Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit
Verordnung über die Anforderungen an die Organ- und Spendercharakterisierung und an den Transport von Organen sowie über die Anforderungen an die Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und schwerwiegender unerwünschter Reaktionen und zur Änderung der TPG-Gewebeverordnung und der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung

A. Problem und Ziel

Die Verordnung dient der Umsetzung der Richtlinie 2010/53/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2010 über Qualitäts- und Sicherheitsstandards für zur Transplantation bestimmte menschliche Organe (ABl. L 207 vom 6.8.2010, S. 14; L 243 vom 16.9.2010, S. 68) in deutsches Recht. Sie regelt zum einen die Anforderungen an die Organ- und Spendercharakterisierung nach § 10a Absatz 1 des Transplantationsgesetzes (TPG) sowie an den Transport von Organen nach § 10a Absatz 3 TPG und zum anderen die Anforderungen an ein System zur Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und schwerwiegender unerwünschter Reaktionen bei der Organspende und zur Meldung von Vorfällen und schwerwiegenden unerwünschten Reaktionen bei der Lebendorganspende.

B. Lösung

Artikel 1 enthält die TPG-Verordnung über Qualität und Sicherheit von Organen (TPG-OrganV), die auf der Grundlage der Verordnungsermächtigung in § 10a Absatz 4 und § 13 Absatz 4 TPG erlassen wird. Wesentlicher Regelungsinhalt sind die Konkretisierung der Anforderungen an die Organ- und Spendercharakterisierung nach § 10a Absatz 1 TPG sowie die Festlegung eines Meldesystems für schwerwiegende Zwischenfälle und schwerwiegende unerwünschte Reaktionen. Die Änderungen der TPG-Gewebeverordnung (TPG-GewV) und der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung (AMWHV) in den Artikeln 2 und 3 ergänzen das in Artikel 1 geregelte Meldesystem. Sie dienen der Umsetzung des Artikels 11 Absatz 5 der Richtlinie 2010/53/EU, der vorsieht, dass die Meldesysteme für schwerwiegende Zwischenfälle und schwerwiegende unerwünschte Reaktionen bei Organen und Gewebe untereinander verbunden sind.

C. Alternativen

Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Für Bund, Länder und Gemeinden entstehen durch die Verordnung keine finanziellen Belastungen im Bereich der Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Bürgerinnen und Bürger

Für Bürgerinnen und Bürger wird kein Erfüllungsaufwand begründet.

E.2 Wirtschaft

Für die Wirtschaft ergibt sich ein Erfüllungsaufwand von rund 6 000 Euro im Jahr. Er ergibt sich aus Bürokratiekosten durch sechs neue Informationspflichten.

E.3 Verwaltung

Für die Verwaltung wird kein Erfüllungsaufwand begründet.

F. Weitere Kosten

Mehrkosten für die Sozialversicherungen, insbesondere für die gesetzliche Krankenversicherung, ergeben sich nicht. Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit
Verordnung über die Anforderungen an die Organ- und Spendercharakterisierung und an den Transport von Organen sowie über die Anforderungen an die Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und schwerwiegender unerwünschter Reaktionen und zur Änderung der TPG-Gewebeverordnung und der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung

Der Chef des Bundeskanzleramtes Berlin, den 18. Dezember 2012

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Winfried Kretschmann

Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich die vom Bundesministerium für Gesundheit zu erlassende Verordnung über die Anforderungen an die Organ- und Spendercharakterisierung und an den Transport von Organen sowie über die Anforderungen an die Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und schwerwiegender unerwünschter Reaktionen und zur Änderung der TPG-Gewebeverordnung und der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung mit Begründung und Vorblatt.

Ich bitte, die Zustimmung des Bundesrates aufgrund des Artikels 80 Absatz 2 des Grundgesetzes herbeizuführen.

Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.

