Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes und zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft

A. Problem und Ziel

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 24. Januar 2012 (1 BvR 1299/05) eine Verfassungsbeschwerde gegen die gesetzlichen Regelungen des Telekommunikationsgesetzes (TKG) zur Speicherung und Verwendung von Telekommunikationsdaten im Wesentlichen zurückgewiesen und festgestellt, dass diese Regelungen, soweit sie den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht entsprechen, übergangsweise bis längstens Ende Juni 2013 angewendet werden dürfen.

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde waren insbesondere die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen über die Verpflichtung geschäftsmäßiger Anbieter von Telekommunikationsdiensten zur Speicherung bestimmter (Bestands-) Daten ( § 111 TKG) sowie zur Beauskunftung dieser Daten im Wege des automatisierten oder manuellen Auskunftsverfahrens (§§ 112, 113 TKG).

Zu dem manuellen Auskunftsverfahren hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die entsprechenden Vorschriften unter zweifacher Maßgabe in verfassungskonformer Auslegung mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Zum einen bedürfe es für den Abruf der Daten qualifizierter Rechtsgrundlagen, die selbst eine Auskunftspflicht der Telekommunikationsunternehmen normenklar begründen. Zum anderen dürfe die Vorschrift mangels entsprechend normenklarer Regelung des damit verbundenen Eingriffs in Artikel 10 Absatz 1 des Grundgesetzes nicht zur Zuordnung dynamischer Internetprotokoll-Adressen angewendet werden.

Zudem hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der in § 113 Absatz 1 Satz 2 TKG unabhängig von den Voraussetzungen von deren Nutzung zugelassene Zugriff auf Zugangssicherungscodes in der vorliegenden gesetzlichen Ausgestaltung mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung unvereinbar ist.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat insbesondere Auswirkungen auf die Bestandsdatenauskunft (Auskunft u.a. über Name und Anschrift des Anschlussinhabers, zugeteilte Rufnummern und andere Anschlusskennungen), die ein unverzichtbares Ermittlungsinstrument für Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden ist.

Es besteht daher Handlungsbedarf.

B. Lösung

Die materiellen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die Bestandsdatenauskunft werden einerseits durch Änderung des § 113 TKG umgesetzt. Um die vom Bundesverfassungsgericht geforderten spezifischen Erhebungsbefugnisse in den jeweiligen Fachgesetzen zu schaffen, werden § 113 TKG, §§ 7, 20b, 20w und 22 BKAG, §§ 33 und 70 BPolG, § 8c und 8d BVerfSchG, §§ 7, 15, 23g und 27 ZFdG geändert. Weiterhin werden § 100j StPO, § 22a BPOlG, § 41a ZFdG, § 2b BNDG und § 4b MADG neu eingefügt und § 23f ZFdG gestrichen.

Da für den Bereich des Gefahrenabwehrrechts die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern liegt, ist § 113 TKG entsprechend offen formuliert. Die Anpassung der Landespolizeigesetze bleibt den Landesgesetzgebern überantwortet.

C. Alternativen

Keine

D. Haushaltsangaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Für die Bürgerinnen und Bürger entsteht kein Erfüllungsaufwand.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Für die jeweils betroffenen Unternehmen entsteht gegenüber der bisherigen Regelung kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.

Für die etwa 16 größten Dienstanbieter entsteht durch die Einführung der elektronischen Schnittstelle durch § 113 Absatz 5 TKG ein zusätzlicher Investitionsaufwand, der allerdings durch Einsparungen infolge einer zügigeren und Personalaufwand einsparenden Abwicklung der Auskunftsersuchen kompensiert werden kann.

Der Aufwand für die Auskunfterteilung wird den betroffenen Unternehmen nach § 23 JVEG entschädigt.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Ein Erfüllungsaufwand für die Verwaltung entsteht nicht.

F. Weitere Kosten

Keine

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes und zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft

Bundesrepublik Deutschland
Berlin, den 2. November 2012
Die Bundeskanzlerin

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Winfried Kretschmann

Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes und zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft mit Begründung und Vorblatt.

Federführend ist das Bundesministerium des Innern.
>Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel

Fristablauf: 14.12.12

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes und zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft

Vom ...

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrats das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Telekommunikationsgesetzes

Das Telekommunikationsgesetz vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 3. Mai 2012 (BGBl. I S. 958) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. § 113 wird wie folgt gefasst:

" § 113 Manuelles Auskunftsverfahren

2. § 115 Absatz 2 wird wie folgt geändert:

3. § 149 wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Änderung der Strafprozessordnung

In der Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch Artikel 2 Absatz 30 des Gesetzes vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 3044) geändert worden ist, wird nach § 100i folgender § 100j eingefügt:

Artikel 3
Änderung des Bundeskriminalamtgesetzes

Das Bundeskriminalamtgesetz vom 7. Juli 1997 (BGBl. I S. 1650), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 6. Juni 2009 (BGBl. I S. 1226) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. § 7 wird wie folgt geändert:

2. § 20b wird wie folgt geändert:

3. Dem § 22 werden folgende Absätze angefügt:

Artikel 4
Änderung des Bundespolizeigesetzes

Das Bundespolizeigesetz vom 19. Oktober 1994 (BGBl. S. 2978, 2979), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2507) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Nach § 22 wird folgender § 22a eingefügt:

" § 22a Erhebung von Telekommunikationsdaten

2. In § 33 Absatz 8 Satz 3 wird das Wort "sechs" durch das Wort "zwölf" ersetzt.

3. In § 70 Satz 1 werden nach den Wörtern "der Freiheit der Person ( Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes)" die Wörter ", des Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes)" eingefügt.

