961. Sitzung des Bundesrates am 3. November 2017
A
Der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik (AIS), der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV) und der Ausschuss für Familie und Senioren (FS) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
Zur Vorlage allgemein
- 1. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich das Vorhaben der Kommission, mit der Verordnung einen Rahmen für ein europaweites privates Altersvorsorgeprodukt (PEPP) zu schaffen, das die Lücke in der Altersvorsorge schließen soll.
- 2. Mit dem Verordnungsvorschlag soll als Beitrag zur Verwirklichung der Kapitalmarktunion ein möglichst einfaches, transparentes, verbraucherfreundliches, kostengünstiges und europaweit portables Altersvorsorgeprodukt geschaffen werden, um die bestehenden Systeme in den Mitgliedstaaten zu ergänzen und die Verbreitung der kapitalgedeckten Altersvorsorge zu steigern. Aus Sicht des Bundesrates ist es wichtig, Fehlentwicklungen auf dem Markt für private Altersvorsorgeprodukte, wie zum Beispiel überhöhte Kosten und intransparente, für die Vorsorgenden nicht verständliche Angebote und Produktgestaltungen, weiter zu verringern.
Insbesondere ist aus Verbraucherschutzsicht die erleichterte Fortführung von Altersvorsorgeverträgen bei einem Wohnsitzwechsel in einen anderen Mitgliedstaat positiv zu bewerten.
Die den Mitgliedstaaten überlassene Festlegung wichtiger PEPP-Bedingungen in der Anspar- und Auszahlungsphase, unter anderem Altersgrenzen, Mindestzeiten und Beitragshöhen sowie das Ob und Wie der staatlichen Förderung, wird außerdem begrüßt.
Der Bundesrat sieht allerdings nur wenige Vorteile für die Verbraucherinnen und Verbraucher gegenüber den bestehenden Altersvorsorgeprodukten, wenn die Regelungen für ein PEPP auf Vorgaben zur Begrenzung der Vertriebs- und Verwaltungskosten verzichten, die zu Lasten der Rendite gehen.
Darüber hinaus sind nach Auffassung des Bundesrates viele wichtige verbraucherpolitische Aspekte nicht ausreichend geregelt, die von der Bundesregierung im EU-Gesetzgebungsverfahren aufgegriffen werden sollten.
Die Regelungen für ein PEPP sollten ein Mindestmaß an Vorgaben zur vertragsrechtlichen Gestaltung enthalten, die sich beispielsweise an den Vorschriften des Gesetzes über die Zertifizierung von Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen (Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz - AltZertG) zum Widerrufsrecht, zur Beitragsfreistellung, zur Kündigung und zum Rücktritt bei Verletzung von Informationspflichten orientieren könnten.
- 8. Der Bundesrat stellt fest, dass eine Umsetzung des Vorschlags auch Auswirkungen auf die deutsche Konzeption der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge haben könnte. Denn der Verordnungsvorschlag zielt im Zusammenhang mit der Regelung der Mitnahmefähigkeit durch sogenannte Compartments auch darauf ab, dass die im jeweiligen Wohnsitzmitgliedstaat bestehenden Steueranreize genutzt werden können.
Zu berücksichtigen sind auch mögliche steuerliche Konsequenzen in der Auszahlungsphase der geförderten Altersvorsorgeprodukte.
- 9. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass gerade bei der finanziellen Absicherung für das Alter ein besonderes Bedürfnis nach Planbarkeit und Verlässlichkeit besteht. Private Altersvorsorgeprodukte müssen daher in Deutschland - vor allem, wenn sie staatlich gefördert werden sollen - bestimmten Anforderungen genügen. Der Bundesrat erachtet vor diesem Hintergrund eine lebenslange Auszahlung der Leistung als wichtiges Merkmal für ein förderfähiges privates Altersvorsorgeprodukt. Andere Auszahlungsmodalitäten, wie eine ratierliche oder einmalige Auszahlung, können die Gefahr bergen, dass das angesparte Kapital vorzeitig verbraucht wird und das Ziel einer langfristigen Alterssicherung nicht erreicht werden kann.