Mit freundlichen Grüßen
Ronald Pofalla

Verordnung über die Anforderungen an die Organ- und Spendercharakterisierung und an den Transport von Organen sowie über die Anforderungen an die Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und schwerwiegender unerwünschter Reaktionen und zur Änderung der TPG-Gewebeverordnung und der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung1

Vom ...

Das Bundesministerium für Gesundheit verordnet auf Grund

Artikel 1
Verordnung über die Anforderungen an die Organ- und Spendercharakterisierung und an den Transport von Organen sowie über die Anforderungen an die Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und schwerwiegender unerwünschter Reaktionen (TPG-Verordnung über Qualität und Sicherheit von Organen - TPG-OrganV)

§ 1 Anwendungsbereich

Diese Verordnung regelt die Anforderungen an:

Abschnitt 1
Organ- und Spendercharakterisierung

§ 2 Notwendige Angaben zur Organ- und Spendercharakterisierung

Folgende Angaben sind unbeschadet des § 10a Absatz 4 Satz 3 des Transplantationsgesetzes durch die von der Koordinierungsstelle beauftragte Person oder durch den verantwortlichen Arzt des Transplantationszentrums bei jeder Organspende unter Berücksichtigung des Standes der medizinischen Wissenschaft und Technik zu erheben:

§ 3 Weitere Angaben zur Organ- und Spendercharakterisierung

Folgende Angaben sind nach ärztlicher Beurteilung durch die von der Koordinierungsstelle beauftragte Person oder durch den verantwortlichen Arzt des Transplantationszentrums unter Berücksichtigung des Standes der medizinischen Wissenschaft und Technik, der Verfügbarkeit der entsprechenden Angaben und der besonderen Umstände des jeweiligen Falles zu erheben:

§ 4 Anwendung des Dringlichkeitsverfahrens der Richtlinie 2010/53/EU

Bei der Erhebung der Angaben zur Organ- und Spendercharakterisierung nach den §§ 2 und 3 hat die von der Koordinierungsstelle beauftragte Person unverzüglich Änderungen oder Ergänzungen der zu erhebenden Angaben zu beachten, die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik im Dringlichkeitsverfahren nach Artikel 24 in Verbindung mit Artikel 28 der Richtlinie 2010/53/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2010 über Qualitäts- und Sicherheitsstandards für zur Transplantation bestimmte menschliche Organe (ABl. L 207 vom 6.8.2010, S. 14; L 243 vom 16.9.2010, S. 68) in Kraft getreten sind und Anwendung finden. Satz 1 gilt entsprechend bei der Erhebung der Angaben zur Organ- und Spendercharakterisierung bei einer Lebendorganspende durch den verantwortlichen Arzt des Transplantationszentrums.

Abschnitt 2
Transport

§ 5 Kennzeichnung der Behälter für den Transport von Organen

Abschnitt 3
Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und schwerwiegender unerwünschter Reaktionen

§ 6 Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und schwerwiegender unerwünschter Reaktionen

§ 7 Meldung von Vorfällen bei der Lebendspende von Organen

Der behandelnde Arzt eines Lebendspenders ist verpflichtet, jeden Vorfall, der im Rahmen der ärztlich empfohlenen Nachbetreuung nach § 8 Absatz 3 Satz 1 des Transplantationsgesetzes beim lebenden Spender festgestellt wird und der sich auf die Qualität und Sicherheit des gespendeten Organs auswirkt, oder jede schwerwiegende unerwünschte Reaktion nach § 6 Absatz 4 Satz 2 beim lebenden Spender, die infolge der Entnahme des Organs entstanden sein könnte, unverzüglich an das Transplantationszentrum zu melden, welches das Organ übertragen hat.

