A. Problem und Ziel
Nach den einschlägigen Regelungen der von Deutschland mit anderen Staaten bilateral abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen (Abkommen) können die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten unter anderem Schwierigkeiten und Zweifel, die bei der Auslegung oder Anwendung des Abkommens entstehen, in gegenseitigem Einvernehmen beseitigen (sog. Konsultationsvereinbarungen). Allerdings können solche Vereinbarungen nach Auffassung der Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile vom 2. September 2009 - I R 90/08 und I R 111/08 -) Bindungswirkung nur für die Verwaltung, nicht aber für die Gerichte und die betroffenen Steuerpflichtigen entfalten, solange sie nicht zumindest in Form einer Rechtsverordnung im Sinn des Artikels 80 des Grundgesetzes in innerstaatlich verbindliches Gesetzesrecht umgesetzt worden sind. Dies trifft auch auf die Konsultationsvereinbarungen zu, die nach Artikel 25 Absatz 3 des deutschösterreichischen Doppelbesteuerungsabkommens vom 24. August 2000 (BGBl. 2002 II S. 735) zwischen den zuständigen deutschen und österreichischen Behörden geschlossen worden sind. Ziel der Verordnung ist es, die umfassende rechtliche Bindungswirkung für die durch sie umgesetzten Konsultationsvereinbarungen mit Österreich sicherzustellen.
B. Lösung
Durch die Verordnung, zu deren Erlass das Bundesministerium der Finanzen mit Zustimmung des Bundesrates auf Grund des durch Artikel 9 Nummer 2 des Jahressteuergesetzes 2010 geschaffenen § 2 Absatz 2 Abgabenordnung ermächtigt wird, werden einige der bislang mit Österreich geschlossenen Konsultationsvereinbarungen in verbindliches nationales Recht umgesetzt.
C. Alternativen
Keine
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
Durch die Verordnung, die lediglich bestehenden, für die Verwaltung bereits ohnehin bindenden Vereinbarungen Bindungswirkung auch für andere rechtsanwendende Organe verleiht, treten keine finanziellen Auswirkungen für die öffentlichen Haushalte ein.
2. Vollzugsaufwand
Es entsteht kein zusätzlicher Vollzugsaufwand.
E. Sonstige Kosten
Keine
F. Bürokratiekosten
Mit der Verordnung werden Informationspflichten für die Wirtschaft, die Bürgerinnen und Bürger sowie die Verwaltung weder eingeführt noch verändert oder abgeschafft.
Verordnung des Bundesministeriums der Finanzen Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich (Deutsch-Österreichische Konsultationsvereinbarungsverordnung - KonsVerAUTV)
Der Chef des Bundeskanzleramtes Berlin, den 4. November 2010
An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Hannelore Kraft
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
hiermit übersende ich die vom Bundesministerium der Finanzen zu erlassende Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich (Deutsch- Österreichische Konsultationsvereinbarungsverordnung - KonsVerAUTV) mit Begründung und Vorblatt.
Ich bitte, die Zustimmung des Bundesrates aufgrund des Artikels 80 Absatz 2 des Grundgesetzes herbeizuführen.
Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.
Mit freundlichen Grüßen
Ronald Pofalla
Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich (Deutsch-Österreichische Konsultationsvereinbarungsverordnung - KonsVerAUTV)
Vom
Auf Grund des § 2 Absatz 2 Satz 1 der Abgabenordnung, der durch Artikel 9 Nummer 2 Buchstabe b des Gesetzes vom (BGBl. I S. ... [einsetzen: Ausfertigungsdatum und Seitenzahl der Verkündung des Jahressteuergesetzes 2010; BT-Drs. 17/2249]) angefügt worden ist, und des Artikels 97 § 1 Absatz 9 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung, der durch Artikel 16 Nummer 1 des Gesetzes vom (BGBl. I S. ... [einsetzen: Ausfertigungsdatum und Seitenzahl der Verkündung des Jahressteuergesetzes 2010; BT-Drs. 17/2249]) angefügt worden ist, verordnet das Bundesministerium der Finanzen:
Abschnitt 1
Allgemeines
§ 1 Abkommen
Als Abkommen im Sinn dieser Verordnung gilt das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 24. August 2000 (BGBl. 2002 II S. 734, 735) in der jeweils geltenden Fassung.