- 10. Der Bundesrat hält eine der Riester-Förderung vergleichbare Förderung der PEPP-Produkte für nicht angezeigt. Das gilt schon deshalb, weil der Kreis der PEPP-Sparer und -Sparerinnen nach dem Verordnungsvorschlag weiter gefasst ist als der Kreis der Riester-Förderberechtigten.
- 11. Der Bundesrat sieht die Gefahr, dass freie Auszahlungsmöglichkeiten und ein unbeschränkter Kreis der PEPP-Sparer und -Sparerinnen auch auf reine Inlandssachverhalte ausstrahlen könnten. Dies könnte im Ergebnis zudem bei künftigen Harmonisierungsbestrebungen dazu führen, dass eine differenzierte staatliche Förderung und die angestrebte Versorgungssicherheit im Alter nicht mehr gewährleistet wären.
- 12. Der Bundesrat gibt zu bedenken, dass die Produktpalette im Bereich der privaten Altersvorsorge in einigen Mitgliedstaaten bereits jetzt sehr breit ist.
- 13. Der Bundesrat sieht bei dem Verordnungsvorschlag die Gefahr, dass Verbraucherinnen und Verbraucher durch die Bezeichnung der PEPPs als "europaweites privates Altersvorsorgeprodukt" dem Produkt ungeprüft vertrauen.
- 14. Die verschiedenen Produkte sind zwangsläufig nicht für alle Verbraucherinnen und Verbraucher mit ihren verschiedenen Lebensentwürfen und -situationen geeignet.
- 15. Unter den PEPPs können sich Produkte mit verschiedenen Ausgestaltungen und Risiken befinden, die zwangsläufig nicht für alle Verbraucherinnen und Verbraucher mit ihren verschiedenen Lebensentwürfen und -situationen geeignet sein können.
- 16. Durch die Zulassung und Kennzeichnung als PEPP kann bei Verbraucherinnen und Verbrauchern jedoch der Eindruck entstehen, es handele sich um genormte Standardprodukte, deren Abschluss für alle Verbraucherinnen und Verbraucher empfehlenswert und geeignet sei. Dies kann dazu führen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher bei einer Beratung zu einem PEPP weniger kritisch die Geeignetheit für den eigenen Bedarf hinterfragen. Ferner besteht das Risiko, dass Verbraucherinnen und Verbraucher gänzlich auf eine Beratung verzichten, da sie diese fälschlicherweise bei PEPPs für nicht notwendig halten.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum) zu Ziffern 13, 15 und 16:
Die private Altersvorsorge bildet eine wichtige Säule zur Absicherung der finanziellen Versorgung im Alter, da die staatliche Rente meist nicht mehr bedarfsdeckend ist. Umso wichtiger ist es, dass Verbraucherinnen und Verbraucher aus einer Vielzahl von Produkten das für sie passende Altersvorsorgeprodukt abschließen. Derzeit ist es für Verbraucherinnen und Verbraucher sehr schwer, sich einen Überblick über die bestehenden Altersvorsorgeprodukte zu verschaffen und ein geeignetes Produkt auszuwählen.
Der Abschluss eines privaten Altersvorsorgeprodukts ist eine weitreichende Entscheidung, die sich darauf auswirkt, inwieweit man im Alter finanziell abgesichert ist.
- 17. Es muss daher vermieden werden, dass durch die Kennzeichnung als PEPP der Eindruck entsteht, dass diese Produkte grundsätzlich und unbedingt empfehlenswert seien.
- 18. Der Bundesrat ist weiterhin der Ansicht, dass zumindest der Erhalt der eingezahlten Beiträge und der staatlichen Förderung garantiert sein sollte. Dies muss auch nach einem Wechsel des Anbieters gewährleistet sein. Wechselbedingungen und -kosten müssen klaren, verbraucherfreundlichen Regelungen unterliegen. Verträge, bei denen Vertriebs- und Abschlusskosten zu Anfang des Sparens für die gesamte Vertragslaufzeit erhoben werden, sollten nicht im Rahmen von PEPP möglich sein. Ebenfalls sollte eine Kürzung laufender Renten in der Auszahlphase ausgeschlossen sein.
- 19. Des Weiteren sind aus Sicht des Bundesrates noch zahlreiche Fragen zur praktischen Umsetzung der Verordnung zu klären. Dies betrifft insbesondere Fragen zur Anwendung des nationalen Vertragsrechts, zur zumutbaren Klärung von Streitigkeiten und zur Durchführung der Aufsicht.