Abschnitt 4
Ordnungswidrigkeiten

§ 8 Ordnungswidrigkeiten

Ordnungswidrig im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 11 des Transplantationsgesetzes handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig

Artikel 2
Änderung der TPG-Gewebeverordnung

§ 5 der TPG-Gewebeverordnung vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 512) wird wie folgt geändert:

Artikel 3
Änderung der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung

Die Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung vom 3. November 2006 (BGBl. I S. 2523), die zuletzt durch Artikel 10 des Gesetzes vom 19. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2192) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

Artikel 4
Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Der Bundesrat hat zugestimmt.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und wesentliche Regelungen

Die Verordnung dient der Umsetzung der Richtlinie 2010/53/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2010 über Qualitäts- und Sicherheitsstandards für zur Transplantation bestimmte menschliche Organe (ABl. L 207 vom 6.8. 2010, S. 14; L 243 vom 16.9.2011, S. 68). Die Verordnung ist als Artikelverordnung gestaltet.

In Artikel 1 wird auf der Grundlage der Verordnungsermächtigungen in § 10a Absatz 4 und § 13 Absatz 4 TPG die TPG-Verordnung über Qualität und Sicherheit von Organen (TPGOrganV) geregelt. In den §§ 2 und 3 TPG-OrganV werden die notwendigen und die weiteren Angaben zur Organ- und Spendercharakterisierung bestimmt, die unter Berücksichtigung des Standes der medizinischen Wissenschaft und Technik nach § 10a Absatz 1 TPG zu erheben sind. Sie dienen der Umsetzung des Anhangs der Richtlinie 2010/53/EU. § 4 regelt den Fall, dass die Europäische Kommission im Dringlichkeitsverfahren nach Artikel 24 i.V.m. Artikel 28 Richtlinie 2010/53/EU Änderungen oder Ergänzungen des Anhangs beschließt, die unverzüglich in Kraft treten und Anwendung finden. Um eine entsprechende Geltung dieser Anforderungen sicherzustellen, sind diese Dringlichkeitsrichtlinien nach § 4 TPG-OrganV zu beachten. In § 6 TPG-OrganV wird ein System für die Dokumentation, Untersuchung und Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und schwerwiegender unerwünschter Reaktionen in Umsetzung des Artikels 11 der Richtlinie 2010/53/EU festgelegt. Die Koordinierungsstelle nach § 11 TPG übernimmt dabei die zentrale Koordinierungsaufgabe. Schwerwiegende Zwischenfälle und schwerwiegende unerwünschte Reaktionen, die von der Koordinierungsstelle unmittelbar festgestellt oder ihr nach § 6 Absatz 2 TPG-OrganV oder § 40 Absatz 3 Satz 2 AMWHV gemeldet werden, sind von der Koordinierungsstelle zentral zu erfassen, zu untersuchen und an das Transplantationszentrum, an die Vermittlungsstelle nach § 12 TPG und ggf. an die Gewebeeinrichtung weiter zu melden. Dieses Meldesystem wird ergänzt durch die in § 11 Absatz 1a Satz 2 Nummer 8 TPG vorgesehenen Verfahrensanweisungen, die gewährleisten, dass die Meldungen unverzüglich erfolgen und die erforderlichen Maßnahmen getroffen werden. § 7 legt die Meldepflicht des behandelnden Arztes für Vorfälle und unerwünschte Reaktionen beim Lebendspender fest.

