C(2016) 2457 final
siehe Drucksache 617/15(B)
Brüssel, den 25.4.2016
Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
die Kommission dankt dem Bundesrat fir seine Stellungnahme zum Grünbuch über Finanzdienstleistungen für Privatkunden (COM (2015) 630 final).
Mit diesem Grünbuch soll eine EU-weite Debatte über Finanzdienstleistungen fir Privatkunden angestoßen werden. Es beschreibt die Situation der Märkte für Finanzdienstleistungen für Privatkunden in Europa und ersucht die Interessenträger um Unterstützung bei der Ermittlung der Grande für die derzeitige Marktfragmentierung und möglicher Lösungen für dieses Problem. Die Kommission wird die Rückmeldungen auf die Konsultation sorgfältig analysieren und möchte mögliche Folgemaßnahmen auf Bereiche konzentrieren, die ein besonders gutes Potenzial bieten, um den alltäglichen Umgang mit Finanzdienstleistungen für Privatkunden sowohl für die Verbraucher als auch die Anbieter zu verbessern. Die Kommission dankt dem Bundesrat für seinen umfassenden Beitrag zu dieser Debatte.
Bei einer ersten Prüfung hat die Kommission den Eindruck gewonnen, dass die Situation einen Großteil der Verbraucher und Anbieter in der EU nach wie vor nicht zufriedenstellt. Einige Märkte fir Finanzdienstleistungen für Privatkunden leiden unter einer hohen Marktkonzentration, und die Verbraucher haben in Europa noch immer keinen einfachen Zugang zu Produkten aus anderen Mitgliedstaaten. Kurz gesagt, es gibt noch keinen echten europäischen Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen für Privatkunden. Eine weitere Vertiefung dieser Märkte würde nach Ansicht der Kommission in der gesamten EU zu besseren Produkten, einer größeren Auswahl und mehr Möglichkeiten für Verbraucher und Unternehmen führen.
Die Kommission ist erfreut, dass der Bundesrat ihrer Analyse weitgehend zustimmt und eine weitere Vertiefung des Binnenmarkts unterstützt. Gleichzeitig hat der Bundesrat eine Reihe wichtiger Anmerkungen übermittelt. Die Kommission begrüßt die Gelegenheit, mehrere Aspekte ihres Vorschlags klarstellen zu dürfen, und hofft, mit ihren Ausführungen die meisten Bedenken des Bundesrats zerstreuen zu können.
Herrn Stanislaw TILLICH
Präsident des Bundesrates
Leipziger Straße 3-4
D - 10117 Berlin
Die Kommission möchte unterstreichen, dass das Ziel der Initiative nicht darin besteht, historisch gewachsene Marktstrukturen oder Vertriebskanäle in Gefahr zu bringen, und ist sich bewusst, dass Genossenschaftsbanken den Vorteil einer größeren Nähe zu ihren Kunden bieten. Die Kommission bevorzugt keinen Vertriebskanal gegenüber anderen (z.B. digitaler Vertrieb gegenüber Zweigniederlassungen). Aus technologischer Sicht bleibt das Grünbuch deshalb ganz neutral.
Die Kommission hat nicht die Absicht, der Vielfalt der Bankenmodelle in Europa ein Ende zu setzen, sondern macht sich für mehr Wahlmöglichkeiten für die Verbraucher und für mehr Wettbewerb auf den nationalen Märkten für Finanzdienstleistungen für Privatkunden stark Nach Auffassung der Kommission kann dies am besten erreicht werden, indem der Binnenmarkt weiter vertieft und damit gleichzeitig der grenzüberschreitende Handel mit Finanzdienstleistungen für Privatkunden gestärkt wird. Die grenzüberschreitenden Tätigkeiten sollen das aktuelle Angebot auf den nationalen Märkten ergänzen, nicht ersetzen.
Wie der Bundesrat ist sich die Kommission der raschen technologischen Veränderungen durchaus bewusst. Eine kürzlich veröffentlichte Studie des "Lisbon Council " 1 zeigt, dass die Digitalisierung im Bereich der Finanzdienstleistungen viel weiter fortgeschritten ist als in anderen vergleichbaren Wirtschaftszweigen. Diese Entwicklung beschränkt sich nicht auf Großbanken, auch Genossenschaftsbanken haben begonnen, Teile ihres Kundendienstes zu digitalisieren. Die Kommission ist der Ansicht, dass die Digitalisierung und neue Technologien den Banken- und Versicherungssektor in Zukunft wesentlich mitprägen werden. Der Bundesrat hat darauf hingewiesen, dass in einigen Mitgliedstaaten mit relativ stark konzentriertem Bankwesen ein Mangel an Wahlmöglichkeiten besteht. Dieser könnte am besten behoben werden, wenn neue Marktteilnehmer dank neuer Technologien leichter Zugang zu den Märkten finden.