- 20. Der Bundesrat hält eine ausreichende Insolvenzsicherung für zwingend erforderlich.
- 21. Eine auch nur mittelbare Haftung der Sozialpartner für die Tragfähigkeit der PEPP lehnt der Bundesrat ab.
- 22. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Auswirkungen neuer unionsweiter Instrumente auf die nationalen Sozialversicherungssysteme und auf Betriebsrentenmodelle sorgfältig zu prüfen sind.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum) zu Ziffern 2, 4, 8 bis 12, 14, 17 bis 22:
Die kapitalgedeckte zusätzliche Altersvorsorge ist in Deutschland eine der drei Säulen, auf denen die finanzielle Absicherung im Alter aufbaut. Daher muss sichergestellt sein, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher bis zu ihrem Tode ein stetiges und planbares Einkommen erhalten. Insofern ist zusätzliche Altersvorsorge mehr als ein bloßer Sparprozess und unterliegt - besonders wenn sie staatlich gefördert wird - besonderen Anforderungen.
Die Vorgaben des Verordnungsvorschlages bleiben teilweise hinter diesen Anforderungen zurück.
Im Übrigen könnte eine höhere Zahl an Produkten für die private Altersvorsorge zu einer Intensivierung des Wettbewerbs führen und so Finanzdienstleister zur Verbesserung ihres Sortiments zwingen. Dies könnte dazu beitragen, dass Fehlentwicklungen auf dem Markt für private Altersvorsorgeprodukte wie beispielsweise überhöhte Kosten oder Intransparenz beseitigt werden. Allerdings darf in diesem Zusammenhang nicht die Verbrauchersicht außer Acht bleiben. Aus Verbrauchersicht gibt es in Deutschland bereits heute nicht zu wenige, sondern eher zu viele Angebote für eine private Altersvorsorge. Der Markt, die Vergleichbarkeit, die Rendite und die Sicherheit der Angebote sind völlig unübersichtlich. Es darf nicht zu einer Absenkung von Standards kommen. Altersvorsorge gewinnt nur dann an Attraktivität, sofern sich durch PEPP auch aus Verbrauchersicht Verbesserungen für die Vorsorgenden ergeben.
Auch im Hinblick auf die praktische Durchführung sind noch einige Fragen ungeklärt:
Offen ist beispielsweise, welches nationale Vertragsrecht jeweils Anwendung finden soll. Die Durchsetzung der Verbraucherrechte dürfte erheblich erschwert werden, wenn die Verbraucherinnen und Verbraucher sie vor einem ausländischen Gericht nach den im Sitzstaat des Anbieters geltenden gesetzlichen Regelungen einklagen müssen. Es ist zweifelhaft, ob alle Rechtsstreitigkeiten im Rahmen des vorgesehenen alternativen Verfahrens zur außergerichtlichen Streitbeilegung ausgeräumt werden können.
Unklar ist außerdem, welche nationalen Aufsichtsbehörden im Einzelfall zuständig sind (nur die Behörden am Sitz des Anbieters oder die jedes Staates, in dem der Anbieter aktiv ist?) und wie weit die Eingriffsmöglichkeiten der EIOPA zur Koordinierung der nationalen Aufsichtsbehörden reichen.
Ein großer Vorteil von PEPPs kann in den damit verbundenen Erleichterungen für den Umzug in andere Mitgliedstaaten liegen. Auch die vorübergehende Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat wird erleichtert. Gerade Deutschland könnte insofern profitieren, als Fachkräften die vorübergehende Tätigkeit in Deutschland erleichtert wird. Auch wenn das PEPP europaweit mitnahmefähig sein soll, werden sich die unterschiedlichen nationalen Regelungen auf das Produkt auswirken: Haben Mitgliedstaaten beispielsweise unterschiedliche Grenzen für die Inanspruchnahme der Altersleistungen festgelegt, sollen offensichtlich nur die Leistungen aus dem "Compartment" ausgezahlt werden, dessen Altersgrenze schon erreicht ist.
Darüber hinaus bleibt abzuwarten, ob es sich bei PEPP in der Praxis tatsächlich um ein Standardprodukt handelt oder es je nach Anbieter eine Vielzahl unterschiedlicher Varianten geben wird. Die Einführung des PEPP könnte daher die Komplexität im Bereich der zusätzlichen Altersvorsorge noch erhöhen.