Die Änderungen der TPG-Gewebeverordnung (TPG-GewV) und der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung (AMWHV) in Artikel 2 und 3 ergänzen dieses Meldesystem. Sie dienen der Umsetzung des Artikels 11 Absatz 5 der Richtlinie 2010/53/EU, der eine Verbindung der Meldesysteme schwerwiegender Zwischenfälle und schwerwiegender unerwünschter Reaktionen bei Organen und Geweben vorsieht. Diese Verbindung wird durch entsprechende Dokumentations-, Unterrichtungs- und Meldepflichten gewährleistet. Die Ergänzungen der Spenderakte und des Entnahmeberichts bei der Gewebespende in § 5 Absatz 1 und 2 TPG-GewV und die entsprechenden Ergänzungen in § 34 Absatz 6 und 7 AMWHV stellen sicher, dass eine vorher durchgeführte Organspende bei der Gewebespende dokumentiert und mit dem Entnahmebericht an die Gewebeeinrichtung, die das Gewebe be- und verarbeitet, weitergeleitet wird. Durch diese Dokumentation erhält die Gewebeeinrichtung, die nach § 40 AMWHV für die Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und schwerwiegender unerwünschter Reaktionen bei Geweben verantwortlich ist, auch Kenntnis von einer zuvor durchgeführten Organspende. Wird ein schwerwiegender Zwischenfall oder eine schwerwiegende unerwünschte Reaktion im Zusammenhang mit der Gewebespende festgestellt, ist dies der Koordinierungsstelle nach § 11 TPG zu melden. Diese Meldepflicht wird durch die Ergänzung des § 40 Absatz 3 Satz 2 AMWHV geregelt. Um ebenfalls sicherzustellen, dass die Koordinierungsstelle nach § 11 TPG bei einer Organspende Kenntnis über eine erfolgte Gewebespende erhält, wird in § 35 Absatz 3 Satz 6 AMWHV eine Unterrichtungspflicht der Gewebeeinrichtung, die das Gewebe be- oder verarbeitet, an die Koordinierungsstelle festgelegt. Wird ein schwerwiegender Zwischenfall oder eine schwerwiegende unerwünschte Reaktion im Zusammenhang mit der Organspende festgestellt, ist die Koordinierungsstelle nach § 6 Absatz 3 Satz 2 TPG-GewV verpflichtet, dies der Gewebeeinrichtung zu melden.

II. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Für Bund, Länder und Gemeinden entstehen durch die Verordnung keine finanziellen Belastungen im Bereich der Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand.

III. Erfüllungsaufwand

1. Bürgerinnen und Bürger

Für Bürgerinnen und Bürger wird kein Erfüllungsaufwand begründet.

2. Wirtschaft (einschließlich der Bürokratiekosten aus Informationspflichten)

3. Verwaltung

Für die Verwaltung wird kein Erfüllungsaufwand begründet.

IV. Weitere Kosten

Mehrkosten für die Sozialversicherungen, insbesondere für die gesetzliche Krankenversicherung, ergeben sich nicht. Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau sind nicht zu erwarten.

V. Nachhaltigkeit

Mit dem Verordnungsentwurf werden in Umsetzung der Richtlinie 2010/53/EU Anforderungen an die Qualität und Sicherheit von Organen, die auf einen anderen Menschen übertragen werden sollen, und das Meldeverfahren bei schwerwiegenden Zwischenfällen und schwerwiegenden unerwünschten Reaktionen festgelegt. Der Entwurf zielt insbesondere auf die Vermeidung der Übertragung von Infektionen und anderen Krankheiten, die lebensbedrohlich sein können, auf den Organempfänger ab und dient somit seinem Gesundheitsschutz. Damit wird der Managementregel 4 der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie und dem mit dem Nachhaltigkeitsfaktor 14 a, b verfolgten Ziel einer Reduzierung der vorzeitigen Sterblichkeit Rechnung getragen.

VI. Geschlechtsspezifische Auswirkungen

Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung sind nicht zu erwarten, da keine Regelungen getroffen werden, die sich spezifisch auf die Lebenssituation von Frauen und Männern auswirken.

VII. Vereinbarkeit mit EU-Recht

Der Verordnungsentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 Entwurf einer Verordnung über die Anforderungen an die Organ- und Spendercharakterisierung und an den Transport von Organen sowie über die Anforderungen an die Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und schwerwiegender unerwünschter Reaktionen

Zu § 1 Anwendungsbereich

Diese Verordnung regelt auf der Grundlage des § 10a Absatz 4 und des § 13 Absatz 4 TPG die Anforderungen an die Organ- und Spendercharakterisierung nach § 10a Absatz 1 TPG und die Kennzeichnung der Behälter für den Transport von Organen nach § 10a Absatz 3 TPG sowie die Meldung, Dokumentation, Untersuchung und Bewertung schwerwiegender Zwischenfälle und schwerwiegender unerwünschter Reaktionen und die Meldung von Vorfällen und von schwerwiegenden unerwünschten Reaktionen beim Lebendspender.