Artikel 5
Änderung des Zollfahndungsdienstgesetzes

Das Zollfahndungsdienstgesetz vom 16. August 2002 (BGBl. I S. 3202), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 12. April 2011 (BGBl. I S. 617) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In der Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert:

2. Dem § 7 werden folgende Absätze angefügt:

3. § 15 wird wie folgt geändert:

4. § 23f wird gestrichen.

5. In § 23g Absatz 6 werden die Wörter "und die §§ 23d bis 23f" durch die Wörter "sowie die §§ 23d und 23e" ersetzt.

6. In § 27 Absatz 3 wird die Angabe " § 7 Abs. 2 und 3" durch die Wörter " § 7 Absatz 2, 3 und 5 bis 7," eingefügt.

7. Nach § 41 wird folgender § 41a eingefügt:

" § 41a Entschädigung für Leistungen

Die Behörden des Zollfahndungsdienstes haben denjenigen, die geschäftsmäßig Post- oder Telekommunikationsdienste erbringen oder an der Erbringung solcher Dienste mitwirken, für ihre Leistungen bei der Durchführung von Maßnahmen nach § 7 Absatz 5 bis 7, § 15 Absatz 2 bis 4, § 23a, § 23g und § 27 Absatz 3 eine Entschädigung zu gewähren, deren Umfang sich nach § 23 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes bemisst."

Artikel 6
Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes

Nach § 8c des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2970), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2576) geändert worden ist, wird folgender § 8d angefügt:

" § 8d Weitere Auskunftsverlangen

Artikel 7
Änderung des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst

Nach § 2a des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2979), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2576) geändert worden ist, wird folgender § 2b eingefügt:

" § 2b Weitere Auskunftsverlangen

Soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes nach § 1 Abs. 2 erforderlich ist, darf von demjenigen, der geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, Auskunft über die nach den §§ 95 und 111 des Telekommunikationsgesetzes erhobenen Daten entsprechend § 8d des Bundesverfassungsschutzgesetzes verlangt werden. Die Auskunftserteilung ist nach § 8d Absatz 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes zu entschädigen. Das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses ( Artikel 10 des Grundgesetzes) wird nach Maßgabe des § 8d Absatz 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes eingeschränkt."

Artikel 8
Änderung des MAD-Gesetzes

Das MAD-Gesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2979), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2576) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In § 4a Satz 2 wird das Wort "Fermeldegeheimnisses" durch das Wort "Fernmeldegeheimnisses" ersetzt.

2. Nach § 4a wird folgender § 4b eingefügt:

" § 4b Weitere Auskunftsverlangen

Soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben des Militärischen Abschirmdienstes erforderlich ist, darf von demjenigen, der geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, Auskunft über die nach den §§ 95 und 111 des Telekommunikationsgesetzes erhobenen Daten entsprechend § 8d des Bundesverfassungsschutzgesetzes verlangt werden. Die Auskunftserteilung ist nach § 8d Absatz 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes zu entschädigen. Das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses ( Artikel 10 des Grundgesetzes) wird nach Maßgabe des § 8d Absatz 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes eingeschränkt."

Artikel 9
Einschränkung von Grundrechten

Durch die Artikel 1 bis 8 dieses Gesetzes wird das Fernmeldegeheimnis ( Artikel 10 des Grundgesetzes) eingeschränkt.

Artikel 10
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeines

I. Anlass und Zielsetzung des Entwurfs

Das Gesetz zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft bezweckt die Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Januar 2012 (1 BvR 1299/05). Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass § 113 Absatz 1 Satz 1 TKG nur in verfassungskonformer Auslegung mit dem Grundgesetz vereinbar sei, denn für die Erhebung der Daten sei zusätzlich zur Vorschrift des § 113 Absatz 1 Satz 1 TKG eine qualifizierte Rechtsgrundlage für die jeweils auskunftsuchende Behörde erforderlich. Diese qualifizierte Rechtsgrundlage müsse selbst eine Auskunftspflicht der Telekommunikationsunternehmen begründen. Weiterhin hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Auskunftspflicht nur dann einen Auskunftsanspruch zur Zuordnung dynamischer Internetprotokoll-Adressen enthalte, wenn dies normenklar geregelt sei und die Regelung der Tatsache gerecht werde, dass es sich hierbei um einen Eingriff in Artikel 10 Absatz 1 des Grundgesetzes handele.

Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht die Regelung des § 113 Absatz 1 Satz 2 für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt. Ein Auskunftsverlangen hinsichtlich von Daten, mittels derer der Zugriff auf Endgeräte oder Speichereinrichtungen geschützt wird, sei nur zulässig, wenn auch die gesetzlichen Voraussetzungen für die Nutzung der auf den Endgeräten gespeicherten Daten gegeben sind.

§ 113 Absatz 1 Satz 2 TKG gelte jedoch übergangsweise bis zum 30. Juni 2013 mit der Maßgabe fort, dass die Daten nur erhoben werden dürfen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für ihre Nutzung gegeben sind.

Ziel des Gesetzes ist, klare Bestimmungen zu treffen, gegenüber welchen Behörden die Telekommunikationsanbieter zur Datenübermittlung verpflichtet sein sollen, insoweit findet eine Konkretisierung der Vorschriften für die berechtigten Behörden in den jeweiligen Fachgesetzen statt. Die Neuregelung beschränkt sich auf die Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts; neue Befugnisse für Strafverfolgungs- oder Sicherheitsbehörden werden nicht geschaffen. Dabei enthält die Neureglung konkrete Bestimmungen zu den Voraussetzungen für einen Datenabruf, sofern dem Bund hierfür die Gesetzgebungskompetenz zusteht. Der Erlass entsprechender Regelungen auf Länderebene bleibt den jeweiligen Ländern überlassen.