Zu einzelnen Vorschriften
- 23. Gegen eine Zulassung von Verwaltern Alternativer Investmentfonds als Anbieter von PEPP (Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe f des Verordnungsvorschlags) hat der Bundesrat Bedenken. Alternative Investmentfonds (AIF), die nicht in Wertpapiere, sondern in sonstige Vermögenswerte investieren (zum Beispiel Immobilienfonds, Filmfonds, Schiffsfonds), haben sich in Deutschland immer wieder als sehr risikoreich und damit nicht geeignet für die Altersvorsorge erwiesen. Das gegenüber wertpapiergestützten Investmentfonds erhöhte Risiko ist vor allem dadurch bedingt, dass regelmäßig nur in eine Kategorie von wirtschaftlichen Unternehmungen investiert wird (zum Beispiel Immobilien) und es damit an einer ausreichenden Risikostreuung fehlt. Auch ist ein AIF grundsätzlich nicht auf regelmäßige Auszahlungen nach einer mehrjährigen Ansparphase mit regelmäßigen Beiträgen ausgerichtet, was jedoch ein wesentliches Merkmal von Altersvorsorgeprodukten sein sollte.
- 24. Nach Auffassung des Bundesrates sollte Artikel 21 des Verordnungsvorschlags dahingehend geändert werden, dass beim Vertrieb von PEPP außerhalb des Fernabsatzes den Kundinnen und Kunden die Unterlagen und Informationen sowohl in Papierform als auch in elektronischer Form auf einem dauerhaften Datenträger angeboten werden. Dies gilt insbesondere für das Basisinformationsblatt, das die Kundinnen und Kunden beim Beratungsgespräch leicht und ohne technische Hilfsmittel einsehen können sollen.
- 25. Eine umfassende Beratungspflicht des PEPP-Anbieters ist auch im Bereich des Online-Vertriebs zu gewährleisten. Die Möglichkeiten des Beratungsverzichts bei der Standard-Anlageoption (Artikel 26 des Verordnungsvorschlags) werden vom Bundesrat kritisch gesehen, da auch bei risikoarmen Produkten eine Abstimmung auf die individuellen Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden notwendig ist und die Produkte sehr unterschiedlich gestaltet sein können. Hinzu kommt, dass auch die Standard-Anlageoption mangels garantierten Inflationsausgleichs wirtschaftlich gegenüber anderen Vorsorge-und Anlageoptionen nachteilig sein kann.
- 26. Der Verordnungsvorschlag sollte die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Informations- und Beratungspflichten regeln oder zumindest einen ausdrücklichen Regelungsauftrag für die Mitgliedstaaten enthalten. Das zeitlich befristete Rücktrittsrecht, das § 7 Absatz 3 AltZertG für unterlassene, fehlerhafte oder unvollständige Produktinformationen vorsieht, wird als sinnvoller Mindeststandard in Ergänzung zu verschuldensabhängigen Instrumenten wie Schadensersatzansprüchen angesehen.
- 27. Der Bundesrat sieht die Möglichkeit von fünf verschiedenen Anlageoptionen (Artikel 34 des Verordnungsvorschlags), die jeder PEPP-Anbieter unterschiedlich ausgestalten kann, kritisch. Ohne klare gesetzliche Vorgaben zur Gestaltung und Risikoeinstufung der jeweiligen Anlageoptionen fehlen den Verbraucherinnen und Verbrauchern verlässliche Anhaltspunkte für die Beurteilung der Produkte und die Auswahlentscheidung. Um den Zugang zu leicht verständlichen Altersvorsorgeprodukten, die auf Grund der Zweckbestimmung der Altersvorsorge zudem nicht spekulativ sein sollten, zu erleichtern, wird eine Beschränkung auf eine Standard-Anlageoption und höchstens zwei weitere risikoorientiertere Anlageoptionen als vorzugswürdig angesehen.
