Der Bundesrat hat in seiner 907. Sitzung am 1. März 2013 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst.
Anlage
Entschließung des Bundesrates zur Bekämpfung des Abmahnmissbrauchs
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf einzubringen, der den auf der Grundlage des derzeitigen Urheberrechts in erheblichem Ausmaß stattfindenden Abmahnmissbrauch endlich beendet.
Gegenstand eines solchen Gesetzentwurfs muss insbesondere eine Begrenzung des Streitwerts bei einmaligen geringfügigen Urheberrechtsverstößen auf 500 Euro sein, um so die im Zuge einer Abmahnung anfallenden Kosten künftig auf ein verhältnismäßiges Maß zu beschränken.
Begründung:
Bereits seit längerem sind unseriöse Geschäftspraktiken im Bereich des Abmahnwesens Thema in der öffentlichen und politischen Diskussion. Verbraucher werden von hierauf spezialisierten Anwaltskanzleien - häufig verbunden mit völlig überzogenen Honorarforderungen - massenhaft ohne Einzelfallprüfung per Standardschreiben abgemahnt, weil sie im Internet bewusst oder unbewusst - und zudem oft genug in nur geringfügigem Ausmaß - Urheberrechtsverstöße begangen haben (sollen). Bei den Betroffenen - auch denen, die eine Rechtsverletzung durchaus eingestehen - entsteht so der Eindruck, dass es hier gar nicht um die Abmahnung als solche, sondern um das reine Gewinnoptimierungsstreben einer regelrechten Abmahnindustrie geht. Gleichwohl scheuen viele Betroffene aus Angst vor dem für sie vielfach nicht abschätzbaren Kostenrisiko eine gerichtliche Auseinandersetzung und zahlen statt dessen den ihnen mit der Abmahnung regelmäßig angebotenen, oftmals überhöhten "Vergleichsbetrag". Das - zweifellos schützenswerte - Urheberrecht verliert so unaufhaltsam an Akzeptanz. Das im Grundsatz bewährte und effektive zivilrechtliche Institut der Abmahnung wird durch entsprechendes Vorgehen in Misskredit gebracht. Der eigentliche Abmahnzweck - die berechtigte Ahndung von Verletzungshandlungen - rückt in der öffentlichen Wahrnehmung völlig in den Hintergrund; Abmahnungen werden nur noch als "Abzocke" wahrgenommen.
Welches Ausmaß das "Abmahn(un)wesen" inzwischen erreicht hat, zeigen eindrücklich die von dem Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) mit Erklärung ("Fakten zu Abmahnungen wegen Urheberrechtsverstößen") vom 21. Juni 2012 veröffentlichten Zahlen:
- - Danach hat eine im Auftrag des VZBV durchgeführte repräsentative Umfrage von infratest dimap ergeben, dass rund zwei Drittel der Bundesbürger ab 14 Jahren von solchen Abmahnungen gehört haben und rund sechs Prozent schon einmal selbst abgemahnt wurden. Das sind rund 4,3 Millionen Menschen. - Aufgrund eigener Erhebungen geht der VZBV zudem davon aus, dass Verbraucher durchschnittlich 800 Euro für eine Abmahnung zahlen, wobei den Abmahnungen durchschnittlich ein Streitwert von 10 000 Euro pro Musiktitel zu Grunde gelegt wird.
- - Erhebungen des Verbandes der deutschen Internetwirtschaft (eco) zufolge geben Internetzugangsprovider nach richterlichem Beschluss pro Monat die Benutzerdaten von Anschlussinhabern zu rund 300 000 IP-Adressen heraus (Stand Mai 2011).
- - Der "Verein gegen den Abmahnwahn" schätzt in seiner Jahresstatistik 2011 auf Grundlage von Befragungen und der Analyse von Forenbeiträgen die Zahl der Abmahnungen für 2011 auf rund 220 000. Die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Gesamtforderungen sollen sich auf rund 165 Millionen Euro belaufen.
Die in der Vergangenheit unternommenen Versuche, dem Phänomen der missbräuchlichen Massenabmahnungen Herr zu werden, haben nicht gefruchtet. Insbesondere ist die im Jahre 2008 mit dem Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums vom 7. Juli 2008, BGBl. I S. 1191, eingeführte Neuregelung in § 97a Absatz 2 des Urheberrechtsgesetzes, die eine Begrenzung des Ersatzes der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen wegen Urheberrechtsverletzungen auf 100 Euro bezweckt, angesichts der Unbestimmtheit der gesetzlichen Regelung, insbesondere der Verwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe "einfach gelagerter Fall" und "unerhebliche Rechtsverletzung" praktisch wirkungslos geblieben.
Mit Blick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19. April 2012 (I ZB 80/11 - "Alles kann besser werden"), auf dessen Grundlage Internet-Provider seither an die Rechteinhaber die Namen und Adressen von Nutzern, die unbefugt Titel auf Online-Tauschbörsen einstellen, auch dann herausgeben müssen, wenn diese nicht in gewerblichem Ausmaß gehandelt haben, dürfte zudem nicht auszuschließen sein, dass die Anzahl von Abmahnungen künftig noch zunehmen, sich die Problematik also weiter zuspitzen wird.
Nach allem steht außer Frage, dass dem Abmahnmissbrauch dringend Einhalt geboten werden muss.