Die Neuregelung umfasst nunmehr auch die Zuordnung von dynamischen Internetprotokoll-Adressen, so dass zukünftig für die Auskunft einer zu bestimmten Zeitpunkten zugewiesenen Internetprotokoll-Adresse eine ausdrückliche Rechtsgrundlage gegeben ist. Weiterhin stellt die Regelung klar, dass für die Zuordnung von Internetprotokoll-Adressen die Verkehrsdaten automatisiert ausgewertet werden dürfen.

Hinsichtlich der Auskunftserteilung der Zugangssicherungen sind die Voraussetzungen maßgeblich, die für die konkret erstrebte Nutzung erforderlich sind.

II. Wesentliche Schwerpunkte des Entwurfs

Der Gesetzentwurf sieht Änderungen in dem Telekommunikationsgesetz (Artikel 1), der Strafprozessordnung (Artikel 2), dem Bundeskriminalamtgesetz (Artikel 3), dem Bundespolizeigesetz (Artikel 4), dem Zollfahndungsdienstgesetz (Artikel 5), dem Bundesverfassungsschutzgesetz (Artikel 6), dem Gesetz über den Bundesnachrichtendienst (Artikel 7) und dem MAD-Gesetz (Artikel 8) vor.

1. Manuelle Auskunftsverfahren nach § 113 TKG-E

§ 113 TKG-E regelt die Erteilung von Auskünften über die nach den §§ 95 und 111 TKG erhobenen Daten. Auskunftsverpflichtet sind wie bisher die Anbieter, die Telekommunikationsdienste für die Öffentlichkeit anbieten sowie alle, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringen oder daran mitwirken. Eine Auskunft ist nur gegenüber einer auskunftsberechtigten Behörde zu erteilen. Eine Berechtigung der genannten Stellen ist nur gegeben, soweit eine gesetzliche Bestimmung unter Bezugnahme auf § 113 TKG die Erhebung der Daten erlaubt.

Über Daten, mittels derer der Zugriff auf Endgeräte oder in diesen oder im Netz eingesetzte Speichereinrichtungen geschützt werden, hat eine Auskunftserteilung nach den oben genannten Kriterien zu erfolgen. Dies gilt auch für zu bestimmten Zeitpunkten zugewiesene Internetprotokoll-Adressen. Verkehrsdaten dürfen hierfür automatisiert ausgewertet werden.

2. Herausgabeverlangen zu Bestandsdaten nach § 100j StPO-E

Wer geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, hat vor der Freischaltung nach Maßgabe des § 111 TKG bestimmte Bestandsdaten (u.a. Name und Anschrift des Anschlussinhabers, zugeteilte Rufnummern und andere Anschlusskennungen) zu erheben und unverzüglich zu speichern. Für diese Bestandsdaten besteht eine Speicherungspflicht, auch soweit diese Daten für betriebliche

Zwecke nicht erforderlich sind (§ 111 Absatz 1 Satz 1 TKG). Strafverfolgungsbehörden dürfen die Herausgabe dieser Bestandsdaten bislang nach der Ermittlungsgeneralklausel (§ 161 Absatz 1 Satz 1, § 163 StPO in Verbindung mit § 113 Absatz 1 TKG) verlangen. Voraussetzung dafür ist, dass die Erhebung der Bestandsdaten für die Verfolgung einer verfahrensgegenständlichen Straftat erforderlich ist. Einer gerichtlichen oder staatsanwaltschaftlichen Anordnung bedarf es dabei nicht.

Das Bundesverfassungsgericht hat diese Regelung zur Erhebung von Bestandsdaten auf der Grundlage der allgemeinen fachrechtlichen Eingriffsermächtigung in seinem Urteil vom 2. März 2010 (1 BvR 256/08) grundsätzlich nicht beanstandet. Es hat aber auch angemerkt, dass hinsichtlich der Eingriffsschwelle sicherzustellen ist, dass eine Auskunft nur auf Grund eines "hinreichenden Anfangsverdachts oder einer konkreten Gefahr auf einzelfallbezogener Tatsachenbasis" erfolgen darf (Absatz-Nummer 261). Wie bereits ausgeführt, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 24. Januar 2012 ferner entschieden, dass es für den Abruf der nach den §§ 95 und 111 TKG gespeicherten Daten grundsätzlich qualifizierter Rechtsgrundlagen bedarf, die selbst eine Auskunftspflicht der Telekommunikationsunternehmen normenklar begründen (Absatz-Nummern 168 ff.).

Dementsprechend soll die Auskunft über Bestandsdaten mit § 100j StPO-E künftig ausdrücklich geregelt werden.

Die vorgeschlagene Regelung verpflichtet denjenigen, der geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, auf Verlangen Auskunft über die nach den §§ 95 und 111 TKG erhobenen Daten zu erteilen, soweit dies für die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten erforderlich ist. Das gilt auch für Daten, mittels derer der Zugriff auf Endgeräte oder auf Speichereinrichtungen, die in diesen Endgeräten oder hiervon räumlich getrennt eingesetzt werden, geschützt wird und für zu bestimmten Zeitpunkten zugewiesene Internetprotokoll-Adressen.

3. Änderungen im Bundeskriminalamtgesetz

Auch das Bundeskriminalamt kann Auskünfte über Daten, die nach den §§ 95 und 111 TKG erhoben wurden verlangen, soweit dies zur Erfüllung der Aufgabe des Bundeskriminalamtes als Zentralstelle nach § 2 Absatz 2 Nummer 1 BKAG (§ 7 Absatz 3 BKAG-E) oder für die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes einer Person nach Maßgabe des Absatzes 1 und 2 (§ 20b Absatz 3 BKAG-E) oder für die Aufgabenwahrnehmung nach § 5 BKAG (§ 22 Absatz 2 BKAGE) erforderlich ist. Dasselbe gilt für Daten, mittels derer der Zugriff auf Endgeräte oder in diesen oder im Netz eingesetzte Speichereinrichtungen geschützt werden und für zu bestimmten Zeitpunkten zugewiesene Internetprotokoll-Adressen.