- 28. Die beabsichtigten Regelungen zum Wechsel der Anlageoption (Artikel 36 des Verordnungsvorschlags) und des Anbieters (Artikel 45 des Verordnungsvorschlags) tragen aus Sicht des Bundesrates den Belangen der Verbraucherinnen und Verbraucher nicht ausreichend Rechnung. Zum einen sind die Wechselfristen von fünf Jahren gegenüber den im deutschen Recht bestehenden Wechselmöglichkeiten deutlich zu lang bemessen. Insbesondere im Falle von behördlich festgestelltem Fehlverhalten des Anbieters müssen die Kundinnen und Kunden die Möglichkeit haben, innerhalb kurzer Zeit zu reagieren. Zum anderen schränkt die Möglichkeit des abgebenden PEPP-Anbieters, ein Wechselentgelt in Höhe von 1,5 Prozent des angesparten Guthabens zu erheben, den Wettbewerb und die Auswahl der Kundinnen und Kunden vor allem gegen Ende der Ansparphase unangemessen stark ein. Außerdem sollte der Verordnungsvorschlag auch einen Wechsel zu einem Anbieter eines Altersvorsorgeprodukts ermöglichen, das, ohne als PEPP zugelassen zu sein, die mitgliedstaatlichen Anforderungen für eine Förderung von PEPP erfüllt.
- 29. Der Bundesrat regt an, den Verbraucherinnen und Verbrauchern jährlich wiederkehrend und unaufgefordert eine PEPP-Leistungsinformation zukommen zu lassen, um eine umfassende Verbraucherinformation über den Stand des privaten Altersvorsorgeprodukts zu gewährleisten.
- 30. Bei Altersvorsorgeprodukten wird eine besondere Notwendigkeit gesehen, die Verbraucherinnen und Verbraucher vor Verlustrisiken zu bewahren. Es wäre daher aus Sicht des Bundesrates zu prüfen, ob nicht bereits in der Verordnung selbst die Grundzüge für die notwendigen Maßnahmen zur Risikominimierung verankert werden sollten, anstatt diese ausschließlich der Regelung durch delegierte Rechtsakte zu überlassen (Artikel 39 des Verordnungsvorschlags).
- 31. Die öffentliche Bekanntmachung von verwaltungsrechtlichen Sanktionen (Artikel 59 des Verordnungsvorschlags) auf den Websites der zuständigen Behörden wird vom Bundesrat grundsätzlich begrüßt. Er regt jedoch an, die Bekanntmachung um strafrechtliche Sanktionen zu erweitern. Außerdem sollte mit Blick auf die grenzüberschreitenden Angebote von PEPP sichergestellt werden, dass die Kundinnen und Kunden auf der Website der zuständigen Stelle Informationen über alle in der EU gegenüber PEPP-Anbietern verhängten Sanktionen erhalten und diese nicht auf mitgliedstaatliche Maßnahmen beschränkt bleiben.
- 32. Zudem wäre aus Sicht des Bundesrates eine Klarstellung von Artikel 59 des Verordnungsvorschlags dahingehend wünschenswert, dass von einer Bekanntmachung verwaltungsrechtlicher Sanktionen und Abhilfemaßnahmen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur abgesehen werden kann, wenn dies Maßnahmen auf Grund unerheblicher Rechtsverstöße betrifft und unter Berücksichtigung der Verbraucherinteressen vertretbar ist.
Zu Produkten der Altersvorsorge
- 33. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass mit den Anforderungen der Verordnung nicht per se neue und aus Verbrauchersicht vorzugswürdige Produkte der privaten Altersvorsorge geschaffen werden. Vielmehr können auch bereits am Markt bestehende Produkte von Finanzunternehmen als PEPP qualifiziert werden, sofern die Anforderungen des Verordnungsvorschlags erfüllt sind.
Der Bundesrat ist der Ansicht, dass es aber zumindest auf dem deutschen Markt der privaten Altersvorsorge bisher an Basisprodukten mangelt, die einfach ausgestaltet, kostengünstig und transparent sind und die idealerweise von einer Non-Profit-Organisation angeboten würden. Der Bundesrat hält dies für wichtige Kriterien eines verbraucherfreundlichen Produkts der privaten Altersvorsorge.
