Der Bundesrat hat in seiner 920. Sitzung am 14. März 2014 beschlossen, zu dem vom Deutschen Bundestag am 20. Februar 2014 verabschiedeten Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen.
Der Bundesrat hat ferner die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst.
Anlage
Entschließung zum Vierzehnten Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (14. SGB V-Änderungsgesetz - 14. SGB V-ÄndG)
- 1. Der Bundesrat begrüßt, dass mit dem Vierzehnten Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch die im Koalitionsvertrag vereinbarten wichtigen arzneimittelpolitischen Maßnahmen kurzfristig umgesetzt werden sollen, um den Ausgabenanstieg in der Arzneimittelversorgung zu begrenzen und der pharmazeutischen Industrie Planungssicherheit zu geben.
- 2. Der Bundesrat begrüßt die vorgesehene Aufhebung der frühen Nutzenbewertung für Arzneimittel des Bestandsmarktes, da die Einbeziehung solcher Arzneimittel in die Nutzenbewertung mit einem deutlich zu hohen methodischen und administrativen Aufwand sowohl für die pharmazeutischen Unternehmen als auch für den Gemeinsamen Bundesausschuss und das Institut für Wirtschaftlichkeit und Qualität im Gesundheitswesen verbunden wäre. Zudem bestünde für die pharmazeutischen Unternehmen eine große Planungsunsicherheit, ob und gegebenenfalls wann ihre Produkte des Bestandsmarktes einer solchen Nutzenbewertung unterzogen werden. Hinzu kommt, dass die Produkte des gegenwärtigen Bestandsmarktes in wenigen Jahren ihren Patentschutz verlieren und dann einem preissenkenden Generika- bzw. Biosimilarwettbewerb ausgesetzt sein werden.
- 3. Der Bundesrat hält es für erforderlich, mit der vorgesehenen Aufhebung der Nutzenbewertung für Arzneimittel des Bestandsmarktes auch diejenigen Verfahren zu beenden, die sich auf Grundlage eines Bestandsmarktaufrufs nach § 35a Absatz 6 SGB V bereits im Stadium der Preisverhandlung nach § 130b SGB V befinden. Nach Auffassung des Bundesrates würde andernfalls eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von einigen wenigen pharmazeutischen Unternehmen geschaffen, für deren Produkte (namentlich Gliptine) der Bestandsmarktaufruf weiter fortwirken würde.
- 4. Nach Auffassung des Bundesrates hätte die bessere gesetzgeberische Lösung darin bestanden, die Umstellung des Preismoratoriums als ein "reales" Preismoratorium auszugestalten, das heißt, es den pharmazeutischen Unternehmen zu gestatten, die seit 2009 eingefrorenen Preise für das Jahr 2014 und die Folgejahre maximal bis zur Höhe der Inflationsrate des Vorjahres zu erhöhen (Inflationsausgleich). Nach Auffassung des Bundesrates kommt als geeignete Referenzgröße sowohl der Erzeugerpreisindex für gewerbliche Produkte als auch der Index für die Lebenshaltung der privaten Haushalte in Frage, die sich von 2009 bis 2013 in etwa gleichförmig verändert haben. Vor dem Hintergrund, dass sowohl die Herstellungskosten pharmazeutischer Produkte als auch insbesondere die Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen für neue, zukünftig auf den Markt kommende Wirkstoffe seit 2009 gestiegen sind, wäre die unveränderte Fortführung des Preismoratoriums nicht sachgerecht. Der Bundesrat erinnert in diesem Zusammenhang an den so genannten "Generationenvertrag", nach dem die Erlöse aus dem Vertrieb der Bestandspräparate zur Entwicklungsfinanzierung der nächsten Arzneimittel-Generation verwendet werden müssen. Eine unveränderte Fortschreibung des Preismoratoriums würde die Forschungstätigkeit der Unternehmen einschränken und insofern die Attraktivität des Pharmastandorts Deutschland für Innovationen beeinträchtigen.
- 5. Auch der Bundesrat sieht, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, Klarstellungsbedarf bei der Adjustierung der Handelszuschläge für Großhändler und Apotheken für innovative Arzneimittel nach erfolgter früher Nutzenbewertung und Erstattungsbetragsverhandlung. Die im Vierzehnten Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch enthaltene Änderung geht in dieser Hinsicht jedoch über eine technische Umstellung der Handelszuschläge hinaus.
- 6. Der Bundesrat befürchtet, dass - wenn der Erstattungsbetrag den bisherigen Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ersetzt - der ausgewiesene Listenpreis als "Preisanker" im internationalen Referenzpreissystem bedeutungslos würde. Folgen könnten einerseits eine Preiserosion mit wirtschaftlich nachteiligen Effekten für betroffene pharmazeutische Unternehmer sein, ohne das deutsche Gesundheitssystem finanziell zu entlasten, und anderseits eine unter Umständen schlechtere Versorgung der Patientinnen und Patienten in Deutschland mit innovativen Arzneimitteln.
- 7. Es stellt sich daher die Frage, ob vor diesem Hintergrund die Streichung der Rabattlogik in § 130b Absatz 1 Satz 2 bis 5 SGB V und § 78 Absatz 3a AMG erforderlich ist und die notwendige Klarstellung der Handelszuschläge durch eine Änderung des Arzneimittelgesetzes bzw. der Arzneimittelpreisverordnung erreicht werden kann. Der Bundesrat wird diese für die Arzneimittelstandortpolitik wichtige Regelung kritisch begleiten.