4. Sonstige Änderungen

Auch die Änderungen im Bundespolizeigesetz, im Bundesverfassungsschutzgesetz und im Zollfahndungsdienstgesetz enthalten entsprechende konkrete Ermächtigungen zum Auskunftsverlangen von Daten, die nach den §§ 95 und 111 TKG erhoben wurden sowie Daten, mittels derer der Zugriff auf Endgeräte oder in diesen oder im Netz eingesetzte Speichereinrichtungen geschützt werden und Daten anhand einer zu bestimmten Zeitpunkten zugewiesenen Internetprotokoll-Adresse. Hinsichtlich der Befugnisse des Bundesnachrichtendienstes und des Militärischen Abschirmdienstes verweisen die entsprechenden gesetzlichen Regelungen auf die Regelung des Bundesve rfassu ngssch utzgesetzes.

III. Gesetzgebungskompetenz des Bundes

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich für die Änderung des Telekommunikationsgesetzes aus Artikel 73 Absatz 1 Nummer 7 GG; für die Änderung der Strafprozessordnung aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 GG. Für die Änderung des Bundeskriminalamtsgesetzes ergibt sie sich aus Artikel 73 Absatz 1 Nummer 10 und Nummer 9a GG; für die Änderung des Bundespolizeigesetzes und des Zollfahndungsdienstgesetzes aus Artikel 73 Absatz 1 Nummer 5 GG; für die Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes aus Artikel 73 Absatz 1 Nummer 10b) GG und für die Änderung des BND-Gesetzes und des MAD-Gesetzes aus Artikel 73 Absatz 1 Nummer 1 GG.

IV. Erfüllungsaufwand

Die Wirtschaft sowie Bund und Länder werden durch den Erfüllungsaufwand nach § 44 Absatz 4 GGO nicht mit Mehrkosten belastet.

1. Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Für die Bürgerinnen und Bürger entsteht kein Erfüllungsaufwand.

2. Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Für die jeweils betroffenen Unternehmen entstehen durch die Auskunftserteilung und durch die Auswertung der Verkehrsdaten für die Bestimmung der zu bestimmten Zeitpunkten zugewiesenen Internetprotokoll-Adresse entsprechende Aufwände. Gegenüber der bisherigen Regelung entsteht diesbezüglich jedoch kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.

Für die etwa 16 größten Dienstanbieter entsteht durch die Einführung der elektronischen Schnittstelle zwar ein zusätzlicher Investitionsaufwand, der allerdings durch Einsparungen infolge einer zügigeren und Personalaufwand einsparenden Abwicklung der Auskunftsersuchen kompensiert werden kann.

Der Aufwand für die Auskunfterteilung wird den betroffenen Unternehmen nach § 23 JVEG entschädigt.

3. Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Ein Erfüllungsaufwand für die Verwaltung entsteht nicht.

V. Weitere Kosten

Für die Wirtschaft entstehen keine weiteren Kosten.

VI. Gleichstellungspolitische Gesetzesfolgenabschätzung

Die Regelungen sind inhaltlich geschlechtsneutral und berücksichtigen insoweit § 1 Absatz 2 des Bundesgleichstellungsgesetzes, der verlangt, dass Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Bundes die Gleichstellung von Frauen und Männern auch sprachlich zum Ausdruck bringen soll.

VII. Nachhaltigkeit

Der Gesetzentwurf entspricht dem Leitgedanken der Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung im Sinne der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie.

Die Regelungen begrenzen zwar die grundrechtlich geschützten Interessen der Bürgerinnen und Bürger, jedoch nur auf das zur Sicherung der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr unabdingbare Maß.

B. Im Einzelnen

Zu Artikel 1

Zu Nummer 1 ( § 113 TKG)

Zu Absatz 1

§ 113 Absatz 1 Satz 1 TKG-E betrifft die Auskunftserteilung über die nach §§ 95 und 111 TKG erhobenen Daten. Die Anbieter, die Telekommunikationsdienste für die Öffentlichkeit anbieten sowie alle, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringen oder daran mitwirken sind - in Korrespondenz zu der jeweiligen fachrechtlich begründeten Pflicht - zur Auskunft verpflichtet.

Weiterhin stellt die Vorschrift klar, dass eine Auskunft nur nach Maßgabe des Absatzes 2 und nur gegenüber den zuständigen Stellen erfolgen darf. Die zuständigen Stellen werden in § 113 Absatz 3 TKG-E aufgezählt.

Eine Auskunftserteilung hat nach § 113 Absatz 1 Satz 2 TKG-E ebenfalls zu erfolgen, wenn es sich um Daten handelt, mittels derer der Zugriff auf Endgeräte oder in diesen oder auch hiervon räumlich getrennt eingesetzte Speichereinrichtungen geschützt werden (z.B. PIN und PUK). Letzteres betrifft insbesondere Daten, die providerseitig gespeichert werden und über das Endgerät abgerufen werden können. Die Formulierung lehnt sich insoweit an § 110 Abs. 3 StPO an.