- 34. Ein geeignetes Beispiel ist das sogenannte Vorsorgekonto, welches von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg, der ÖKO-TEST Verlag GmbH und dem Bund der Versicherten e.V. auf der Basis der Idee der Verbraucherkommission Baden-Württemberg entwickelt und weiter konkretisiert wurde. Das Vorsorgekonto ermöglicht Verbraucherinnen und Verbrauchern die Wahl einer verlässlichen und kostengünstigen Alternative. Die Ansiedlung des Vorsorgekontos könnte unter dem Dach der Deutschen Rentenversicherung als Non-Profit-Organisation - bei strikter organisatorischer, struktureller, haushälterischer und personeller Trennung zum Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung - erfolgen. Da die Deutsche Rentenversicherung als staatliche Stelle keine Abschluss- oder Vertriebskosten erheben und keine Gewinnerzielung verfolgen wird, fallen einige Kosten weg, die private Finanz- oder Versicherungsunternehmen veranschlagen würden.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum) zu Ziffern 33 und 34:
Auch bestehende Riester-Verträge weisen aus verbraucherpolitischer Sicht Schwachstellen auf. Die wesentlichen Kritikpunkte an den bisherigen Riester-Verträgen sind die Komplexität der Verträge, zu geringe Renditen und zu hohe Kosten sowie die geringe Inanspruchnahme.
Die Einführung des sogenannten Vorsorgekontos auf nationaler Ebene könnte eine neue Alternative für Verbraucherinnen und Verbraucher bei der privaten Altersvorsorge aufzeigen. Es soll den Verbraucherinnen und Verbrauchern eine möglichst transparente, rentable und kostengünstige Alternative zu bestehenden Riester-Verträgen bieten. Dies mit einer angemessenen Rendite, aber vor allem mit einem niedrigen Risiko. Die Zielsetzung ist nicht die maximale Vermehrung des Vermögens, sondern die Absicherung des Lebensstandards im Alter. Verbraucherinnen und Verbraucher erhalten die Möglichkeit, sich im Rahmen des dichten Dschungels der Altersvorsorgeverträge für eine transparente Alternative zu entscheiden. Dazu müssen sie nicht aufwändig Produkte vergleichen und sich mit unterschiedlichen Vertragsbedingungen und Rechenmodellen auseinandersetzen, die ohne spezielles Fachwissen nur schwer zu durchblicken sind. Verbraucherinnen und Verbraucher bekommen vielmehr die Möglichkeit, eine Anlageform zu wählen, die von einer unabhängigen Instanz ohne Gewinnerzielungsabsicht verwaltet wird, die nur im Interesse der Anlegerinnen und Anleger handelt. So können sie die Rentenlücke ausgleichen, die durch die Absenkung des Rentenniveaus entsteht.
Das Modell des Vorsorgekontos wurde von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg, der ÖKO-TEST
Verlag GmbH und dem Bund der Versicherten e.V. auf der Basis der Idee der Verbraucherkommission Baden-Württemberg entwickelt und weiter konkretisiert. Zwischenzeitlich wurde das Vorsorgekonto durch Hochrechnungen ergänzt.
Bei dem Vorsorgekonto handelt es sich um eine Zusatzversorgung, die als Riester-Förderung oder betriebliche Altersvorsorge ausgestaltet werden kann.
Die rechtliche Machbarkeit des Vorsorgekontos wurde unter anderem vom Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages bestätigt.
- 35. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die Einführung eines Vorsorgekontos auf nationaler Ebene zu prüfen und die zur Einführung notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen. Dadurch kann das Ziel des Verordnungsvorschlags zu PEPP-Produkten, dass mehr Verbraucherinnen und Verbraucher ihre private Altersvorsorge regeln, schnell, nachhaltig und transparent erreicht werden. Ein Vorsorgekonto auf nationaler Ebene könnte auch als Vorbild für andere Mitgliedstaaten dienen.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum) zu Ziffer 35:
Bei der Einführung eines Vorsorgekontos in Form eines staatlich geförderten Basisproduktes für die private Altersvorsorge handelt es sich um eine seit Jahren aufgestellte Forderung des Verbraucherschutzes. Zuletzt haben die Verbraucherschutzministerinnen und -minister der Länder die Bundesregierung im Jahr 2016 aufgefordert, die Einführung eines staatlich geförderten Basisproduktes für die private Altersvorsorge in Form eines Vorsorgekontos sowie eines zentralen Rentenfonds zu prüfen.
B
- 36. Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union, der Finanzausschuss, der Rechtsausschuss und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.