Zu Abschnitt 1 Organ- und Spendercharakterisierung

Zu § 2 Notwendige Angaben zur Organ- und Spendercharakterisierung

Die Vorschrift regelt die Angaben, die nach § 10a Absatz 4 Satz 2 Nummer 1 TPG bei jeder Organspende unter Berücksichtigung des Standes der medizinischen Wissenschaft und Technik zu erheben sind. Die Regelung dient der Umsetzung des Artikels 7 Absatz 1 Satz 1 i.V.m. dem Anhang Teil A der Richtlinie 2010/53/EU, der einen Satz von Mindestangaben enthält, die bei jeder Spende erhoben werden müssen. Nach § 10a Absatz 4 Satz 3 TPG kann auf die Erhebung einzelner Angaben verzichtet werden, wenn eine Risiko-Nutzen-Analyse ergibt, dass der erwartete Nutzen für den Organempfänger größer ist als die Gefahren, die mit der Übertragung des Organs auf Grund unvollständiger Daten verbunden sind. Diese Ausnahmeregelung entspricht dem Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie 2010/53/EU. Zweck dieser Regelung ist es, die Möglichkeit einzuräumen, auch dann eine lebensrettende Transplantation vorzunehmen, wenn nicht alle Angaben erhoben werden können.

Zu § 3 Weitere Angaben zur Organ- und Spendercharakterisierung

Die Vorschrift regelt die Angaben, die nach § 10a Absatz 4 Satz 2 Nummer 2 TPG nach ärztlicher Beurteilung unter Berücksichtigung des Standes der medizinischen Wissenschaft und Technik, der Verfügbarkeit der entsprechenden Angaben und der besonderen Umstände des jeweiligen Falles zu erheben sind. Die Regelung dient der Umsetzung des Artikels 7 Absatz 1 Satz 3 i.V.m. dem Anhang der Richtlinie 2010/53/EU und berücksichtigt den notwendigen ärztlichen Beurteilungsspielraum für die Bewertung der Angaben, die für eine Organ- und Spendercharakterisierung im jeweiligen Einzelfall erforderlich sind.

Zu § 4 Anwendung des Dringlichkeitsverfahren der Richtlinie 2010/53/EU

Nach § 4 sind die Dringlichkeitsrichtlinien der Europäischen Kommission bei der Erhebung der Angaben für die Organ- und Spendercharakterisierung zu beachten. Nach Artikel 24 i.V.m. Artikel 28 Richtlinie 2010/53/EU ist die Europäische Kommission ermächtigt, Änderungen oder Ergänzungen des Anhangs zu beschließen. Diese Dringlichkeitsrichtlinien treten unverzüglich in Kraft und finden Anwendung. Um eine unverzügliche Geltung dieser Anforderungen sicherzustellen, sind diese Dringlichkeitsrichtlinien nach § 4 zu beachten.

Zu Abschnitt 2 Transport

Zu § 5 Kennzeichnung der Behälter für den Transport von Organen

In Absatz 1 werden die Vorgaben für die Kennzeichnung der Transportbehälter geregelt. Sie dient der Umsetzung des Artikels 8 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2010/53/EU, der die entsprechenden Angaben auf den verwendeten Transportbehälter vorsieht. Nach Satz 2 können die Angaben auch in englischer Sprache angegeben werden. Diese Ermächtigung ist insbesondere für die Sicherstellung des grenzüberschreitenden Organaustausches geboten. Nach Absatz 2 kann auf die umfangreiche Kennzeichnung verzichtet werden, wenn der Transport innerhalb derselben Einrichtung erfolgt.