Weiterhin ist die Auskunft anhand einer zu bestimmten Zeitpunkten zugewiesenen Internetprotokoll-Adresse zu erteilen, so dass nunmehr für eine derartige Auskunftserteilung eine konkrete Rechtsgrundlage gegeben ist. Die Rechtsgrundlage ist nötig, weil § 113 TKG a.F. aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach dem 30.06.2013 nicht mehr zur Zuordnung dynamischer Internetprotokoll-Adressen angewendet werden darf (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Januar 2012, 1 BvR 1299/05). § 113 TKG a.F. ließ nicht erkennen, dass Telekommunikationsunternehmen in Vorbereitung von Auskünften auch dazu berechtigt und verpflichtet sein können Verkehrsdaten nach § 96 des Telekommunikationsgesetzes auszuwerten. Zudem stellt die Identifizierung von dynamischen Internetprotokoll-Adressen unter Rückgriff auf Verkehrsdaten einen Eingriff in Artikel 10 Absatz 1 des Grundgesetzes dar, weshalb die Vorschrift dem Zitiergebot gemäß Artikel 19 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes genügen müsse. Durch Satz 2, zweiter Halbsatz erfolgt nunmehr die erforderliche Klarstellung.

Zu Absatz 2 und Absatz 3

§ 113 Absatz 2 TKG-E bestimmt, dass es für den Abruf einer qualifizierten Rechtsgrundlage für die abrufende Stelle bedarf. Damit wird der Gesetzgeber der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Januar 2012 (1 BvR 1299/05) gerecht, wonach es, nach dem Bild der Doppeltür, an einer Norm zur Datenübermittlung (erste Tür) und an einer Abrufnorm (zweite Tür) bedürfe.

Die konkreten Normen, die zum Abruf berechtigen, finden sich in den jeweils einschlägigen Fachgesetzen des Bundes, sofern diesem die Gesetzgebungskompetenz zusteht. Der Erlass entsprechender Vorschriften auf Länderebene bleibt den jeweiligen Ländern überlassen.

Die Abfrage hat grundsätzlich in Textform zu erfolgen, also insbesondere schriftlich oder per Email. Soweit wegen Eilbedürftig eine mündliche, insbesondere telefonische Abfrage erfolgt (Satz 2), muss diese nachträglich in Textform bestätigt werden (Satz 3).

§ 113 Absatz 3 TKG-E regelt, gegenüber welchen Behörden die Telekommunikationsanbieter zur Datenübermittlung verpflichtet sein sollen. Eine Konkretisierung findet in den jeweiligen Fachgesetzen statt. Die Formulierung soll vorbehaltlich der Regelungen in den Fachgesetzen den Kreis der berechtigten Behörden gegenüber der bislang geltenden Rechtslage beibehalten.

Berechtigt sind die für die Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zuständigen Behörden, also Staatsanwaltschaften, Polizeibehörden, soweit sie strafverfolgend tätig werden und die mit der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten betrauten Ordnungsbehörden. Ferner die für die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zuständigen Behörden, also alle Polizei- und Sonderordnungsbehörden, auch soweit sie nur unterstützend tätig werden wie das BKA im Rahmen seiner Zentralstellenfunktion nach § 2 Abs. 1 BKAG. Auch die Behörden der Finanz- und Zollverwaltung sowie die für die Bekämpfung der Schwarzarbeit zuständigen Behörden gehören im Rahmen ihrer präventiven und repressiven Befugnisse zum Kreis der berechtigten Behörden. Schließlich die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, der MAD und der BND.

Zu Absatz 4

Der neue Absatz 4 entspricht dem alten § 113 Absatz 1 Satz 4 TKG und wird um eine Klarstellung zur Verpflichtung zur Auskunftserteilung ergänzt.

Zu Absatz 5

Satz 1 entspricht dem alten § 113 Absatz 2 Satz 1 TKG. Satz 2 verpflichtet große Unternehmen, für die Auskunfterteilung eine gesicherte elektronische Schnittstelle bereit zu halten. Hierdurch soll die Datensicherheit angesichts der hohen Zahl von Anfragen bei Unternehmen mit großem Kundenstamm erhöht werden. Eine Nutzung der Schnittstelle durch die Bedarfsträger ist allerdings nicht verpflichtend, um insbesondere im Eilfall auch auf anderen Wegen eine Auskunft einholen zu können. Durch Satz 3 wird sichergestellt, dass anders als beim automatisierten Auskunftsverfahren nach § 112 TKG keine automatisierte Datenabfrage stattfindet, sondern jede Anfrage auch Providerseitig geprüft wird.

Zu Nummern 2 und 3 (§§ 115,149 TKG)

Die §§ 115 und 149 sind in Folge der Änderungen des § 113 anzupassen.

Zu Artikel 2

§ 100j Absatz 1 Satz 1 StPO-E sieht vor, dass derjenige, der geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, auf Verlangen Auskunft über die nach den §§ 95 und 111 des Telekommunikationsgesetzes erhobenen Daten (§ 113 Absatz 1 Satz 1 TKG) zu erteilen hat, soweit dies für die Erforschung des Sachverhaltes oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten erforderlich ist. § 100j Absatz 1 Satz 2 StPO-E beinhaltet eine Einschränkung für solche Auskünfte nach Satz 1, die sich auf Daten beziehen, mittels derer der Zugriff auf Endgeräte oder auf Speichereinrichtungen, die in diesen Endgeräten oder hiervon räumlich getrennt eingesetzt werden, geschützt wird. Für solche Daten darf die Auskunft nämlich nur verlangt werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Nutzung dieser Daten vorliegen. Mit dieser Regelung soll den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 24. Januar 2012 zu den Voraussetzungen des Zugriffs auf solche Zugangssicherungscodes entsprochen werden (Absatz-Nummern 183 ff.).