§ 2 Anwendungsbereich
Die einheitliche Anwendung und Auslegung des Abkommens in Bezug auf die Umsetzung entsprechender Konsultationsvereinbarungen im Sinn des § 2 Absatz 2 Satz 2 der Abgabenordnung, die von den zuständigen Behörden im Sinn des Artikels 3 Absatz 1 Buchstabe i des Abkommens getroffen worden sind, richtet sich nach dieser Verordnung.
Abschnitt 2
Besteuerung von Abfindungszahlungen
§ 3 Kausalitätsprinzip bei Arbeitnehmern
Für die Anwendung des Artikels 15 Absatz 1 des Abkommens ist darauf abzustellen, ob die betreffenden Zahlungen als Entgelt für die im Arbeitsausübungsstaat erbrachten Arbeitsleistungen anzusehen sind. Hierbei ist es unerheblich, ob der Empfänger dieser Einkünfte im Zahlungszeitpunkt noch im Arbeitsausübungsstaat ansässig ist oder nicht und ob er zu diesem Zeitpunkt noch als Arbeitnehmer berufstätig ist oder nicht.
§ 4 Gehaltsfortzahlung nach vorzeitiger Beendigung des Dienstverhältnisses durch einen Arbeitgeber
Verlegt ein in einem Vertragsstaat ansässiger Arbeitnehmer aus Anlass der vorzeitigen Beendigung seines Dienstverhältnisses seinen Wohnsitz in den anderen Vertragsstaat und werden ihm die Gehälter bis zum vertraglich vorgesehenen Ablauf des Dienstverhältnisses weitergezahlt, so steht das Besteuerungsrecht an den Gehaltsfortzahlungen dem Staat zu, der auch für die Bezüge aus der aktiven Tätigkeit besteuerungsberechtigt war.
§ 5 Zahlungen für ein Konkurrenz- und Wettbewerbsverbot
Zahlungen für ein Konkurrenz- und Wettbewerbsverbot nach Beendigung des Dienstverhältnisses unterliegen in dem Staat der Besteuerung, der auch für die Bezüge aus der aktiven Tätigkeit besteuerungsberechtigt war.
§ 6 Abfindung, Urlaubsentschädigung und Qualifikationskonflikte
- (1) Eine gesetzliche oder freiwillige Abfindung aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie eine Urlaubsentschädigung unterliegen in jenem Staat der Besteuerung, der auch für die Bezüge aus der aktiven Tätigkeit besteuerungsberechtigt war.
- (2) Können Gehaltsfortzahlungen, Zahlungen für ein Konkurrenz- und Wettbewerbsverbot, Abfindungen und Urlaubsentschädigungen aus Anlass der Auflösung des Dienstverhältnisses, welche eine in einem Vertragsstaat ansässige Person nach Wegzug aus dem Tätigkeitsstaat von ihrem ehemaligen, im jeweils anderen Vertragsstaat ansässigen Arbeitgeber erhält, aufgrund der durch das maßgebliche innerstaatliche Recht dieses Staates gebotenen Anwendung des Abkommens nicht im ehemaligen Tätigkeitsstaat besteuert werden, liegt ein negativen Qualifikationskonflikts vor und diese Abfindungszahlungen werden gemäß Artikel 28 Absatz 1 Buchstabe a des Abkommens im jeweiligen Ansässigkeitsstaat dieser Person besteuert.
- (3) Im Falle eines positiven Qualifikationskonflikts wird der Eintritt einer Doppelbesteuerung durch Steuerfreistellung im Ansässigkeitsstaat vermieden.
Abschnitt 3
Schlussbestimmungen
§ 7 Anwendungsregelung
Diese Verordnung ist erstmals auf Besteuerungssachverhalte seit dem 1. Januar 2010 anzuwenden.
§ 8 Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Der Bundesrat hat zugestimmt.