Zu Abschnitt 3 Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und schwerwiegender unerwünschter Reaktionen

Zu § 6 Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und schwerwiegender unerwünschter Reaktionen

Nach Absatz 1 ist die von der Koordinierungsstelle beauftragte Person verpflichtet, jeden schwerwiegenden Zwischenfall und jede schwerwiegende unerwünschte Reaktion zu dokumentieren, auf ihre Ursache und Auswirkungen hin zu untersuchen und zu bewerten und an die Transplantationszentren, in denen Organe des Spenders übertragen werden sollen oder übertragen worden sind, unverzüglich weiterzumelden. Mit dieser Regelung wird Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 2010/53/EU umgesetzt. Die Koordinierungsstelle übernimmt damit zentrale Koordinierungsaufgaben. Schwerwiegende Zwischenfälle und schwerwiegende unerwünschte Reaktionen, die von der Koordinierungsstelle unmittelbar festgestellt oder ihr nach § 6 Absatz 2 TPG-OrganV oder § 40 Absatz 3 Satz 2 AMWHV gemeldet werden, sind von der Koordinierungsstelle zentral zu erfassen, zu untersuchen und an das Transplantationszentrum, an die Vermittlungsstelle nach § 12 TPG und ggf. an die Gewebeeinrichtung weiter zu melden. Dieses Meldesystem wird ergänzt durch die in § 11 Absatz 1a Satz 2 Nummer 9 TPG vorgesehenen Verfahrensanweisungen, die gewährleisten, dass die Meldungen unverzüglich erfolgen und die erforderlichen Maßnahmen getroffen werden.

Um zu gewährleisten, dass die Koordinierungsstelle alle notwendigen Meldungen über schwerwiegende Zwischenfälle und schwerwiegende unerwünschte Reaktionen erhält und Maßnahmen nach Absatz 1 ergreifen kann, begründet Absatz 2 die entsprechenden Meldepflichten weiterer verantwortlicher Personen. Die unverzügliche Meldung aller sachdienlichen und notwendigen Angaben ist unabdingbare Voraussetzung, dass sofort gehandelt werden kann. Sie erfordert das Zusammenspiel aller Beteiligten und richtet sich an den Transplantationsbeauftragten des Entnahmekrankenhauses, an die Rechtsmedizin, an die von der Koordinierungsstelle beauftragten Dritten, vor allem die Labore, die die Untersuchungen vornehmen, und an den verantwortlichen Arzt des Transplantationszentrums, der das Organ transplantiert. Erfasst werden all diejenigen Angaben, die der Koordinierungsstelle für die Ursachenuntersuchung und Auswertung sowie für die Weitermeldung nach Absatz 1 gemeldet werden müssen. Dies richtet sich nach dem Einzellfall. So können Angaben zur vorangegangenen Reisetätigkeit des Spenders, nachträgliche Befunde aus der Rechtsmedizin oder medizinische Befunde beim Organempfänger, die im Zusammenhang mit dem schwerwiegenden Zwischenfall oder der schwerwiegenden unerwünschten Reaktion stehen, Gegenstand dieser Meldepflicht sein.

In Absatz 3 Satz 1 und Satz 2 wird sichergestellt, dass die Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und schwerwiegender unerwünschter Reaktionen auch an die Vermittlungsstelle nach § 12 TPG und an die Gewebeeinrichtung, soweit der Organspender auch Gewebespender war, zu erfolgen hat. Satz 3 ermächtigt die Koordinierungsstelle, Angaben aus den Begleitpapieren mit personenbezogenen Daten des Organ- oder Gewebespenders zusammenzuführen und weiterzuleiten, soweit dies zur Abwehr einer gesundheitlichen Gefährdung des Organ- oder Gewebespenders erforderlich ist. Die Regelung knüpft an die Ermächtigung in § 13 Absatz 2 TPG an und erweitert die Befugnis im Hinblick auf die Meldepflichten in Satz 1 und 2.

Die in Absatz 4 enthaltenen Begriffsbestimmungen für schwerwiegende Zwischenfälle und schwerwiegende unerwünschte Reaktionen beruhen auf den Begriffsbestimmungen in Artikel 3 Buchstabe n und o der Richtlinie 2010/53/EU.