In seinem Urteil vom 2. März 2010 (1 BvR 256/08) hat das Bundesverfassungsgericht sich auch mit § 113b Satz 1 Halbsatz 2 TKG a.F., der eine mittelbare Nutzung der nach § 113a TKG a.F. gespeicherten Daten für Auskünfte der Diensteanbieter gemäß § 113 Absatz 1 TKG vorsieht, auseinandergesetzt und insoweit festgestellt, dass es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt, dass der Gesetzgeber in § 113b Satz 1 Halbsatz 2 TKG a.F. Auskünfte über die Anschlussinhaber bestimmter, den Behörden bereits bekannter Internetprotokoll-Adressen nicht unter die besonderen Voraussetzungen gestellt hat, die für einen unmittelbaren Abruf der nach § 113a TKG a.F. gespeicherten Daten beachtet werden mussten. Die Regelung sei jedoch hinsichtlich der erforderlichen Eingriffsschwelle nicht ganz eindeutig und bedürfe diesbezüglich einer verfassungskonformen Auslegung. Zugriffe auf die gespeicherten Daten setzten zumindest "einen hinreichenden Anfangsverdacht gemäß §§ 161, 163 StPO oder eine konkrete Gefahr im Sinne der polizeilichen Generalklausel" voraus (Absatz-Nummer 289).

Dementsprechend wird mit § 100j Absatz 2 StPO-E geregelt, dass die Auskunft nach § 100j Absatz 1 StPO-E auch zu bekannten Internetprotokoll-Adressen, die zu bestimmten Zeitpunkten zugewiesen waren oder noch sind, zu erteilen ist (§ 113 Absatz 1 Satz 3 TKG). Durch die Bezugnahme auf Absatz 1 wird zugleich auch die dort geregelte Eingriffsschwelle für diese Bestandsdatenauskunft zu einer bekannten Internetprotokoll-Adresse vorgesehen.

Absatz 3 Satz 1 bestimmt, dass aufgrund eines Auskunftsverlangens nach Absatz 1 oder 2 derjenige, der Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, die zur Auskunftserteilung erforderlichen Daten unverzüglich zu übermitteln hat. Schließlich regelt der Verweis in Absatz 3 Satz 2, dass zur Durchsetzung der Auskunftspflicht erforderlichenfalls die in § 70 StPO bestimmten Ordnungs- und Zwangsmitteln festgesetzt werden können.

Zu Artikel 3

Zu Nummer 1 (§ 7 BKAG)

Die Änderungen in § 7 BKAG schaffen die spezielle fachrechtliche Rechtsgrundlage für die Bestandsdatenauskunft für Aufgaben des BKA im Rahmen seiner Zentralstellenfunktion. Auch diese Ermächtigungsgrundlage begründet eigenständig eine Auskunftsverpflichtung durch die Telekommunikationsunternehmen. Voraussetzung für die Auskunftserteilung ist, dass dies zur Erfüllung der Aufgabe des Bundeskriminalamtes als Zentralstelle nach § 2 Absatz 2 Nummer 1 BKAG erforderlich ist.

Das BKA ist in seiner Zentralstellenfunktion nach § 2 BKAG - auch i.V.m. der internationalen Zentralstellenfunktion nach § 3 BKAG - regelmäßig auf die Möglichkeit der Auskunft über Bestandsdaten von Telekommunikationsdiensten angewiesen. Soweit das BKA im Rahmen seiner Aufgaben nach § 4 BKAG strafverfolgend tätig wird, ist die Regelung des § 100j StPO anwendbar. Soweit das BKA, insbesondere im Rahmen der Unterstützung anderer Polizeibehörden, nach § 2 Absatz 1 i.V.m. mit § 2 Absatz 2 BKAG, tätig ist, bedarf es nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts einer eigenständigen Erhebungsbefugnis, die durch die neuen Absätze 3 und 4 des § 7 BKAG geschaffen wird.

Diese Auskunftsersuchen erfolgen bislang regelmäßig auf der Grundlage des § 7 Abs. 2 BKAG i.V.m. § 113 TKG, um eine regionale Zuständigkeit z.B. eines Bundeslandes zu ermitteln und den Vorgang dann zuständigkeitshalber abzuverfügen (§ 10 BKAG) oder aber die im Rahmen des internationalen polizeilichen Dienstverkehrs von ausländischen Polizeien erbetenen Auskünfte als Ergebnismitteilung nach Maßgabe des § 14 BKAG übermitteln zu können.

Beispiele für Bestandsdatenauskünfte im Rahmen der Zentralstellenfunktion sind Suizidankündigungen sowie veröffentlichte Amokdrohungen im Internet, die ein unverzügliches Einschreiten zur Ermittlung der suizidgefährdeten Personen bzw. zur Ermittlung des Gefahrenverantwortlichen erforderlich machen. Zur Identifizierung der Betroffenen und damit der Abwehr von Gefahren für Leib oder Leben müssen zeitnah Bestandsdaten beispielsweise im Zusammenhang mit IP-Adressen oder E-Mail-Accounts erhoben werden.

Die Regelung ist dem Vorbild des § 100j StPO nachgebildet. § 7 Absatz 3 Satz 1 normiert die Auskunftserteilung über die nach den §§ 95 und 111 des Telekommunikationsgesetzes erhobenen Daten. Satz 2 betrifft die Auskunftserteilung von Zugriffsmöglichkeiten auf Zugangscodes (PIN, PUK) unter den Voraussetzungen, die für den Zugriff auf die Zugangssicherungscodes maßgeblich sind. Absatz 4 regelt die Erteilung von Auskünften anhand einer dynamischen Internetprotokoll-Adresse.

Zu Nummer 2 (§ 20b BKAG)

Die eingefügten Absätze 3 und 4 regeln - ebenfalls dem § 100j StPO nachgebildet - die Bestandsdatenauskunft im Rahmen der Wahrnehmung der Aufgaben des BKA zur Abwehr von Gefahren durch den internationalen Terrorismus gemäß § 4a BKAG. Bestandsdatenauskünfte sind beispielsweise zur Ermittlung der Identität von Gefahrenverantwortlichen, zur Rückverfolgung von Anschlagsdrohungen oder zur Vorbereitung von Anträgen nach § 20l Absatz 3 BKAG erforderlich.