Der Bundesrat stellt sich einige Fragen hinsichtlich des Potenzials grenzüberschreitender Angebote im Bereich der Finanzdienstleistungen für Privatkunden und nennt mehrere Gründe, weshalb Verbraucher ihre lokale Bankfiliale gegenüber Online-Banking und grenzüberschreitenden Bankgeschäften bevorzugen könnten.
Das wichtigste Argument des Bundesrats ist die Frage des Vertrauens. Die Kommission teilt die Meinung des Bundesrats bezüglich der zentralen Rolle, die das Vertrauen spielt. Vor dem Hintergrund der Finanzkrise und einer Reihe von Skandalen wurde jüngst eine Einigung über mehrere Initiativen der Kommission2 zur Wiederherstellung des Vertrauens der Verbraucher in Finanzdienstleistungen für Privatkunden erzielt. Die meisten Texte, die noch in nationales Recht umgesetzt werden müssen, fordern eine bessere Information der Verbraucher, die, ehe sie einen Vertrag unterzeichnen, die wesentlichen Eigenschaften der Produkte kennen sollten.
Anhang
Bemerkungen der Kommission zu den Punkten, auf die der Bundesrat besonders hingewiesen hat
Unter Punkt 15 führt der Bundesrat aus, dass eine Standardisierung bestimmter Produktmerkmale und eine europaweit bessere Transparenz und Vergleichbarkeit von Finanzdienstleistungen für Privatkunden dazu beitragen könnten, die mangelnde Bereitschaft der Verbraucher zum Kauf von Produkten aus dem Ausland zu überwinden. Die Kommission prüft im Rahmen der öffentlichen Konsultation, ob die Förderung "einfacher Finanzprodukte" oder eine fakultative 29. Regelung für ausgewählte Finanzprodukte für Privatkunden deren EU-weite Akzeptanz verbessern könnte.
Unter Punkt 16 spricht der Bundesrat die wichtige Frage der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes an. Die Kommission hat die Vollendung des digitalen Binnenmarktes3 als eine ihrer Topprioritäten genannt, und dies beinhaltet u.a. die Abstellung des "Geoblocking" in mehreren Branchen. Auch die Binnenmarktstrategie der Kommission dient dem Ziel, ein Enr Online- und Offline-Diskriminierung im Binnenmarkt herbeizuführen. Mit der Konsultation zum Grünbuch möchte die Kommission herausfinden, wie stark "Geoblocking" auch bei Finanzdienstleistungen für Privatkunden verbreitet ist und wie dem gegebenenfalls abgeholfen werden könnte. Gleichzeitig werden mögliche Unterstützungsmaßnahmen geprüft, die das Angebot grenzüberschreitender Dienstleistungen (z.B. durch Fernüberprüfung der Kunden) erleichtern könnten.
Unter Punkt 17 weist der Bundesrat auf Grenzen der Portabilität von Finanzprodukten für Privatkunden hin, die teilweise auf Unterschiede bei den mitgliedstaatlichen sozialen Sicherungs- und Versicherungssystemen zurückzuführen sind. Die Kommission ist sich dieser Unterschiede bewusst, hält es im Bestreben nach mehr Mobilität jedoch für wichtig, die Frage der Portabilität mit offenem Blick anzugehen.
Unter Punkt 18 erinnert der Bundesrat an den Ermessensspielraum, über den die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von EU-Richtlinien verfügen, um bestimmten wirtschaftlichen, sozialen und demografischen Faktoren Rechnung tragen zu können. Die Verfügbarkeit von Produkten sollte nach Ansicht der Kommission a priori jedoch den Märkten überlassen werden.
Unter Punkt 19 verweist der Bundesrat auf die Bedeutung des Schutzes der Privatsphäre und der Grundsätze des Datenschutzes. Die EU Datenschutzverordnung wird eine weitere Harmonisierung der Datenschutzvorschriften in Europa bewirken und soll Europa für das digitale Zeitalter rüsten. Der neue Rechtsrahmen ist von grundlegender Bedeutung für die Vollendung des digitalen Binnenmarkts und wird helfen sicherzustellen, dass im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen für Privatkunden Daten mit dem Einverständnis der Verbraucher und in ihrem Interesse genutzt werden können, wenn beispielsweise bei einer Kreditaufnahme die Kreditwürdigkeit bewertet werden.
- 1. http://www.lisboncouncil.net/publication/publication/125-financialservicesinthedigitalaQe.htm )
- 2. Zum Beispiel Hypothekarkreditrichtlinie (2014/17/EU), Richtlinie über Zahlungskonten (2014/92/EU), Richtlinie über Zahlungsdienste im Binnenmarkt (1512366), Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (2014/65/EU) und Verordnung über Märkte für Finanzinstrumente (600/2014/EU), Richtlinie über den Versicherungsvertrieb (2016/97/EU) und Verordnung über verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (1286/2014).
- 3. https://ec.eurepa.eu/digitalagenda/en/digitalsinglemarket
- 4. http://ec.europa.eu/growth/singlemarket/index_en.htm