- 8. Der Bundesrat begrüßt die im Gesetz vorgesehene jährliche Überprüfung der Höhe des Herstellerabschlags. Er befürchtet jedoch, dass der Herstellerabschlag von der finanziellen Lage der gesetzlichen Krankenversicherung abhängig gemacht wird. Dies lässt befürchten, dass Budgetprobleme der gesetzlichen Krankenversicherung unabhängig davon, ob sie einnahmeseitig bedingt sind oder ausgabenseitig aus anderen Leistungsbereichen als dem der Arzneimittelversorgung resultieren, auf Kosten der pharmazeutischen Industrie gelöst werden sollen. Eine solche Interpretation hielte der Bundesrat nicht für sachgerecht.
- 9. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, zeitnah die durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22. Dezember 2011 geschaffenen befristeten Regelungen im Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (§§ 302 Absatz 7, 313 Absatz 8 SGB VI) bis 2019 zu verlängern.
Begründung:
Durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22. Dezember 2011 hat der Bundesgesetzgeber aus Vertrauensschutzgründen befristete Regelungen geschaffen, um die Aufwandsentschädigungen für kommunale Ehrenbeamte, für ehrenamtlich in kommunalen Vertretungskörperschaften Tätige und für Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane, Versichertenälteste oder Vertrauenspersonen der Sozialversicherung bis zum 30. September 2015 weiterhin nicht als Hinzuverdienst zu werten, soweit kein konkreter Verdienstausfall ersetzt wird (§§ 302 Absatz 7, 313 Absatz 8 SGB VI) . Die Vertrauensschutzregelung gilt sowohl für Bestandsrenten als auch für neue Rentenfälle. Ziel ist es, die Umsetzung eines durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts motivierten Beschlusses der Deutschen Rentenversicherung Bund zur Berücksichtigung der Einkünfte von ehrenamtlich Tätigen als Hinzuverdienst bei Renten der gesetzlichen Rentenversicherung zeitlich befristet abzufedern, um Härten für die Betroffenen zu vermeiden. Die Umsetzung des Beschlusses der Deutschen Rentenversicherung Bund hätte eine Berücksichtigung des steuerpflichtigen Teils der Aufwandsentschädigungen aus den genannten ehrenamtlichen Tätigkeiten zur Folge gehabt. Zuvor waren diese Aufwandsentschädigungen von den Rentenversicherungsträgern nur in der Höhe als Hinzuverdienst berücksichtigt worden, in der sie einen konkreten Verdienstausfall ersetzten. Weil das Betriebsrentenrecht den Beginn eines Anspruchs auf eine Betriebsrente an den Beginn einer Altersvollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung koppelt, hätte die Berücksichtigung der Aufwandsentschädigungen als Hinzuverdienst dazu führen können, dass neben einer gegebenenfalls empfindlichen Zurückstufung der vorgezogenen Altersvollrente auf eine Teilrente oder eines Wegfalls der Altersrente auch der Beginn einer Betriebsrente verschoben werden muss.
In ihrer Stellungnahme vom 10. Mai 2012 (vgl. BR-Drucksache 287/12 (PDF) ) zu der Entschließung des Bundesrates zur Nichtberücksichtigung von Aufwandsentschädigungen aus einem Ehrenamt als Hinzuverdienst im Rentenrecht, vgl. BR-Drucksache 752/10(B) , lehnte es die damalige Bundesregierung ab, einer Forderung des Bundesrates nachzukommen und eine dauerhafte Regelung zum Schutz des Ehrenamtes zu schaffen. Zur Begründung führte die damalige Bundesregierung unter anderem aus, eventuell negative Auswirkungen der Hinzuverdienstregelungen könnten durch Anwendung des geplanten Kombirentenmodells gemindert werden. Derzeit erhielten Rentnerinnen und Rentner, die die Regelaltersgrenze noch nicht erreicht hätten und die entsprechende Hinzuverdienstgrenze überschritten hätten, im Rahmen von starren monatlichen Grenzen nur eine Teilrente. Schon ein geringes Überschreiten dieser Grenzen führe zu einer unverhältnismäßigen Rentenkürzung. Nach dem Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales für ein Gesetz zur Anerkennung der Lebensleistung in der Rentenversicherung würden Teilzeitarbeit und vorgezogene Rente künftig besser kombinierbar.
Zu einer gesetzlichen Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand ist es in der 17. Legislaturperiode allerdings nicht mehr gekommen. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode haben die regierungstragenden Parteien vereinbart, lebenslaufbezogenes Arbeiten zu unterstützen und den rechtlichen Rahmen für flexiblere Übergänge vom Erwerbsleben in den Ruhestand zu verbessern.
Falls eine solche gesetzliche Flexibilisierung nicht zeitnah geschaffen wird, besteht die Gefahr, dass eine Regelung erst nach dem 30. September 2015 getroffen wird, wenn die bestehenden Übergangsregelungen bereits ausgelaufen sein werden. Insofern ist bei den betroffenen Personen erneut große Rechtsunsicherheit entstanden, die eine Verlängerung der Übergangsfrist erforderlich macht. Eine dauerhafte Lösung kann dann im Zusammenhang mit der Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand getroffen werden.