Zu Nummer 3 (§ 22 BKAG)

Die eingefügten Absätze 3 und 4 regeln - ebenfalls dem § 100j StPO nachgebildet - die Bestandsdatenauskunft im Rahmen der Wahrnehmung der Gefahrenabwehraufgaben des BKA nach § 5 BKAG (Schutz von Mitgliedern der Verfassungsorgane und der Leitung des Bundeskriminalamtes) sowie in Verbindung mit § 26 Absatz 1 Satz 3 BKAG nach § 6 BKAG (Zeugenschutz).

Bestandsdatenauskünfte nach §§ 5, 22 BKAG zur Ermittlung eines Gefahrenverantwortlichen sind insbesondere erforderlich, wenn eine Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit der Schutzperson besteht und ein Straftatbestand nicht oder noch nicht erfüllt ist. Das gilt vor allem bei allgemeinen Drohungen, die strafrechtlich nicht relevant sind, Anrufe und Mitteilungen mit unklarer Intention, Kontaktankündigungen sowie Kontaktversuche psychisch auffälliger Personen sowie Stalking im Anfangsstadium. Ein entsprechendes Erfordernis besteht auch für Maßnahmen im Rahmen der Aufgabe des BKA nach § 6 BKAG zur Abwehr von Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit von Personen, deren Aussagen zur Wahrheitserforschung von Bedeutung sind einschließlich deren Angehöriger, wonach sich die Befugnis zur Erhebung personenbezogener Daten durch die Verweisung nach § 26 i.V.m. § 22 BKAG richtet.. Für den zu schützenden Personenkreis besteht - wegen der grundsätzlich hohen Gefährdungslage - ständig das potentielle Erfordernis der Adhoc-Abklärung/-Beauskunftung von Rufnummern, IP-Adressen, Bestandsdaten oder Zugangsdaten zur Abwehr einer konkreten Gefahr.

Zu Artikel 4

Zu Nummer 1 ( § 22a BPolG)

Zu Absätzen 1 und 2

Mit § 22a Absatz 1 und 2 BPolG wird die Befugnis zu Bestandsdatenauskunft - ebenfalls dem § 100j StPO nachgebildet - auch für die Aufgaben der Bundespolizei zur Gefahrenabwehr geregelt.

Dies soll insbesondere die Möglichkeiten der Bundespolizei zur Verhinderung von Suiziden oder von schweren Straftaten gegen die kritische Verkehrsinfrastrukturen mit Lebensgefahr für Betroffene und Täter verbessern.

Zu Absatz 3

Absatz 3 regelt die Mitwirkungspflichten sowie die Entschädigung der Provider für Maßnahmen nach dieser Vorschrift nach dem Vorbild des § 20l Absatz 5 BKAG. Soweit die Bundespolizei grundsätzlich den Weg für die Datenübermittlung vorgeben kann, entbindet diese Vorschrift sie nicht von der Pflicht, die nach § 9 BDSG erforderlichen Maßnahmen zur Datensicherheit hierbei zu berücksichtigen.

Zur Nummer 2 (§ 33 Absatz 8 Satz 3 BPolG)

Die Speicherung von Protokolldaten zum Zwecke der Datenschutzkontrolle ist erforderlich, um eine missbräuchliche Nutzung von Daten zu verhindern, bzw. aufzuklären. Insoweit sollte die derzeit kurze Frist von sechs Monaten angemessen verlängert werden. Da sowohl das Bundeskriminalamtsgesetz als auch die Polizeigesetze der Länder Speicherfristen von zwölf Monaten vorsehen, ist die Speicherfrist des Bundespolizeigesetzes entsprechend anzupassen.

Zu Nummer 3 ( § 70 BPolG)

Dem Zitiergebot nach Artikel 19 Absatz 1 Satz 2 GG wird grundsätzlich bereits durch Artikel 11 dieses Gesetzes genüge getan. Da § 70 ebenfalls das Zitiergebot für andere Eingriffsbefugnisse im BPolG enthält, soll aus Gründen der Einheitlichkeit der Eingriff in Artikel 10 GG zusätzlich zitiert werden.

Zu Artikel 5

Zu Nummer 1

Anpassung des amtlichen Inhaltsverzeichnisses.

Zu Nummer 2 (§ 7 ZFdG)

Mit den Absätzen 5 und 7 wird die - ebenfalls dem § 100j StPO nachgebildete - Befugnis für das Zollkriminalamt (ZKA) zur Bestandsdatenabfrage bei der Erfüllung seiner Gefahrenabwehraufgaben im Rahmen seiner Zentralstellenfunktion geregelt.

Für die Aufgabenerfüllung des ZKA als Zentralstelle, u.a. bei der Durchführung der Amts- und Rechtshilfe gemäß § 3 Absatz 6, ist die Bestandsdatenabfrage von Bedeutung, da hier ausländische Dienststellen inländische Kennungen mitteilen, die zum Zeitpunkt des Ersuchens keinem Zuständigkeitsbereich eines Zollfahndungsamtes zugeordnet werden können. Ein weiterer Anwendungsbereich stellt die mögliche Gefahrenabwehr für die öffentliche Sicherheit im Rahmen der Unterstützung anderer Behörden der Zollverwaltung gemäß § 3 Absatz 1 Nummer 1 und 2 dar.