Zu § 7 Meldung von Vorfällen bei der Lebendspende von Organen

Die Meldepflicht nach § 7 erstreckt sich auf die Vorfälle und schwerwiegenden unerwünschten Reaktionen beim Lebendspender, die im Rahmen der Nachsorge des Lebendspenders festgestellt werden. Die Regelung dient der Umsetzung des Artikels 15 Absatz 4 der Richtlinien 2010/53/EU, der die Errichtung eines entsprechenden Systems vorsieht. Meldepflichtig ist der behandelnde Arzt des Spenders. Die Meldung erfolgt an das Transplantationszentrum, welches das Organ übertragen hat. Die Regelung soll zum einen gewährleisten, dass qualitäts- und sicherheitsrelevante Vorfälle beim Lebendspender, die gesundheitliche Auswirkungen auf den Organempfänger haben, wie z.B. eine nachträglich diagnostizierte Krebserkrankung, unverzüglich dem Transplantationszentrum übermittelt werden, um dort entsprechende Maßnahmen beim Organempfänger veranlassen zu können. Die Meldepflicht betrifft zum anderen die Unterrichtung über schwerwiegende unerwünschte Reaktionen beim Lebendspender infolge der Organlebendspende. Die Rückkoppelung mit dem Transplantationszentrum ist hier als Qualitätssicherungsmaßnahme nach Abschuss einer Organlebendspende geboten.

Zu Abschnitt 4 Ordnungswidrigkeiten

Zu § 8 Ordnungswidrigkeiten

In § 8 sind die Tatbestände geregelt, die Bußgeld bewehrt sind. § 20 Nummer 10 TPG enthält die Ermächtigung, Verstöße gegen Regelungen in dieser Verordnung zu sanktionieren. Die Vorschrift dient zugleich der Umsetzung des Artikels 23 der Richtlinie 2010/53/EU, der die Sanktionierung von Verstößen gegen die aufgrund der Richtlinie erlassenen nationalen Vorschriften vorsieht.

Durch die Regelung wird der Verstoß gegen die Meldepflichten bei schwerwiegenden Zwischenfällen und schwerwiegenden unerwünschten Reaktionen nach § 6 TPG-OrganV bußgeldbewährt. § 6 Absatz 1 TPG-OrganV betrifft die Pflicht, der von der Koordinierungsstelle beauftragten Person sicherzustellen, dass die schwerwiegenden Zwischenfälle oder die schwerwiegenden unerwünschten Reaktionen an die Transplantationszentren gemeldet werden. § 6 Absatz 2 TPG-OrganV betrifft die Meldepflichten anderer am Organspendeprozess oder der Untersuchung des Organspenders Beteiligter. § 6 Absatz 3 Satz 1 und 2 TPG-OrganV regelt die Pflicht der von der Koordinierungsstelle beauftragten Person sicherzustellen, dass die Meldung nach Absatz 1 auch an die Vermittlungsstelle nach § 12 TPG und an die Gewebeeinrichtungen, die das Gewebe be- oder verarbeitet, erfolgt. Die Bußgeldbewehrung eines Verstoßes gegen die Pflicht der von der Koordinierungsstelle beauftragten Person nach § 6 Absatz 1 und 3 TPGOrganV sowie der in § 6 Absatz 2 TPG-OrganV aufgeführten Personen ist im Hinblick auf die Tragweite der Verantwortung sachlich geboten. Der Bußgeldrahmen ergibt sich aus § 20 Absatz 2 TPG.

Zu Artikel 2 Änderung der TPG-Gewebeverordnung

Zu Nummer 1

Durch die Ergänzung der Angaben in der Spenderakte nach § 5 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 TPG-GewV wird die Dokumentation, dass der Gewebespender zugleich Organspender war, sichergestellt.

