- a) Abschnitt "A. Problem" ist wie folgt zu ändern:
- 2. Die allgemeine Begründung ist wie folgt zu ändern:
- a) In Absatz 2 sind die Wörter "Erhöhung des Strafrahmens" durch die Wörter "Qualifikation von Körperverletzungen gegen Polizeibeamte im Einsatz schlechthin" zu ersetzen.
- b) Absatz 3 ist durch folgende Absätze zu ersetzen:
- "Es besteht ein hohes Allgemeininteresse an wirkungsvoller und schneller staatlicher und privater Hilfe in Unglücksfällen und Fällen von gemeiner Gefahr oder Not. Feuerwehrleute und Rettungskräfte werden jedoch immer häufiger Ziel von Behinderungen und tätlichen Angriffen bei Ausübung ihrer Tätigkeit. Daher besteht unabhängig von bereits vorhandenen Sanktionsmöglichkeiten ein Bedürfnis, dass der Gesetzgeber auch Feuerwehrleute und Rettungskräfte in besonderem Maße vor tätlichen Angriffen bei Hilfseinsätzen schützt.
- Dies gilt in analoger Weise auch für Personen, die öffentlich rechtliche Aufgaben wahrnehmen, etwa die Beitreibung von Forderungen."
- 3. Die Einzelbegründung zu Artikel 1 ist wie folgt zu fassen:
"Zu Artikel 1 (Änderung des Strafgesetzbuches)
§ 113 StGB schützt die Autorität staatlicher Vollstreckungsakte und damit das staatliche Gewaltmonopol sowie die zur Vollstreckung berufenen Personen. Der Schutzbereich des § 113 StGB ist in sachlicher Hinsicht auf die Vornahme einer Vollstreckungshandlung beziehungsweise der Maßnahmen, die mit dieser unmittelbar in Zusammenhang stehen beschränkt.
Angesichts körperlicher Übergriffe auf Polizeibeamte, unabhängig davon, ob sie eine Vollstreckungshandlung vornehmen oder sonst ihnen obliegende Aufgaben wahrnehmen, erscheint der strafrechtliche Schutz, wie er in § 113 StGB ausgestaltet ist, nicht mehr ausreichend. Jedenfalls dann, wenn durch den Angriff auch eine Körperverletzung begangen wird, steht der nach § 52 Absatz 2 StGB anzuwendende Strafrahmen in keinem Verhältnis zum Schutzzweck von § 113 StGB.
Tätliche Angriffe gegenüber Polizeibeamten sind nicht ausschließlich personenbezogen, sondern richten sich immer auch gegen den Staat und die staatliche Autorität und führen zu einer Relativierung des staatlichen Gewaltmonopols.
Durch die Aufnahme des tätlichen Angriffes gegen Polizeibeamte während der Ausübung ihres Dienstes schlechthin in den Katalog der Begehungsweisen nach § 224 StGB und die damit verbundene deutliche Erhöhung des Strafrahmens soll zum einen einer Bagatellisierung begegnet werden, die mit einem niedrigen Strafrahmen verbunden sein kann. Zum anderen hat der Staat diejenigen besonders zu schützen, die zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung täglich damit rechnen müssen, Opfer eines tätlichen Angriffs zu werden.
Es besteht ferner ein hohes Allgemeininteresse an wirkungsvoller und schneller staatlicher und privater Hilfe in Unglücksfällen und Fällen von gemeiner Gefahr oder Not. Feuerwehrleute und Rettungskräfte werden jedoch immer häufiger Ziel von Behinderungen und tätlichen Angriffen bei Ausübung ihrer Tätigkeit. Daher besteht unabhängig von bereits vorhandenen Sanktionsmöglichkeiten ein Bedürfnis, dass der Gesetzgeber auch Feuerwehrleute und Rettungskräfte ausdrücklich in den neuen Anwendungsbereich des § 224 StGB mit einbezieht und vor tätlichen Angriffen bei Hilfseinsätzen besonders schützt.
Dies betrifft auch Personen, die kraft öffentlichen Auftrags zur Beitreibung von Forderungen berufen sind, etwa Gerichtsvollzieher oder Bedienstete von Finanz- und Ordnungsämtern.
§ 224 StGB-E umfasst mithin alle Personen, die sich in Erfüllung ihr obliegender öffentlich rechtlicher Aufgaben im Einsatz befinden. Dies können Beamte, z.B. Polizeibeamte, oder Angestellte im öffentlichen Dienst sein. Eingeschlossen sind aber auch Angehörige oder Angestellte von Vereinen, die in öffentlich rechtlichem Auftrag tätig werden, z.B. von freiwilligen Feuerwehren, des Deutschen Roten Kreuzes oder anderen Hilfsorganisationen, welche mit der Wahrnahme des Rettungsdienstes beauftragt sind. Nicht zuletzt fallen darunter auch beliehene Private, wobei an die Neuorganisation des Gerichtsvollzieherwesens gedacht ist.
Die geschützten Personen müssen sich des Weiteren zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder zur Verfolgung und Ahndung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten im Einsatz befinden, wodurch der präventive und repressive Bereich hoheitlichen Handelns abgedeckt ist. Sofern über mögliche Schnittmengen hinausgehende Tätigkeitsfelder noch nicht erfasst sind, treten in Anlehnung an § 113 Absatz 1 StGB sonstige Aufgaben im Rahmen der Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen hinzu, was insbesondere auf die Tätigkeit von Gerichtsvollziehern oder anderen Bediensteten abzielt, die zur Beitreibung von Forderungen berufen sind.
Letztlich unterfällt der tätliche Angriff auf den genannten Personenkreis künftig einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zehn Jahren unter Berücksichtigung des in § 224 Absatz 1 StGB geregelten minderschweren Falls. Auch die Verhängung einer empfindlichen Geldstrafe ist eröffnet (§ 47 Absatz 2 StGB). Eine der in § 113 Absatz 3 und Absatz 4 StGB analoge Regelung ist entbehrlich, da Irrtümer über das Tatbestandsmerkmal "sich in Erfüllung der ihr obliegenden öffentlich rechtlichen Aufgaben im Einsatz befindet" nach § 16 StGB hinreichend aufgelöst werden können."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Die ausgeprägteste Form von Übergriffen auf Polizeibeamte besteht in tätlichen Angriffen und zwar nicht nur dann, wenn sie eine Diensthandlung etwa zur Vollstreckung von Gesetzen vornehmen, sondern auch dann, wenn sie sich schlechthin mit Außenwirkung im Dienst befinden. Die ursprünglich angestrebte Erhöhung der Strafdrohung in § 113 StGB um ein Jahr ist nicht geeignet, potenzielle Täter von aggressivem Handeln gegen Polizeibeamte abzuhalten. Dies dürfte nur dann erreicht werden, wenn tätliche Angriffe auf Polizeibeamte, welche in aller Regel gleichzeitig eine Körperverletzung im Sinne von § 223 StGB darstellen, in den Katalog der Begehungsweisen der Gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 StGB aufgenommen und damit einer deutlich nachhaltigeren Sanktionierung zugeführt werden. Da sich Übergriffe auch gegen Personen häufen, die zur Wahrnahme öffentlich rechtlicher Aufgaben im Rahmen der Gefahrenabwehr, der Verfolgung und Ahndung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten oder der Beitreibung rechtskräftig festgestellter Forderungen berufen sind (Feuerwehrleute, Rettungskräfte, Gerichtsvollzieher usw.), werden diese in den sachlichen Schutzbereich des Tatbestandes des § 224 Absatz 2 - neu - StGB mit aufgenommen.