Zu Nummer 3 (§ 15 ZFdG)

Durch die neuen Absätze 2 und 3 des § 15 ZFdG wird die - ebenfalls § 100j StPO nachgebildete - Befugnis zur Bestandsdatenauskunft auch für eigene Gefahrenabwehraufgaben des ZKA geregelt. Bei der Erfüllung eigener Aufgaben, insbesondere bei der Mitwirkung der Überwachung des Außenwirtschaftsverkehrs sowie bei der Bekämpfung der internationalen Geldwäsche, kann das ZKA durch die neue Regelung in der Folge bereits Hinweisen zu künftigen Straftatbeständen unter Angabe bisher unbekannter Kennungen mit Hilfe einer Bestandsdatenabfrage nachgehen, um unter anderem Maßnahmen nach § 23a ZFDG vorzubereiten und dadurch Straftaten zu verhüten beziehungsweise unbekannte Straftaten aufzudecken.

Zu Nummern 4, 5 und 7 (§ 23f, § 23g und 41a ZFdG)

Die Entschädigungsregelungen für alle Leistungen im Zusammenhang mit der Beauskunftung von Bestands- und Verkehrsdaten nach §§ 7 Absatz 5-7, 15 Absatz 2-4, 23a, 23g werden aus Gründen der Übersichtlichkeit in dem neu aufzunehmenden § 41a zusammengefasst.

Zu Nummer 6 (§ 27 ZFdG)

Bei der Erfüllung ihrer allgemeinen Aufgaben, insbesondere bei der Mitwirkung der Überwachung des Außenwirtschaftsverkehrs sowie des grenzüberschreitenden Warenverkehrs können die ZFÄ durch die neue Regelung der Bestandsdatenabfrage in der Folge bereits Hinweisen zu künftigen Straftatbeständen unter Angabe bisher unbekannter Kennungen nachgehen, um Straftaten zu verhüten beziehungsweise unbekannte Straftaten aufzudecken. Hier wird der Verweis auf die sinngemäße Anwendung der Befugnis des ZKA in diesem Bereich aufgenommen.

Die neu geregelten Befugnisse werden vorliegend nur als Verweis geregelt, weil dies der Systematik des ZFdG entspricht. Auch bei anderen Befugnissen der Zollfahndungsämter wird auf die entsprechende Befugnisnorm für das ZKA verwiesen.

Zu Artikel 6 ( § 8d BVerfSchG)

Zu Absätzen 1 bis 3

Mit der Gesetzesänderung wird das Bundesverfassungsschutzgesetz an die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts, die dieses in seinem Urteil vom 24. Januar 2012 (1 BvR 1299/05) aufgestellt hat, angepasst. Aus systematischen Gründen wird ein - im Wesentlichen dem § 100j StPO nachgebildeter - neuer § 8d eingefügt.

Die Abfrage von Bestandsdaten liefert sowohl wesentliche Daten für die Durchführung von Maßnahmen nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses als auch Informationen, die das Erkenntnisbild von relevanten Personen erheblich vervollständigen können. Die Abfrage ist daher zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Nachrichtendienste erforderlich. In der Vergangenheit wurde diese Abfrage auf § 8 Absatz 1 Bundesverfassungsschutzgesetz in Verbindung mit § 113 Absatz 1 Satz 1 des Telekommunikationsgesetzes gestützt.

Zu Absatz 4

Hinsichtlich der Entschädigung der zur Auskunft verpflichteten Anbieter von geschäftsmäßigen Telekommunikationsdiensten wird auf die einschlägigen Regelungen des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes verwiesen.

Zu Absatz 5

Da § 8c bereits bislang ein Zitiergebot für die Eingriffsbefugnisse nach § 8a BVerfSchG enthält, soll aus Gründen der Einheitlichkeit der Eingriff in Artikel 10 GG für Eingriffe nach § 8d in Absatz 5 zusätzlich zitiert werden, auch wenn dem Zitiergebot grundsätzlich schon durch Artikel 11 genügt wird.

Zu Artikel 7 (§ 2b BNDG)

Durch den neuen § 2b BNDG wird durch Verweis auf § 8d Absatz 1 bis 3 BVerfSchG die Befugnis zur Bestandsdatenauskunft sowie die Entschädigung der zur Auskunft verpflichteten Anbieter von Telekommunikationsdiensten auch für die Aufgabenerfüllung des Bundesnachrichtendienstes geregelt.

Zu Artikel 8

Zu Nummer 1 (§ 4a Satz 2 MADG)

In § 4a Satz 2 MADG wird ein bestehender redaktioneller Fehler behoben.

Zu Nummer 2 (§ 4b MADG)

Durch den neuen § 4b MADG wird durch Verweis auf § 8d Absatz 1 bis 3 BVerfSchG die Befugnis zur Bestandsdatenauskunft sowie die Entschädigung der zur Auskunft verpflichteten Anbieter von geschäftsmäßigen Telekommunikationsdiensten auch für die Aufgabenerfüllung des Militärischen Abschirmdienstes geregelt.

Zu Artikel 9

Die Bestandsdatenauskunft anhand von dynamischen Internetprotokoll-Adressen stellt einen Eingriff in Artikel 10 Absatz 1 des Grundgesetzes dar. Für derartige Eingriffe gilt das Zitiergebot gemäß Artikel 19 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Dem Zitiergebot wird mit der Vorschrift entsprochen.

Zu Artikel 10

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.

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Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz: NKR-Nr. 2204:
Gesetz zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes und zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft

Der Nationale Normenkontrollrat hat den oben genannten Entwurf geprüft. Das Regelungsvorhaben hat keine Auswirkungen auf den Erfüllungsaufwand.

Der Nationale Normenkontrollrat hat im Rahmen seines gesetzlichen Prüfauftrages keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben.

Catenhusen Prof. Kuhlmann
Stellv. Vorsitzender Berichterstatterin