Zu Nummer 2

Durch die Ergänzung der Angaben im Entnahmebericht nach § 5 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 TPG-GewV, der der Gewebeeinrichtung, die das entnommene Gewebe be- und verarbeitet, übermittelt wird, wird sichergestellt, dass diese Gewebeeinrichtung Kenntnis darüber erlangt, dass der Gewebespender zugleich Organspender war.

Zu Artikel 3 Änderung der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung

Zu Nummer 1

Zu Buchstabe a

Durch die Ergänzung der Angaben nach § 34 Absatz 6 Nummer 1 AMWHV, die zum Zeitpunkt der Entnahme aufzuzeichnen sind, wird die Dokumentation, dass der Gewebespender zugleich Organspender war, sichergestellt.

Zu Buchstabe b

Durch die Ergänzung der Angaben im Entnahmebericht nach § 34 Absatz 7 Satz 2 Nummer 2 AMWHV, der der Gewebeeinrichtung, die das entnommene Gewebe be- und verarbeitet, übermittelt wird, wird sichergestellt, dass diese Gewebeeinrichtung Kenntnis darüber erlangt, dass der Gewebespender zugleich Organspender war.

Zu Nummer 2

Durch die Ergänzung in § 35 Absatz 3 AMWHV wird sichergestellt, dass die Gewebeeinrichtung, die die Gewebe zur Be- und Verarbeitung entgegennimmt, die Koordinierungsstelle nach § 11 TPG über die Spenderidentität unterrichtet, soweit Gewebe von einem Spender stammt, der zugleich Organspender gewesen ist. Die Kenntnis der Gewebeeinrichtung darüber, wer zugleich Organspender gewesen ist, ergibt sich aus dem ihr vorliegenden Entnahmebericht nach § 34 Absatz 7 AMWHV. Die Unterrichtung durch die Gewebeeinrichtung ermöglicht es der von der Koordinierungsstelle beauftragten Person, schwerwiegende Zwischenfälle oder schwerwiegende unerwünschte Reaktionen, die im Zusammenhang mit der Organspende auftreten, der Gewebeeinrichtung nach § 6 Absatz 3 Satz 2 TPG-OrganV zu melden.

Zu Nummer 3

Durch die Ergänzung des § 40 Absatz 3 Satz 2 AMWHV wird sichergestellt, dass die Meldung schwerwiegender unerwünschter Reaktionen bei Geweben, soweit der Gewebespender auch Organspender ist, von der verantwortlichen Person der Gewebeeinrichtung unverzüglich auch an die Koordinierungsstelle übermitteln wird. Die beauftragte Person der Koordinierungsstelle kann auf der Grundlage dieser Meldung die entsprechenden Maßnahmen nach § 6 TPG-OrganV einleiten und die Meldung an die Transplantationszentren weiterleiten, in denen die Organe des Spenders übertragen werden sollen oder übertragen worden sind. Bei der Meldung schwerwiegender Zwischenfälle gemäß § 40 Absatz 4 Satz 1 AMWHV findet § 40 Absatz 3 Satz 2 AMWHV entsprechend Anwendung.

Zu Artikel 4 Inkrafttreten

Der Artikel regelt das Inkrafttreten.

->

Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz: NKR-Nr. 1742:
Verordnung über die Anforderungen an die Organ- und Spendercharakterisierung und den Transport von Organen sowie über die Anforderungen an die Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und schwerwiegender unerwünschter Reaktionen und zur Änderung der TPG-Gewebeverordnung und der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung

Der Nationale Normenkontrollrat hat den Entwurf der o.g. Verordnung geprüft.

Mit dem Regelungsvorhaben entsteht für die Wirtschaft Erfüllungsaufwand (hier: Bürokratiekosten) in Höhe von 6.000 Euro. Für Bürgerinnen und Bürger sowie für die Verwaltung werden keine Informationspflichten eingeführt, geändert oder aufgehoben.

Der Nationale Normenkontrollrat hat keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben.

Dr. Ludewig Dr. Dückert
Vorsitzender Berichterstatterin