Begründung:
A. Allgemeiner Teil
Nach den einschlägigen Regelungen der von Deutschland mit anderen Staaten bilateral abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen (Abkommen) können die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten unter anderem Schwierigkeiten und Zweifel, die bei der Auslegung oder Anwendung des Abkommens entstehen, in gegenseitigem Einvernehmen beseitigen. Die hierzu von den zuständigen Behörden der Vertragsstaaten getroffenen Vereinbarungen werden als Konsultationsvereinbarungen bezeichnet (§ 2 Absatz 2 Satz 2 der Abgabenordnung). Nach der von der Rechtsprechung vertretenen Auffassung (vgl. BFH-Urteile vom 2. September 2009 - I R 90/08 und I R 111/08 -) handelt es sich bei solchen Konsultationsvereinbarungen lediglich um Verwaltungsabkommen und damit der Rechtsnatur nach um Verwaltungsvorschriften, die nur die beteiligten Verwaltungen, nicht aber andere rechtsanwendende Organe, insbesondere die Rechtsprechung, zu binden vermögen, solange sie nicht auf einer ihrerseits demokratisch legitimierten Rechtsverordnung im Sinn des Artikels 80 Absatz 1 des Grundgesetzes beruhen und auf diese Weise in verbindliches innerstaatliches Gesetzesrecht umgesetzt worden sind. Dies trifft auch auf die nach Artikel 25 Absatz 3 des deutsch-österreichischen Doppelbesteuerungsabkommens vom 24. August 2000 (BGBl. 2002 II S. 734, 735) zwischen den zuständigen deutschen und österreichischen Behörden geschlossenen Konsultationsvereinbarungen zu. Die Verordnung soll die innerstaatliche Bindungswirkung der durch sie umgesetzten Konsultationsvereinbarungen mit Österreich für die deutschen rechtsanwendenden Organe und damit die widerspruchsfreie Anwendung des Abkommens durch die beiden Vertragsstaaten sicherstellen. Sie beruht auf dem durch Artikel 9 Nummer 2 Buchstabe b des Jahressteuergesetzes 2010 vom (BGBl. I S. ... [einsetzen: Ausfertigungsdatum und Seitenzahl der Verkündung des Jahressteuergesetzes 2010; BT-Drs. 17/2249]) eingefügten
§ 2 Absatz 2 der Abgabenordnung, der das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt, zur Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung oder doppelten Nichtbesteuerung mit Zustimmung des Bundesrats Rechtsverordnungen zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zu erlassen.
Gleichstellungspolitische Relevanzprüfung Im Zuge der gemäß § 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien vorzunehmenden Relevanzprüfung sind unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebenssituation von Frauen und Männern keine Auswirkungen erkennbar, die gleichstellungspolitischen Zielen zuwiderlaufen.
Nachhaltigkeit Das Vorhaben entspricht einer nachhaltigen Entwicklung, indem es das Steueraufkommen des Gesamtstaates sichert.
B. Besonderer Teil
Zu Abschnitt 1 (Allgemeines ):
Zu § 1 (Abkommen):
§ 1 trifft für die Verordnung eine Definition des Begriffs "Abkommen".
Zu § 2 (Anwendungsbereich):
§ 2 bestimmt den Anwendungsbereich der Verordnung
Zu Abschnitt 2 (Besteuerung von Abfindungszahlungen):
Zu § 3 bis § 6:
Die §§ 3 bis 6 setzen eine Konsultationsvereinbarung vom 13. August 2010 (BStBl. 2010 I S. 645) über die Anwendung des Abkommens auf verschiedene Arten von Abfindungen um.
Zu Abschnitt 3 (Schlussbestimmungen):
Zu § 7 (Anwendungsregelung):
§ 7 bestimmt, dass die Verordnung auf alle ab dem 1. Januar 2010 verwirklichten Besteuerungssachverhalte anzuwenden ist. Er macht damit von der durch Artikel 16 Nummer 1 des Jahressteuergesetzes 2010 vom (BGBl. I S. ... [einsetzen: Ausfertigungsdatum und Seitenzahl der Verkündung des Jahressteuergesetzes 2010; BT-Drs. 17/2249]) eingefügten Ermächtigungsgrundlage des Artikels 97 § 1 Absatz 9 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung Gebrauch.
Durch die Vorschrift wird die Wirkung und Anwendung der Konsultationsvereinbarungen als solche in der von der Rechtsprechung anerkannten Art und Weise vor diesem Zeitpunkt nicht berührt.
Zu § 8 (Inkrafttreten):
§ 8 bestimmt, dass die Verordnung am Tag nach ihrer Verkündung in Kraft tritt.
Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz:
NKR-Nr. 1498:
Entwurf für eine Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich
Der Nationale Normenkontrollrat hat den Entwurf der o.a. Verordnung auf Bürokratiekosten geprüft, die durch Informationspflichten begründet werden.
Mit dem vorliegenden Entwurf werden keine Informationspflichten eingeführt, geändert oder aufgehoben. Es entstehen keine Bürokratiekosten für Wirtschaft, Bürgerinnen und Bürger sowie für die Verwaltung.
Der Nationale Normenkontrollrat hat im Rahmen seines gesetzlichen Prüfauftrags keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben.
Dr. Ludewig Prof. Dr. Färber
Vorsitzender Berichterstatterin